Spruch:
Dem Rekurs wird stattgegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, über den Rekurs der Erben gegen den erstinstanzlichen Beschluß vom 14. August 1986, ON 39, zu entscheiden.
Text
Begründung
Der Erblasser ist am 4. April 1985 im 45. Lebensjahr gestorben. Er war ledig. Er hinterließ einen minderjährigen unehelichen Sohn. Mit dem Testament vom 13. Juni 1984 hatte er seinen Zwillingsbruder und seine beiden jüngeren Geschwister "zu gleichen Teilen als Universalerben" eingesetzt und seinen unehelichen Sohn ausdrücklich auf den Pflichtteil beschränkt. Die drei testamentarisch berufenen Geschwister gaben zu je einem Drittel des Nachlasses bedingte Erbserklärungen ab. Diese Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen und ein Notar als Gerichtskommissär mit der weiteren Abhandlungspflege beauftragt.
Der Erblasser war Alleineigentümer eines in Oberösterreich gelegenen behausten landwirtschaftlichen Betriebes, dem nach der Auffassung der beiden Schätzungsgutachter Erbhofeigenschaft im Sinne des § 1 AnerbenG zukäme.
Gegen die durch den Gerichtskommissär veranlaßte Liegenschaftsschätzung brachte der uneheliche Sohn des Erblassers in einem unmittelbar beim Abhandlungsgericht eingebrachten Schriftsatz Erinnerungen vor. Das - vom Abhandlungsgericht verschiedene - Vormundschaftsgericht des unehelichen Sohnes ersuchte das Abhandlungsgericht, davon in Kenntnis gesetzt zu werden, ob ein Auftrag zur Ergänzung des Schätzungsgutachtens erteilt worden sei, und stellte dazu in Aussicht, anderenfalls selbst tätig zu werden "und den beantragten Auftrag, zumal erhebliche wirtschaftliche Interessen des Pflichtteilsberechtigten auf dem Spiel stehen", zu erteilen.
Hierauf beraumte das Abhandlungsgericht eine Tagsatzung zur Erörterung der Schätzungsergebnisse und der dagegen erhobenen Einwendungen sowie der Absichten der Erben, die Landwirtschaft fortzuführen, an. Zu der gerichtlichen Tagsatzung waren die drei erbserklärten Erben, die Vormünderin und der Bevollmächtigte des unehelichen Sohnes sowie ein Vertreter des Gerichtskommissärs erschienen. Der eine der beiden durch den Gerichtskommissär bestellten Schätzungsgutachter ergänzte das schriftlich erstattete Gutachten. Hierauf verkündete der Abhandlungsrichter den Beschluß, daß er den Wert der in den Nachlaß gefallenen Liegenschaften unter Berücksichtigung sämtlichen lebenden und sonstigen Inventars sowie der Dienstbarkeit und der Reallasten, jedoch ohne Geldlasten mit 5,983.105,50 S "verbindlich" festsetze und dem Gerichtskommissär auftrage, diesen Betrag in das Hauptinventar aufzunehmen. In der schriftlichen Ausfertigung dieser Entscheidung formulierte das Abhandlungsgericht seinen Beschluß dahin, daß über Antrag des unehelichen Sohnes des Erblassers der Liegenschaftsschätzwert festgesetzt werde.
Die erbserklärten Erben erhoben gegen diese Sachwertbestimmung Rekurs.
Das Rekursgericht hob aus Anlaß dieses Rechtsmittels den angefochtenen Beschluß als nichtig auf und erklärte die am 14. August 1986 vor dem Abhandlungsgericht abgehaltene Tagsatzung für nichtig. Es trug dem Erstgericht auf, den Akt dem Gerichtskommissär zur Erstellung des Inventars zu übersenden.
Dazu vertrat das Rekursgericht die Ansicht, der Abhandlungsrichter sei nicht berechtigt, das dem Gerichtskommissär zu überlassende Verfahren zur Inventarisierung des Nachlasses - auch nur teilweise - an sich zu ziehen und den Sachwert - einer Teilmasse oder des gesamten Nachlasses - zu ermitteln und festzusetzen. Es sei Sache des mit der Abhandlungspflege beauftragten Gerichtskommissärs, die gegen die Schätzung erhobenen Einwendungen zu behandeln und danach das Inventar zu errichten. Das Erstgericht habe dadurch, daß es über den "Richtigstellungsantrag" des Pflichtteilsberechtigten selbst verhandelt und entschieden habe, gegen die zwingende Zuständigkeit des Gerichtskommissärs zur Inventarerrichtung verstoßen. Dies begründe Nichtigkeit.
Der pflichtteilsberechtigte Sohn des Erblassers erhebt gegen die rekursgerichtliche Entscheidung Rekurs. Er beantragt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Nach seiner Auffassung haftete diesem keine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit an.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Zur Abhandlung von Verlassenschaften ist das nach § 105 JN örtlich zuständige Bezirksgericht berufen. Notare als Gerichtskommissäre haben dabei nur insoweit Amtshandlungen zu besorgen, als ihnen das im jeweiligen Verfahren vom Gericht aufgetragen wurde (§ 1 Abs 1 GKoärG). Im Umfang des § 2 Abs 1
GKoärG verpflichtet das Gesetz das Abhandlungsgericht, Amtshandlungen einem Notar als Gerichtskommissär aufzutragen, in den Fällen des § 6 Abs 3 letzter Satz und des § 7 Abs 2 GKoärG jedoch selbst durchzuführen. Die vom Gerichtskommissär gesetzten Amtshandlungen treten funktionell anstelle der sonst vom beauftragenden Gericht vorzunehmenden Amtshandlungen. Das Verhältnis zwischen dem Gericht, bei dem eine Verlassenschaftsabhandlung (oder ein sonstiges außerstreitiges Verfahren) anhängig ist, und dem von diesem Gericht beauftragten Gerichtskommissär ist nicht den Beziehungen zwischen den nach der Gerichtsorganisation eingerichteten Behörden vergleichbar, unter die die anfallenden Geschäfte nach allgemein formulierten Kriterien im Sinne der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung aufgeteilt werden, das Verhältnis entspricht vielmehr dem der Gerichtsbesetzung, weil es um die Bestimmung des Organes geht, durch welches eine verfahrensrechtlich einer bestimmten Behörde zuzurechnende Amtshandlung vorzunehmen ist. Ein Verstoß gegen zwingende gesetzliche Regelungen über die Aufteilung der Geschäfte zwischen dem Gericht und dem Gerichtskommissär ist nicht in Analogie zum Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO zu behandeln, sondern könnte nur in Analogie zu § 477 Abs 1 Z 2 ZPO gesehen werden. Aus § 477 Abs 3 ZPO muß aber verallgemeinernd der Grundsatz abgeleitet werden, daß eine höherwertige als die gesetzlich vorgesehene Gerichtsbesetzung keine Nichtigkeit begründe. Dieser aus der durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 neu eingeführten Regelung abgeleitete Grundsatz des Zivilprozeßrechtes ist auf das Verfahren außer Streitsachen voll übertragbar. Daraus, daß das Gericht den Gerichtskommissär im Einzelfall mit der Besorgung von Amtshandlungen zu beauftragen, diesen Auftrag unter Umständen aber zu widerrufen und die Amtshandlungen selbst vorzunehmen hat, sowie daraus, daß die im § 1 Abs 2 GKoärG genannten Amtshandlungen stets dem Gericht vorbehalten bleiben, ist abzuleiten, daß der Richter gegenüber dem Gerichtskommissär als höherwertiges Organ anzusehen ist. Daraus folgt, daß auch eine gesetzwidrige Ersetzung der durch einen Notar als Gerichtskommissär vorzunehmenden Amtshandlung durch eine unmittelbare gerichtliche Tätigkeit nicht mit Nichtigkeit bedroht ist.
Das Rekursgericht war daher nicht befugt, den von ihm angenommenen Verfahrensverstoß aus Anlaß des gegen den erstinstanzlichen Beschluß erhobenen Rekurses von Amts wegen aufzugreifen. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Untersuchung, wieweit die Abhaltung der Tagsatzung vom 14. August 1986 durch das Abhandlungsgericht gegen die Regelungen über das sogenannte obligatorische Gerichtskommissariat verstoßen habe oder wegen einer etwa angenommenen Notwendigkeit, Beteiligte oder Sachverständige formell vernehmen zu müssen, gerechtfertigt erschienen sein mochte. Das Rekursgericht war aus den dargelegten Erwägungen keinesfalls berechtigt, die von ihm angenommene Verletzung der gesetzlich vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Gericht und Gerichtskommissär von Amts wegen - als Nichtigkeit - wahrzunehmen.
In teilweiser Stattgebung des Rekurses war der angefochtene Beschluß ersatzlos aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs der erbserklärten Erben gegen die erstinstanzliche Entscheidung vom 14. August 1986 aufzutragen. Da das Rekursgericht über das gegen den erstinstanzlichen Beschluß erhobene Rechtsmittel keine Sachentscheidung gefällt hat, hat sich der Oberste Gerichtshof auf die Aufhebung des zu Unrecht gefaßten Beschlusses auf Nichtigerklärung zu beschränken. Die vom Rekurswerber begehrte Sachentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses bedeutete eine unzulässige Verschiebung des Instanzenzuges.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)