OGH 7Ob719/86 (7Ob720/86)

OGH7Ob719/86 (7Ob720/86)15.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Liselotte H***, Hausfrau, Hatting, Oberdorfstraße 17 a, vertreten durch Dr. Lisbeth Lass, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagende Partei Helmut Alois H***, Angestellter, Hatting, Salzstraße 24 a, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1986, GZ 5 R 130,131/86-20, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Dezember 1985, GZ 9 Cg 352/84-12, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,35 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind seit 1.6.1968 miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe stammt der am 30.10.1968 geborene Sohn Christian Andreas. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger.

Beide Parteien begehren die Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG, die Ehefrau überdies die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 3.000,--.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden beider Ehegatten und sprach aus, daß das Verschulden der Ehefrau überwiege; das Unterhaltsbegehren der Ehefrau wies es ab.

Das Berufungsgericht schied mit Teilurteil die Ehe aus dem Verschulden beider Ehegatten. Die Entscheidung des Erstgerichtes über das Unterhaltsbegehren der Ehefrau hob es auf und wies die Sache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Folgender Sachverhalt liegt dem Teilurteil des Berufungsgerichtes zugrunde:

Die Ehe der Streitteile verlief zunächst harmonisch. Spätestens seit 1977 kam es jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen. Seit dieser Zeit war beim Ehemann ein Alkoholmißbrauch in der Weise festzustellen, daß er zu Hause mehrere Tage hindurch ständig betrunken war und während dieser Zeit seiner Arbeit in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt fernblieb. Er blieb so jedenfalls im Jahre 1977 eine ganze Woche und im Juni 1984 zwei Tage der Arbeit fern. Ob er 1977 so viel getrunken hat, daß er Urin und Kot nicht mehr halten konnte und die eheliche Wohnung verunreinigte, ist nicht feststellbar. Nicht feststellen läßt sich auch, wie oft der Ehemann darüber hinaus noch Tage hindurch betrunken war. Es steht fest, daß er auch nach 1977 gelegentlich einige Tage hindurch übermäßig viel Alkohol getrunken hat und stark alkoholisiert war. Ob er regelmäßig ein- bis zweimal jährlich solche Trinkexzesse durchlebte, läßt sich nicht feststellen. Abgesehen von diesen kurzen Exzessen hat der Ehemann in der Öffentlichkeit und auch zu Hause entweder gar nicht oder nur im Rahmen des üblichen Alkohol zu sich genommen. Bei seiner Dienststelle trat er wegen Alokolmißbrauches am Arbeitsplatz nie in Erscheinung. Den Arbeitskollegen des Ehemannes war jedoch bekannt, daß er 1977 und 1984 jeweils mehrere Tage lang wegen Alkoholisierung keinen Dienst verrichtete.

Der Hausarzt stellte beim Ehemann erstmals 1977 Alkoholabusus fest und verschrieb Antabus. Über Verlangen des Ehemannes überwies ihn der Hausarzt am 15.7.1977, am 14.2.1983 und am 3.7.1984 wegen Alkoholismus in die Psychiatrie, wo zwischen dem 13.2.1983 und 15.2.1983 eine stationäre Behandlung durchgeführt wurde. Ob sich der Ehemann wegen Alkoholismus noch weiteren stationären Behandlungen auf der Psychiatrie unterzogen hat - insbesondere im Juli 1977 - , läßt sich nicht feststellen.

Nicht feststellen läßt sich auch, ob der Ehemann während seiner Trinkexzesse oder auch sonst streitsüchtig und ausfallend wurde und ob er die Ehefrau schlug.

Ebenfalls ab etwa 1977/78 unternahm die Ehefrau alljährlich mit dem Pensionstenverband größere und längere Reisen, wobei sie den Ehemann nie mitnahm. Ob dieser nicht mitfahren wollte oder ob die Ehefrau seine Begleitung ablehnte, läßt sich nicht feststellen. Die Ehefrau finanzierte die Reisen aus ihrer Unfallrente (die Ehefrau hat im Jahre 1971 den rechten Unterschenkel verloren und trägt seither eine Prothese).

Bei einer um das Jahr 1977 unternommenen Reise lernte die Ehefrau Hans P*** kennen, mit dem sie sich ab diesem Zeitpunkt wiederholt traf. Diese Treffen fanden in der Regel außerhalb der ehelichen Wohnung und untertags statt. Nur ein- oder zweimal besuchte P*** die Ehefrau am Vormittag in der ehelichen Wohnung während der Abwesenheit des Ehemannes. Welche Art diese Treffen waren, läßt sich nicht feststellen.

Ab 1977 kam es zwischen den Ehegatten ständig zu Streitereien und lautstarken Auseinandersetzungen, wobei die Ehefrau immer diejenige war, die den Ehemann besonders laut und auch für Dritte wahrnehmbar beschimpfte, während sich der Ehemann als eher ruhige Persönlichkeit bei den Auseinandersetzungen beherrscht gab, obwohl sie ihn innerlich sehr mitnahmen. Er warf der Ehefrau ab 1977 immer wieder die häufigen Treffen mit Hans P*** vor, worauf diese mit Schreien und Schimpfworten reagierte. Der Ehemann warf der Ehefrau auch vor, daß sie unsauber und unordentlich sei, weil sie nur oberflächlich putze, insbesondere in den Schränken und Kästen keine Ordnung halte und an unzugänglichen Stellen - wie hinter der Fußbodenleiste oder unter Möbelstücken - den Staub nicht wegkehre. Die Ehefrau hielt jedoch die eheliche Wohnung äußerlich im wesentlichen in Ordnung, die Wohnung machte einen durchaus gepflegten und ordentlichen Eindruck. Lediglich in den Schränken und Schubläden lagen vereinzelt Gegenstände und Lebensmittelreste herum. Hinter einer gelockerten Fußbodenleiste fanden sich Brotkrümelreste; unter dem Diwan und den Schränken waren öfters Staubansammlungen. Alle diese vom Ehemann bemängelten Umstände fielen nur bei einer konkreten Untersuchung bzw. bei einer Öffnung der verschlossenen Behältnisse auf. Die Ehefrau war keineswegs schlampiger als eine durchschnittliche ordentliche Hausfrau.

Ob der Ehemann der Ehefrau derartige Vorhalte schon vor 1977 machte und ob die übertriebenen Vorhaltungen hinsichtlich der Unordnung in den Kästen und der Staubreste unter Möbelstücken lediglich den Zweck verfolgten, die Ehefrau zu schikanieren, oder ob sie nur als Reaktion auf die Zuwendung der Ehefrau zu Hans P*** erfolgten, läßt sich nicht feststellen. Auf die Aufforderungen des Ehemannes, die Wohnung besser aufzuräumen und sauber zu halten, reagierte die Ehefrau immer mit lauten Schimpfworten wie "Karner", "Sauhund" und "Hund" usw. Auch wenn der Ehemann sie bat, ihm seine Kleidungsstücke instandzusetzen - etwa ein Hemd zu flicken oder einen Knopf anzunähen - oder sie fragte, ob sie nicht gekocht habe, fielen von seiten der Ehefrau immer wieder Schimpfworte, und zwar auch in Anwesenheit der Mutter des Ehemannes und des mit den Streitteilen bekannten C***.

Wenn die Streitteile in ihrer Wohnung Besuch hatten, setzte die Ehefrau den Ehemann in den Augen der Besucher immer wieder dadurch herab, daß sie zum Ausdruck brachte, er - der Ehemann - sei zu dem einen oder dem anderen nicht fähig.

Nach dem vorletzten Urlaub der Ehefrau - die Ehe der Streitteile war damals bereits zerrüttet - hielt ihr der Ehemann vor, sie habe 14 Tage herumgehurt. Dies deshalb, weil er gehört hatte, seine Ehefrau habe nackt gebadet. Ob er der Ehefrau in der nachfolgenden Auseinandersetzung eine Ohrfeige versetzte oder ob er nur abwehrte, als die Ehefrau versuchte, ihn an den Haaren zu reißen, läßt sich nicht feststellen.

Der letzte eheliche Verkehr zwischen den Streitteilen liegt mehrere Jahre zurück. Ob sich die Ehefrau dem Ehemann vor oder nach dem letzten ehelichen Verkehr verweigerte, ob dies wegen der dauernden Streitigkeiten oder wegen ihrer Hinwendung zu Hans P*** erfolgte, oder ob der Ehemann von sich aus kein Interesse mehr an einem ehelichen Verkehr zeigte, läßt sich nicht feststellen. Es läßt sich auch nicht feststellen, was die gelegentlichen Trinkexzesse des Ehemannes bzw. die lautstarken und sogar hysterischen Beschimpfungen des Ehemannes durch die Ehefrau auslöste. Insbesondere ist nicht feststellbar, ob die Trinkexzesse eine Folge des häufigen Zusammentreffens der Ehefrau mit Hans P*** bzw. der Beschimpfungen durch die Ehefrau waren oder ob sich die Ehefrau auf Grund der Trinkexzesse des Ehemannes von diesem abwandte und verstärkt dem Hans P*** zuwandte. Nicht feststellbar ist auch, warum die Ehefrau auf die Vorhaltungen des Ehemannes bezüglich Sauberkeit und Ordnung sowie der Instandhaltung von Kleidungsstücken so heftig und ausfallend reagierte und ob dies deshalb der Fall war, weil sie sich vom Ehemann schikaniert fühlte, bzw. weil sie durch seine vorangegangenen Trinkexzesse bzw. das lieblose Verhalten bereits nervlich stark mitgenommen war. Sicher ist, daß seit etwa 1977 zwischen den Streitteilen sowohl objektiv als auch subjektiv eine geistig-seelisch-körperliche Gemeinschaft nicht mehr bestanden hat. Ursache der Zerrüttung waren jedenfalls der Alkoholmißbrauch des Ehemannes, die ständigen Beschimpfungen des Ehemannes durch die Ehefrau und deren vom Ehemann nicht geduldeten Kontakte zu Hans P***, sowie - zumindest in den Augen des Ehemannes - mangelnde Sauberkeit und Ordnung.

