Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt 3./ des Schuldspruchs, insoweit dieser auch die postordnungswidrige Zustellung einer P.S.K.-Anweisung unter Mißachtung eines Nachsendeauftrages umfaßt, sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Horst Erich H*** wird von der (weiteren) Anklage, er habe im Jahre 1986 in Wien als Vertragsbediensteter der Post- und Telegraphenverwaltung für Wien, Niederösterreich und Burgenland im Zustelldienst des Postamtes 1190 Wien, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, die Auftraggeberin eines Nachsendeauftrages, Frau N. E***, an ihrem Recht auf ordnungsgemäße Nachsendung sowie den Staat an seinem Recht auf vorschriftsmäßige Behandlung und Zustellung von Postsendungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er dem Nachsendeauftrag in Ansehung einer P.S.K.-Anweisung nicht entsprach, (sondern diesem zuwider bloß eine bezügliche Benachrichtigung im Hausbrieffach deponierte,) und er habe (auch) hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für das ihm nach den aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen (weiterhin) zur Last fallende Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB wird er nach §§ 41 Abs 1 Z 5, 302 Abs 1 StGB zu 4 (vier) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt; gemäß § 43 Abs 1 StGB wird ihm diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die den erfolglos gebliebenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.März 1960 geborene Angeklagte Horst Erich H*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er als Zusteller des Postamtes 1190 Wien mit dem Vorsatz, Absender und Empfänger von Postsendungen (Briefen, Postkarten, Drucksachen, Massensendungen und Zeitungen jeweils mit Anschrift) an ihrem Recht auf deren ordnungsgemäße Beförderung bzw. Nachsendung sowie den Staat an seinem Recht auf vorschriftsmäßige Behandlung und Zustellung von Postsendungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er 1./ im April 1985 mindestens 50 Postsendungen und
2./ im April 1986 69 Postsendungen
nicht zustellte, sondern diese jeweils in seinem Garderobeschrank
versteckte (US 5), sowie
3./ im Jahre 1986 zumindest 5 Nachsendeaufträgen nicht entsprach, sondern diesen zuwider jeweils zumindest eine Sendung bzw. - im Fall einer zuzustellenden P.S.K.-Anweisung - eine entsprechende Benachrichtigung im Hausbrieffach deponierte (US 6).
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die nur teilweise berechtigt ist. Verfehlt ist zunächst der Vorwurf einer widersprüchlichen und unzureichenden Begründung (Z 5) des konstatierten Schädigungsvorsatzes; denn dabei geht der Beschwerdeführer nicht - wie dies zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung eines formellen Begründungsmangels Voraussetzung wäre - vom Inhalt der Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit aus, denen sich unzweideutig entnehmen läßt, daß das Schöffengericht die innere Tatseite aus der Verantwortung des Angeklagten selbst erschlossen hat (US 7, 8). Dessen Einlassungen (insb. S 68), von sämtlichen, seine Tätigkeit betreffenden Vorschriften und seinen daraus resultierenden Pflichten Kenntnis gehabt zu haben, sind aber nach Lage des Falles eine logisch und empirisch durchaus taugliche Grundlage für die Feststellung einer zumindest bedingt vorsätzlichen Beeinträchtigung konkreter Rechte der Absender und Empfänger von Postsendungen. Den Beschwerdeeinwendungen zuwider steht diese Schlußfolgerung auch in keinerlei Widerspruch zu der als Motivation für das Nichtbeachten von Nachsendeaufträgen angenommenen Bequemlichkeit des Angeklagten sowie zu seiner allgemein zutage getretenen Nachlässigkeit und Disziplinlosigkeit bei der Besorgung dienstlicher Angelegenheiten. Mit dem unter Berufung auf die Lebenserfahrung unternommenen Versuch, daraus abzuleiten, daß sein Vorsatz nicht auf die Schädigung konkreter Rechte (von Postkunden) gerichtet gewesen sei, übt der Beschwerdeführer bloß unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter und führt somit auch in diesem Punkte die Mängelrüge nicht prozeßordnungsgemäß aus.
Demnach bleibt im damit relevierten Zusammenhang bloß zur Klarstellung zu vermerken, daß ein - im Urteil gleichfalls als geschädigt konstatiertes - Recht des Staates auf vorschriftsmäßige Behandlung und Zustellung von Postsendungen nicht besteht (SSt. 49/32, S 114 unten und f.), doch gereichte dem Angeklagten dieser, von ihm nicht gerügte rechtsirrtümliche Ausspruch nicht zum Nachteil (§ 290 Abs 1 StPO).
Wohl aber ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) insoweit berechtigt, als in Ansehung der Nichtbeachtung von Nachsendeaufträgen (Pkt. 3./) in einem Fall, in welchem der Angeklagte die Nachsendung einer P.S.K.-Anweisung über einen Betrag von 200 bis 300 S (an eine Frau N. E***) zu veranlassen gehabt hätte, statt dessen aber bloß eine entsprechende Benachrichtigung im Hausbrieffach hinterlegte (US 6), die Tatbildlichkeit im Sinn des § 302 Abs 1 StGB bestritten wird.
Hat nämlich ein Zusteller der Post im Rahmen der dieser durch
Gesetz (§ 2 Abs 1 PostsparkassenG 1969) aufgetragenen Mitwirkung an
dem zum Geschäftsbereich der Österreichischen Postsparkasse als
eines selbständigen Wirtschaftskörpers (§ 1 Abs 1
PostsparkassenG 1969) gehörenden Postscheckverkehr auf Grund einer
P.S.K.-Anweisung (§ 20 der Geschäftsbestimmungen der
Österreichischen Postsparkasse für den Scheckverkehr, verlautbart im
Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 30.September 1979) Auszahlungen
vorzunehmen, dann wird er dabei nicht in Vollziehung der Gesetze,
also nicht im Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern ausschließlich
in der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes tätig (SSt. 52/22 =
ÖJZ-LSK 1981/111 zu § 302 Abs 1 StGB ua, zuletzt 12 Os 73/86 = JUS
Extra 1986 Nr. 21 S 14).
Der Auffassung des Erstgerichtes (US 10), daß nichtsdestoweniger jene Phasen einer Baranweisung im Rahmen des Postscheckverkehrs der Hoheitsverwaltung zuzurechnen seien, - ersichtlich gemeint: in Ansehung der Beförderung der zur Auszahlung erforderlichen Begleitpapiere, insbesondere des Vordruckes "P.S.K.-Anweisung" mit einem auf der Rückseite vorgesehenen Raum für die Empfangsbestätigung - bei welchen der Zusteller wie bei anderen Zustellungen agiert, kann nicht beigepflichtet werden; denn die rechtsgeschäftliche Einheit aller im Zusammenhang mit der Geldanweisung notwendigerweise einzuhaltenden Vorgänge läßt insoweit eine differenzierte rechtliche Beurteilung nicht zu. Da der Angeklagte somit im Rahmen jener Agenden, die ihm in bezug auf die Erledigung der P.S.K.-Anweisung zukamen, auch nicht teilweise in Vollziehung der Gesetze tätig geworden ist, fehlt es in diesem Fall an einem Tatbestandsmerkmal des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 302 RN 9), sodaß das Ersturteil - da das Verhalten des Angeklagten auch sonst keinem gesetzlichen Tatbild entspricht - im darauf bezogenen Schuldspruch an einer materiellrechtlichen Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO leidet und darin sofort mit einem Teilfreispruch zu korrigieren war (§§ 259 Z 3, 288 Abs 2 Z 3 StPO). Davon abgesehen gehen jedoch die gesamten übrigen materiellrechtlichen Beschwerdeeinwände (Z 9 lit a und 10) fehl. Daß ein Zusteller der Post, weil mit Aufgaben der Bundesverwaltung betraut (Art. 10 Abs 1 Z 9 B-VG; §§ 1, 5 ff. PostG), Beamter im Sinn des § 74 Z 4 StGB ist und damit Deliktssubjekt des § 302 Abs 1 StGB sein kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. SSt. 49/32 = verst. Senat und SSt. 53/77 = verst. Senat ua). Der vom Beschwerdeführer zitierten Auffassung Bertels (im WK Vorbem. zu § 302 Rz. 15 bis 17), wonach die Post als selbständiger Wirtschaftskörper anzuerkennen sei und wonach es sich deshalb bei deren Bediensteten (außer bei jenen der Postbehörden) nicht um Beamte handle, vermag sich der Oberste Gerichtshof mangels einer gesetzlichen Grundlage für die behauptete privatwirtschaftliche Stellung der Post nicht anzuschließen (vgl. EvBl 1981/28 ua).
Da die Aufgabe der Post zur Beförderung von Sendungen (§§ 5 ff. PostG) nicht von deren amtlichem Charakter und allfälliger Bescheinigung abhängig ist, kommt es für die Beamten-Eigenschaft des Zustellers entgegen der Beschwerdeauffassung auf die Eigenart der Sendungen nicht an. Aber auch der Umstand, daß er gelegentlich im Rahmen der Post an den privatwirtschaftlichen Geschäften der Österreichischen Postsparkasse mitzuwirken hat, ist - wie zur Klarstellung vermerkt sei - für die in Rede stehende Subjektqualität des Zustellers nicht von Bedeutung, denn er wird dadurch keineswegs deren Bediensteter (vgl. ÖJZ-LSK 1980/137 zu § 74 Z 4 StGB und EvBl 1981/28); der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB ist insoweit nicht etwa mangels Beamten-Eigenschaft, sondern - wie bereits dargelegt - mangels eines Tätigwerdens des Zustellers im Rahmen der Hoheitsverwaltung ausgeschlossen.
Unzutreffend ist ferner die vom Beschwerdeführer (abermals unter Berufung auf Bertel im WK Rz. 4 bis 6 zu § 302) vertretene Rechtsansicht, daß nur die Befugnis (von Organwaltern) zur Vornahme solcher Amtsgeschäfte Gegenstand eines Mißbrauchs der Amtsgewalt sein könne, die an sich Rechtshandlungen sind oder die sich (wenn auch) als Handlungen bloß tatsächlicher Art (zumindest) als Mitwirkung am Zustandekommen eines Hoheitsaktes darstellen. Die dahingehenden Beschwerdeausführungen bieten keinen Anlaß, von der in ständiger Rechtsprechung (vor allem in den beiden zuvor zitierten Entscheidungen verstärkter Senate des Obersten Gerichtshofes) zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht abzugehen, derzufolge unter "Amtsgeschäften" im Sinn des § 302 Abs 1 StGB alle Verrichtungen, und zwar auch solche bloß tatsächlicher Natur, zu verstehen sind, die zur unmittelbaren Erfüllung der Vollzugsaufgaben eines Rechtsträgers dienen, also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebes gehören und für die Erreichung der amtsspezifischen Vollzugsziele sachbezogen relevant sind. Darnach sind aber auch die manipulativen Tätigkeiten eines Zustellers der Post bei der Zustellung von Postsendungen, also bei der Erfüllung eines Teiles der postalischen Beförderungsaufgaben (§§ 5 ff. PostG), zu dessen Amtsgeschäften zu zählen, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um bescheinigte amtliche Sendungen handelt oder nicht (aM Bertel im WK Vorbem. zu § 302 Rz. 17; Steininger in ÖJZ 1980, 481 f.).
Dabei beginnt die amtsgeschäftliche Befugnis des Zustellers schon mit der Übernahme der zuzustellenden Postsendungen in seinen eigenen Gewahrsam mit der daran geknüpften Verpflichtung, damit postordnungsgemäß (§§ 166 ff.; 204 ff. PostO) zu verfahren: erhält er doch bereits mit dieser ersten Phase des ihm obliegenden Amtsgeschäftes die (bei der weiteren postalischen Behandlung der betreffenden Sendungen aktuelle) Möglichkeit, über
sie - vorschriftsgemäß oder mißbräuchlich - zu verfügen. Die ihm solcherart rechtlich eingeräumte Verfügungs-(=Amts-)gewalt hat aber der Angeklagte insofern mißbraucht, als er die Postsendungen entweder in seinem Schrank versteckte oder - anstatt sie nachzusenden - im Hausbrieffach hinterlegte. In beiden Fällen besteht demnach sein Mißbrauch, der Beschwerdeauffassung zuwider, sehr wohl vorrangig in einem positiven Tun. Von einem mißbräuchlichen bloßen Unterlassen eines Amtsgeschäftes könnte im gegebenen Zusammenhang nur dann die Rede sein, wenn der Angeklagte die zuzustellenden Sendungen erst gar nicht übernommen und demnach seine Befugnis zu deren Zustellung nicht einmal in der ersten Tätigkeitsphase wahrgenommen hätte; daß das weitere Schicksal der Postsendungen diesfalls evidentermaßen anders verlaufen wäre, sei hier nur zur faktischen Verdeutlichung des soeben Gesagten besonders hervorgehoben.
Daraus folgt zum einen, daß der für den Mißbrauch der Amtsgewalt maßgebliche enge (innere und äußere) Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Angeklagten und den von ihm (als Organ des Bundes) zu besorgenden Aufgaben (SSt. 53/77) unzweifelhaft gegeben war. Zum anderen aber geht im Hinblick darauf, daß der Angeklagte seine Amtsgewalt durch ein positives Tun mißbraucht hat, der - übrigens mit einhelliger Lehre und Rechtsprechung (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 302 RN 26; Bertel im WK § 302 Rz. 74; sowie die dort jeweils zitierte Judikatur) im Widerspruch stehende - Einwand, ein Mißbrauch im Sinn des § 302 Abs 1 StGB könne nicht durch bloße Unterlassung, also durch den Nichtgebrauch einer Befugnis allein, begangen werden, ebenso ins Leere wie die Ausführungen der Beschwerde zur Gleichwertigkeitsproblematik (§ 2 StGB) sowie die abermals auf Bertel (im WK § 302 Rz. 79) gestützte, mit dem Wortlaut des Gesetzes allerdings nicht vereinbare Beschwerdebehauptung, daß für eine Begehung dieses Verbrechens durch Unterlassung Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) erforderlich wäre. Dem Schuldspruch wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB haftet sohin, von der eingangs dargelegten Einschränkung abgesehen, im übrigen kein Rechtsirrtum an. Damit ist aber auch dem Einwand (Z 10), daß das Verhalten des Angeklagten "allenfalls nach § 118 Abs 3 StGB strafbar" sei, infolge der materiellen Subsidiarität jener Strafbestimmung der Boden entzogen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit kostenpflichtig (§ 390 a StPO) zu verwerfen.
Bei der - zufolge des Teilfreispruchs und der Aufhebung des Strafausspruchs - notwendigen Strafneubemessung konnten im wesentlichen die vom Erstgericht angeführten Strafbemessungsgründe übernommen werden. Darnach wertete der Oberste Gerichtshof den bisher ordentlichen Lebenswandel und das reumütige Geständnis des Angeklagten als mildernd; als erschwerend hingegen die Wiederholung der Tat sowie die größere Anzahl der Geschädigten. Eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten - also in der selben Höhe, wie sie schon das Schöffengericht festgesetzt hatte - erschien zur Erreichung der Strafzwecke erforderlich; im Hinblick auf den - vom Schuld- und Unrechtsgehalt des inkriminierten Gesamtverhaltens her gesehen bedeutungslosen - Teilfreispruch allein war eine geringere Strafe nicht in Erwägung zu ziehen. Der Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 Abs 1 StGB) und deren bedingter Nachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) schließlich standen Effektivitäts- und Präventionsüberlegungen entgegen.
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