OGH 13Os173/85

OGH13Os173/8520.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller (Berichterstatter), Dr.Schneider, Dr.Felzmann und Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann V*** und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Johann V*** gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 1.Juli 1985, GZ. 11 d Vr 28/85-91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr.Kodek, der Angeklagten Alfred I***, Alfred Z*** und Gerhard W*** sowie der Verteidiger Dr.Mack, Dr.Weigert und Mag.Martin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Johann V***, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann V*** wird verworfen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Freispruch des Angeklagten Alfred I*** von der Anklage des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB. und in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer den Angeklagten Alfred I*** betreffenden Berufung hierauf verwiesen.

Der die Angeklagten Alfred Z*** und Gerhard W***

betreffenden Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, die Strafen dieser beiden Angeklagten werden auf je 14 (vierzehn) Monate herabgesetzt und der Ausspruch der bedingten Nachsicht der über die Angeklagten Alfred Z*** und Gerhard W*** verhängten Freiheitsstrafen wird aufgehoben.

Der Berufung des Angeklagten Johann V*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Johann V***, Alfred Z*** und Gerhard W*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Hilfsarbeiter Johann V***, Alfred Z*** und Alfred I*** sowie der zuletzt keiner Beschäftigung nachgegangene Gerhard W*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB., V***, Z*** und W*** auch durch Aufbrechen von Behältnissen, mit Waffen und gewerbsmäßig nach §§ 129 Z. 2 und 4, 130, zweiter Satz, StGB., V*** und I*** teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. (I), ferner V***, Z*** und W*** des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB. (II) und schließlich Z*** noch der Vergehen der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 (Abs 1) StGB. (III A) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. (III B) schuldig erkannt. Darnach haben V***, Z***, W*** und I*** in

verschiedenen Orten Österreichs durch Einbruch in Gebäude - V***, Z*** und W*** gewerbsmäßig und teilweise durch Aufbrechen von Behältnissen (Automaten u.a.), wobei sie fallweise ein Luftdruckgewehr und einen Gasrevolver mit sich führten, um den Widerstand von Personen zu überwinden bzw. zu verhindern - Sachen in nachgenannt festgestellten Werten gestohlen, und zwar V*** und W*** zwischen 15.Dezember 1984 und 8.Jänner 1985 in sechs Angriffen: Wert ca. 48.615 S; Z*** zwischen 24.Mai 1983 und 29. Dezember 1984 in einundzwanzig Angriffen: Wert ca. 71.930 S; sowie I*** am 28.November 1984: Wert ca. 35.000 S (I A); V*** und I*** haben weiters am 24.November 1984 Bargeld durch Einbruch zu stehlen getrachtet (I B). Ferner haben V***, Z*** und W*** (I*** wird hier offensichtlich nur irrtümlich genannt) im November und Dezember 1984 in Seefeld/Kadolz und Hollabrunn miteinander die gemeinsame Ausführung eines Raubs verabredet, bei dem die einzige Beamtin des Postamts Immendorf durch Bedrohung mit Gastrommelrevolvern zur Herausgabe von Bargeld genötigt werden sollte (II). Schließlich hat Z*** in Hollabrunn und anderen Orten Österreichs in zwei Fällen für Personenkraftwagen ausgegebene Kennzeichentafeln auf nicht zum Verkehr zugelassene und mangels Haftpflichtversicherung nicht zuzulassende Personenkraftwagen montiert und mit diesen Fahrten unternommen (III A 1 und 2) und am 12.November 1984 in Schalladorf zwei Autoreifen aufgestochen (Schaden 4.900 S; III B).

Der Angeklagte I*** wurde von der Anklage des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB. (Verabredung des Raubüberfalls auf die einzige Beamtin des Postamts Immendorf mit den anderen Mitangeklagten: siehe oben II) gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Staatsanwaltschaft ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich gegen den Freispruch des Angeklagten Alfred I*** von der Anklage nach § 277 Abs 1 StGB. Der Angeklagte V*** bekämpft mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch wegen verbrecherischen Komplotts (II) sowie die Annahme der (die Schuldsprüche I A 1 und 2 betreffenden) Qualifikation nach § 129 Z. 4 StGB. Beide Beschwerdeführer machen den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO. geltend.

Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:

Zutreffend releviert die Anklagebehörde die Unvollständigkeit der Urteilsgründe, weil die Erörterung sämtlicher für den Anklagevorwurf nach § 277 StGB. sprechenden Verfahrensergebnisse unterblieben sei (Z. 5). Der Darstellung des I*** in der Hauptverhandlung zufolge machte ihm V*** den Vorschlag, das Postamt in Immendorf zu überfallen, wobei nach der ursprünglichen Planung nur diese beiden Täter zusammenwirken sollten. V*** hatte die räumliche Situation im Postamt ausgekundschaftet und I*** davon unterrichtet. I*** erwarb ferner - mit Geld, das ihm V*** zur Verfügung gestellt hatte - einen Gasrevolver, der auch für den Überfall auf das Postamt bestimmt war. Des weiteren hatte sich V*** zur Vorbereitung dieses Überfalls ein Auto verschafft. Auch nachdem V*** und I*** ihr Vorhaben, einen Überfall auf das Postamt in Waldenstein zu verüben, aufgegeben hatten (diesbezüglich hat die Staatsanwaltschaft Krems die Erklärung nach § 90 StPO. aus dem Grunde der §§ 277 Abs 2, 16 StGB. abgegeben:

S. 1 in ON 62), wurden die Gespräche wegen des Raubüberfalls auf das Postamt Immendorf fortgeführt und die Zuziehung der Angeklagten Z*** und W*** erörtert (S. 118, 133 ff./II und S. 427 ff./I in Verbindung mit S. 139/II).

