OGH 7Ob717/86

OGH7Ob717/8615.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Melitta B***, Angestellte, Wien 12., Schönbrunnerstraße 155/6, vertreten durch Dr.Johann-Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Herbert B***, Schlosser, Eichgraben-Hinterleiten, Veilchenstraße 2, vertreten durch Dr.Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 30. September 1986, GZ 47 R 567/86-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 2.Juni 1986, GZ 3 F 9/85-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der abweisende Teil der erstgerichtlichen Entscheidung und die Kostenentscheidung des Erstgerichtes werden aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die zwischen den Parteien am 9.Oktober 1974 geschlossene Ehe wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7.Jänner 1985, GZ 3 Cg 208/84-5, aus dem Verschulden des Antragsgegners geschieden. Mit dem fristgerecht erhobenen Antrag begehrt die Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 500.000. Ehewohnung war die Wohnung in Wien 12., Schönbrunnerstraße 155 top Nr 6, deren Hauptmiererin die Antragstellerin schon vor der Eheschließung war. Vom Antragsgegner wurde ein im Rohbau befindliches Wochenendhaus in Eichgraben in die Ehe eingebracht. Die Antragstellerin behauptet, daß während der Ehe für die Ehewohnung keine Anschaffungen gemacht, dagegen das Wochenendhaus in Eichgraben fertiggestellt und auch eingerichtet worden sei. Hiezu habe sie durch Bargeld und Arbeitsleistungen beigetragen. Das Wochenendhaus habe einen Wert von rund S 2 Millionen, sodaß ihr mit Rücksicht auf ihre Beitragsleistungen der begehrte Betrag zustehe. Im Zuge der Bemühungen um eine außergerichtliche Regelung habe der Antragsgegner auch eine Darlehensschuld der Antragstellerin von S 24.000 anerkannt und ihr eine Abschlagszahlung von S 250.000 zuzüglich eines Kostenbeitrages von S 24.000 zugesichert. Der Antragsgegner behauptet, daß während der Ehe auch in der Ehewohnung Investitionen vorgenommen worden seien und bestreitet einen Beitrag der Antragstellerin zur Fertigstellung des Wochenendhauses in Eichgraben.

Das Erstgericht sprach der Antragstellerin S 174.000 samt 4 % Zinsen zu und wies das Mehrbegehren ab. Nach seinen Feststellungen handelt es sich bei der Ehewohnung um eine aus zweieinhalb Zimmern und Nebenräumen bestehende Genossenschaftswohnung im Ausmaß von ca 61 m 2 , die die Antragstellerin bereits Jahre vor der Eheschließung von ihren Eltern erhalten hatte. Die Wohnung war vollständig möbliert. Der Antragsgegner war seit 1966 Eigentümer der Liegenschaft EZ 1732 der KG Eichgraben, auf der sich im Zeitpunkt der Eheschließung ein Rohbau befand. Das Haus war schon verputzt und mit Fenstern und Türen versehen. Nach der Eheschließung wurde das Haus auch innen fertiggestellt. Die Antragstellerin arbeitete an der Fertigstellung bereits seit dem Jahre 1971, in dem sie den Antragsgegner kennengelernt hatte, mit. Während der Ehe arbeitete die Antragstellerin fast jedes Wochenende und auch in den Urlauben in Eichgraben, wobei sie verschiedene Arbeiten verrichtete und auch die Handwerker beaufsichtigte. Insgesamt wendete sie 2.213 Arbeitsstunden auf. Der Antragsgegner verflieste nach der Eheschließung das Bad in der Ehewohnung und tapezierte die Küche. Er montierte in der Küche einen Dunstabzug und im Keller Stellagen und Türbänder. Er stellte diverse kleine Einrichtungsgegenstände selbst her oder schaffte sie an. Der Wert dieser Anschaffungen betrug zusammen ca S 30.800. Die Antragstellerin kaufte für das Haus in Eichgraben Einrichtungsgegenstände im Wert von S 64.000. Sie schaffte mit ihrem Geld Eisen und Werkzeuge im Wert von S 40.000 an. Von ihren Eltern und Verwandten hatte sie S 38.500 erhalten. Diesen Betrag stellte sie dem Antragsgegner zur Bezahlung der Kaminschleifer für das Haus in Eichgraben zur Verfügung. Die Antragstellerin war mit Ausnahme der Zeit vom Oktober 1981 bis zum Frühjahr 1982 berufstätig und verdiente monatlich S 10.000. Der Antragsgegner verdiente zwischen S 9.000 und S 14.000 je nachdem ob er auch auf Montage war. Die Antragstellerin führte den Haushalt in der Ehewohung und in Eichgraben und bestritt die Kosten des Haushaltes. Erst ab dem Jahre 1978 bezahlte der Antragsgegner die Miete und die Telefonkosten für die Ehewohnung. Die Antragstellerin gewährte dem Antragsgegner ein Darlehen von S 30.000, worauf der Antragsgegner nur S 6.000 zurückzahlte. Im Jahre 1982 zog er aus der Ehewohnung aus.

Im Jahre 1984 wandte sich die Antragstellerin an ihren Rechtsanwalt wegen einer einverständlichen Ehescheidung. Dr.Korab machte laut Beilage B dem Antragsgegner den Vorschlag einer Scheidung der Ehe nach § 55 a EheG unter der Bedingung eines wechselseitigen Unterhaltsverzichtes und einer Abgeltung der Beitragsleistung der Antragstellerin für das Haus in Eichgraben im Betrage von S 300.000 und der Rückzahlung des Darlehensrestes von S 24.000. Es kam zu einer Besprechung in der Kanzlei des Dr.Korab. Hiebei wurde nach dem Aktenvermerk des Dr.Korab, Beilage C, "vereinbart", daß der Antragsgegner für den Fall einer einverständlichen Scheidung eine Ausgleichszahlung von S 250.000 zuzüglich eines Kostenbeitrages von S 10.000 leistet. Der Antragsgegner sollte ein Hypothekardarlehen aufnehmen. Dadurch sollte es ermöglicht werden, die Antragstellerin aus der Mithaftung für einen Kredit zu entlassen. Dieser Kredit ist inzwischen zurückbezahlt. Für das Hypothekardarlehen sollte Dr.Korab als Treuhänder fungieren. Der Antragsgegner meldete sich jedoch nach dieser Beprechung nicht mehr. Im Scheidungsverfahren bestritt er eine vermögensrechtliche Vereinbarung. Nach Zurückziehung eines Mitschuldantrages wurde schließlich die Ehe aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden.

Das Erstgericht verneinte das Vorliegen einer Aufteilungsvereinbarung und hielt mit Rücksicht auf die Mitarbeit der Antragstellerin an der Fertigstellung des Hauses in Eichgraben durch acht Jahre eine Ausgleichszahlung von S 150.000 für gerechtfertigt. Hiezu komme die Darlehensschuld von S 24.000. Der Zuspruch des Erstgerichtes erwuchs in Rechtskraft. Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Auch das Rekursgericht hielt bei Gegenüberstellung der vom Antragsgegner für die Ehewohnung erbrachten Leistungen und der Mitwirkung der Antragstellerin bei der Fertigstellung des Wochenendhauses in Eichgraben eine Ausgleichszahlung für geboten, deren Höhe es mit S 150.000 für angemessen hielt.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist im Sinne des auf Aufhebung gerichteten Eventualantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Entscheidung des Erstgerichtes über die Darlehensforderung der Antragstellerin, deren Geltendmachung in diesem Verfahren nach dem Sachvorbringen und dem Inhalt des Begehrens zumindest zweifelhaft erscheint, ist festzuhalten, daß auch im Außerstreitverfahren die Teilrechtskraft, von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, zu beachten ist (EFSlg 38.893 f), sodaß der Verstoß gegen die Grenzen des streitigen Rechtsweges nicht mehr aufgegriffen werden kann (Fasching LB Rz 113). Beizupflichten ist der Antragstellerin darin, daß das Formerfordernis eines Notariatsaktes gemäß § 97 Abs. 2 EheG für Aufteilungsvereinbarungen nicht gilt, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe schließen. Richtig ist auch, daß von einem Ehegatten die Entscheidung des Außerstreitrichters nur über eine vom anderen Ehegatten zu leistenden Ausgleichszahlung begehrt werden kann, wenn die geschiedenen Ehegatten das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse geteilt haben, damit aber eine Aufteilung nach den Grundsätzen der §§ 83 ff EheG nicht erzielt werden konnte (EFSlg 46.385; JBL 1981, 599; 8 Ob 601/84 ua). Unzutreffend ist jedoch die Rechtsmeinung der Antragstellerin, daß in jedem Fall einer Aufteilungsvereinbarung ein Antrag im Sinne der §§ 81 f EheG gestellt werden könnte und der Außerstreitrichter bei seiner Billigkeitsentscheidung nur den Inhalt der von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung und die Gründe, warum sie zu einer solchen gelangt sind, zu berücksichtigen hätte. Der Oberste Gerichtshof hat diese Rechtsansicht bereits in der eingehend begründeten Entscheidung SZ 53/150 (vgl auch SZ 53/153) abgelehnt und seither wiederholt ausgesprochen, daß eine Entscheidung durch den Außerstreitrichter nur insoweit in Betracht kommt, als keine Einigung vorliegt (EFSlg 46.384; EvBl 1982/160; 1 Ob 756/83; 7 Ob 685/85). Leitet ein Ehegatte seinen Anspruch auf einen Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse oder auf die Bestimmung einer Ausgleichszahlung im Sinne des § 94 EheG aus einem zulässigen Vertrag ab, so fehlt es an den Voraussetzungen für eine rechtsgestaltende Billigkeitsentscheidung des Außerstreitrichters, weil nichts mehr aufzuteilen und der Anspruch auf Zuhaltung einer Vereinbarung im Streitverfahren geltend zu machen ist (SZ 53/153; EFSlg 46.384), sodaß der Antrag verfahrensrechtlich unzulässig ist. Muß aber über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine rechtsgestaltende Billigkeitsentscheidung nach entsprechender Sachverhaltsermittlung eine Entscheidung getroffen werden und kommt der Außerstreitrichter zu der Überzeugung, daß eine außergerichtliche Vereinbarung vorliegt, so ist eine antragsabweisende Entscheidung zu fällen (EFSlG 46.384). Im vorliegenden Fall leitet die Antragstellerin ihren Anspruch nicht aus der strittigen Vereinbarung ab. Sie macht nach dem Inhalte des Begehrens und dem Sachvorbringen einen Aufteilungsanspruch im Sinne der §§ 81 EheG geltend, über den nach den Bestimmungen der §§ 229 ff AußStrG im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden ist. Der Antrag ist daher im Sinne der obigen Darlegungen nicht schon verfahrensrechtlich unzulässig. Andererseits haben die Vorinstanzen zu Recht das Vorliegen einer außergerichtlichen Einigung nicht angenommen. Bei Beurteilung dieser Frage kann unerörtert bleiben, ob für die Rechtswirksamkeit einer im Zusammenhang mit einer Scheidung nach § 55 a EheG geschlossenen Aufteilungsvereinbarung dem Umstand Bedeutung zukommt, daß die Scheidung letztlich nicht nach § 55 a EheG erfolgte (vgl SZ 53/125). Aus den Feststellungen des Erstgerichtes, insbesondere dem Inhalt der Urkunden Beilage B und C ergibt sich nämlich, daß der Vergleichsvorschlag des Vertreters der Antragstellerin Gegenstand der Besprechung vom 22.Mai 1984 war und hiebei der Antragsgegner zu Punkt 2 dieses Vorschlages nur "vorbehaltlich einer endgültigen Regelung des Scheidungsvergleiches" seine Zustimmung erklärte. Damit brachte der Antragsgegner aber hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß er jedenfalls insoweit noch nicht gebunden sein will und eine endgültige Bindung erst mit dem abzuschließenden Scheidungsvergleich erfolgen soll. Infolge dieses Vorbehaltes liegt aber eine Willensübereinstimmung über den eine Einheit bildenden Scheidungsvergleich nicht vor.

Ob der Antragstellerin jedoch über den bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrag von S 150.000 hinaus noch eine Ausgleichszahlung gebührt, läßt sich auf Grund der bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen nicht beurteilen. Auszugehen ist davon, daß zwar die vom Antragsgegner eingebrachte Liegenschaft mit dem Rohbau nicht der Aufteilung unterliegt. Als eheliche Ersparnis ist aber auch ein während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft der geschiedenen Ehegatten durch ihre beiderseitigen Beiträge erzielter Wertzuwachs an dem einen Ehegatten gehörenden in Bau befindlichen Haus anzusehen (6 Ob 730/80). Da zur Aufteilungsmasse aber grundsätzlich nur jene Vermögenswerte gehören, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft geschaffen wurden, kommt nur jener Wertzuwachs in Betracht, der seit der Eheschließung erzielt wurde. Für die Ermittlung des Wertzuwachses eines Hauses, das weiterhin als Wohnstätte des anderen Ehegatten dient, ist nicht bloß der Verkehrswert zugrunde zu legen, sondern auch der Ertragswert angemessen zu berücksichtigen (EFSlg 43.803 f). Dieser Wertzuwachs des Hauses in Eichgraben wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt und wird daher im fortgesetzten Verfahren zu erheben sein. Für die Ermittlung der der Antragstellerin gebührenden Ausgleichszahlung wird sodann der Wert des jedem Ehegatten nach der von ihnen bereits vorgenommenen realen Aufteilung zugekommenen ehelichen Gebrauchsvermögens im Zeitpunkt der Auseinandersetzung festzustellen sein, weil es bei der Entscheidung nicht auf die vom Erstgericht festgetellten Anschaffungskosten ankommt (MGA ABGB 32 § 83 EheG/7 und 8). Erst wenn diese Feststellungen vorliegen, wird sich durch Gegenüberstellung der Vermögenswerte des real aufgeteilten ehelichen Gebrauchsvermögens und des Wertzuwachses des Hauses unter Berücksichtigung der beiderseitigen Beitragsleistungen beurteilen lassen, ob der Antragstellerin eine weitere Ausgleichszahlung gebührt.

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO und auf § 234 AußStrG (MGA, Verfahren außer Streitsachen 2 § 234/1 f).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte