OGH 10Os19/85

OGH10Os19/8519.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner (Berichterstatter), Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton A u.a. wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Herbert B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 12.Dezember 1984, GZ 5 a Vr 895/84-71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten B zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (unter anderen) der Angeklagte Herbert B der Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er, Anton A, Walter C und Hans D in der Nacht zum 28.Mai 1984 in Wien in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken (§ 12 StGB) Petra E vorsätzlich mit Gewalt gegen ihre Person, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) widerstandsunfähig machten, indem sie die Genannte am Verlassen einer Wohnung gewaltsam hinderten, dabei die Tür zuhielten und versperrten, sie würgten und bedrohten, gewaltsam zu einem Bett zerrten, mit Gewalt niederhielten und entkleideten, sowie sie in diesem Zustand mehrfach zum außerehelichen Beischlaf und überdies außer dem Fall der Notzucht mehrfach zur Unzucht, nämlich zur Durchführung von Mundverkehr, mißbrauchten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft (allein) der Angeklagte B mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5, 9 li.t a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an. Die Verfahrensrüge (Z. 4) wendet sich gegen die Abweisung der Anträge auf Vernehmung von Rudolf und Philomena E, Konstantin F und Günther G als Zeugen zu Themen, die für die Beurteilung der 'Größe seiner Schuldkomponente' von Wichtigkeit seien.

Damit wird aber nur eine (mögliche) Relevanz für die Beurteilung der Straffrage behauptet. Die Abweisung eines weder für das anzuwendende Strafgesetz noch für den anzuwendenden Strafsatz relevanten Beweisantrages vermag aber Nichtigkeit des Schuldspruches nicht zu bewirken, weil diesbezüglich Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt wurden.

In Ausführung der Mängelrüge (Z. 5) vermeint der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe ihn auch wegen 'Handlungen der Mitangeklagten' verurteilt, die ihm nicht einmal zur Kenntnis gelangt seien und hiefür nur unzureichende Gründe angegeben; so habe er doch in der Anfangsphase des Geschehens einen Geschlechtsverkehr mit Snezana F ausgeübt und überhaupt nicht gewußt, daß Petra E am Verlassen der Wohnung gehindert wurde.

In Ansehung bloß einzelner Modalitäten von mehreren (zu einem und demselben Deliktserfolg führenden) Tathandlungen kommt jedoch eine Anfechtung der Entscheidung mit Nichtigkeitsbeschwerde mangels Relevanz für die Schuldfrage oder für das anzuwendende Strafgesetz (§ 295 Abs 1 StPO) nicht in Betracht (vgl. RZ. 1984/89, JBl 1983, 659 u.a.). Dementsprechend geht diese Rüge des Beschwerdeführers schon deswegen fehl, weil sie im Hinblick auf jene Urteilsfeststellungen, wonach er Petra E im weiteren Verlauf wegen ihres Widerstandes würgte, gefährlich bedrohte, gemeinsam mit A und D trotz heftiger Gegenwehr zu einer Bettbank zerrte, dort gewaltsam niederdrückte, unter Mitwirkung auch des C entkleidete sowie sie niederhielt, während A und C abwechselnd Geschlechts- und Mundverkehr mit ihr ausübten, und wonach er ihr überdies einen Schlag in das Gesicht versetzte, als sie ihm einen Mundverkehr verweigerte, keine im Sinn des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache betrifft.

Mit dem weiteren Vorbringen, die Vorfälle vom 28.Mai 1984 bildeten eine Einheit, es könne daher nicht Realkonkurrenz der Tatbestände nach § 201

und 203 StGB vorliegen, weil von jeweils gesonderten Willensentschlüssen einzelner Angeklagter zu jeweils einzelnen Handlungen nicht mehr gesprochen werden könne und sich 'der Vorsatz erkennbar lediglich auf den sexuellen Mißbrauch der Petra E gerichtet' habe, wird im Sinne des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO die Konsumtion des Verbrechens nach § 203 StGB infolge einer nach Meinung des Beschwerdeführers gebotenen Beurteilung des Mundverkehrs lediglich als Begleittat der Notzucht, also das Vorliegen einer bloßen Scheinkonkurrenz, behauptet und die Ausschaltung des diesbezüglichen Schuldspruchs angestrebt. Das Erstgericht stellte jedoch dem entgegen in tatsächlicher Beziehung ausdrücklich - und in Ansehung des Beschwerdeführers ohne die Notwendigkeit einer Erörterung von 'die Gesamtsituation' betreffenden Verfahrensergebnissen, also mängelfrei (Z. 5) - fest, daß es sich beim jeweiligen Mundverkehr um (vom wiederholten, von mehreren Angeklagten ausgeübten Beischlaf) willensmäßig getrennte, auf gesonderten (eigenständigen) Entschlüssen der Angeklagten beruhende Unzuchtsakte handelte (S. 492/I); bereits deshalb nahm es sohin mit Recht echte Realkonkurrenz an.

Einen global auf 'sexuellen Mißbrauch' der Petra E schlechthin gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers stellte daher das Erstgericht, der Rechtsrüge zuwider, gar nicht fest; insofern sind die Beschwerdeausführungen demnach urteilsfremd und bringen den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Im übrigen könnten aber - wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei - die vom Beischlaf verschiedenen Unzuchtsakte der (zusammenwirkenden) Angeklagten nach ihrer Intensität auch objektiv keineswegs mehr als bloße Begleittaten angesehen werden (vgl. Mayerhofer/Rieder, StGB 2 ENr. 33, Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN. 25 und 26, Pallin im WK., Rz. 28 alle zu § 201).

Soweit der Beschwerdeführer aber vermeint, daß er in Ansehung des Verbrechens nach § 201 StGB zu Unrecht als unmittelbarer Täter verurteilt worden sei (Z. 10), ist ihm zwar jedenfalls in bezug auf die Annahme vollendeter unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) - entgegen der von der Generalprokuratur in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen gegenteiligen Ansicht - im Hinblick darauf beizupflichten, daß er nach den Urteilsfeststellungen wohl unmittelbar an der Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit der Petra E mitwirkte, jedoch nicht selbst den Beischlaf mit ihr vollzog. Wird doch mit dem - als zweiaktiges Delikt gestalteten - Tatbestand nach § 201 StGB (im Gegensatz zu § 202 StGB; vgl. SSt. 48/71) ein hinsichtlich des zweiten Teilaktes, also des Beischlafs, 'eigenhändiges' Delikt normiert, welches nur durch den Täter des ersten Teilaktes, nämlich eines am Widerstandsunfähigmachen des Opfers Beteiligten (§ 12 erster bis dritter Fall StGB), in unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) begangen werden kann (vgl. Pallin im WK., Rz. 4 zu § 201; Mayerhofer/Rieder, StGB 2 ENr. 26); wer nur bei der Brechung des Widerstandes mitwirkt, um den Beischlaf eines anderen zu erzwingen, ist demgegenüber Beitragstäter im Sinn des § 12 dritter Fall StGB (vgl. Pallin a.a.O. Rz. 6; Mayerhofer/Rieder a. a.O. ENr. 26 bis 28; a.M.

Leukauf-Steininger, StGB 2 RN. 15 zu § 201).

Nichtsdestoweniger mußte der Beschwerde aber auch insoweit deshalb ein Erfolg versagt bleiben, weil die rechtsirrige Annahme unmittelbarer Täterschaft anstatt eines Tatbeitrags im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen nicht zu einer materiellrechtlichen Urteilsnichtigkeit (Z. 10) führt (vgl. JBl 1984, 267, EvBl 1982/13 u.v.a.).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten B nach § 201 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung bei diesem Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen und eine einschlägige Vorverurteilung, als mildernd sein Alter unter 21 Jahren.

Seiner Berufung, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das (erst) in der (letzten) Hauptverhandlung vom 12.Dezember 1984 ersichtlich unter dem Druck der Beweislast zustandegekommene Geständnis des Berufungswerbers (S. 472/I) ist seinem Inhalt nach von so vielen Vorbehalten begleitet, daß es weder als reumütig angesehen werden kann, noch einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung darstellte. Eine ins Gewicht fallende Bedeutung kommt ihm daher bei der Strafzumessung nicht zu.

Von einer 'relativ untergeordneten' Tatbeteiligung des Berufungswerbers kann schon angesichts der von ihm selbst ausgeübten massiven Gewaltanwendung keine Rede sein.

Die einschlägige Vorverurteilung des Berufungswerbers (wegen § 207 Abs 1 StGB) liegt zwar sieben Jahre zurück, dennoch wurde diese Vortat vom Erstgericht mit Recht als erschwerender Umstand herangezogen, handelte es sich doch damals gleichfalls um einen von mehreren Tätern begangenen sexuellen Mißbrauch eines Mädchens; zudem kann angesichts der weiteren Vorstrafen des Berufungswerbers nicht davon gesprochen werden, daß er sich in der Zwischenzeit bewährt hätte.

Die vom Erstgericht verhängte Strafe ist keineswegs überhöht. Sie steht auch in ausgewogener Relation zu den über die drei weiteren Angeklagten verhängten Strafen, deren Vorleben nicht oder nicht in diesem Maße beschwert ist, wie jenes des Berufungswerbers.

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