Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die von der erblasserischen Tochter Britta DE P*** erstattete "Rekursbeantwortung" wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der am 28.November 1985 verstorbene Aldo Johann Z*** hinterließ ein Testament, in dem er seine Ehegattin Ernestine Z*** zur Alleinerbin einsetzte. Weiters hielt er fest, daß er seinem Sohn aus der Ehe mit Ernestine Z*** die ihm gehörende Hälfte der Liegenschaft EZ 769 KG St. Martin auf den Todesfall geschenkt habe, wobei diese Schenkung auf den Pflichtteil anzurechnen sei. Seiner Tochter aus erster Ehe, Britta DE P***, vermachte er Liegenschaftsanteile und hielt fest, daß sie bereits von ihm Bargeld und Ausstattungsgegenstände im Gesamtwert von S 80.000,-- erhalten hätte.
Die erblasserische Witwe hat mittlerweile eine bedingte Erbserklärung abgegeben, die vom Erstgericht mit Beschluß vom 9. Dezember 1986 angenommen wurde.
Am 29.Oktober 1986 langte ein Antrag der Britta DE P*** ein, die Schätzung der in den Nachlaß fallenden Hälfte der Liegenschaft EZ 769 KG St. Martin anzuordnen.
Das Erstgericht ordnete die Schätzung des Hälfteanteiles des Erblassers an der Liegenschaft EZ 769 KG St. Martin an. Der gegen diesen Beschluß von der erblasserischen Witwe erhobene Rekurs blieb erfolglos.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe aus den Anfechtungsgründen der Nullität (Nichtigkeit) und der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit den Anträgen, die angefochtene Entscheidung wegen Nichtigkeit aufzuheben, allenfalls diese im Sinne der Abstandnahme von der Schätzung des Hälfteanteiles des Erblassers an der Liegenschaft EZ 769, KG St. Martin, allenfalls im Sinne der Auferlegung der Schätzungskosten an Britta DE P*** abzuändern.
Die erblasserische Tochter Britta DE P*** hat eine "Rekursbeantwortung" erstattet, die jedoch im gegenständlichen Verfahren im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. EFSlg. 44.572) und daher als unzulässig zurückzuweisen war (7 Ob 652/86 ua). Auch das Rechtsmittel der erblasserischen Witwe erweist sich als unzulässig.
Eine Nichtigkeit erblickt die Rechtsmittelwerberin darin, daß ihr rechtliches Gehör dadurch verletzt worden sei, daß ihr der Antrag der erblasserischen Tochter Britta DE P***, mit welchem diese die Schätzung des Hälfteanteiles des Erblassers an der Liegenschaft EZ 769 der KG St. Martin anstrebte, weder zur Kenntnis gebracht, noch zur Äußerung zugestellt worden sei und das Erstgericht, ohne ihre Kenntnis und ohne ihr Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben, die Schätzung angeordnet habe. Das Rekursgericht habe diesen schweren Verfahrensverstoß des Erstgerichtes, den er in seinem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes als Nichtigkeit gerügt habe, nicht als solche gewertet, ohne sich konkret bezüglich des Vorliegens des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zu äußern.
Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:
Nichtigkeit im Sinne des § 16 AußStrG begründen nach ständiger Rechtsprechung außer den Nichtigkeitsgründen der Zivilprozeßordnung Verfahrensverstöße, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist ein solcher schwerer Verfahrensverstoß. Der Grundsatz des Parteiengehörs fordert aber nur, daß der Partei ein Weg eröffnet werde, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt - oder zur Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruches - vorbringen kann. Rechtliches Gehör ist der Partei auch dann gegeben, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat. Der Oberste Gerichtshof vertritt auch in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Mangel des rechtlichen Gehörs in erster Instanz im Außerstreitverfahren dadurch behoben werden kann, wenn einer Partei die Möglichkeit geboten wurde, im Rekurs gegen die ohne ihre Anhörung getroffene Entscheidung des Erstgerichtes ihren Standpunkt zu vertreten (vgl. EFSlg. 37.153 uva). Dieser Grundsatz kann allerdings dann nicht angewendet werden, wenn das Recht der Partei auf rechtliches Gehör in wesentlichen Punkten verletzt wurde. Davon kann indes im vorliegenden Falle entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses nicht die Rede sein. Wie sich aus dem Verlassenschaftsakt ergibt, hat die erblasserische Tochter Britta DE P***, welche Noterbin ist, durch ihren Rechtsfreund bereits in der Tagsatzung vom 27. Oktober 1986 vor dem Gerichtskommissär unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 726/85 den Antrag auf gerichtliche Schätzung der vom Erblasser seinem Sohn Aldo Z*** jun. auf den Todesfall geschenkten Hälfte der Liegenschaft EZ 769 KG St. Martin beantragt, weil die Klarstellung des Schätzwertes für die Noterbin im Verlassenschaftsverfahren von wesentlicher Bedeutung sei. Die rechtsanwaltlich vertretene erblasserische Witwe hat sich bei dieser Tagsatzung durch ihren Rechtsfreund gegen diesen Antrag ausgesprochen, weil die Schätzung einer bereits auf den Todesfall geschenkten Liegenschaft bzw. Liegenschaftshälfte sowohl für das Verlassenschaftsverfahren als auch für die Berechnung eines allfälligen, von der erblasserischen Witwe jedoch bestrittenen Pflichtteilsanspruches der erblasserischen Tochter aus erster Ehe von keinerlei Bedeutung sei. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 726/85 sei durch Aufnahme des Gegenstandes der Schenkung auf den Todesfall (Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 769 KG St. Martin) in das Inventar ohnehin vollinhaltlich Rechnung getragen worden. Am 29.Oktober 1986 langte dann beim Verlassenschaftsgericht der Antrag der erblasserischen Tochter Britta DE P*** auf Anordnung der Schätzung der genannten Liegenschaftshälfte ein (ON 14). Das Erstgericht ordnete die Beischaffung des Verlassenschaftsaktes vom Gerichtskommissär an, erließ jedoch vor Einlangen des Aktes ohne weitere Verständigung der erblasserischen Witwe den Beschluß vom 19.November 1986, mit welchem die Schätzung des Hälfteanteiles an der Liegenschaft EZ 769 KG St. Martin verfügt wurde. Als der Verlassenschaftsakt vom Gerichtskommissär am 9.Dezember 1986 dem Abhandlungsgericht vorgelegt wurde, hielt der Erstrichter in einem Amtsvermerk fest, daß der Vertreter der erblasserischen Witwe, Rechtsanwalt Dr. F***, ihm vor Einlangen des Antrages der erblasserischen Tochter (ON 14) bekanntgegeben habe, daß die erblasserische Tochter Britta DE P*** bei der Verlassenschaftsabhandlung am 27. Oktober 1986 den Antrag auf Schätzung der Liegenschaftshälfte der EZ 769 KG St. Martin gestellt und er sich gegen die Schätzung ausgesprochen habe, weil er der Ansicht sei, daß die Aufnahme in das Inventar mit dem Einheitswert genüge. Dr. F*** habe sich bei dieser Gelegenheit nochmals gegen die beantragte Schätzung ausgesprochen. Ein Amtsvermerk über die Stellungnahme Dris. F*** sei deshalb unterblieben, weil angenommen werden konnte, daß der Verlassenschaftsakt mit der Niederschrift vom 27. Oktober 1986 zur Entscheidung über den Antrag vom Gerichtskommissär unverzüglich vorgelegt werde.
Der Beschluß über die Anordnung der Schätzung wurde auch der erblasserischen Witwe zu Handen ihres Vertreters zugestellt und sie hat in dem dagegen erhobenen Rekurs ausführlich ihre Argumente gegen die Schätzungsverfügung dargelegt. Unter diesen Umständen kann aber nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht davon gesprochen werden, daß die Unterlassung der Zustellung des Antrages der erblasserischen Tochter ON 14 an den Vertreter der erblasserischen Witwe zur allfälligen Stellungnahme vor der Beschlußfassung über diesen Antrag als Verletzung des rechtlichen Gehörs der erblasserischen Witwe in einem wesentlichen Punkt zu beurteilen sei. Ein dem Erstgericht unterlaufener und auch vom Rekursgericht nicht als gegeben erachteter Verfahrensmangel, dem das Gewicht einer Nullität im Sinne des § 16 AußStrG beizumessen gewesen wäre, liegt daher entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses nicht vor.
