OGH 12Os73/86

OGH12Os73/863.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert Z*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 21.Februar 1986, GZ 12 Vr 2062/85-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Tschulik als Vertreter der Generalprokuratur, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schraffl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 26-jährige Postzusteller Robert Z*** von der Anklage, er habe in der Zeit von anfangs Juni 1985 bis 15.Oktober 1985 als Beamter, nämlich als Landbriefträger der Postämter Altmünster, Gampern, Laakirchen und Mondsee sowie als Postzusteller des Postamts Attnang-Puchheim, mit dem Vorsatz, den Staat bzw. die Absender oder Empfänger am Recht auf sofortige ordnungsgemäße Weiterleitung von mittels Erlagscheines (oder Zahlscheines) entgegengenommener Geldbeträge zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er a) in 49 Fällen zur Einzahlung und Weiterleitung mittels Erlagscheines (oder Zahlscheines) entgegengenommene Geldbeträge in der Gesamthöhe von 20.213,44 S, darunter auch Fernmeldegebühren, nicht weiterleitete, sondern in Zueignungs- und Bereicherungs"absicht" einbehielt und für sich verwendete, und b) in weiteren 3 Fällen mit Erlagschein oder Zahlschein vereinnahmte Geldbeträge in der Gesamthöhe von 8.144 S nicht sofort nach der Einhebung verrechnete und weiterleitete, und er habe hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Das Schöffengericht stellte fest, daß der Angeklagte die inkriminierten Tathandlungen begangen hat und daß er sich bereits am 18. Oktober 1985, noch bevor die zur Strafverfolgung berufenen Behörden von seinem Verschulden erfahren hatten, im Zuge seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Postinspektion Linz vertraglich gegenüber der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg zur Gutmachung des gesamten Schadens in monatlichen Raten a 500 S verpflichtet hat (S 106, 107 dA), wobei er diese Verpflichtung bisher eingehalten hat. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, daß der Angeklagte die Tathandlungen nicht als Organ der Hoheitsverwaltung, sondern in Besorgung von Geschäften der Österreichischen Postsparkasse und somit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung verübte, weshalb nicht Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, sondern Veruntreuung nach § 133 (Abs 1 und) Abs 2 erster Fall StGB vorliege; diesbezüglich komme dem Angeklagten aber strafaufhebende tätige Reue teils gemäß § 167 Abs 2 Z 2 StGB (hinsichtlich der zugeeigneten Geldbeträge von insgesamt 20.213,44 S), teils gemäß § 167 Abs 2 Z 1 StGB (hinsichtlich der verspätet verrechneten Geldbeträge von insgesamt 8.144 S) zugute, weshalb mit Freispruch vorzugehen gewesen sei (S 107 ff dA).

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer nominell auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher zum einen geltend gemacht wird, daß der Angeklagte im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig geworden sei, sodaß er Mißbrauch der Amtsgewalt zu verantworten habe, und zum anderen die Annahme strafaufhebender tätiger Reue mit der Begründung angefochten wird, daß sich der Angeklagte nur gegenüber der Postverwaltung, nicht aber gegenüber den tatsächlich Geschädigten, die das Erstgericht festzustellen unterlassen habe, zur Schadensgutmachung verpflichtete.

Der Beschwerde kommt weder in der einen noch in der anderen Richtung Berechtigung zu.

Was zunächst den von der Anklagebehörde - der Sache nach - reklamierten Subsumtionsirrtum betrifft, so ist es zwar richtig, daß der sogenannte Geldverkehr der Post (§ 13 PostG) zu jenen Agenden zählt, welche die Post im Rahmen der Hoheitsverwaltung (Art. 23 Abs 1 und5,102 Abs 2 B-VG) besorgt (vgl. SSt. 52/22 = ÖJZ-LSK 1981/111; ÖJZ-LSK 1983/113; zuletzt 9 Os 193/85; Steininger in ÖJZ 1980, 482 f). Zum Geldverkehr der Post zählen indes (nur) die Übermittlung von Geldbeträgen mittels Postanweisung (§§ 255 ff PostO), die Einziehung von Geldbeträgen durch Nachnahme (§§ 264 ff PostO) und die Einziehung von Geldbeträgen durch Postauftrag (§§ 271 ff PostO). Keiner dieser Fälle ist vorliegend gegeben. Der Angeklagte wurde vielmehr, als er als Landbriefträger (vgl. § 258 PostO) Geldbeträge zur Einzahlung (Überweisung) mittels Erlagscheines oder Zahlscheines entgegennahm, im Rahmen des zum Geschäftsbereich der Österreichischen Postsparkasse (vgl. § 5 Z 1 PostsparkassenG) gehörenden Postscheckverkehrs tätig, zu dessen Besorgung sich die Österreichische Postsparkasse kraft Gesetzes (§ 2 Abs 1 PostsparkassenG) der Postämter bedienen darf. Soweit aber die Postämter für Rechnung der Österreichischen Postsparkasse deren Agenden besorgen, agiert die Post nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung, sie wird vielmehr bloß als Erfüllungsgehilfe im Bereich der rein privatwirtschaftlichen Aktivität der Österreichischen Postsparkasse herangezogen und daher auch selbst nur im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes tätig (vgl. abermals SSt. 52/22 = ÖJZ-LSK 1981/111; EvBl 1981/28 = ÖJZ-LSK 1980/146 ua; Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 302 RN 18, Steininger in ÖJZ 1980, 483). Daraus folgt, daß ein Beamter der Post, der im Postscheckverkehr Zahlungen mittels Erlagscheines oder Zahlscheines entgegennimmt, in dieser Funktion nicht einen Akt der Hoheitsverwaltung setzt, sondern ausschließlich im privatwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der Post handelt. Begeht er dabei eine mit Strafe bedrohte (vorsätzliche) Handlung, dann haftet er darum nicht wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, sondern wegen des jeweils in Betracht kommenden allgemeinen Delikts in Verbindung mit § 313 StGB. Das gilt auch für den hier aktuellen Fall, in welchem der Angeklagte als Landbriefträger von Postkunden Geldbeträge zur Einzahlung mittels Erlagscheines oder Zahlscheines im Postscheckverkehr annahm, und die ihm solcherart anvertrauten Gelder sodann nicht ordnungsgemäß verrechnete, sondern widerrechtlich einbehielt und für sich verwendete. Denn es kommt - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - nicht darauf an, ob der im Postscheckverkehr eingezahlte Geldbetrag auf dem Postamt von einem Schalterbeamten entgegengenommen wird oder einem annahmeberechtigten Landbriefträger (§ 258 PostO) zur Weiterbeförderung an das Postamt zwecks Einzahlung anvertraut wird: Im einen wie im andern Fall handelt der Postbedienstete im privatwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der Post.

An der - zutreffenden - rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes vermag aber auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Einzahlungen in 3 Fällen Fernmeldegebühren betroffen haben, die für Fernsprechteilnehmer auf das Postscheckkonto der Fernmeldegebührenstelle Linz überwiesen werden sollten. Mißbrauch der Amtsgewalt in bezug auf die in den Bereich der Hoheitsverwaltung der Post fallenden Angelegenheiten des Fernmeldewesens käme nämlich nur insoweit in Betracht, als ein mit der Vorschreibung oder Verrechnung von Fernmeldegebühren befaßter Postbediensteter diese seine Befugnis mißbräuchlich ausübt (vgl. ÖJZ-LSK 1984/182), was etwa der Fall wäre, wenn ein solcher Bediensteter mit Geldbeträgen, die im Wege des Postscheckverkehrs auf das Postscheckkonto der Fernmeldegebührenstelle gelangt sind, pflichtwidrig verfährt. Davon kann aber vorliegend keine Rede sein. Für die Beurteilung von Manipulationen eines die Geschäfte der Österreichischen Postsparkasse besorgenden Postbediensteten macht es hingegen keinen Unterschied, ob die von ihm entgegengenommenen Geldbeträge zur Begleichung von Fernmeldegebühren oder zur Bezahlung anderer Schulden bestimmt sind.

Damit hat das Erstgericht - entgegen der Auffassung der Anklagebehörde - den festgestellten Sachverhalt rechtsrichtig nicht dem Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt, sondern jenem der Veruntreuung unterstellt, bei welchem der Täter infolge tätiger Reue Straflosigkeit erlangen kann.

Verfehlt ist aber auch der von der Staatsanwaltschaft erhobene, der Sache nach eine Nichtigkeit gemäß der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO relevierende Beschwerdeeinwand, die vertragliche Verpflichtung des Angeklagten zur Schadensgutmachung (§ 167 Abs 2 Z 2 StGB) gegenüber der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg habe die Strafbarkeit des Angeklagten nicht aufgehoben. Denn es liegt auf der Hand, daß durch die rechtwidrige Zueignung von Geldbeträgen, die einem zu deren Entgegennahme befugten Postbediensteten anvertraut wurden, ein Schaden nur im Vermögen des Staates eintreten konnte, weil der Staat für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organwalter Dritten gegenüber haftet und Zahlungen, welche jemand bei einem Postschalter oder - wie hier - bei einem annahmeberechtigten Landbriefträger vornimmt, gegen sich gelten lassen muß. Durch die Straftat des Angeklagten sind demnach nicht die jeweiligen Einzahler der Geldbeträge geschädigt worden, es wurde vielmehr der Staat an seinen Vermögensrechten verletzt, sodaß eine Schadensgutmachung nur gegenüber dem zuständigen Organ der Postverwaltung wirksam erfolgen konnte. Zufolge der mit der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg als Schadensträger getroffenen rechtzeitigen (und freiwilligen) Vereinbarung, den gesamten (offenen) Schaden in der Höhe von 20.213,44 S in monatlichen Raten a 500 S zu erstatten, kommt dem Angeklagten somit tätige Reue zustatten, sodaß dem angefochtenen Urteil auch insoweit kein Rechtsirrtum anhaftet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.

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