OGH 12Os158/86

OGH12Os158/8622.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Jänner 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard H*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Schöffengericht vom 17. April 1986, GZ 10 a Vr 739/85-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr. Knob, und des Verteidigers Dr. Wilhelm, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, 1.) im Ausspruch, der Angeklagte habe den ihm unter Punkt I des Schuldspruchs zur Last fallenden schweren Betrug gewerbsmäßig begangen, und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung des Betruges als gewerbsmäßig nach § 148 zweiter Fall StGB, 2.) zu Punkt II des Urteilssatzes wegen Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen - unbekämpft gebliebenen - Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde der Weinhändler Gerhard H*** I./ des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB und II./ des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Rohrendorf

I./ in der Zeit von 1980 bis einschließlich 1983 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Abnehmer seiner Weine durch Täuschung über die Tatsache, daß es sich zumindest bei 240.000 Liter des von ihm (in seinem Heurigenlokal) verkauften Getränks um unter Verwendung von Diäthylenglykol und Trockenstärkesirup hergestellten, nachgemachten, "daher" verkehrsunfähigen und wertlosen Wein handelte, zu Handlungen, nämlich zum Ankauf dieser 240.000 Liter nachgemachten Weins verleitet, wodurch andere, nämlich die Letztverbraucher des Weins an ihrem Vermögen geschädigt wurden und der Schaden mindestens 2,4 Millionen Schilling betrug, und (wobei) Gerhard H*** gewerbsmäßig vorging;

II./ in der Zeit von 3.Mai 1984 und Dezember 1984 vorsätzlich ein Gut, das ihm anvertraut worden war, nämlich 159.453 Liter Wein, welcher zugunsten der S*** K*** verpfändet, jedoch in seiner Verwahrung belassen worden war, unbekannten Abnehmern mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Wert des veruntreuten Gutes 638.000 S betrug, sohin 100.000 S überstieg.

Dieser Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

1. Zum Schuldspruch zu Punkt I des Urteilssatzes:

In der Mängelrüge (Z 5) bezeichnet der Beschwerdeführer die Feststellung, daß er bis einschließlich 1983 (also auch im Jahre 1983) Kunstwein erzeugte (S 434) und bis zum Jahre 1984 7 ha eigene Weingärten besaß, welche er selbst bearbeitete und aus deren Erträgnissen er Wein produzierte (S 433), als unzureichend und unvollständig begründet. Das Erstgericht habe nämlich seine Verantwortung, 1983 keine Weingärten mehr besessen und den letzten Wein im Jahre 1982 gekeltert (also 1983 keinen Traubenmost mehr zur Verfügung gehabt) zu haben, ebenso übergangen, wie den durch mehrere Gendarmerieberichte (S 141, 159, 161) erhärteten Umstand, daß Zuckerkäufe nur bis 1982 erfolgten, welche Beweisergebnisse deshalb einer Erörterung bedurft hätten, weil zur Herstellung des Kunstweines nach den Urteilsannahmen unter anderem Traubenmost und Zucker verwendet wurde.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß das Erstgericht die zur Kunstweinerzeugung getroffenen Feststellungen, soweit sie in bezug auf Menge und Tatzeitraum über das Geständnis des Angeklagten hinausgehen, vor allem auf die als glaubwürdig beurteilten (S 436) Angaben des Zeugen Franz H*** (vgl. S 21 ff = S 113 ff, 393 ff) gestützt und damit durchaus zureichend begründet hat. Der Frage, bis wann der Angeklagte eigene Weingärten besessen hat - den Beschwerdebehauptungen zuwider hat der Angeklagte übrigens selbst zugegeben, von ursprünglich sieben Hektar Weingarten 1983 zumindest noch ein Hektar besessen zu haben (vgl. S 27 = 101) - und dem Umstand, welche Zuckerkäufe durch Gendarmerieerhebungen zeitmäßig geklärt sind, kommen im gegebenen Zusammenhang keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil die Mostgewinnung nicht nur aus eigener Produktion, sondern auch aus - dem Angeklagten nicht fremden (vgl. S 366, 433) - Zukäufen erfolgen konnte und Zuckerkäufe nach den eigenen Angaben des Angeklagten (S 368) zum guten Teil auch ohne Rechnung (und daher durch die Gendarmerie nicht überprüfbar) getätigt wurden.

