Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; das im übrigen unberührt bleibende angefochtene Urteil wird
1. in der Unterstellung der Tat unter die Qualifikation des zweiten Falles des § 130 StGB;
2. in den Aussprüchen, Maria B*** habe einen handgemalten Serviettenhalter im Wert von 250 S (Schuldspruchfaktum 46), einen von drei Matratzenschutzüberzügen im Wert von 353,34 S (teilweise Faktum 80) sowie - gemäß § 290 Abs. 1 StPO - in dem Ausspruch, die Angeklagte habe eine schwarze Samttasche im Wert von 600 S (Faktum 91) gestohlen,
und demgemäß auch in dem (sich durch Wertzusammenrechnung laut Fakten 1 bis 92 ergebenden) Ausspruch, der Gesamtwert des Diebsgutes betrage 106.141 S;
3. im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung
aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Maria B*** wird von der Anklage, sie habe in der Zeit zwischen Herbst 1982 und 8.Oktober 1984 in Wien unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihr aufgetragene Arbeit als Bedienerin geschaffen worden ist, gewerbsmäßig eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen handgemalten Serviettenhalter im Wert von 250 S, ihrer Auftraggeberin Ruth B***-S*** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Maria B*** hat durch den aufrecht bleibenden Teil des erstgerichtlichen Schuldspruchs das Verbrechen des schweren, gewerbsmäßigen Diebstahls mit einem Gesamtschadensbetrag von 104.937,66 S nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 3, 128 Abs. 2, 130 erster Fall StGB begangen und wird hiefür nach § 128 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 2 StGB wird die Vollziehung der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 StGB wird die verwaltungsbehördliche und gerichtliche Verwahrungshaft vom 8.Oktober 1984, 13 Uhr, bis 16.November 1984, 14,15 Uhr, auf die Strafe angerechnet.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 27.Oktober 1932 geborene Maria B*** des Verbrechens des "gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 3, 128 Abs. 2, 130 zweiter Fall StGB" (S. 348) schuldig erkannt und nach § 128 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei ihr - trotz Inhaftnahme durch Polizeiorgane schon am 8.Oktober 1984, 13 Uhr (s.S. 9, 32, 33) - die Vorhaft (erst) ab 10.Oktober 1984, 13,15 Uhr (bis 16.November 1984, 14,15 Uhr) auf die Strafe angerechnet wurde. Inhaltlich des Schuldspruchs stahl die Angeklagte in der Zeit zwischen Herbst 1982 und 8.Oktober 1984 in Wien unter Ausnützung des Beschäftigungsverhältnisses als Aufräumefrau ihrer Auftraggeberin Ruth B***-S*** durch mindestens einen Angriff pro Woche gewerbsmäßig die im Spruch des erstgerichtlichen Urteils unter den Punkten 1 bis 91 im einzelnen angeführten und bewerteten Sachen sowie (laut Punkt 92) Geldbeträge von zusammen mindestens 10.000 S. Daraus ergibt sich zu den Fakten 1 bis 92 ein Gesamtschadensbetrag von 106.141 S.
Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a, 10 und 11 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde sowie (im Strafausspruch auch) mit Berufung. Ein Teilfreispruch erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt die Beschwerdeführerin die Abweisung der in der (neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 22.April 1985 (ON. 35) gestellten bzw. aus der Hauptverhandlung am 17.Dezember 1984 (ON. 22) verlesenen und durch Erklärung des Verteidigers aufrecht erhaltenen (S. 303) Anträge:
1. Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß die Angeklagte bei Begehung der Tat in einem zugegebenen psychischen Zwang gehandelt hat, was zwar keinen Schuldausschließungsgrund, wohl aber einen Milderungsgrund darstelle (S. 340 i.V.m. dem Berichtigungsbeschluß S. 397 f.); 2. Vernehmung des Zeugen Horst.
J. H*** zum Beweis dafür, daß sie "Island Handschuhe" (laut Schuldspruchfaktum 41) gekauft habe (S. 340); 3. Vernehmung des Polizeibezirksinspektors K*** als Zeugen zum Beweis dafür, daß nicht jedes (sichergestellte) Stück der Beschwerdeführerin vorgezeigt worden sei (S. 340); 4. Vernehmung der Zeugen Ursula D***, C***, G*** (auch G***) und P*** (auch P***) zum Beweis dafür, daß sie der Beschwerdeführerin diverse - im einzelnen angeführte - Sachen, die der Art nach Gegenstand des Schuldspruchs (zum Teil auch des Freispruchs) sind, geschenkt hätten (S. 201 bis 203).
