OGH 13Os2/87

OGH13Os2/875.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.März 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Streller als Schriftführers in der Strafsache gegen Siegfried K*** wegen des Verbrechens nach §§ 15, 202 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 29.Oktober 1986, GZ. 7 b Vr 4484/86-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, sowie der Verteidiger Dr. Winterstein und Dr. Doerfflern-Bezdecka, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.Juni 1965 geborene Siegfried K*** wurde des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (1) sowie der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (2), des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1 und Abs 2 StGB (3), des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 1 StGB (4) und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 3, erster Fall, StGB (5) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien

1. am 25.Juni 1986 dadurch, daß er Michaela T*** zu Boden stieß, sie niederdrückte, ihr gewaltsam die Badehose auszog und versuchte, sein Glied bei ihr einzuführen, eine Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen versucht;

2. Ende Dezember 1985 ein ihm von Ramazan Ö*** anvertrautes Gut, nämlich dessen zur Reparatur übergebenen Personenkraftwagen im Wert von ca. 2.500 S, sich durch Verkauf an Andreas B*** mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

3. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, wodurch sie einen insgesamt 5.000 S übersteigenden Schaden erlitten, nämlich

a) am 23.Jänner 1986 Ramazan Ö***, indem er vorgab, ihm eine Wohnung zu beschaffen, zur Ausfolgung von 15.000 S;

b) am 6. und 7. März 1986 Angestellte der R*** W*** durch Vorlage widerrechtlich erlangter Scheckformulare der R*** G***, in denen er die Unterschrift des Kontoinhabers Gerhard W*** als Aussteller nachgemacht und Schecksummen eingesetzt hatte, sohin unter Benützung falscher Urkunden, zur Einlösung im Urteilsspruch näher bezeichneter Schecks (Gesamtschaden 2.800 S);

4. am 25.Juni 1986 eine fremde bewegliche Sache, nämlich 600 S Bargeld, der Michaela T*** während einer ihr zugestoßenen Bedrängnis (Faktum 1) mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und

5. im Februar 1986 ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich einen Personenkraftwagen ohne Einwilligung des Berechtigten Ferdinand R*** in Gebrauch genommen, wobei der durch die Tat am Fahrzeug verursachte Schaden mit 14.000 S jedenfalls 5.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur den Schuldspruch wegen unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen (5) und wegen schweren Diebstahls (4).

Als unzureichend begründet (Z. 5) bezeichnet er die erstgerichtliche Annahme, daß der durch den unbefugten Gebrauch des Fahrzeugs des Ferdinand R*** verursachte Schaden am Personenkraftwagen 14.000 S beträgt und damit jedenfalls 5.000 S übersteigt. Zu dieser Feststellung ist aber das Schöffengericht seiner auf entscheidende Tatsachen beschränkten Begründungspflicht durch Heranziehung der für glaubwürdig erachteten Angaben des Ferdinand R***, wonach er bereits klagsweise eine Schadenersatzforderung von 14.000 S geltend gemacht habe (S. 137), in hinlänglicher Weise nachgekommen. Für die strafrechtliche Beurteilung ist nämlich nicht die Feststellung der genauen Schadenshöhe aus der im übrigen durch einen polizeilichen Bericht aktenkundigen Fahrzeugbeschädigung (S. 15 und 17), sondern allein jene der Überschreitung eines Schadensbetrags von 5.000 S entscheidungswesentlich. Da die Annahme eines derartigen Schadensumfangs in den Angaben des Geschädigten Deckung findet, erübrigte sich jede weitere Schadenserhebung.

Gegen den Schuldspruch wegen schweren Diebstahls (4) wendet der Angeklagte unrichtige rechtliche Beurteilung (Z. 10) mit der Behauptung ein, Michaela T*** habe anläßlich ihrer Flucht vor dem auf Nötigung zum Beischlaf gerichteten Angriff (1) durch Zurücklassung ihrer Badetasche im Bereich des Donauufers den Gewahrsam an dieser Tasche samt Inhalt aufgegeben, weshalb das darin befindliche Bargeld nicht Objekt einer diebischen Wegnahme, sondern nur Gegenstand einer Unterschlagung (§ 134 Abs 1 StGB) habe bilden können.

Auch diese Rüge versagt, weil bei der gebotenen Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls ein solcher Gewahrsamsverlust der Michaela T*** nicht anzunehmen ist. Der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff umschreibt diejenige Zugehörigkeit einer Sache zu einer Person, die ein Außenstehender nicht nur als eine räumliche Beziehung, sondern als eine auf sozialen Gepflogenheiten beruhende Verbundenheit von Sache und Person zu erkennen vermag (sogenannter sozialer, soziologischer, subjektivierter oder täterbezogener Gewahrsamsbegriff: Roeder in ÖJZ. 1966 S. 373 ff., namentlich S. 375; ihm folgend SSt. XLII/58, LSK. 1975/20, 1979/91, 13 Os 181/80). Es versteht sich, daß davon auch Fälle abgeschwächter Sachherrschaft als sogenannter gelockerter Gewahrsam erfaßt werden (Kienapfel BT II RN 59, 60 zu § 127 StGB). Bleibt doch nach der Verkehrsauffassung bei einem durch äußere Umstände - wie einem verbrecherischen Angriff - erzwungenen kurzfristigen Zurücklassen von Gegenständen (hier: einer Tasche und eines Fahrrads) an einem dem Besitzer bekannten Ort das faktische Naheverhältnis zu diesen Sachen noch aufrecht, was vorliegend darin seinen sichtbaren Ausdruck fand, daß Michaela T*** alsbald in Begleitung von Polizeibeamten zurückkehrte und ihr Eigentum an sich nahm (so auch 9 Os 192/82). Das Gericht ging daher mit Recht davon aus, daß der Angeklagte die Barschaft von 600 S aus der Badetasche unter Bruch des Gewahrsams der T*** an sich gebracht hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Gericht verurteilte Siegfried K*** nach §§ 28, 202 Abs 1 StGB zu einer einjährigen unbedingten Freiheitsstrafe und wertete bei der Strafbemessung die zu den Vermögensdelikten einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall (letzte Verurteilung am 15.Juli 1985), die Tatwiederholung beim Betrug und dessen mehrfache Qualifikation sowie das Zusammentreffen eines besonders brutal begangenen Verbrechens mit mehreren Vergehen als erschwerend. Als mildernd wurde hingegen berücksichtigt das Teilgeständnis, der Umstand, daß es bei der Nötigung zum Beischlaf beim Versuch blieb und daß der Angeklagte bei den dieser Tat vorangegangenen Delikten das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

Dem auf Herabsetzung und bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe abzielenden Berufungsbegehren des Angeklagten kommt Berechtigung nicht zu.

Die zur Begründung des Begehrens auf Strafmilderung behaupteten Tatumstände, beim strafsatzbestimmenden Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf (1), der Angeklagte habe aus Unerfahrenheit in der Erwartung, das Mädchen werde dem Beischlaf doch noch zustimmen, gehandelt, finden in den Urteilskonstatierungen keine Deckung. Vielmehr hat Siegfried K***, nachdem er erkannt hatte, daß das Mädchen sich freiwillig nicht mit ihm einlassen werde, zu einer List gegriffen, um es vom Weg zu locken und abseits brutal überfallen zu können (S. 154, 155). Setzt man diese schwerwiegende, zusätzlich als erschwerend zu wertende Verletzungen des Opfers nach sich ziehende (13 Os 109/86) Tat zu den gemäß § 28 Abs 1 StGB zu berücksichtigenden, im einschlägig belasteten Vorleben vorgezeichneten Vermögensdelikten in Beziehung, kann eine Überhöhung des vom Schöffengericht als tat- und schuldangemessen erachteten Strafmaßes ebensowenig gesehen werden wie Anhaltspunkte für ein zukünftiges Wohlverhalten aufgezeigt wurden. Der von der Berufung hervorgekehrte "Läuterungscharakter" der bisherigen Untersuchungshaft allein kann jedenfalls das Begehren auf bedingte Nachsicht der Strafe nicht begründen.

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