Als die Ehe bereits unheilbar zerrüttet war, zog die Ehefrau im Oktober 1984 aus der ehelichen Wohnung aus.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß die Ehe sowohl durch die Trunksucht des Ehemannes als auch durch ständige grobe Beschimpfungen der Ehefrau und ihre vom Ehemann nicht tolerierten Kontakte zu Hans P*** zerrüttet worden sei. Keinem der Streitteile sei der Nachweis gelungen, sein Fehlverhalten sei nur durch ein vorangegangenes Verhalten des anderen veranlaßt worden und stelle nur eine nach dem Umständen zulässige Reaktionshandlung dar. In der geringfügigen Verletzung der Hausfrauenpflichten durch die Ehefrau sei eine schwere Eheverfehlung nicht zu erblicken. Vielmehr könnten die in dieser Richtung vom Ehemann erhobenen Vorhaltungen in der Schlußphase der Ehe mitunter als schikanös bezeichnet werden. Eine schwere Eheverfehlung des Ehemannes sei darin aber nicht zu erkennen, weil sich seine Vorhaltungen bis auf die letzte Zeit vor der Klageerhebung durchaus im Rahmen des Erträglichen bewegt hätten. Bei Abwägung des Verschuldens beider Ehegatten ergebe sich ein erheblich schwerer ins Gewicht fallender Verschuldensanteil der Ehefrau. Gemäß § 60 Abs 2 EheG sei daher ein überwiegendes Verschulden der Ehefrau auszusprechen gewesen. Für den von der Frau geltend gemachten Unterhaltsanspruch fehle daher die Rechtsgrundlage. Das Berufungsgericht führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, der Ehemann habe eine in den Kontakten der Ehefrau zu Hans P*** gelegene Eheverfehlung im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. Die Beziehungen der Ehefrau zu Hans P*** seien daher weder bei der Beurteilung der Berechtigung des vom Ehemann erhobenen Scheidungsbegehrens, noch bei der Verschuldensabwägung zu berücksichtigen. Die von der Ehefrau im Zuge ehelicher Auseinandersetzungen gegenüber dem Ehemann gebrauchten Schimpfworte könnten - entgegen der in der Berufung der Ehefrau vertretenen Ansicht - nicht als nach § 49, zweiter Satz, EheG zu beurteilende Reaktionshandlungen gelten, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehefrau Schimpfworte nur im Zusammenhang mit dem Alkoholgenuß des Ehemannes bzw. als Reaktion auf unberechtigte oder überzogene Vorhaltungen in bezug auf die Haushaltsführung verwendet haben sollte. Die darin gelegene Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung sei der Ehefrau als schwere Eheverfehlung anzulasten. Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens habe jedoch nur dann zu erfolgen, wenn ein sehr unterschiedlicher Grad des Verschuldens hervorgekommen sei und das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund trete. Werde auf ein in den Kontakten der Ehefrau zu Hans P*** gelegenes ehewidriges Verhalten nicht Bedacht genommen, sei das für den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens auf Seite der Ehefrau notwendige deutliche und offenkundig hervortretende Übergewicht nicht mehr gegeben. Die der Ehefrau zur Last fallende Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung werde durch die Alkoholexzesse des Ehemannes und seine zumindest zum Teil unbegründeten bzw. überzogenen Vorhaltungen hinsichtlich der Haushaltsführung und des Urlaubsverhaltens der Ehefrau annähernd ausgeglichen. Im Fehlverhalten des Ehemannes sei aber auch kein entscheidendes Übergewicht zu erkennen. Die Ehe sei daher ohne Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens auf der einen oder anderen Seite zu scheiden gewesen. Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau könne unter dieser Voraussetzung noch nicht abschließend beurteilt werden.

Die Ehefrau bekämpft das Teilurteil des Berufungsgerichtes in seinem Verschuldensausspruch aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO und beantragt, es dahin abzuändern, daß die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Ehemannes erfolge oder doch auszusprechen, daß bei einer Scheidung der Ehe aus dem Verschulden beider Parteien das Verschulden des Ehemannes überwiege; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Ehemann beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO rügt die Ehefrau als Verfahrensmangel, daß das Berufungsgericht die Parteienvernehmung nicht wiederholt habe, um dadurch mehr Klarheit zu schaffen, wer von den Ehegatten die schuldhafte Zerrüttung der Ehe verursacht bzw. mehr dazu beigetragen habe.

Das Erstgericht hat die Streitteile als Parteien vernommen. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes darüber, ob eine Beweiswiederholung für notwendig erachtet wird, ist, als der Beweiswürdigung angehörend, in dritter Instanz auch im Eheverfahren nicht überprüfbar (EFSlg 46.699).

Als aktenwidrig wird in der Revision die Feststellung des Erstgerichtes gerügt, der Hausarzt habe beim Ehemann erstmals 1977 Alkoholabusus festgestellt und Antabus verschrieben. Der Hausarzt habe bei seiner Vernehmung als Zuege angegeben, er habe erstmals am 18.6.1970 beim Ehemann Alkoholabusus festgestellt und ihm damals Antabus gegeben.

Die Ehefrau hat eine derartige Aktenwidrigkeit im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht; sie kann sie im Revisionsverfahren nicht nachtragen (JBl 1959, 458), und zwar auch nicht im Eheverfahren (EFSlg 23.153, 6 Ob 762/81).

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung bildet es nach Ansicht der Revisionswerberin, daß das Berufungsgericht ihr Verhalten nicht als eine bloße Reaktionshandlung iS des § 49, Satz 2, EheG gewertet hat. Ursache für die eher glimpflichen Beschimpfungen seitens der Ehefrau sei das Verhalten des Ehemannes, insbesondere seine schweren Alkoholexzesse gewesen. Der Alkoholmißbrauch des Ehemannes und dessen zumindest zum Teil unbegründete und schikanöse Vorhaltungen bezüglich der Haushaltsführung und des Urlaubsverhaltens der Ehefrau hätten die Zerrüttung der Ehe ausgelöst, so daß diesem Verhalten zumindest das entscheidende Übergewicht bei der Verschuldensabwägung zukomme.

