OGH 10Os8/87

OGH10Os8/873.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Brigitte B*** wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.September 1986, GZ 2 e Vr 9357/84-66, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Spreitzhofer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch andere Entscheidungen enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Brigitte B*** - in der Urteilsausfertigung durchwegs unrichtig: B*** - (I.) der Vergehen (1.) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und (2.) des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 vierter (im Tenor irrig: erster) Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Wien

(zu I.1.) am 31.Juli 1984 ihren Ehegatten Rudolf B*** dadurch, daß sie mit einer von ihr abgebrochenen Bierflasche auf ihn einstach, wodurch er eine klaffende Schnittwunde an der Außenseite des linken Oberarms sowie kleine Schnittwunden an der linken Brustseite erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt sowie (zu I.2.) am 5.Mai 1985 die Polizeibeamten Herbert S***, Karl S***, Karl A*** und Franz M*** durch gefährliche Drohung, und zwar durch die Äußerungen "Bevor ich mitgehe, nehme ich einen mit, dann stich ich mich selbst ab!", "Komm trau dich, jetzt kannst du mich festnehmen!", "Ihr nehmts mich nicht fest, ich bring euch um!", wobei sie ein Messer in der Hand hielt, an ihrer Festnahme und Eskortierung zum Wachzimmer, sohin an einer Amtshandlung, zu hindern versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen diese Schuldsprüche kommt keine Berechtigung zu.

Zum Faktum I.1. vermag die Beschwerdeführerin erörterungsbedürftige Diskrepanzen innerhalb der Angaben des Belastungszeugen B*** (Z 5) nicht aufzuzeigen: inwieweit seine Bekundung in der Hauptverhandlung, daß er die Angeklagte und deren Gatten kenne, weil da einmal ein anderer Vorfall gewesen sei (S 412/I), zu seinen Erklärungen bei der Polizei im Widerspruch stehen sollte, wonach ihm die Genannten bis zum Tatzeitpunkt nicht bekannt gewesen seien (S 137, 233/I), ist der Mängelrüge nicht zu entnehmen; augenscheinlich keine Bedeutung jedoch hat das Erstgericht der Frage beigemessen, ob B*** zu Beginn der hier aktuellen Auseinandersetzung ca. zwei Meter vom Tisch der Ehegatten B*** entfernt auf seiner Luftmatratze (S 233/I) oder aber direkt an jenem Tisch (S 412/I) saß. Mit diesen Depositionen mußte es sich dementsprechend - neben dem (unbekämpft gebliebenen) Hinweis darauf, daß die auf den Tathergang bezogenen Angaben des Belastungszeugen vor der Polizei und in der Hauptverhandlung "gleichlautend und widerspruchsfrei" waren (US 9/10) - im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht im besonderen auseinandersetzen.

Den (jeweils einen Badeunfall behauptenden) Versionen der Angeklagten, ihres Gatten und des Zeugen S*** einerseits sowie der Zeugen K*** und Rudolf Z*** anderseits über die Entstehung der Verletzungen des Rudolf B*** hingegen schenkte das Schöffengericht mit eingehender Begründung keinen Glauben (US 10 bis 12); inwiefern es jene Verfahrensergebnisse einer näheren Erörterung hätte unterziehen sollen, wird mit der Beschwerde (Z 5) nicht dargetan.

Für eine Annahme dahin schließlich, daß sich die Beschwerdeführerin zur Zeit der inkriminierten Tätlichkeit gegen ihren Gatten in einer Notwehrsituation (§ 3 StGB) befunden haben könnte, boten weder ihre eigene Verantwortung noch die Aussagen der Zeugen B*** und Rudolf Z*** oder sonstige Verfahrensergebnisse einen realen Anhaltspunkt; den darauf bezogenen rein spekulativen Beschwerdeargumenten - Z 9 lit a und b, der Sache nach jedoch ausschließlich lit b - zuwider bestand demnach unter diesem Aspekt zu Feststellungen darüber, wann und durch wen der Angeklagten die am Tag nach der Tat an ihr konstatierten Verletzungen (S 251/I) zugefügt worden waren, kein Anlaß.

Zum Faktum I.2. hinwieder hat das Erstgericht die Aussage der Zeugin Maria Z*** ohnehin in den Kreis seiner beweiswürdigenden Erwägungen miteinbezogen (US 12); einer besonderen Erwähnung jener Bekundung des Zeugen S*** aber, wonach er sich vor der Beschwerdeführerin nicht gefürchtet habe (S 429/I), bedurfte es nicht, weil eine derartige Furchtlosigkeit weder in rechtlicher Hinsicht (Z 9 lit a) die Annahme einer objektiven Eignung ihres drohenden Verhaltens, ihm begründete Besorgnisse in bezug auf eine (ihm damit angekündigte) Körperverletzung einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB), noch sachverhaltsmäßig (Z 5) die Konstatierung ihres darauf gerichteten Vorsatzes in Frage zu stellen vermag. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 (Abs 1) StGB zu fünf Monaten Freiheitsstrafe, die es ihr unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachsah; dabei lastete es ihr eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe sowie die Deliktshäufung als erschwerend an, wogegen es den Umstand, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist, als mildernd wertete.

Auch der Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Strafherabsetzung sowie die Verhängung einer Geldstrafe anstatt einer Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Zu Unrecht remonstriert sie gegen die Annahme, daß die ihrer Vorverurteilung wegen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB zugrunde gelegene Tat auf der gleichen schädlichen Neigung beruhte wie der ihr im vorliegenden Verfahren (als Faktum I.2.) zur Last fallende Versuch eines Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB; sind doch beide in Rede stehenden Delikte ungeachtet ihrer Einordnung in verschiedene Abschnitte des StGB letztlich doch insofern gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet (§ 71 erster Fall StGB), als sie - das eine durch die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Einrichtungen, die der Strafrechtspflege dienen, und das andere durch eine verpönte Einflußnahme auf konkrete Amtshandlungen - durchwegs zu einer Behinderung staatlicher Organe an der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben führen.

Zum Faktum I.1. hinwieder hat das Schöffengericht die Alkoholisierung der Berufungswerberin schon deswegen mit Recht nicht als mildernd berücksichtigt, weil Anhaltspunkte für eine dadurch bedingte Herabsetzung ihrer Zurechnungsfähigkeit nicht vorliegen (§ 35 StGB), und ebensowenig kann aus den Verfahrensergebnissen abgeleitet werden, daß sie durch ihren Gatten zur Tat provoziert worden wäre. Ihre durch dessen Verhalten ihr gegenüber ausgelöste Erregung jedoch fällt als Milderungsgrund umsoweniger ins Gewicht, als ihr anderseits zusätzlich als erschwerend anzulasten ist, daß sie durch den Widerstand gegen die Staatsgewalt unbeeindruckt von der Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens rückfällig wurde. Alles in allem ist die Dauer der über die Angeklagte verhängten Freiheitsstrafe auch unter Bedacht darauf, daß ihre erörterte Vorverurteilung bereits mehr als vier Jahre zurückliegt, sowie nach §§ 31, 40 StGB auf das (inzwischen in Rechtskraft erwachsene) Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 1.September 1986, GZ 15 U 876/86-13, mit der sie wegen der Vergehen der (mit einem zerbrochenen Weinglas als Tatwaffe begangenen) Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der (durch das Zerschlagen einer Tür-Glasscheibe verübten) Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von fünfzig Tagessätzen verurteilt wurde, nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) innerhalb des bis zu drei Jahren reichenden Rahmens mit fünf Monaten keineswegs zu hoch ausgemessen worden.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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