OGH 8Ob672/86 (8Ob673/86)

OGH8Ob672/86 (8Ob673/86)26.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Johann H***, geboren am 12. Mai 1933 in Kitzbühel, Tischlermeister, 6370 Reith bei Kitzbühel 98, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte und widerklagende Partei Gertraud H***, geboren am 3. November 1933 in Aurach, Pensionsbesitzerin, 6370 Reith bei Kitzbühel 98, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. Juni 1986, GZ 2 R 156/86-53, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Juni 1985, GZ 9 Cg 434, 559/83-45, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 3.637,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 240,-- und Umsatzsteuer von S 308,85) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 12.5.1933 geborene Kläger und Widerbeklagte (in der Folge als Kläger bezeichnet) und die am 3.11.1933 geborene Beklagte und Widerklägerin (in der Folge als Beklagte bezeichnet) haben am 23.6.1956 vor dem Standesamt Kitzbühel die Ehe geschlossen. Es handelte sich beiderseits um die erste Ehe. Dieser Ehe der Streitteile entstammen fünf bereits volljährige Kinder. Die Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; sie haben ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Reith bei Kitzbühel. Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten im wesentlichen mit der Begründung, sie habe durch aufwendige Lebensweise und durch die Errichtung einer Frühstückspension auf einer ihr gehörigen Liegenschaft, wozu der Kläger erheblich finanziell beigetragen habe, den Konkurs des Tischlereibetriebes des Klägers verschuldet. Obwohl der Kläger auf Grund eines in der Folge genehmigten Zwangsausgleiches bei einem Einkommen von nur S 7.352,-- monatlich mit Zahlungen von S 6.000,-- pro Monat belastet und auf den Beistand der Beklagten angewiesen gewesen wäre, habe diese sich geweigert, ihn zu verköstigen; sie habe ihn als Taugenichts und Parasit bezeichnet und sich auch dahin geäußert, ihren Pensionsbetrieb zu veräußern und den Kläger vor die Tür zu setzen. Seit 1982 verweigere sie den ehelichen Verkehr. Sie unterhalte auch Beziehungen zu anderen Männern.

Die Beklagte begehrte mit ihrer Widerklage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers im wesentlichen mit der Behauptung, dieser habe durch unwirtschaftliche Betriebsführung seinen Konkurs selbst verschuldet und dadurch seine Familie in große wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Der Zwangsausgleich sei von der Beklagten durch Aufnahme von Krediten und Übernahme der Hypotheken finanziert worden. Für die Tilgung dieser Verbindlichkeiten müsse sie monatlich S 23.000,-- aufwenden, welcher Betrag aus der Verpachtung der Tischlerei und aus den Einnahmen aus der Fremdenpension der Beklagten aufgebracht werden müsse. Der Kläger habe seit langem keinen Unterhalt für die Beklagte und seine Familie geleistet. Dennoch nehme er es als selbstverständlich hin, von der Beklagten die Verpflegung und sonstige Versorgung zu bekommen. Er verbringe seine Freizeit nicht mit seiner Familie, sondern mit anderen Frauen und gebe häufig Heiratsannoncen auf. Er habe die Beklagte auch wiederholt beschimpft.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden des Klägers.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Auf der Liegenschaft EZ 196 II KG Reith, die die Beklagte von ihrem Vater geerbt hatte, wurden ein Tischlereibetrieb, den der Kläger als selbständiger Tischlermeister leitete, und die eheliche Wohnung errichtet. Diese Liegenschaft befand sich bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Klägers im Jahr 1977 im Hälfteeigentum beider Ehegatten. Auf der angrenzenden im Alleineigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft EZ 69 II KG Reith wurde eine Frühstückspension errichtet, für die der Kläger Sachleistungen (Tischlereiarbeiten) erbrachte. Diese Fremdenpension wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes gegründet, an der beide Ehegatten zu je 50 % beteiligt waren. Die anfallenden Dienstleistungen wurden von der Beklagten erbracht. Für den Bau dieser Frühstückspension wurde von beiden Streitteilen ein Darlehen über S 1,500.000,-- aufgenommen, das mit einem Betrag von S 1,050.000,-- auf der Liegenschaft der Beklagten grundbücherlich sichergestellt wurde, wobei im Mai 1984 vom Kredit noch ein Betrag von S 138.537,-- aushaftete. Die Rückzahlung dieses Kredites wird vom Kläger getragen, der hiefür monatlich insgesamt S 6.000,-- an Tilgungsraten leistet.

