OGH 1Ob672/86

OGH1Ob672/8616.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** L*** I*** S***

Corp., P.O.Box 870, Ames, Iowa 50010, USA, vertreten durch Dr. Harry Neubauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Leo B*** Gesellschaft mbH, Steyr, Haager Straße 52, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, wegen US-Dollar 8909,29 infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12.Juni 1986, GZ 6 R 50/86-68, womit das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 19. Februar 1986, 1 Cg 500/81-62, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Streitteile kamen bei einer Messe in Hannover (Bundesrepublik Deutschland) in geschäftlichen Kontakt. Nach weiteren von den Geschäftsführern geführten Gesprächen kam es am 12.10.1979 in Steyr zum Abschluß eines schriftlichen Verteilervertrages in englischer Sprache. Der Vertrag war von der klagenden Partei, einer Gesellschaft, die ihren Sitz im Staate Iowa (USA) hat, entworfen worden, der Entwurf wurde von Siegbert A. K***, einem Angestellten der klagenden Partei, bei einer Geschäftsreise dem Geschäftsführer der beklagten Partei zur Unterzeichnung vorgelegt. Für die klagende Partei unterzeichnete Siegbert A. K***. Nach dem Inhalt des Vertrages hat die beklagte Partei als Verteiler die Produkte der klagenden Partei innerhalb des in diesem bestimmten Territoriums (Österreich) zu verkaufen; sie verpflichtet sich weiters, das Territorium zur Zufriedenheit der klagenden Partei zu bearbeiten und zu entwickeln und außerhalb des Territoriums keine Produkte der klagenden Partei zu vermarkten oder zu verkaufen. Der dritte Absatz der Einleitung hat in der beglaubigten Übersetzung aus dem Englischen folgenden Wortlaut:

"...in Anbetracht dessen, daß der Verteiler diese Rechte zu erwerben wünscht, um diese Produkte exklusiv ("exclusively") in Österreich zu vermarkten und zu verkaufen (im folgenden kurz Verkaufsgebiet genannt)...". Der Vertrag wurde auf die Dauer eines Jahres geschlossen. Er verlängerte sich automatisch jeweils um ein weiteres Jahr. Die schriftliche Aufkündigung hatte spätestens 30 Tage vor Ablauf einer Periode zu erfolgen. Im Jahre 1981 betraute die klagende Partei ein weiteres österreichisches Unternehmen mit dem Vertrieb ihrer Produkte in Österreich.

Die klagende Partei begehrt aufgrund eines Kaufvertrages über veterinärmedizinische Trächtigkeitsgeräte die Bezahlung des Betrages von US-Dollar 8.909,29 (Rechnungsbetrag einschließlich kapitalisierter Zinsen) s.A.

Die beklagte Partei gestand zu, daß der Klagsbetrag offen sei, wendete aber ein, ihr stünden gegen die klagende Partei Schadenersatzansprüche zu, die die Klagsforderung bei weitem überstiegen. Aufgrund des Verteilervertrages vom 12.10.1979 sei der beklagten Partei ein Alleinvertriebsrecht für Produkte der klagenden Partei in Österreich eingeräumt worden. Die klagende Partei habe vertragswidrig ein weiteres Unternehmen mit dem Vertrieb ihrer Produkte in Österreich betraut. Die beklagte Partei sei darauf mit Schreiben vom 3.7.1981 vom Vertrag zurückgetreten. Im Schreiben vom 3.7.1981 habe die beklagte Partei den bisher aufgelaufenen frustrierten Werbeaufwand mit der Klagsforderung aufgerechnet. Hätte die klagende Partei die über die Konkurrenzfirma durchgeführten Umsätze über die beklagte Partei durchgeführt, dann wären der beklagten Partei nicht Einnahmen in der Höhe des nunmehrigen Klagsbetrages entgangen. Diese Gegenforderungen, die die Klagsforderung bei weitem überstiegen, werden aufrechnungsweise eingewendet. Aufgrund der Erwiderung der klagenden Partei, der Sinn des Wortes exklusiv sei darin zu erblicken, daß die beklagte Partei Produkte der klagenden Partei nur in Österreich, aber nicht außerhalb des Bundesgebietes habe vertreiben dürfen, berief sich die beklagte Partei zum Beweis ihres Vorbringens, erklärte Absicht der Streitteile sei es gewesen, der beklagten Partei ein Alleinvertriebsrecht einzuräumen, auf die Einvernahme des Zeugen Siegbert A. K***.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, der im Vertrag verwendete Ausdruck "exclusively" bedeute, daß der beklagten Partei das Recht eingeräumt werde, die Produkte der klagenden Partei nur innerhalb der Grenzen Österreichs zu vermarkten und zu verkaufen. Eine Beschränkung der klagenden Partei, mit dem Vertrieb ihrer Produkte kein anderes Unternehmen in Österreich betrauen zu dürfen, sei auf Grund der gewählten Formulierung in englischer Sprache nicht zu entnehmen.

Rechtlich ging es davon aus,daß das englische Wort "exclusively" unter Bezugnahme auf amerikanisch-rechtliche Konzepte regelmäßig den Inhalt habe, den Vertrieb eines Produktes auf ein bestimmtes Gebiet zu beschränken, sodaß der Verteiler lediglich das Recht erhalte, die Produkte in einem besonders umschriebenen und begrenzten Gebiet zu vermarkten.

Die beklagte Partei erhob Berufung. Sie führte aus, es sei unbestritten, daß nach dem Wortsinn der englischen Sprache bzw. nach dem nun vorliegenden Rechtsgutachten davon auszugehen sei, daß der betreffende Ausdruck eine Beschränkung der Tätigkeit der beklagten Partei auf das österreichische Staatsgebiet zum Ausdruck bringe, nicht aber ein Alleinvertretungsrecht der beklagten Partei in Österreich. Sie rügte aber das Vorliegen von Feststellungsmängeln. Obwohl sie vorgebracht habe, der Abschlußvertreter der klagenden Partei Siegbert A. K*** habe die Bedeutung des Wortes "exclusively" dahin erörtert, daß der beklagten Partei in Österreich ein Alleinvertriebsrecht zustünde, somit eine vom Wortlaut des schriftlichen Vertrages abweichende Parteiabsicht behauptet habe, die durch Vernehmung des Zeugen Siegbert A. K*** auch unter Beweis gestellt worden sei, habe das Erstgericht, das ausschließlich vom Wortlaut des Vertrages ausgegangen sei, Feststellungen über diese Tatsachenbehauptungen der beklagten Partei unterlassen. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß der Berufung Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Erstgericht habe, obwohl es darüber Beweise aufgenommen habe, über die von der beklagten Partei behaupteten mündlichen Absprachen weder positive noch negative Feststellungen getroffen.

Wesentlich sei, von welcher Geschäftsgrundlage die Streitteile ausgegangen seien. Solange nicht geklärt sei, ob mündliche Nebenabreden getroffen worden seien, sei die Rechtssache noch nicht spruchreif. Auf die von der beklagten Partei angewendeten Gegenansprüche sei nach dem Schwerpunkt dieser Rechtsbeziehungen österreichisches Recht anzuwenden. Die beklagte Partei habe sowohl außergerichtliche Kompensation eingewendet als auch eine Gegenforderung aufrechnungsweise geltend gemacht. Diese Einwendungen genügten gerade noch den Erfordernissen der Schlüssigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Strittig sind nur die von der beklagten Partei aus dem Verteilervertrag vom 12.10.1979 abgeleiteten behaupteten Schadenersatzansprüche, die teils als vollzogener Schuldtilgungseinwand, teils als prozessuale Aufrechnung geltend gemacht wurden. Vertragshändlerverträge und Verträge über Alleinvertriebsrechte weisen eine andere Leistungsstruktur auf als die im § 36 IPRG genannten gegenseitigen Verträge. Ihre Anknüpfung ist daher vertragstypisch nach dem Recht des Sitzes des Vertragshändlers bzw., was hier übereinstimmt, nach dem Recht des Staates, dessen Markt betroffen ist, vorzunehmen (Schwimann, Grundriß des IPR 125; derselbe in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 36 IPRG;

vgl. Martiny in Münchener Kommentar Rz 219 vor Art.12 EGBGB;

Heinrichs in Palandt 45 2175; Schweickert in Reithmann, Internationales Vertragsrecht 3 Rz 570). Das gilt jedoch nicht dann, wenn die Parteien ein anderes Recht ausdrücklich oder schlüssig bestimmten; einer schlüssigen Bestimmung steht es dabei gleich, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß die Parteien eine bestimmte Rechtsordnung als maßgebend angenommen haben (§ 35 Abs 1 IPRG). Eine ausdrückliche Erklärung über das anzuwendende Recht wurde im vorliegenden Fall zwar nicht abgegeben, jedoch sind sich beide Parteien darüber einig - und wurde darüber auch ein amerikanisches Rechtsgutachten eingeholt - , daß auf die Auslegung des im Vertrag gebrauchten Wortes "exclusively" die Grundsätze des amerikanischen Rechtes, genau des Rechtes des Staates Iowa, anzuwenden sind; die Berufung der beklagten Partei bezog sich sogar ausdrücklich darauf und baute auf dem Verständnis des eingeholten Rechtsgutachtens auf. Es ist aber ausgeschlossen, daß auf die Auslegung eines Wortes nach dem Verständnis beider Parteien amerikanische Rechtsgrundsätze, sonst aber österreichisches Recht angewendet werden könnte. Der Vertrag war auch nur in englischer Sprache vom amerikanischen Geschäftsführer der klagenden Partei unter Bedachtnahme auf amerikanischen Vertragsverfassungsgebrauch formuliert; solche Umstände werden aber als gewichtige Indizien für eine Rechtswahl anerkannt (SZ 54/5 mwN; vgl. SZ 55/76; Schwimann, IPR 119 und in Rummel aaO Rdz 6 zu § 35 IPRG). Für die beklagte Partei erkennbar wurde von der klagenden Partei ein vorformulierter Vertrag verwendet, in den nur die Bezeichnung der beklagten Partei und das Wort "Austria" eingesetzt wurden; es ist auszuschließen, daß die klagende Partei bei Verwendung desselben Vertragsformulars in verschiedenen Staaten sich stets verschiedenen Rechtsordnungen unterwerfen wollte; auch für die beklagte Partei war dies ohne weiteres erkennbar. Die Indizien weisen damit in überwältigender, jede andere Anknüpfung als zufällig deklassierender Mehrheit auf die Rechtsordnung des Staates Iowa als stärkste Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG; Schwimann, JBl 1981,370) hin. Schlüssige Rechtswahl auf das Recht dieses Staates ist daher anzunehmen.

Dem eingeholten Rechtsgutachten, gegen dessen Richtigkeit von keiner Seite Bedenken angemeldet wurden, ist nun aber nicht zu entnehmen, daß die Grundsätze der Vertragsauslegung im Staate Iowa von den in Österreich geltenden wesentlich abweichen. Den Grundsätzen des § 914 ABGB entsprechend wird bei der Auslegung eines Vertrages Worten ihr klarer gewöhnlicher Sinn gegeben, sie werden im Zusammenhang, in dem sie verwendet werden, interpretiert. Dieser "analytischen Haltung" gemäß verstand das Gutachten allerdings den im Vertrag gebrauchten Ausdruck "exclusively" dahin, daß damit die beklagte Partei darauf beschränkt werden sollte, die Produkte der klagenden Partei nur innerhalb der territorialen Grenzen von Österreich zu vermarkten und zu verkaufen. Das Gutachten betonte jedoch, seine Ansicht gehe davon aus, daß das österreichische Gericht entschieden habe, daß die Beweisaufnahme nicht die Feststellung einer Zweideutigkeit im von den Parteien geschlossenen Vertrag stützt; wenn der Sachverhalt dies rechtfertige, könnte ein amerikanisches Gericht auch eine gewisse im Vertrag vorhandene Zweideutigkeit finden. Für den Fall, daß dem so sei, würde das amerikanische Rechtssystem den Gerichten erlauben, die Tatsachen und Umstände im Zusammenhang mit der Begründung des gegenständlichen Vertrages zu überprüfen, um der Absicht der Parteien Wirksamkeit zu verleihen. Das Finden einer Zweideutigkeit würde es dem österreichischen Gericht erlauben, dem Begriff "exclusively" eine "verschiedene Konstruktion aufzuerlegen", die die Bedeutung des Vertrages in diesem Fall drastisch ändern würde; gewisse Beweisaufnahmen über die Umstände bei der Schaffung des Vertrages könnten es dem Gericht erlauben, die im Vertrag gegebene Bewilligung als ein exklusives Recht zur Vermarktung und zum Verkauf der Produkte in Österreich anzusehen; nach dieser Interpretation hätte der Verteiler das alleinige Recht, frei von anderen Konkurrenten die Produkte der klagenden Partei innerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich zu vermarkten. Nach dem Recht von Iowa werde ein Vertrag strikt gegen diejenige Partei ausgelegt, die die Begriffe, die zweideutig sind, formulierte oder auswählte. Das Gutachten schließt damit, ein striktes Lesen des Vertrages zeige, daß sich der Ausdruck "exclusively" auf eine Bewilligung von Verteilungsrechten in einem besonders umschriebenen und begrenzten Gebiet (Österreich) beziehe und keine exklusiven Verteilerrechte im Hoheitsgebiet gegeben wurden, es jedoch nicht in der Lage sei, eine vollkommen schlüssige Bewertung der eigentümlichen Bedeutung des Begriffes "exclusively" vorzunehmen. Das Gutachten ist dahin zu verstehen, daß auch nach dem Recht des Staates Iowa wie nach § 914 ABGB alle den Vertragsabschluß begleitenden Umstände, insbesondere die bei Vertragsabschluß abgegebenen Erklärungen der Parteien und die sich daraus ergebende Absicht, zu berücksichtigen sind (vgl JBl 1986, 173; EvBl 1985/168;

JBl 1982, 142; HS 9434 ua; Gschnitzer in Klang aaO 406);

Undeutlichkeiten sind aber zum Nachteil desjenigen zu verstehen, der sich ihrer bediente (§ 915 ABGB). Das ist in einem Fall von ganz besonderer Bedeutung, in dem sich die klagende Partei eines englischen Vertragstextes bediente, aber gleichzeitig einen Angestellten einschaltete, der aus Deutschland stammt und den Geschäftsführer der beklagten Partei in dieser Sprache über die Bedeutung des Vertragstextes aufklären konnte und offensichtlich auch aufzuklären hatte. Die beklagte Partei konnte dann den Vertrag so verstehen, wie er ihrem Geschäftsführer in seiner Muttersprache erläutert wurde. Mit Recht hat demnach das Berufungsgericht die Einbeziehung der Aussage des in den USA vernommenen Zeugen Siegbert A. K*** in die Beweiswürdigung verlangt.

Entgegen den Ausführungen im Rekurs sind die Einwendungen der beklagten Partei auch schlüssig. Die beklagte Partei behauptete nicht nur, die klagende Partei habe sich vertragswidrig verhalten, sie brachte auch vor, sie habe den durch dieses Verhalten der klagenden Partei frustrierten Werbeaufwand zur Tilgung der gesamten Kaufpreisschuld verwendet; andererseits wendete sie aufrechnungsweise den ihr entgangenen Gewinn ein, ihr seien durch das vertragswidrige Vorgehen der klagenden Partei Einnahmen in der Höhe des Klagsbetrages entgangen. Es wird allerdings noch näher zu erörtern sein, wie sich die Ansprüche der beklagten Partei beziffern, die beklagte Partei wurde dazu zwar vom Erstgericht aufgefordert, dieses hatte dann ohne weitere Konkretisierung durch die beklagte Partei das bisherige Vorbringen offensichtlich als ausreichend angesehen, weil sonst die Sache sofort spruchreif gewesen wäre. Das Urteil des Erstgerichtes leidet daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, an einem Feststellungsmangel. Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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