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge, deren Überprüfung auf der Grundlage des Inhaltes der in der Hauptverhandlung gestellten (abgewiesenen) Beweisanträge (und nicht nach einer erst in der Beschwerde, mithin nachträglich gegebenen Bedeutung) zu erfolgen hat, kommt keine Berechtigung zu.
Zu 1: Ganz abgesehen davon, daß nach dem gesamten Akteninhalt (und damit auch nach dem Vorbringen der Angeklagten und ihres Verteidigers in erster Instanz) die Voraussetzungen des § 134 StPO ohnehin nicht vorliegen, zielt der Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Psychiaters (lediglich) auf die Gewinnung eines Milderungsumstandes ab. Die Ablehnung eines Beweisantrages, der - wie hier - nur die Strafbemessung betrifft, bewirkt aber (mangels Relevanz für die Lösung der Schuldfrage und/oder für die Anwendung des Strafsatzes) keine Nichtigkeit. Die vom Erstgericht - in seiner Urteilsausfertigung nachgetragene (S. 360 f.) - Begründung des Zwischenerkenntnisses, die begehrte Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beziehe sich nicht auf die Schuldfrage (S. 361), ist demnach zutreffend.
Zu 2 und 4: Auch die zu diesen Beweisanträgen vom
Schöffengericht gegebene Begründung für sein Zwischenerkenntnis (S. 360) ist richtig. Mit Rücksicht auf die Verfahrensergebnisse, insbesondere die für glaubwürdig erachtete Aussage der Zeugin B***-S***, wodurch die dieser gestohlenen Sachen
eindeutig identifiziert werden könnten, schließt die vom Erstgericht ohnehin nicht negierte Tatsache, daß die Beschwerdeführerin von anderen Personen diverse Gegenstände, die den gestohlenen ähnlich sind, gekauft (Kinderwollfäustlinge laut Faktum 41 - siehe dazu auch S. 356 unten) oder geschenkt (etwa Fakten 4, 12, 13, 14, 42, 59 usw. - siehe im Detail die Aufzählung auf S. 388 oben) hat, den Diebstahl der vom Schuldspruch erfaßten Sachen nicht aus (vgl. abermals S. 360). Mithin erweisen sich die Anträge auf Vernehmung der Zeugen H***, D***, C***, G*** (auch G***) und P*** (auch P***) als unerheblich.
Zu 3: Dasselbe gilt für den Antrag auf Vernehmung des Polizeibeamten K*** (unrichtig auf S. 361 oben: K***) als Zeugen, weil, wie das Landesgericht im Zwischenerkenntnis zutreffend ausführte (S. 361), die Frage, ob jedes von der Polizei beschlagnahmte Stück der Beschwerdeführerin vorgezeigt wurde, durch die Zeugenaussagen der Polizeibeamten Franz P*** (S. 303), Franz H*** (S. 305), Johan G*** (S. 307) und Christian P*** (S. 339) geklärt werden konnte. Aus welchem (der Verteidigung dienenden) Grund daher auch noch die Vernehmung des Zeugen K*** erforderlich gewesen sein sollte, hätte die Beschwerdeführerin bei Antragstellung ausdrücklich anführen müssen. Daß dies nicht geschehen ist, ergibt sich aus dem (lapidaren) Wortlaut des Beweisantrages (S. 340). Das Ziel der Mängelrüge ist die Bekämpfung des mit 106.141 S angenommenen, also 100.000 S übersteigenden Wertes des Diebsgutes. Dieser Wert errechnet sich aus der Zusammenzählung aller gestohlenen, einzeln bewerteten Gegenstände laut Schuldspruchfakten 1 bis 91 und der Mindestsumme der gestohlenen Geldbeträge (Faktum 92). Demgemäß läßt sich ein relevanter Zusammenhang zwischen Tatzeitraum und Schadensbetrag nur bei den zuletzt angeführten, Geldbeträge betreffenden Diebstählen, herstellen. Dazu begründete das Schöffengericht auf der Grundlage der Verfahrensergebnisse und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze in Ausübung freier Beweiswürdigung hinreichend (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO), wie es zur Feststellung der Mindestsumme der - laut Angaben des Tatopfers - laufend abhanden gekommenen Geldbeträge gelangte (s.S. 359): Es ging von einem Betrag etwa in der Größenordnung aus, wie ihn die Angeklagte bei ihrer mit Hilfe von chemischen Geldpräparationen erfolgten Entdeckung Anfang Oktober 1984 stahl (240 S - siehe dazu insbesondere S. 7). Bei Berechnung der Schadenssumme zum Faktum 92 berücksichtigte das Schöffengericht auf der Grundlage von je einem Angriff wöchentlich während des mit Herbst 1982 bis 8.Oktober 1984 (Tag der Entdeckung - s. abermals S. 7) festgestellten Tatzeitraumes, inkriminierte aber im Sinn eines festzustellenden Mindestbetrags nur eine solche Summe, die etwa schon nach einem Jahr erreicht wurde. Dieser in Ausübung freier Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der Verfahrensergebnisse erfolgten Berechnung vermag die Beschwerde keinen Begründungsfehler in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO entgegenzusetzen.