Letzteres (Käufe ohne Rechnung, die nicht in die Buchhaltung aufgenommen wurden) gilt auch für den Ankauf von Chemikalien (vgl S 368), sodaß der Beschwerdehinweis auf die nur bis 1982 durch Rechnungen gedeckten Ankäufe ins Leere geht. Im Hinblick auf die zum Teil ohne Rechnung erfolgten Chemikalienkäufe war es aber auch weder möglich noch erforderlich im einzelnen festzustellen, "welche Chemikalien bei wem, wann und in welcher Menge" bezogen und wie sie in der Folge verwendet worden sind. Genug daran, daß das Erstgericht zu der Überzeugung gelangte, dem Angeklagten seien genügend chemische Substanzen zur Verfügung gestanden, um die in Punkt I./ des Urteilssatzes angeführten Mengen Kunstweins zu erzeugen, wofür der erkennende Senat neben der Aussage des Zeugen Franz H*** durchaus denkrichtig auch die in 27 Behältnissen erfolgten Sicherstellungen samt dem zugehörigen Analysenbericht (vgl. S 245 ff) ins Treffen führen konnte (S 436).

Der Beschwerdeinwand, aus dem Beweisverfahren ergäben sich gesichert nur solche Mengen (erzeugten Kunstweins), wie sie der Angeklagte zugestanden habe, stellt sich in Wahrheit nur als ein im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung des Erstgerichtes dar. Im übrigen hat das Erstgericht das Gutachten des Sachverständigen Dr. M***, der unter anderem über Befragen durch den Verteidiger erklärte, zu einem Gemisch aus 5.000 Liter Most und 5.000 Liter Wasser und 10 Liter DÄG plus weißes Pulver aus einem Nylonsackerl müsse (zwecks Herstellung eines verkaufsfähigen Kunstweins) noch "etwas dazukommen", in dieser Form sei dies nur "Zuckerwasser" (S 426), keineswegs übergangen (S 437, 438), sondern ohnedies auch in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen, die allerdings zu der Überzeugung führten, daß es dem Angeklagten letztlich sehr wohl gelang, zumindest 240.000 Liter Kunstwein herzustellen und zu verkaufen.

Nicht entscheidend ist der Umstand, ob es sich gerade bei der milchig-weißen Flüssigkeit, die nach den Angaben des Zeugen Franz H*** (vgl. etwa S 403) bei der Erzeugung des Kunstweins zugesetzt wurde, um Diäthylenglykol handelte. Daß insoweit nicht etwa die Zugabe erlaubter Chemikalien zu einem Naturwein, sondern eine Kunstweinerzeugung stattfand, ergibt sich schon aus dem von Franz H*** bestätigten enormen Zusatz von jeweils 5.000 Liter Wasser zu 5.000 Liter aufgezuckertem Most (S 404). Darauf, welche Chemikalien (und insbesondere in welchem Ausmaß Diäthylenglykol) der Angeklagte diesem Gemisch im einzelnen sonst noch zusetzte, kommt es daher nach Lage des Falles ebensowenig an, wie darauf, daß Franz H*** - wie er übrigens in diesem Punkt in Übereinstimmung mit dem Angeklagten (S 414) selbst bestätigte (S 404) - "die Namen" der verwendeten Chemikalien nicht kannte.

Keine entscheidende Tatsache betreffen schließlich jene Beschwerdeausführungen, mit denen sich der Angeklagte unter Hinweis auf die im Tatzeitraum bei faßweisem Verkauf zeitweise angeblich unter drei Schilling je Liter gesunkenen Weinpreise gegen die Urteilsannahme wendet, daß der durch den Verkauf des Kunstweins zugefügte Schaden 10 S pro Liter betragen hat. Denn die für das Vorliegen der Qualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB maßgebende Wertgrenze von 100.000 S wäre im Hinblick auf den Verkauf von 240.000 Liter Kunstwein auch bei der vom Beschwerdeführer angestrebten Schadensberechnung überschritten.

Die Mängelrüge ist daher unbegründet.

Die auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gestützte Rechtsrüge ermangelt einer gesetzmäßigen Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes - die ein Festhalten an sämtlichen Urteilsfeststellungen und einen Vergleich derselben mit dem darauf angewendeten Gesetz voraussetzt - wenn der Beschwerdeführer mit der (neuerlichen) Behauptung, 1983 keinen Kunstwein erzeugt und (mangels einer entsprechenden Menge von Chemikalien) überhaupt insgesamt nur 10.000 bis 11.000 Liter nachgemachten Weins in Verkehr gesetzt zu haben, die getroffenen (ausreichenden) Feststellungen lediglich durch andere (für ihn günstigere) Konstatierungen zu ersetzen versucht. Die bezüglichen, ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung nach nur in unzulässiger Weise die (in freier Beweiswürdigung gewonnene) Überzeugung des erkennenden Senates bekämpfenden Ausführungen sind daher unbeachtlich.

In diesem Umfange war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch insoweit zu, als sich der Angeklagte darin - der Sache nach unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO (vgl. 13 Os 29/86) - dagegen wendet, den ihm laut Punkt I./ des Urteilssatzes angelasteten Betrug gewerbsmäßig verübt zu haben:

Hiezu wird im Urteil - außer der Zitierung des Wortes "gewerbsmäßig" im Urteilsspruch - lediglich festgestellt, daß Gewerbsmäßigkeit vorliege, weil der Angeklagte "die festgestellten Betrügereien im Rahmen und zur Aufrechterhaltung seines Gewerbebetriebes begangen hat" (S 439). Feststellungen, insbesondere zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte wenigstens eine Betrugstat in der Absicht begangen hätte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , ENr. 2 und 3 zu § 70), sind dem Urteil ebensowenig zu entnehmen wie Feststellungen darüber, ob sich die angenommene Gewerbsmäßigkeit auf die Begehung schwerer Betrugsfälle im Sinne des § 147 StGB gerichtet hat. Setzt doch die Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 148 StGB voraus, daß jede einzelne beabsichtigte wiederkehrende Begehung für sich allein ein schwerer Betrug ist; es genügt nicht, daß schwerer Betrug nur infolge der Zusammenrechnung mehrerer, an sich die Wertgrenze des § 137 Abs. 2 StGB jeweils nicht übersteigender Schadensbeträge vorliegt (SSt. 47/63 ua).

2. Mit Recht zeigt die Beschwerde zu Pkt. II des Schuldspruchs (Veruntreuung) einen Begründungsmangel des Urteils auf. Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte der S*** K*** 159.453 Liter Wein zur Besicherung eines "Lesekredits" verpfändet hatte. Dieser Wein war "unter seiner (des Angeklagten) Verwahrung" im H***'S*** Weinkeller" gelagert (S 435) und ihm somit vertraglich mit bestimmter Verwendungspflicht anvertraut worden. Nach Annahme der Tatrichter war der Gewahrsamsübergang an den Pfandgläubiger durch Anbringung von "entsprechender Bezettelung" auf den Weintanks vorgenommen worden (S 438/439).

Voraussetzung dafür, daß der Wein dem Angeklagten im Sinne des § 133 StGB anvertraut, damit eine sachbezügliche Fürsorgepflicht im Innenverhältnis zwischen der S*** K*** und dem Beschwerdeführer begründet worden war und er den Wein im Interesse der Ersteren zu verwahren hatte, war ein nach den Grundsätzen des § 452 ABGB erfolgter Erwerb des Pfandrechtes durch wirksame symbolische Übergabe. Denn ist eine beiderseits an sich gewollte Verpfändung wegen Verstoßes gegen das Faustpfandprinzip (§ 451 ABGB) unwirksam, scheidet eine Veruntreuung nach § 133 StGB aus (vgl. EvBl. 1967/357; SSt. 25/43); ein Pfandrecht, das zivilrechtlich gar nicht entstanden ist, kann auch keine gemäß § 133 StGB schutzwürdige Position begründen (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2, § 133 RN 4; Kienapfel, Besonderer Teil, § 133 RN 40; Bertel WK § 133 RN 10). Da im vorliegenden Falle die Übergabe von Hand zu Hand nicht tunlich war, war zur Übereignung die Übergabe durch Zeichen erforderlich (§ 452 ABGB). Als Zeichen genügen jedoch nur solche, aus denen jedermann, das ist jeder Interessent, der die Kreditwürdigkeit prüfen will oder im Rang nachfolgt, sowie das nachprüfende Gericht, die Verpfändung leicht erfahren kann. Sie müssen demnach die Verpfändung nachträglich leicht und sicher feststellen lassen, es darf keine Gefahr von Verschleierung und Mißdeutung bestehen (Petrasch in Rummel, ABGB, RZ 4 zu § 452). Nun stellt die angefochtene Entscheidung die Tatsache der Verpfändung zwar fest. Wie die Mängelrüge (Z 5) jedoch zutreffend aufzeigt, übergeht das Gericht mit Stillschweigen, daß nach der Aussage des Franz T*** die Verpfändung so erfolgte, daß die Pfändungszeichen auf der Hinterseite der Fässer angebracht wurden; dies über Ersuchen des Angeklagten, damit die Tatsache der Verpfändung für seine Gäste nicht zu ersehen war (vgl. S 378). Dieser Umstand wäre jedoch gesondert zu erörtern gewesen, weil sich daraus ergeben könnte, daß bei dieser Art der Anbringung der Zeichen nicht "jedermann" die Verpfändung nachträglich leicht und sicher feststellen konnte, die Publizitätsform im vorliegenden Falle somit nicht eingehalten und die Verpfändung daher nicht wirksam wurde. Auch die Tatsache, daß der Angeklagte den Erlös des verkauften Weines in sein Vermögen übergeführt hat, ist für eine rechtliche Wertung naturgemäß nur dann von Bedeutung, wenn eine wirksame Pfandrechtsbegründung erfolgt ist.

Die aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel machen insoweit eine (teilweise) Erneuerung des Verfahrens unumgänglich. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte