Spruch:
Dem Rekurs wird stattgegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des eistweiligen Sachwalters gegen den erstinstanzlichen Beschluß vom 6. Oktober 1986, ON 9, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Pflegschaftsgericht leitete aufgrund einer Mitteilung des Prozeßgerichtes gemäß § 6 a ZPO das Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen einer Sachwalterbestellung für den im Jahre 1909 geborenen Liegenschafts-(mit-)eigentümer ein. Nach einer Vernehmung des Betroffenen und der Einholung eines fachärztlichen Gutachtens lud das Pflegschaftsgericht den Betroffenen und eine von der Gemeinde als Sachwalter vorgeschlagene Person und verkündete zunächst in Gegenwart Beider den Beschluß auf Bestellung der vorgeschlagenen Person zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs 1 AußStrG. Die Erschienenen verzichteten auf Beschlußausfertigung und Rechtsmittel. Nach einer Erörterung des Sachverständigengutachtens erklärten sowohl der Betroffene selbst als auch der bestellte einstweilige Sachwalter zu Protokoll, mit einer Einstellung des (Bestellungs-)Verfahrens einverstanden zu sein. Dazu bemerkte der einstweilige Sachwalter, die dem Betroffenen verbliebenen Liegenschaften lägen in einem Bauverbotsbereich, sodaß keine Gefahr bestünde, der Betroffene könnte in Zukunft abermals einen Vertrag von der Art schließen, aus dem er klageweise belangt worden sei. Der Pflegschaftsrichter verkündete in Gegenwart des Betroffenen und des einstweiligen Sachwalters den Beschluß auf Einstellung des Sachwalterbestellungsverfahrens im Sinne des § 243 AußStrG und auf Enthebung des einstweiligen Sachwalters. Dazu nahm das Gericht ausdrücklich zu Protokoll, daß die Erschienenen auf Beschlußausfertigung und Rechtsmittel nicht verzichteten. Der Betroffene selbst ließ den Beschluß auf Einstellung des Sachwalterbestellungsverfahrens unangefochten.
Der Sachwalter erhob Rekurs.
Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel zurück. Es vertrat die Ansicht, daß einem einstweiligen Sachwalter die Berechtigung zur Anfechtung eines gemäß § 243 AußStrG gefaßten Einstellungsbeschlusses und seiner damit verbundenen Enthebung fehle. Der einstweilige Sachwalter ficht diesen rekursgerichtlichen Zurückweisungbeschluß mit einem auf Aufhebung dieser Entscheidung zielenden Rechtsmittelantrag an.
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person ist eine Rechtsfürsorgemaßnahme zum Ausgleich der Behinderung des Betroffenen im Rechtsleben. Im Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Sachwalterbestellung sind vor allem das Vorliegen, das Ausmaß und die konkreten Auswirkungen der auf eine Behinderung des Betroffenen hinweisenden Umstände zu untersuchen. Bereits in diesem Verfahren soll der Betroffene nicht auf die möglicherweise nur unzulängliche Wahrnehmung seiner Interessen durch ihn selbst beschränkt sein. Aus diesem Grunde sieht § 238 Abs 1 AußStrG die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für den Betroffenen vor, der eines gesetzlichen oder selbst gewählten Vertreters als Rechtsbeistandes entbehrt. Der gemäß § 238 Abs 1 AußStrG bestellte einstweilige Sachwalter hat zwar nur die Interessen des Betroffenen zu vertreten, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, ist ihm aber eine eigenständige Verfahrensstellung eingeräumt. Gemäß § 246 Abs 1 AußStrG ist ihm auch der Beschluß über die Einstellung des (Bestellungs-)Verfahrens zuzustellen. Über die Anfechtbarkeit eines Einstellungsbeschlusses nach § 243 AußStrG enthält das Gesetz keine besondere Regelung. Unzulässig wäre es, aus der Vorschrift des § 249 AußStrG im Wege eines Umkehrschlusses ableiten zu wollen, daß der Einstellungsbeschluß nach § 243 AußStrG schlechthin unanfechtbar wäre. Vielmehr greifen mangels Sonderregelung im Fünften Hauptstück die allgemeinen Bestimmungen des Ersten Hauptstückes über das Rechtsmittelverfahren ein. Danach ist der Einstellungsbeschluß nach § 243 AußStrG nicht unanfechtbar. Der Betroffene hat einen Rechtsanspruch auf den Ausgleich einer ihn im Rechtsverkehr einschränkenden Behinderung durch Bestellung eines Sachwalters. Dieser Rechtsanspruch ist seiner Art nach unverzichtbar. Daher sind auch Verfahrenserklärungen des Betroffenen, mit einer Einstellung des Verfahrens einverstanden zu sein, unbeachtlich. Eine solche Erklärung könnte bei (behauptetem) Vorliegen der Bestellungsvoraussetzungen dem Betroffenen nicht die Beschwer gegen einen dennoch gefaßten, wenn auch seiner Verfahrenserklärung entsprechenden Einstellungsbeschluß benehmen. Dem einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG kommt es zu, die nach der jeweiligen Verfahrenslage in Betracht kommenden Interessen des Betroffenen kraft eigener Verfahrensstellung geltend zu machen. Daß sich der einstweilige Sachwalter ebenso wie der Betroffene selbst mit der Verfahrenseinstellung einverstanden erklärte, benimmt ihm daher nicht die Befugnis, im Interesse des Betroffenen den Einstellungsbeschluß nach § 243 AußStrG anzufechten. Im selben Sinne erkannte der Oberste Gerichtshof bereits, daß einem einstweiligen Sachwalter im Bestellungsverfahren im Interesse des Betroffenen auch das Anfechtungsrecht in Ansehung solcher Beschlüsse zuzugestehen ist, mit denen das Rechtsmittel des Betroffenen gegen einen erstinstanzlichen Beschluß, den der einstweilige Sachwalter selbst nicht bekämpft hatte, zurückgewiesen oder dem nicht stattgegeben wurde (6 Ob 581, 582/85).
Das Anfechtungsrecht des auf die Stellung eines Rechtsbeistandes im Bestellungsverfahren beschränkten einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG ist vom Rekursrecht des Sachwalters zu unterscheiden, der als Ergebnis des Bestellungsverfahrens mit einem Beschluß im Sinne des § 244 AußStrG zu bestellen ist (1 Ob 684/86). Der angefochtene Zurückweisungsgebschluß war aus diesen Erwägungen ersatzlos aufzuheben. Das Rekursgericht wird sich daher der Entscheidung über das zu Unrecht zurückgewiesene Rechtsmittels zu unterziehen haben.
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