Die Ausschöpfung nicht aller möglichen Beweismittel - die Beschwerdeführerin spricht von der amtswegigen Beiziehung eines Sachverständigen zur Schätzung des Diebsgutes - vermag weder den in Rede stehenden noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zu begründen. Einer Feststellung, welche der ursprünglich beschlagnahmten Gegenstände nicht als Diebsgut anzusehen sind, bedurfte es - im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen - nicht, weil diese gar nicht Gegenstand des Anklagevorwurfes sind. Festzustellen sind vielmehr die vom Urteil - sei es in Form eines Schuld- oder
Freispruches - erfaßten Sachen. Diesem Gebot entspricht das angefochtene Urteil. Insoweit die Beschwerdeführerin Angaben über einzelne, als gestohlen beurteilte Sachen aus dem Zusammenhang löst und einer gesonderten Betrachtung unterzieht (s. insbesondere S. 390) zeigt sie keinen formalen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft lediglich in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Das gleiche gilt für die vom Schöffengericht abgelehnte, in der Mängelrüge dennoch wiederholte Verantwortung, die Angeklagte sei hinsichtlich eines Teils des ihr als gestohlen angelasteten Guts von derelinquierten Sachen ausgegangen. Hiebei spielt es nach Lage des Falles, und zwar mit Rücksicht auf die vom Landesgericht für glaubwürdig befundene Aussage des Tatopfers, auch keine Rolle, ob einzelne dieser Sachen in der Garage des Hauses B***-S*** gelagert waren.
Desgleichen ist es ohne Bedeutung, ob die Position der im Haus des Tatopfers Anfang Oktober 1984 errichteten "Diebsfalle" (in Form von chemisch präpariertem Geld) von der Genannten "eigenmächtig verändert" wurde, wie in der Beschwerde behauptet wird (S. 391). Bei Bekämpfung des als gestohlen anzusehenden Mindestbetrags läßt die Beschwerdeführerin schließlich die schon vorstehend wiederholten Erwägungen des Schöffengerichts (Aussage der Zeugin B***-S*** über die Häufigkeit der Gelddiebstähle - "laufend" während des Tatzeitraumes -, Höhe des gestohlenen Betrags anläßlich der Aufdeckung) völlig außer acht, sodaß die Mängelrüge (auch) insoweit keine prozeßordnungsgemäße Darstellung erfährt.
Insoweit die Beschwerdeführerin unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO in teilweiser Wiederholung der Ausführungen zur Mängelrüge sich gegen die Urteilsfeststellung, der Gesamtwert der gestohlenen Sachen übersteige den Betrag von 100.000 S, und gegen die Anwendung des im § 128 Abs. 2 StGB enthaltenen Strafsatzes wendet, verkennt sie das Wesen der Rechtsrüge, die ein Festhalten am Urteilssachverhalt voraussetzt. Auf dessen Grundlage ist durch den Vergleich des angewendeten Gesetzes und der nach Meinung der Beschwerdeführerin anzuwendenden Norm ein Rechtsfehler aufzuzeigen. Da die Beschwerdeführerin jedoch (nur) ganz allgemein Begründungsmängel wiederholt und (abermals) behauptet, zur Wertfeststellung wäre von Amts wegen ein Sachverständiger beizuziehen gewesen, bringt sie die in Rede stehende Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie die Konstatierung des Gesamtwertes des Diebsgutes mit einem 100.000 S übersteigenden Wert mißachtet.
Unter Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO rügt die Beschwerdeführerin mit der Begründung, die Urteilsfeststellungen trügen den Schuldspruch zu Faktum 46 (ein handbemalter Serviettenhalter im Wert von 250 S) und zu den Fakten 79 und 80, soweit diese je drei Matratzenunterlagen im Wert von 3.300 S und Matratzenschutzüberzüge im Wert von 1.060 S statt nur je zwei enthalten, nicht.
Dieser Rüge kommt in Ansehung des Serviettenhalters und eines Matratzenschutzüberzuges, hinsichtlich letzterem sachlich unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 8 des § 281 Abs. 1 StPO, nicht jedoch hinsichtlich der (dritten) Matratzenunterlage Berechtigung zu. Bezüglich des Schuldspruches der drei Matratzenunterlagen (Faktum 79) genügt ein Hinweis auf die Aussage der Zeugin Frieda K*** (insbesondere S. 329, welche übrigens in diesem Punkt zur Ausdehnung der Anklage von zwei auf drei Matratzenunterlagen führte), auf die sich das Erstgericht bei dem Schuldspruch wegen Diebstahls von drei Matratzenunterlagen stützt (wie sich aus der Verweisung in den Urteilsgründen, S. 353, auf die
S. 312 ff. - Aussage der Zeugin B***-S***, während
welcher auch die vorher vernommene Zeugin K*** - u.a. zu den Matratzenunterlagen - ergänzend vernommen wurde - S. 329) und dadurch ersichtlich die Verantwortung der Angeklagten, nur zwei Matratzenunterlagen gestohlen zu haben (S. 177 i.V.m. S. 303), für widerlegt erachtete.
Für den gerügten Schuldspruch eines dritten Matratzenschutzüberzuges im Wert von 353,34 S (Faktum 80) hingegen fehlt nicht nur eine tragfähige Urteilsgrundlage, sondern auch ein entsprechender Anklagevorwurf (s. - in diesem Punkt nicht ausgedehnte - Anklage S. 147).
In diesem Umfang war der Schuldspruch eines Matratzenschutzüberzuges im Wert von 353,34 S (im Grund der Z. 8 des § 281 Abs. 1 StPO) aufzuheben. Ein formeller Freispruch bezüglich dieses dritten Matratzenschutzüberzuges war nicht zu fällen (vgl. dazu EvBl. 1979/211 und dort zitierte weitere Judikatur; a.M. LSK 1979/220 = EvBl. 1979/217).
Für den Schuldspruch wegen - von der Angeklagten zunächst geleugneten (s.S. 176), dann aber eingestandenen (S. 323 unten) - Diebstahls eines bemalten Serviettenhalters im Wert von 250 S (Faktum 46) fehlt, wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufzeigt, jeder Anhaltspunkt in der Urteilsbegründung, sodaß insoweit im Grund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO mit einem Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO vorzugehen war (§ 288 Abs. 2 Z. 3 StPO), zumal der öffentliche Ankläger kein Rechtsmittel ergriffen hat.
Ähnliches gilt für den - allerdings nicht
gerügten - Schuldspruch wegen Diebstahls einer schwarzen Samttasche im Wert von 600 S. Die Urteilsgründe enthalten dazu zwar einerseits einen Hinweis (s.S. 357) auf die Aussagen der Zeuginnen K*** und B***-S***, durch welche die Verantwortung der Angeklagten, sie habe die schwarze Tasche als weggegeben (derelinquiert) angesehen (S. 322), widerlegt sei, andererseits fällte das Erstgericht in Ansehung der selben Tasche einen - unangefochten gebliebenen - Freispruch (S. 350) mit der (globalen) Begründung, es handle sich um einen Massengegenstand, welcher in jedem Geschäft gekauft werden kann und auf Grund seines Aussehens bzw. auch nach der Marke nicht eindeutig (als Eigentum der Ruth B***-S***) zu identifizieren war (S. 360).
Diese Entscheidungsgrundlagen vermögen den Schuldspruch in Ansehung der schwarzen Samttasche im Wert von 600 S nicht zu tragen, sodaß er im Grund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO in Ausübung der Befugnis nach § 290 Abs. 1 StPO aufzuheben war. Da - wie erwähnt - wegen der selben Tasche vom Landesgericht auch ein - unangefochten gebliebener - Freispruch gefällt wurde, erübrigte sich ein Freispruch durch den Obersten Gerichtshof. Mit Recht rügt die Beschwerdeführerin auch die Annahme gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach § 130 zweiter Fall StGB (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO). Diese Qualifikation setzt nämlich voraus, daß der Täter die einzelnen Diebstähle oder zumindest den überwiegenden Teil in (zum schweren Diebstahl) qualifizierter Form plant oder begeht (vgl. dazu u.a. Wegscheider "Die Gewerbsmäßigkeit im Strafrecht", ÖJZ. 1979, S. 69). Da nach den - insoweit mängelfreien - Urteilsfeststellungen zu den verbliebenen 90 Schuldspruchfakten nur zwei (wert-) qualifiziert sind (Punkte 81 sowie 87) und (allein) auf Grund des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB die Qualifikation des zweiten Falls des § 130 StGB nicht angenommen werden kann, wenn zwar die einzelnen Fakten nicht schwer waren, aber durch Zusammenrechnung der Schäden der mehreren Delikte eine Wertgrenze (hier der §§ 128 Abs. 1 Z. 4 und 130 Abs. 2 StGB) überschritten wurde (Wegscheider a.a.O., LSK. 1976/387 = RZ 1976/129; EvBl. 1977/182).
Die Annahme des Erstgerichts (S. 362), die Angeklagte habe "wiederholt Sachen erbeutet, die schon für sich alleine bzw. auch in ihrer Zusammenrechnung einen Wert von mehr als 5.000 S darstellen", sodaß die Qualifikation des zweiten Falles des § 130 StGB gegeben sei, ist daher rechtsirrig. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß das mehrere Angriffe umfassende Faktum 68 nur durch Zusammenrechnung einen 5.000 S übersteigenden Wert aufweist. Aus den aufgezeigten Gründen war das angefochtene Urteil in der Unterstellung der Diebstahlstaten unter die bekämpfte Qualifkation aufzuheben und auszusprechen, daß gewerbsmäßiger Diebstahl nach § 130 erster Fall StGB gegeben ist.
Auf Grund der teilweise kassatorischen und reformatorischen Behandlung des Schuldspruches war der Gesamtwert des Diebsgutes neu zu berechnen und auch der Strafausspruch (einschließlich der schon einleitend dargestellten fehlerhaften, jedoch unbekämpft gebliebenen Vorhaftanrechnung) aufzuheben. Der Wert des Diebsgutes beträgt, wie aus dem Urteilsspruch ersichtlich, 104.937 S.
Bei der Strafbemessung waren der Mißbrauch der Vertrauensstellung, die über den üblichen Rahmen des Vertrauens zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer hinausging, sowie die mehrfache Deliktsqualifikation erschwerend, hingegen mildernd: der bisherige untadelhafte Wandel, die Zustandebringung des gestohlenen Gutes und das Teilgeständnis. Tatwiederholung und ein Deliktszeitraum von rund zwei Jahren kommen bei der Annahme von Gewerbsmäßigkeit als Erschwerungsumstände nicht zum Tragen. Auf der Grundlage der vorstehend angeführten Strafzumessungsgründe erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten als angemessen. Dabei wurde auch berücksichtigt, daß die Qualifikationsgrenze des § 128 Abs. 2 StGB nur ganz geringfügig überschritten wurde. Mit Rücksicht auf das straffreie Vorleben der nunmehr 54 Jahre alten Angeklagten, ihr (Teil-)Geständnis und die Schadensgutmachung ist die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 2 StGB geboten. Im gegebenen Zusammenhang blieb nicht außer acht, daß die - wie erwähnt unbescholtene, damals 52 Jahre alte - Angeklagte durch die Untersuchungshaft in der Dauer von rund fünfeinhalb Wochen ein Strafübel zu verspüren bekam. Infolge der Strafneubemessung wurde die Berufung der Angeklagten gegenstandslos. Sie war mit diesem Rechtsmittel auf die vom Obersten Gerichtshof gefällte Entscheidung in der Straffrage zu verweisen.
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