OGH 12Os176/86

OGH12Os176/8626.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhold H*** und Robert W*** wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 und 2, 1. Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen beider Angeklagter gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 27.Oktober 1986, GZ 18 Vr 1486/86-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Reinhold H*** wird Folge gegeben und - gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO auch in Ansehung des Angeklagten Robert W*** - der Wahrspruch der Geschwornen zu den Hauptfragen 1 und 2 sowie das darauf beruhende, im übrigen unberührt bleibende Urteil im Punkt A des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich der Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und das Privatbeteiligtenerkenntnis aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschwornengericht beim Landesgericht Salzburg verwiesen.

Es werden der Angeklagte Robert W*** mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie der Angeklagte Reinhold H*** mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden der am 29.Dezember 1966 geborene Reinhold H*** und der am 15.August 1963 geborene Robert W*** des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB (A), Robert W*** überdies des Vergehens der Weitergabe von Falschgeld oder verringerten Geldmünzen nach § 236 Abs. 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Inhaltlich des von den Nichtigkeitsbeschwerden erfaßten Schuldspruches zu A haben die Genannten am 3.Juni 1986 in Salzburg im bewußten und gewollten Zusammenwirken Mathilde S*** mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie ihr Faustschläge versetzten und sie über die Stiege in den Keller des Hauses Schmiedingerstraße 76 zerrten, sie dort zu Boden warfen und ihr die Kleider vom Körper rissen, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung der Frau, nämlich einen Schädelbruch, Prellungen und Hautabschürfungen an der Stirne, eine Blutunterlaufung unter dem rechten Augenunterlid sowie Hautabschürfungen und Prellungen im Bereich beider Jochbeine und des linken Unterkieferastes sowie eine Bißverletzung an der Innenseite des rechten Oberarmes, zahlreiche Prellungen und Hautabschürfungen an beiden Schultern, beiden Ellbogen und Unterarmen, am Rücken und in der Kreuzbeinregion sowie an beiden oberen und unteren Extremitäten, zur Folge hatte. Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten im Schuldspruch wegen Notzucht mit getrennt ausgeführten, auf die Z 6, vom Angeklagten W*** auch auf die Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden und im Strafausspruch - der Angeklagte W*** auch in Ansehung als Privatbeteiligtenerkenntnisses - mit Berufungen.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Reinhold H*** kommt Berechtigung zu:

Zutreffend rügt dieser Beschwerdeführer das Unterlassen der Stellung einer Eventualfrage zu der ihn betreffenden, auf das Verbrechen der vollendeten Notzucht nach § 201 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB lautenden Hauptfrage 2. Der genannte Angeklagte bestritt nämlich (nicht nur bei der Polizei, siehe u.a. S 25, welche Aussage gemäß § 252 Abs. 2 StPO verlesen wurde [S 350], sondern auch) in der Hauptverhandlung, mangels physischer Fähigkeit hiezu infolge vorangegangenen Alkoholgenusses (s. S 298) mit Mathilde S*** einen Geschlechtsverkehr durchgeführt zu haben (siehe u.a. S 300, 301, 304, 306, 336, 337).

Diese Verantwortung indiziert - ungeachtet ihrer

Glaubwürdigkeit, was der Schwurgerichtshof offensichtlich verkannte (s. S 351) - gemäß § 314 Abs. 1 StPO die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des (bloßen) Versuches des (u.a.) dem Angeklagten H*** zur Last gelegten Deliktes. Unterblieb nämlich, aus welchen Gründen immer, ein - wenn auch nur

unvollständiges - Eindringen des männlichen Gliedes in das weibliche Geschlechtsorgan, liegt (unter den Voraussetzungen des § 15 StGB) bloß versuchte Notzucht vor. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der (teilweise leugnenden) Verantwortung des Angeklagten H*** (im Verhältnis zu den ihn belastenden Verfahrensergebnissen) ist ausschließlich Sache der Geschwornen im Rahmen der Beantwortung der an sie gerichteten Fragen.

Das angefochtene Urteil ist aber auch hinsichtlich des Mitangeklagten W***, der (ebenso wie der öffentliche Ankläger) diese Verletzung der Fragestellung nicht gerügt hat, mit dem eben erörterten Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO behaftet, sodaß der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*** gemäß §§ 290 Abs. 1 (zweiter Fall), 344 StPO vorzugehen und die sich auch zum Nachteil des Angeklagten W*** auswirkende Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen hatte. Denn auch der Angeklagte W*** bestreitet die Vornahme eines Geschlechtsverkehrs mit Mathilde S***. Er gestand allerdings die ihm vorgeworfene, im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Reinhold H*** begangene Gewaltanwendung als Mittel zur Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit des Tatopfers. Verantwortet nun der Mittäter H*** seiner Verantwortung zufolge bloß das versuchte Verbrechen der Notzucht und führte auch W***, wie er angab, keinen Geschlechtsverkehr durch, wäre auch sein Verhalten (bloß) unter dem Gesichtspunkt des versuchten Verbrechens der Notzucht einer Beurteilung im Rahmen der (Eventual-)Fragestellung zu unterziehen. Die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung kann für alle unmittelbaren (Mit-)Täter nur einheitlich beurteilt werden (vgl Kienapfel, AT E 3 Rz 21 und dort zitierte Judikatur). Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden (§§ 314 Abs. 1, 345 Abs. 1 Z 6; 290 Abs. 1, 344; 349 StPO). Für das erneuerte Verfahren wird darüber hinaus auf folgendes verwiesen:

Sollte der Angeklagte H*** weiterhin bestreiten, einen Geschlechtsverkehr mit Mathilde S*** geplant zu haben, und die Frau nur "aus Wut" geschlagen (und verletzt) zu haben (siehe u.a. S 296, 301, 306 oben), wird sich - abermals ungeachtet der Glaubwürdigkeit dieser Verantwortung - die Notwendigkeit einer Eventualfrage auch in Richtung Körperverletzung ergeben. Die Unterlassung der Stellung einer solchen Eventualfrage wurde, wie der Vollständigkeit halber bemerkt wird, in den vorliegenden Rechtsmitteln nicht gerügt. Zur Frage der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beitragstäterschaft beim (zweiaktigen) Verbrechen der Notzucht im Falle (bloßer) Mitwirkung an der Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit (ohne jedoch einen Beischlaf zu versuchen oder durchzuführen) vertritt der Oberste Gerichtshof die Ansicht, daß auch jener Tatbeteiligte, der den Beischlaf nicht unternimmt bzw. versucht, als Mittäter haftet (in diesem Sinn LSK 1985/64; Leukauf-Steininger, Komm z. StGB 2 RN 15 zu § 201; Trifterer AT 398; Kienapfel AT E 3 Rz 16; ders. in ÖJZ 1979, 93; siehe auch SSt 48/71; a.M. 10 Os 19/85 und 10 Os 94/85, ferner Pallin im WK Rz 6 und Foregger-Serini im MKK 3 Erl. I je zu § 201 StGB).

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