Soweit die Rechtsmittelwerberin unter dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit neuerlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Verneinung eines darin gelegenen Nichtigkeitsgrundes durch das Rekursgericht rügt, ist ihr zunächst zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung mit dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nur Verletzungen materiellrechtlicher Vorschriften, nicht aber verfahrensrechtlicher Vorschriften geltend gemacht werden können (vgl. SZ 47/105, SZ 51/140 uva). Diesbezüglich ist die erblasserische Witwe daher auf die obigen Darlegungen des Obersten Gerichtshofes zum Anfechtungsgrund der Nullität zu verweisen. Auch mit ihren Ausführungen zum mangelnden Antragsrecht der erblasserischen Tochter und Noterbin Britta DE P*** auf Vornahme einer Schätzung im Verlassenschaftsverfahren und zur Zweckmäßigkeit der Schätzung im Hinblick auf eine dadurch bewirkte unnötige Verzögerung des Verlassenschaftsverfahrens macht die Rechtsmittelwerberin keine Verletzung materiellrechtlicher Vorschriften, sondern angebliche Verstöße gegen Verfahrensvorschriften geltend, die aber im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG, wie schon dargelegt, nur dann wahrgenommen werden können, wenn ihnen das Gewicht einer Nichtigkeit zukommt. Gemäß § 102 Abs 2 AußStrG ist eine gerichtliche Schätzung zum Zwecke der Abhandlung nur dann aufzunehmen, wenn um sie von einem Erben angesuchts oder vom Gericht wegen Berechnung des Pflichtteiles oder aus anderen Gründen ausdrücklich angeordnet wird. Daraus ergibt sich, daß jedenfalls auch unabhängig von einer Antragstellung die Schätzung bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen angeordnet werden kann. Damit kann aber die Frage, ob nur einem Erben oder auch einem Noterben ein Antragsrecht auf Vornahme einer Schätzung zuzubilligen ist, im vorliegenden Fall unerörtert bleiben. Gemäß § 784 ABGB sind nämlich zur richtigen Ausmessung des Pflichtteiles alle zur Verlassenschaft gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen, alle Rechte und Forderungen, welcher der Erblasser auf seine Nachfolger frei zu vererben befugt war, selbst alles, was ein Erbe oder Legatar in die Masse schuldig ist, genau zu beschreiben und zu schätzen. Den Noterben steht es frei, der Schätzung beizuwohnen und ihre Erinnerungen dabei zu machen. Auch § 102 Abs 2 AußStrG nimmt auf die Berechnung des Pflichtteiles als Grund für die Anordnung einer gerichtlichen Schätzung Bezug. Hat daher das Erstgericht, gestützt auf die in JBl 1981, 593, und in NZ 1986, 210, veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, nach welchen Schenkungen auf den Todesfall bei der Berechnung des Pflichtteiles in Anschlag zu bringen sind, eine Schätzung der vom Erblasser seinem Sohn auf den Todesfall geschenkten Liegenschaftshälfte angeordnet, so kann darin jedenfalls kein Verfahrensverstoß, dem das Gewicht einer Nichtigkeit beizumessen wäre, erblickt werden.
Soweit schließlich die erblasserische Witwe die vom Rekursgericht gebilligte Abweisung ihres Antrages, der erblasserischen Tochter Britta DE P*** die Kosten der Schätzung der Liegenschaftshälfte aufzuerlegen, bekämpft, übersieht sie, daß gemäß § 14 Abs 2 AußStrG Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt nicht nur dann unzulässig sind, wenn es sich um die Bemessung der Höhe der Kosten handelt, sondern auch dann, wenn über die Pflicht zur Kostentragung entschieden wurde (vgl. Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen, E.Nr. 39 und 41 zu § 14 AußStrG uva).
Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.
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