OGH 2Ob698/86

OGH2Ob698/8610.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** UND K*** W***, Vordere Zollamtsstraße 13, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Dr. Klaus Hofmann, Dr. Karl Preslmayr, Dr. Horst Auer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sascha V***, Geschäftsführer, Florastraße 7, CH-8034 Zürich, vertreten durch Dr. Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 500.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. August 1986, GZ. 3 R 137/86-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 15. Mai 1986, GZ. 28 Cg 446/85-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.443,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin gewährte der Firma CVG Computer Vertriebs-Service Gesellschaft mbH (in der Folge: Firma CVG) Kredit. Der Beklagte übernahm für einen Teilbetrag von S 500.000 samt anteiligen Zinsen und Kosten die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB. Er erklärte, auf die Geltendmachung der ihm als Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einreden, insbesondere auf die Einrede der Aufrechnung, zu verzichten. Über das Vermögen der Firma CVG wurde am 17. Jänner 1985 der Konkurs eröffnet.

Die Klägerin begehrt die Bezahlung eines Betrages von S 500.000 samt 9,75 % Zinsen seit 17. Jänner 1985. Zum 16. Jänner 1985 hafte ein Kreditbetrag von S 5,595.737 unberichtigt aus.

Der Beklagte wendete ein, es sei vereinbart worden, daß die Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag erst nach Beendigung des Konkursverfahrens und des gegen den Geschäftsführer der Firma CVG eingeleiteten Strafverfahrens fällig sein solle. Überdies habe die Klägerin andere Sicherheiten nicht rechtzeitig geltend gemacht, sie habe Kunden der Firma CVG nicht von der Abtretung von Forderungen verständigt, sodaß die Firma CVG die Forderungen selbst kassiert habe. Die Klägerin hätte schon vor der Konkurseröffnung den Kreditvertrag auflösen müssen, in diesem Fall hätten die Haftungsobjekte zur Bedeckung der Forderung ausgereicht. Die Klägerin habe auch nach Bekanntwerden von Malversationen der Geschäftsführer der Firma CVG keine schadensmindernden Maßnahmen getroffen. Durch die Sorgfaltsverletzung der Klägerin habe der Beklagte einen Schaden erlitten, der bis zur Höhe der Klagsforderung als Gegenforderung eingewendet werde. Der von der Klägerin geltend gemachte Verzicht auf sämtliche dem Bürgen zustehende Einwendungen, darunter auch die Geltendmachung der Aufrechnung, sei sittenwidrig. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte hafte gemäß § 1357 ABGB als Bürge und Zahler für die aushaftende Schuld nach Maßgabe der in der Bürgschaftserklärung enthaltenen betraglichen Begrenzung. Der Nachweis des Zustandekommens einer Stundungsvereinbarung sei ihm nicht gelungen. Auf die von ihm aufrechnungsweise eingewendeten Schadenersatzforderungen sei nicht einzugehen, weil er auf die Einrede der Aufrechnung verzichtet habe. Der vertragliche Ausschluß der Aufrechnung sei nach ständiger Rechtsprechung nicht sittenwidrig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß die eingeklagte Forderung mit S 500.000 samt 9,75 % Zinsen seit 17. Jänner 1985 zu Recht bestehe, die Einrede der vom Beklagten behaupteten Gegenforderungen abgewiesen werde und der Beklagte schuldig sei, der klagenden Partei den Betrag von S 500.000 samt 9,75 % Zinsen seit 17. Jänner 1985 zu bezahlen. Das vertragliche Aufrechnungsverbot sei nach der Rechtsprechung nicht sittenwidrig, wenn die Gegenforderung gesondert geltend gemacht werden könne. Da es sich beim Beklagten nicht um einen Verbraucher handle, könne aus § 6 Abs 1 Z 8 KSchG nichts für seinen Standpunkt Günstiges abgeleitet werden. Daher seien auch Beweisaufnahmen über die Gegenforderung nicht notwendig gewesen.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte wiederholt in der Revision sein Vorbringen, auf das er seine Gegenforderungen stützt, und vertritt die Ansicht, das vertragliche Aufrechnungsverbot sei sittenwidrig. Das Verhalten der Klägerin sei grob fahrlässig und extrem branchenunüblich gewesen, unter Berücksichtigung sämtlicher Komponenten sei Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB anzunehmen.

Die Ansicht der Vorinstanzen, das Aufrechnungsverbot sei nicht sittenwidrig, ist jedoch zu billigen. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung und Lehre (Koziol-Welser 7 I 254; Gschnitzer in Klang 2 VI 511; Ehrenzweig-Mayrhofer 606; Rummel in Rummel ABGB, Rdz 29 zu § 1440; Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 100 zu § 6 KSchG; SZ 27/197, SZ 43/7; SZ 53/103; JBl 1985, 547; 4 Ob 17/84 uva). Die in der Revision angeführten Entscheidungen über die Sittenwidrigkeit von Vereinbarungen betreffen keine Aufrechnungsverbote. Den Revisionsausführungen, mit denen der Versuch unternommen wird, darzutun, daß im konkreten Fall doch Sittenwidrigkeit vorliege, ist entgegenzuhalten, daß dem Beklagten durch die Vereinbarung Schadenersatzansprüche nicht genommen wurden, es wurde lediglich die Aufrechnung ausgeschlossen. Die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin geltend zu machen, besteht trotz der Vereinbarung. Nur eine Aufrechnung ist auf Grund des Inhaltes des Bürgschaftsvertrages nicht möglich. Der erstmals in der Berufung aufgestellten Behauptung, der Beklagte sei Verbraucher im Sinne des KSchG, ist entgegenzuhalten, daß derjenige, der den Schutz des KSchG für sich in Anspruch nehmen will, behaupten und nachweisen muß, daß die Voraussetzungen für diesen Schutz gegeben sind, sofern sich die Eigenschaft als Verbraucher nicht ganz klar aus den Umständen ergibt (Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 44 zu § 1 KSchG; SZ 55/51). Der Beklagte hätte daher bereits in erster Instanz ein entsprechendes Vorbringen erstatten müssen. Zur Frage, ob der Beklagte als Verbraucher im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes angesehen werden könnte, sei überdies darauf hingewiesen, daß ihm nach seiner eigenen Aussage 25 % der Stammanteile der Firma CVG gehören. § 6 Abs 1 Z 8 KSchG steht der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes daher nicht entgegen, sodaß es nicht erforderlich ist, auf die Ausführungen zum Bestand der Gegenforderung einzugehen.

Der Revisionswerber führt weiters aus, beim Aufrechnungsverbot habe es sich um eine grob nachteilige Bestimmung ungewöhnlichen Inhaltes gehandelt, mit der er nach den Umständen, vor allem dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht habe rechnen müssen, weshalb das Aufrechnungsverbot gemäß § 864 a nicht wirksam sei. Bei diesen Ausführungen handelt es sich um solche, die erstmals in der Revision vorgebracht werden. Die Behauptungs- und Beweislast für die Nachteiligkeit und Ungewöhnlichkeit einer Klausel trifft denjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit beruft (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 864 a; 3 Ob 552/86; 7 Ob 20/86). Der Beklagte hätte diesen Einwand daher bereits in erster Instanz erheben müssen. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung RdW 1986, 334 ausgesprochen, daß in einem Fall, in dem eine Prozeßpartei ihren Prozeßstandpunkt auf eine Bestimmung in einem Vertragsformblatt oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die bereits nach den Tatumständen, die nach dem Verfahrensstand keines weiteren Parteienvorbringens und keines Beweises bedürfen, bedenklich erscheint, das Gericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung auch ohne ausdrücklich darauf gerichtete Einwendung die Gültigkeit der Vertragsbestimmung nach § 864 a ABGB zu prüfen hat. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen jedoch nicht gegeben. Für den Bürgschaftsvertrag wurde kein Formular verwendet, die Vereinbarung über das Aufrechnungsverbot erfolgte nicht durch Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es handelt sich um einen Vertrag, der in mehrere Absätze gegliedert, in Maschinschrift übersichtlich geschrieben wurde und der aus einer Seite eines Blattes im Format DIN A 4 Platz fand. Davon, daß das Aufrechnungsverbot, das am Beginn eines der wenigen Absätze des Vertrages steht, schon nach den Tatumständen im Sinne des § 864 a ABGB bedenklich erscheinen mußte, kann daher keine Rede sein. Mangels eines schon in erster Instanz erstatteten Vorbringens braucht daher auf die Revisionsausführungen zu diesem Thema nicht weiter eingegangen zu werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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