Am 19.10.1977 wurde über das Vermögen des Klägers der Konkurs eröffnet. Während des Konkursverfahrens war der Tischlereibetrieb geschlossen. In dieser Zeit bestritt die Beklagte allein den Unterhalt für die Familie aus den Einkünften der Frühstückspension. In der Folge wurde der Tischlereibetrieb verpachtet und der Kläger vom Pächter gegen eine monatliche Entlohnung von S 7.358,-- eingestellt.

Um einen Zwangsausgleich zu ermöglichen, verkaufte der Kläger mit Kaufvertrag vom 4.7.1978 seinen Hälfteanteil an der gemeinsamen Liegenschaft um einen Kaufpreis von S 500.000,-- an die Beklagte, die sich ihrerseits zur Übernahme aller bücherlich eingetragenen Pfandrechte verpflichtete. Diese pfandrechtlich sichergestellten Forderungen beliefen sich auf ca. S 2,500.000,--. Die Beklagte verpflichtete sich, diese Forderungen sowie ein privat aufgenommenes Darlehen von S 500.000,-- zu tilgen, wofür sie an Annuitäten monatlich S 15.000,-- aufbringen muß. Diesen Tilgungsbetrag bestritt die Beklagte aus den Einkünften ihrer Frühstückspension und aus der Verpachtung des Tischlereibetriebes.

Ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung begann der Kläger, der Beklagten vorzuwerfen, sie hätte durch ihre Verschwendungssucht seine Überschuldung verursacht. Die Beklagte hat jedoch keine auffallende Sorglosigkeit im Umgang mit Geld gezeigt. Die Kleidung der Kinder hat sie zum Großteil selbst geschneidert. Im Jahr 1978 ließ sich der Kläger im Ehevermittlungsinstitut "Glücksburgh" einschreiben, im Jahr 1980 im Ehevermittlungsinstitut "Schlüter". In den Jahren 1980 und 1981 gab er wiederholt Annoncen unter der Rubrik "Bekanntschaft" in der Tiroler Tageszeitung auf. Der Kläger suchte und fand Bekanntschaften mit anderen Frauen und vernachlässigte immer mehr seine Familie. Insbesondere verbrachte er die Wochenenden allein, vor allem beim Sport. Er beschimpfte die Beklagte immer öfter auch vor anderen Personen mit Worten wie "Kuh" und "Trampel". Dies insbesondere dann, wenn er von der Beklagten aufgefordert wurde, etwas zum Unterhalt seiner Familie beizusteuern. Zeitweilig störte er auch den Pensionsbetrieb. Seit Frühjahr 1983 kam es zwischen den Eheleuten zu keinem geschlechtlichen Verkehr mehr. Daß die Beklagte den Geschlechtsverkehr verweigerte, kann nicht festgestellt werden. Fest steht nur, daß die Streitteile während der Fremdenverkehrssaison getrennte Schlafzimmer benützten. Die in der Familie auftretenden Spannungen wurden zumeist vom Kläger verursacht, weil er immer wieder seine Frau und auch seine Töchter beschimpfte.

Im Juni 1984 übernahm er wieder selbst die Tischlerei, verweigerte aber die Zahlung eines Pachtzinses an die Beklagte, obwohl diese den Pachtzins für die Rückzahlung der Tilgungsraten aus dem Zwangsausgleich benötigte. Die Beklagte, die aus der Frühstückspension ca. S 80.000,-- pro Jahr erlöste, mußte aus diesem Einkommen weiterhin allein für den Unterhalt der Streitteile und der noch im Haushalt verbliebenen Kinder aufkommen, da der Kläger nichts zum Unterhalt beisteuerte. Er verbrachte und verbringt auch weiterhin die meisten Wochenenden außer Haus und unternimmt seit September 1983 mit Maria M*** Berg-, Rad- und Langlauftouren. Seit 1977 wird der Kläger zeitweilig an der Universitätsklinik in Innsbruck psychiatrisch behandelt. Er leidet an einer endogenen Psychose. Die Partnersuche durch Heiratsinstitute im Jahr 1980 erfolgte offensichtlich in einer manischen Phase. Seit Jänner 1982 ist sein Zustand wieder relativ gut und stabil; derzeit liegen keine tiefgreifenden psychischen Störungen vor.

Infolge der Weigerung des Klägers, zum Unterhalt der Familie etwas beizutragen, verweigerte ihm die Beklagte seit Juli 1983 die Verköstigung im ehelichen Haushalt.

Daß die Beklagte den Verkauf ihrer Liegenschaft anstrebt oder Beziehungen zu anderen Männern unterhielt, kann nicht festgestellt werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Kläger eine Reihe von schweren Eheverfehlungen begangen habe, wodurch die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet worden sei. Wenn dem Kläger auch die Kontaktaufnahme zu anderen Frauen mittels Heiratsannoncen infolge Verzeihung durch die Beklagte nicht als schuldhafte Eheverfehlung angelastet werden könne, so reichten die übrigen schweren Verfehlungen für eine Scheidung aus seinem Verschulden aus. Hinsichtlich der Beklagten seien hingegen keine schweren Eheverfehlungen erwiesen worden.

Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Scheidung der Ehe aus beiderseitigem Verschulden ab, wobei das Verschulden des Klägers überwiege.

Das Berufungsgericht, das im übrigen die Feststellungen des Erstgerichtes übernahm, traf (nach teilweiser Beweiswiederholung) folgende abweichende bzw. ergänzende Feststellungen:

Die endgültige Zerrüttung der Ehe der Streitteile ist im April 1983 eingetreten. Seither schlafen die Streitteile ständig voneinander getrennt und hat die Beklagte mit dem Kläger auch nichts mehr geredet.

Schon vor diesem Zeitpunkt war es üblich, daß das eheliche Schlafzimmer der Streitteile zur Saison jeweils an Fremdengäste vermietet wurde. Während dieser Zeit schliefen die Streitteile in einem Kinderzimmer. Dies geschah in beiderseitigem Einvernehmen, weil die Mieteinnahmen benötigt wurden.

Nach einem stationären Aufenthalt des Klägers in der Universitätsklinik Innsbruck im Jahr 1978, wo er wegen seiner Depressionen behandelt wurde, beschimpfte ihn die Beklagte erstmals als "Parasit, Taugenichts und Pleitevogel". Diese Beschimpfungen wiederholte sie in der Folgezeit des öfteren bis zum Jahr 1983. Am 8.3.1985 kam es während des Frühstücks des Klägers zu einer Auseinandersetzung. Die Beklagte hatte sich darüber geärgert, daß der Kläger, wie so oft, beim Zubereiten des Kaffees diesen überlaufen ließ. Sie stellte den Kläger deshalb zur Rede, beschimpfte ihn und drückte ihm dann in ihrer Wut das Marmeladebrot ins Gesicht. Der Kläger revanchierte sich in der Weise, daß er der Beklagten das Marmeladebrot gegen den Rücken drückte. Der Beklagten war auf Grund von Gesprächen mit Ärzten der Innsbrucker Klinik der psychische Zustand ihres Mannes bekannt. Dennoch hat sie seit der Einbringung der Scheidungsklage des Mannes mit ihm nichts mehr geredet, weil sie sich dafür zu gut war. Die Beklagte war auch zum Kläger manchmal zynisch oder auch launisch und unfreundlich.

Der letzte Geschlechtsverkehr der Streitteile fand im März 1982 statt. Danach kam es deshalb zu keinem weiteren Verkehr mehr, weil einerseits die Beklagte dazu nicht mehr bereit war und andererseits der Kläger infolge einer seit dem Jahr 1977 bestehenden Potenzschwäche ihn auch nicht suchte.

Nicht erwiesen ist, daß die Beklagte jemals ernstlich die Absicht gehabt oder geäußert hätte, ihre Liegenschaft zu verkaufen. Sie hat auch nie Verkaufsgespräche oder Verkaufsverhandlungen in dieser Richtung geführt und auch nie Äußerungen in dieser Richtung gegenüber dem Kläger gemacht. In der Familie wurde lediglich darüber diskutiert, ob man aus der Fremdenpension Wohnungen machen sollte, um der Beklagten die Arbeit zu erleichtern.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, daß die Zerrüttung der Ehe vom Kläger eingeleitet worden sei, der ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens der Beklagten zu Unrecht vorzuwerfen begonnen habe, sie hätte durch ihre Verschwendungssucht seine Überschuldung verursacht. Als weitere schwere Eheverfehlungen des Klägers seien dessen Beschimpfungen der Beklagten auch in Gegenwart von Fremdengästen und seine Störungen des Pensionsbetriebes der Beklagten anzusehen. Eine weitere schwere Eheverfehlung bilde der Umstand, daß der Kläger seine Freizeit und insbesondere die Wochenenden außer Haus ohne seine Familie verbracht und auch seit 1977 nichts zum Unterhalt seiner Familie beigetragen habe. Auch die festgestellten Kontakte zu Maria M*** stellten eine schwere Eheverfehlung des Klägers dar.