Wenn der Schöffensenat ungeachtet dieser konkreten Vorbereitungshandlungen (Ankauf von Schußwaffen, Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, Auskundschaften des Tatorts) annahm, daß der Angeklagte I*** "die Angelegenheit zunächst nicht ernst nahm" (S. 154, 156/II), hätte er sich im Urteil jedenfalls mit ihnen auseinandersetzen und zumindest dartun müssen, wie sich etwa die fehlende "Ernstlichkeit" der Verabredung zum Raub mit der von ihm selbst eingestandenen Anschaffung einer Pistole vereinbaren läßt. Auch die Angaben des Erstangeklagten V***, wonach I*** noch in die spätere Planung des Überfalls auf das Postamt zu viert einbezogen war (S. 125/II), hat das Erstgericht übergangen. Hätte das Schöffengericht in Ansehung des Alfred I*** nicht den Tatentschluß (der als solcher begriffsnotwendig "ernstlich" ist) verneint, so wäre auch er wegen § 277 Abs 1 StGB. schuldig zu erkennen gewesen. Das Komplott ist vollendet, wenn die Komplottanten in voller Tatbereitschaft entschlossen zusammentreten, um die Einzelheiten ihres verbrecherischen Beginnens fördernd zu erörtern (EvBl. 1951 Nr. 302). Die Tatbereitschaft kann auch durch Zeichen zustandekommen oder sich in einem sonstigen, die Willensübereinstimmung schlüssig zum Ausdruck bringenden Verhalten äußern (Leukauf-Steininger 2 , RN. 4 zu § 277 StGB.). Ein Rücktritt vom Komplott mit strafaufhebender Wirkung (§ 277 Abs 2 StGB.) hingegen ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht indiziert und wurde im angefochtenen Urteil auch gar nicht festgestellt, zumal I*** nach den Urteilsannahmen vor der Ausführung der Tat zwar die gemeinsame Wohnung verließ und zu seiner Schwester zog, zur Abwendung der Verwirklichung des Tatplans durch seine Komplizen aber nichts beitrug (S. 154/II).

Da sich die Entscheidungsgründe in der aufgezeigten Richtung als unvollständig erweisen, waren der angefochtene Freispruch zu kassieren und die Strafsache in dem im Spruch bezeichneten Umfang an das Prozeßgericht rückzuverweisen.

Zur Beschwerde des Angeklagten V***:

Dieser Beschwerdeführer bekämpft die der Qualifikation nach § 129 Z. 4 StGB. zugrundeliegende Feststellung, daß er bei den von den Schuldsprüchen I A 1 und 2 erfaßten Diebstählen ein Luftdruckgewehr und einen Gastrommelrevolver mit sich führte, um den Widerstand von Personen zu überwinden, falls er und seine Komplizen auf frischer Tat betreten würden (S. 154/II). Da sich das Gericht diesbezüglich zu Unrecht auf ein von V*** und den übrigen Mittätern abgelegtes Geständnis stütze, sei nicht ersichtlich, welche Erwägungen die gerügte Feststellung tragen (Z. 5). Das Gericht war aber zur näheren Begründung der zur bekämpften Konstatierung führenden Beweiswürdigung nicht verhalten; hat sich doch der Beschwerdeführer ebenso wie seine Mittäter Z*** und W*** eingangs der Hauptverhandlung im Sinn der Anklage schuldig bekannt (S. 117 f./II). Seine folgenden Einlassungen, in denen er allerdings nicht ausdrücklich zugab, die Waffen zwecks Überwindung des Widerstands einer Person mitgeführt zu haben, umfassen immerhin das Eingeständnis, sich in gewisser Hinsicht dadurch sicherer gefühlt zu haben (S. 119/II). Darnach hat es nur mehr ergänzend - nebensächliche Bedeutung, darauf hinzuweisen, daß der Mitangeklagte W*** gestand, die "Schreckschußpistole" (tatsächlich handelte es sich um einen Gastrommelrevolver, der Waffe i. S. des § 1 lit. a WaffG. ist) zum "Abschrecken" mitgehabt zu haben, wenn "uns einer erwischt" (S. 129/II). Diese Beweislage bietet eine ausreichende Grundlage für die Annahme der Qualifikation des § 129 Z. 4 StGB.

Ebenso versagt die Mängelrüge zum Schuldspruch wegen des Verbrechens des Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB. (II). Wenn der Beschwerdeführer als aktenwidrig geltend macht, daß die Urteilspassage, die Angeklagten hätten ihr ursprüngliches Geständnis abgeschwächt (S. 155/II), im Widerspruch zu den Vernehmungsprotokollen stehe, wonach sie niemals ein Geständnis abgelegt hätten, so verkennt er zunächst das Wesen einer Aktenwidrigkeit, die niemals in der Unrichtigkeit einer summarischen Schlußfolgerung aus einer Mehrzahl von Vernehmungsprotokollen bestehen kann. Der Nichtigkeitswerber unterliegt aber auch einem Mißverständnis der Urteilsgründe, die gar nicht von einem in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnis der Angeklagten ausgehen (S. 117 f./II). Der für die Bejahung des Tatentschlusses entgegen der leugnenden Verantwortung der Angeklagten für das Schöffengericht maßgebende und im Urteil ausdrücklich angeführte Umstand war nämlich die "Erörterung der Einzelheiten" (siehe abermals EvBl. 1951 Nr. 302) durch die Angeklagten (S. 156/II), was sie zugegeben haben (S. 123 f., 127, 130 f./II). Daraus ergibt sich, daß die wesentlichen Momente der Tat bereits konkretisiert waren und über die Tatausführung in den wesentlichen Umrissen Einigkeit bestand (vgl. LSK. 1977/62 u.a.). Die Schlußfolgerung aus dem bezüglichen äußeren Verhalten der Angeklagten auf ihre volle Tatbereitschaft stellt einen der rationalen Überprüfung mit dem Ziel letzter Gewißheit nicht restlos einsichtigen Akt freier richterlicher Beweiswürdigung dar, der im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbar ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten V*** war daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte nach §§ 28, 130, zweiter Strafsatz, StGB. Freiheitsstrafen (u.a.) von zweieinhalb Jahren (V***) und achtzehn Monaten (Z*** und W***). Bei

W*** nahm es dabei gemäß § 31 StGB. auf das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 31.Jänner 1985, GZ. 11 b Vr 310/84-17 (Verbrechen der Hehlerei nach §§ 164 Abs 1 Z. 2, Abs 3 StGB.; Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 100 S, 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), Bedacht. Gemäß § 43 Abs 2 StGB. wurden die über Z*** und W*** verhängten Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung waren bei allen drei hier genannten Angeklagten die mehrfache Qualifikation der ihnen angelasteten Taten und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, bei V*** die einschlägige Vorstrafe erschwerend; mildernd waren hingegen bei diesen drei Angeklagten ihr reumütiges Geständnis, bei V*** und W*** das Alter unter einundzwanzig Jahren, bei Z*** sein bisher ordentlicher Lebenswandel.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer Berufung die den Angeklagten Z*** und W*** in Anwendung des § 43 Abs 2 StGB. gewährte bedingte Strafnachsicht, deren Eliminierung sie - allenfalls unter geringfügiger Herabsetzung der Strafhöhe - begehrt. Sie führt zutreffend aus, daß das Schöffengericht keine besonderen Gründe anzuführen wußte, die für die Gewähr des künftigen Wohlverhaltens dieser durch mehrere schwere und gewerbsmäßige Diebstähle mit Waffen und durch eine Verabredung zum Raub äußerst belasteten Angeklagten sprächen. Solche, den erhöhten Anforderungen des § 43 Abs 2 StGB. gerecht werdenden Gründe sind auch nicht zu ersehen, weshalb in Stattgebung des Rechtsmittels der Anklagebehörde den Angeklagten Z*** und W*** die bedingte Strafnachsicht unter gleichzeitiger antragsgemäßer Reduzierung der Strafhöhe auf ein schuldgerechtes Ausmaß zu versagen war.

Hingegen ist der Berufung des Angeklagten V***, der das Ausmaß der über ihn verhängten Freiheitsstrafe als zu hoch bekämpft und überdies deren bedingte Nachsicht begehrt, wozu er die Anerkennung der Schadenersatzansprüche zum Schuldspruch A 1 a, die Tatbegehung aus Unbesonnenheit und seine drückende Notlage als weitere Milderungsgründe reklamiert, kein Erfolg beschieden. Fällt doch die bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung mangels Effizienz nicht mildernd ins Gewicht (Leukauf-Steininger 2 RN. 23 zu § 34 StGB.). Innerhalb der Wertqualifikation des § 128 Abs 2 StGB. ist auch der an 50.000 S heranreichende (festgestellte) Wert der Diebsbeute keineswegs unbedeutend. Dazu kommen die Deliktskonkurrenz und die einschlägige Vorstrafe, welche die vom Erstgericht gefundene Strafdauer als angemessen erweisen.

Bleibt es aber bei einer zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe, ist eine bedingte Strafnachsicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 43 Abs 2 StPO.).

Mit ihrer den Alfred I*** betreffenden Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die diesen Angeklagten betreffende teilweise Urteilsaufhebung zu verweisen.

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