Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12. Mai 1956 geborene, zuletzt beschäftigungslose Josef A (zu I) des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und (zu II) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hatte er am 13. Juli 1982
I.) in einem Wald bei St. Michael ob der Gurk, Gemeinde Poggersdorf, Brigitte B mit Gewalt gegen ihre Person, indem er gegen sie ein Messer richtete und sie dadurch veranlaßte, mit ihrem PKW in ein einsames Waldstück zu fahren, sowie mit den Worten 'einedrahn gibt' s kan' s' durch wiederholte gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht und II.) kurze Zeit danach in Wabelsdorf der Brigitte B fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldtasche mit mindestens 1.000 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Diebstahl unter Ausnützung der infolge der zu I.) bezeichneten Tat gegebenen Hilflosigkeit der Brigitte B beging.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte in beiden Punkten mit einer nur auf den Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher teilweise Berechtigung zukommt.
Nach den das Urteilsfaktum I.) betreffenden Konstatierungen (S 183 f.) beschloß der Angeklagte (als Autostopper) während der Fahrt im PKW der Brigitte B zunächst, sich wegen seines Geldmangels das in der Handtasche der Genannten vermutete Geld anzueignen. Er zog, um die Frau einzuschüchtern, sein Taschenmesser und hielt es ihr gegen den Oberschenkel. Erst nachdem er erkannt hatte, daß sie durch sein Verhalten völlig eingeschüchtert war, faßte er den Entschluß, mit ihr in ein Waldstück zu fahren, um sich an ihr geschlechtlich zu vergehen.
Zutreffend weist der Beschwerdeführer nun darauf hin, daß beim Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB der Vorsatz des Täters bereits bei der Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit - zumindest partiell - auf den geschlechtlichen Mißbrauch gerichtet sein muß. Bewirkt der Täter jedoch diesen Zustand aus anderen Gründen, wie etwa zum Zwecke, einer anderen fremde bewegliche Sachen wegzunehmen, und faßt er erst nachträglich den Entschluß, an dem bereits widerstandsunfähigen Opfer den außerehelichen Beischlaf zu vollziehen, so fällt ihm nur das Verbrechen der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB zur Last (vgl ÖJZ -LSK 1979/315; Pallin im WK, RN 26 zu § 201 StGB, RN 14 zu § 205 StGB).
Eine Anwendung dieser Abgrenzungskriterien auf den vorliegenden Fall zeigt, daß auf Grund der getroffenen Urteilsfeststellungen noch nicht verläßlich entschieden werden kann, welches Delikt der Beschwerdeführer zu verantworten hat. Denn einerseits ist den Entscheidungsgründen nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob der Angeklagte nach überzeugung des Gerichtes die Drohungen mit seinem Taschenmesser noch fortsetzte, nachdem er auf Grund seiner geschlechtlichen Erregung den Plan gefaßt hatte, mit Brigitte B geschlechtlich zu verkehren und (allenfalls) den bereits vorher eingetretenen Zustand der Widerstandsunfähigkeit der jungen Frau auf diese Weise aufrechterhielt und verstärkte, oder ob er sich, wie er in seiner Verantwortung behauptete (vgl S 127, 174 d. A), noch vor diesem Zeitpunkt des Messers entledigt hatte. Andererseits nahm das Erstgericht zwar als erwiesen an, daß der Angeklagte (ersichtlich) unmittelbar vor der Durchführung des Geschlechtsverkehrs der Brigitte B mit den Worten 'einedrahn gibt' s kan' s' drohte und diese Äußerung von der Bedrohten dahin verstanden wurde, um ihr Leben fürchten zu müssen, wenn sie dem Angeklagten nicht zu willen sei, unterließ es aber, Feststellungen darüber zu treffen, in welche Richtung hiebei der Vorsatz des Angeklagten ging, als er diese Worte gebrauchte.
Da sohin ausreichende Tatsachenannahmen zur Frage mangeln, ob sich der Angeklagte auch noch nach der Fassung des Entschlusses, sein Opfer im Zustand der Widerstandsunfähigkeit zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, der Mittel der Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bediente, um sein Ziel zu erreichen, erweist sich eine Aufhebung des Schuldspruchs wegen Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und somit eine Rückverweisung der Sache an das Erstgericht in diesem Umfang als unvermeidlich. Im fortgesetzten Verfahren wird auch zu prüfen sein, wann bei Brigitte B ein Zustand eintrat, in welchem sie aus physischen oder psychischen Gründen zu weiterem Widerstand außerstande war oder ihr ein solcher Widerstand wegen Aussichtslosigkeit nicht mehr zugemutet werden konnte (vgl ÖJZ-LSK 1975/42, 1976/237, 1979/313). Widerstandsunfähigkeit, auf deren Herbeiführung beim Tatbestand der Notzucht auch der Täterwille gerichtet sein müßte, verlangt nämlich eine Lage extremer Hilflosigkeit, in der für das Opfer weiterer Widerstand unmöglich, aussichtslos oder nicht mehr zumutbar ist; hievon könnte bei Brigitte B erst von dem Zeitpunkt an gesprochen werden, in welchem es ihr unmöglich war, Gegenwehr zu leisten, zu flüchten oder die Hilfe dritter Personen herbeizuholen (vgl Pallin aaO, RN 17 zu § 201 StGB).
Unbegründet ist die Beschwerde des Angeklagten hingegen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen Diebstahls richtet und eine Subsumtion des betreffenden Tatverhaltens unter den Tatbestand der Unterschlagung nach § 134 Abs 2
StGB anstrebt.
Der Gewahrsamsbegriff des Strafrechtes ist nach herrschender Ansicht (vgl hiezu Leukauf-Steininger2 844 ff, Kienapfel BT II 38 ff) sozial und täterbezogen und dadurch gekennzeichnet, daß er sich infolge seiner faktisch-normativen Natur jeder schematischen Anwendung entzieht und auf die Umstände des Einzelfalls abstellt. Im Sinne der darnach geforderten verständigen und lebensnahen Verkehrsauffassung verlangt Gewahrsam keine greifbare Nähe zur Sache; vielmehr genügt gelockerter Gewahrsam, wie etwa des Bauern über Vieh, das auf einer entfernten Weide steht, oder des Mieters an den in seiner Wohnung befindlichen Sachen, auch wenn er sich zur Zeit an seinem zweiten Wohnsitz aufhält (weitere Beispiele bei Leukauf-Steininger und Kienapfel aaO). So besehen kann aber vorliegend nicht davon gesprochen werden, Brigitte B sei durch ihren Sprung aus dem fahrenden PKW ihres Gewahrsams daran verlustig geworden und dieser sei auf den Angeklagten übergegangen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer geistesgegenwärtig die Lenkung des rollenden Fahrzeugs übernahm und dieses auf einem nahegelegenen Parkplatz abstellte, da sich in dieser Vorgangsweise - namentlich unter Berücksichtigung der bezüglichen Intentionen des Angeklagten (S 43 f., 57, 174) -
keine Herrschaftsanmaßung manifestiert. Vielmehr ist bei einer Reduktion auf das Wesentliche der gegenständliche Sachverhalt nicht anders zu beurteilen wie etwa der, in dem bei einem Unfall der Lenker aus dem Fahrzeug geschleudert, dieses von einem Mitfahrer in Sicherheit gebracht und dann ausgeräumt wird oder wenn im Zuge eines Streites der Lenker aus seinem Auto flüchtet und der darin verbleibende Mitfahrer zurückgelassene Sachen an sich nimmt. Kein Zweifel kann aber auch daran obwalten, daß die Tat des Angeklagten nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB qualifiziert ist. Nach den bezüglichen Urteilskonstatierungen hatte die durch das Verhalten des Beschwerdeführers völlig eingeschüchterte Brigitte B nach dem an ihr vollzogenen Beischlaf ihr noch in Fahrt befindliches Kraftfahrzeug verlassen, Passanten um Hilfe gebeten und sich solcherart, indem sie sich einer gefahrdrohenden Situation entzog, außerstande gesetzt, ihr Eigentum zu schützen. Diese Situation ist nicht anders zu beurteilen, wie jene, bei der sich Bewohner eines Hauses bei einer Feuersbrunst ins Freie retten und auf diese Weise dem Täter der Zugriff auf ihre Habe ermöglicht oder erleichtert wird. Stellt man auf die ratio der in Frage stehenden Qualifikation ab - den erhöhten modalen Unwert und die Niedertracht, die darin liegt, daß der Täter die verminderten Abwehrmöglichkeiten für seine Zwecke ausnützt, strenger zu bestrafen (vgl EB 274) - muß eine Bedrängnissituation im Sinne des § 128 Abs 1 Z 1 StGB bejaht werden. Bei der gegebenen Fallgestaltung kann es dabei nicht darauf ankommen, daß sich im Zeitpunkt der Geldwegnahme die beiden Radfahrer der Person der Eigentümerin angenommen hatten bzw daß eine räumliche Distanz zwischen ihr und der Geldtasche bestand, weil vorliegend die 'Bedrängnis' von der Person des Angeklagten ausging, die Flucht davor den Diebstahl ermöglichte und die Bedrängnis so lang währte, bis Brigitte B gefahrlos zu ihrem Fahrzeug zurückkehren konnte. Das Tatverhalten des Beschwerdeführers wurde demnach vom Erstgericht ohne Rechtsirrtum dem Tatbestand nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 1 StGB unterstellt, weshalb insoweit der Nichtigkeitsbeschwerde ein Erfolg versagt bleiben mußte. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassierung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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