Wer selbst eine Verfehlung begangen hat, kann nach § 49, Satz 2, EheG, die Scheidung nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. Von einer entschuldbaren Reaktionshandlung kann nur dann gesprochen werden, wenn sich ein Ehepartner als unmittelbare Folge eines grob ehewidrigen Verhaltens des anderen dazu hinreißen läßt, in einer verständlichen Gemütsbewegung seinerseits Eheverfehlungen zu setzen (EFSlg 46.146, EFSlg 43.603). Das ehewidrige Verhalten des einen Ehegatten muß durch jenes des anderen zumindest irgendwie beeinflußt worden sein (EFSlg 46.184, EFSlg 43.639). Das Vorliegen einer entschuldbaren Reaktionshandlung ist zu verneinen, wenn das ehewidrige Verhalten des anderen Ehepartners längere Zeit hindurch fortgesetzt wird (EFSlg 43.604).

Es steht fest, daß der Ehemann im Verlauf der Ehe wiederholt über mehrere Tage hinweg ständig betrunken war, ohne daß auch festgestellt werden konnte, daß diese Exzesse in jedem Jahr ein- oder zweimal stattgefunden hätten, daß aber der Beklagte im übrigen Alkohol entweder gar nicht oder nur im Rahmen des üblichen zu sich genommen hat. Nicht festgestellt wurde, daß die ständigen Streitereien und lautstarken Auseinandersetzungen, zu denen es zwischen den Eheleuten seit 1977 gekommen ist und in deren Verlauf die Ehefrau ihren Mann immer besonders laut und für Dritte wahrnehmbar beschimpfte, in einem Zusammenhang mit dem Alkoholgenuß des Ehemannes standen. Da sich das ehewidrige Verhalten der Ehefrau, nämlich die Verletzung ihrer Pflicht zur anständigen Begegnung, über Jahre hingezogen hat, verhindert es im übrigen schon das zeitliche Moment, dieses Verhalten als entschuldbare Reaktionshandlung auf Eheverfehlungen des Mannes zu qualifizieren (EFSlg 33.897 ua.). Dasselbe gilt, soweit die Ehefrau ihr Verhalten mit den zumindest teilweise unbegründeten Vorhaltungen des Mannes bezüglich ihrer Haushaltsführung und seinen Vorwürfen über ihr Verhalten im Urlaub zu rechtfertigen sucht.

Hat der Beklagte Widerklage erhoben und wird die Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten geschieden, so sind - § 60 Abs 2 EheG - beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, daß seine Schuld überwiegt.

Bei der Verschuldensabwägung iS des § 60 EheG kommt es auf das gesamte Verhalten der Ehegatten in seinem Zusammenhang an (EFSlg 46.231, EFSlg 43.684). Es kommt nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Eheverfehlungen an, sondern auch darauf, wie weit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (EFSlg 46.235). Ein überwiegendes Verschulden ist nur auszusprechen, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg 46.242); der Unterschied muß offenkundig hervortreten (EFSlg 46.244). Die Ehe der Streitteile scheiterte nicht nur an den zeitweiligen Alkoholexzessen des Mannes und seinen zumindest zum Teil unbegründeten Vorwürfen wegen der Haushaltsführung der Frau und ihrer Urlaubsgestaltung, sondern auch an den ständigen Beschimpfungen des Mannes durch die Ehefrau. Bei Gegenüberstellung des Gesamtverhaltens der Ehegatten kann ein sehr erheblicher gradueller Unterschied des beiderseitigen Verschuldens, der augenscheinlich hervorträte, nicht gefunden werden. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht von einem Ausspruch, daß die Schuld des Ehemannes überwiege, abgesehen.

Die Revision erweist sich damit als unbegründet, so daß ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO. Der Unterhaltsstreit ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

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