Dem gegenüber sei der Beklagten als Eheverfehlung anzulasten, daß sie den Kläger wiederholt beschimpft, im Oktober 1982 anläßlich eines Betriebsausfluges in Alkohollaune Zärtlichkeiten mit einem anderen Mann ausgetauscht, seit Juli 1983 mit dem Kläger überhaupt nichts mehr geredet, kein Verständnis für die psychische Erkrankung ihres Mannes gezeigt und auch schon vorher wiederholt durch zynisches oder unfreundliches Verhalten dem Kläger gegenüber die richtige eheliche Gesinnung vermissen habe lassen. Auch der Vorfall mit dem Marmeladebrot könne nicht ganz außer acht gelassen werden, obwohl er sich nach eingetretener Zerrüttung der Ehe abgespielt habe. Die Abwägung des beiderseits festgestellten Fehlverhaltens zeige, daß der Kläger durch sein Verhalten die Zerrüttung der Ehe ausgelöst und auch die entscheidenden Beiträge zur endgültigen Zerrüttung der Ehe geleistet habe. Dem gegenüber träten die festgestellten Eheverfehlungen der Beklagten fast völlig in den Hintergrund. Die Ehe der Streitteile sei daher aus beiderseitigem Verschulden zu scheiden, jedoch sei im Sinne des § 60 Abs 2 EheG das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In ihrer Rechtsrüge versucht die Beklagte darzutun, daß bei ihrer Meinung nach richtiger rechtlicher Beurteilung ihre Ehe mit dem Kläger aus dessen alleinigem Verschulden zu scheiden wäre. Dem kann nicht gefolgt werden.

Bei der Verschuldensabwägung im Sinne des § 60 EheG kommt es nicht auf eine Gegenüberstellung der einzelnen von den Ehegatten begangenen Verfehlungen an, sondern auf ihr Gesamtverhalten in seinem Zusammenhang (EFSlg 43.684, 46.231; 8 Ob 558,559/86 ua.), wobei auch verfristete und verziehene Eheverfehlungen zu berücksichtigen sind (EFSlg 46.240 ua.). Das überwiegende Verschulden eines Teiles nach § 60 Abs 2 zweiter Satz EheG ist nur auszusprechen, wenn der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile erheblich ist und augenscheinlich hervortritt (EFSlg 43.691 ua.), sodaß das Verschulden des einen Ehegatten gegenüber dem des anderen fast vollständig in den Hintergrund tritt (EFSlg 46.242; 8 Ob 672,673/86 ua.).

Zu Unrecht meint die Beklagte, daß ihr vom Berufungsgericht festgestelltes ehewidriges Verhalten nicht als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu qualifizieren sei. Wiederholte grundlose Beschimpfungen begründen ebenso eine schwere Eheverfehlung nach dieser Gesetzesstelle wie die Verletzung der Verpflichtung zur anständigen Begegnung zwischen Ehegatten überhaupt (EFSlg 43.612, 43.613 ua.). Beides ist der Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes anzulasten. Von entschuldbaren Reaktionshandlungen der Beklagten kann schon im Hinblick darauf keine Rede sein, daß sie ihr festgestelltes ehewidriges Verhalten nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes durch Jahre fortsetzte. Aus den gleichen Erwägungen ist das ehewidrige Verhalten der Beklagten aber auch nicht dem zweiten Satz des § 49 EheG zu unterstellen. In diesem Zusammenhang erscheint es besonders bedeutsam, daß die Beklagte in Kenntnis der psychischen Beeinträchtigung des Klägers ihr gegen ihn gerichtetes ehewidriges Verhalten durch Jahre hindurch fortsetzte, statt in Erfüllung ihrer ehelichen Beistandspflicht und der auch sie treffenden Verpflichtung zur anständigen Begegnung nach Möglichkeit zu einer Besserung der schlechten psychischen Verfassung ihres Gatten beizutragen. Wenn unter diesen Umständen das Berufungsgericht davon ausging, daß nach den getroffenen Feststellungen zwar der Kläger durch sein ehewidriges Verhalten die bestehende Zerrüttung der Ehe einleitete und entscheidend beeinflußte, daß aber auch die der Beklagten anzulastenden Eheverfehlungen berücksichtigt werden müßten und im Sinne des § 60 Abs 2 EheG die Scheidung der Ehe aus beiderseitigem, jedoch überwiegendem Verschulden des Klägers rechtfertigten, ist darin bei Beachtung der dargestellten rechtlichen Grundsätze ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte