OGH 11Os149/86

OGH11Os149/8615.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bittmann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernst M*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Mai 1986, GZ 5 Vr 2.723/85-69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Hauptmann als Vertreter der Generalprokuratur und der Verteidigerin Dr. Huber, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 (Abs. 1), 84 Abs. 1, Abs. 2 Z 3 StGB (Punkt 2), wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB (Punkt 5) und wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB rücksichtlich der Kamera der Dr.Eva M*** (Teilfaktum zu Punkt 3), demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 1 StPO an das Landesgericht für Strafsachen Wien zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung verwiesen

Im übrigen wird das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB rücksichtlich der Zerstörung von Kleidungsstücken der Dr.Eva M*** (Restfaktum zu Punkt 3) und im Schuldspruch wegen Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt 4) von amtswegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO aufgehoben und insoweit gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3, 1. Satz, StPO in der Sache selbst erkannt:

Ernst M*** wird von der weiters wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Padua 1) am 27.Dezember 1984 Dr.Eva M*** durch die Äußerung, er werde ihr die Zähne eintreten, wenn sie nicht anrufe, sohin durch gefährliche Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung, zur Durchführung inhaltlich vorgegebener Telefonate mit Helga G***, Dr.Gernot G*** und ihrer Mutter genötigt, sowie

2) am 26. und 27.Dezember 1984 Kleidungsstücke der Dr.Eva M***, sohin fremde Sachen, durch Zerreißen zerstört, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde gegen die von diesem Freispruch erfaßten Teile des Schuldspruches wird der Angeklagte auf den freisprechenden Teil, mit seiner Berufung auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen; letzteres gilt auch für die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung.

Der Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.November 1946 geborene beschäftigungslose Ernst M*** des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB (Punkt 1 des Urteilsspruches), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB (Punkt 2), des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB (Punkt 3), des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt 4) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB (Punkt 5) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am

27. - zum Teil auch bereits am 26. - Dezember 1984 in Padua 1./ mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Dr.Eva M*** durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten sowie durch die Äußerung, sie könne sich ihr Leben durch eine bis 10.Jänner 1985 an seine Mutter Gertraud M*** durchzuführende Überweisung von 500.000 S erkaufen, andernfalls werde sie den 11.Jänner 1985 nicht mehr erleben und eines qualvollen Todes sterben, sohin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Durchführung der Geldüberweisung zu nötigen versucht zu haben, wobei er die Genötigte durch die Gewaltanwendung und die Drohungen längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte,

2./ Dr.Eva M*** durch Versetzen zahlreicher Faustschläge und Fußtritte sowie indem er sie zwang, eine Flasche in ihre Scheide einzuführen, und sodann gegen den Flaschenboden trat, vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich Blutergüsse im Bereich beider Brüste und im Gesicht, Prellungen des Brustkorbes und des Beckens, Blutbeulenbildungen am Hinterhaupt und im Stirnbereich sowie Hautabschürfungen und eine Schleimhautabschürfung an der Scheidenhinterwand, zur Folge hatte und unter Zufügung besonderer Qualen begangen wurde,

3./ fremde, der Dr.Eva M*** gehörige Sachen zerstört zu haben, indem er aus ihrer Kamera Marke Minolta XG 9 das Objektiv herausschraubte, es gegen den Boden warf, einen Sesselfuß auf das Kameragehäuse stellte und auf den Sessel stieg sowie indem er Kleidungsstücke der Genannten zerriß, wobei der an den Sachen herbeigeführte Schaden 5.000 S überstieg,

4./ Dr.Eva M*** durch die Äußerung, er werde ihr die Zähne eintreten, wenn sie nicht anrufe, sohin durch gefährliche Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung, zur Durchführung von inhaltlich vorgegebenen Telefonaten mit Helga G***, Dr.Gernot G*** und ihrer Mutter genötigt zu haben und

5./ Helga G*** durch die fernmündliche Äußerung, sie werde ihn kennenlernen, wenn er nach Graz komme, dann werde sie etwas erleben, gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (der Urteilsbegründung US 9 zufolge lautete die Äußerung allerdings, Helga G*** "möge sich aus der Sache heraushalten, sonst passiere etwas").

Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte eine (formell) auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 4, 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Auf die Behauptung inhaltlicher Mängel des Hauptverhandlungsprotokolles (das indessen bereis mit Beschluß ON 76 berichtigt wurde) kann der Beschwerdeführer die Verfahrensrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 3 StPO allerdings nicht stützen, weil gemäß dem § 271 Abs. 1, erster Satz, StPO nur die gänzliche Unterlassung der Aufnahme eines vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterfertigenden Protokolles mit Nichtigkeit bedroht ist. Auch im (auf die Verfahrensrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO folgenden) Nachtrag, in welchem der Beschwerdeführer die Gesetzwidrigkeit der Verlängerung seiner Untersuchungshaft gemäß dem § 193 Abs. 4 StPO durch das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 28. November 1985, 9 Ns 158/85 (ON 53 d.A), behauptet, weil in der Begründung des Verlängerungsbeschlusses auch auf von der ursprünglichen Auslieferungsbewilligung (ON 30 iVm ON 25) nicht erfaßte - allerdings (zufolge ON 50, 51) Gegenstand des zusätzlichen Ersuchens an die Bundesrepublik Deutschland vom 7.November 1985 um Zustimmung zur Verfolgung und Aburteilung im Sinn des Art 14 Abs. 1 lit a des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957, BGBl 1969/320 bildende - Straftaten Bezug genommen worden sei, wird keine in der Hauptverhandlung unterlaufene Verletzung oder Vernachlässigung einer Vorschrift geltend gemacht, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt. Zudem übersieht der Beschwerdeführer, daß zufolge Art VII Abs. 2 des Vertrages vom 31.Jänner 1972 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl 1977/35, die ausgelieferte Person im ersuchenden Staat nach der Stellung des Ersuchens ungeachtet der Einschränkung des Art 14 des erwähnten Übereinkommens bis zum Eingang der Entscheidung über d.ieses Ersuchen in Haft gehalten werden kann.

Die Abweisung des (laut AS 341 in der Hauptverhandlung aufrechterhaltenen) Antrags auf Ausforschung und Einvernahme des zur fraglichen Zeit am Tatort - im Hotel P*** in Padua - beschäftigt gewesenen Personals (ON 65) stellt den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO nicht her:

Aus dem Inhalt einer Mehrzahl der im Antrag detailliert angeführten Fragen, welche den auszuforschenden Zeugen gestellt werden sollten, ergibt sich nämlich, daß es dem Antragsteller primär um eine Aufklärung, ob überhaupt bestimmte zu seiner Entlastung dienliche Beweise auffindbar sein könnten, sohin um einen unzulässigen Erkundungsbeweis ging. Nicht einmal aus seiner eigenen Verantwortung vor Gericht ergaben sich Anhaltspunkte für ihn allenfalls entlastende konkrete Wahrnehmungen des Hotelpersonals (insbesondere über an Dr.Eva M*** angeblich bereits anläßlich der gemeinsamen Rückkehr mit dem Angeklagten ins Hotel am Nachmittag des 26.Dezember 1984 erkennbare Verletzungsspuren und über das angebliche Verlassen des Hotels durch die genannte Frau und den Angeklagten am Vormittag des 27.Dezember 1984). Im Beweisantrag werden auch keine besonderen Gründe für die der allgemeinen Erfahrung widersprechende Erwartung dargetan, das Personal eines relativ großen Hotels könne seine mehr als ein Jahr zurückliegenden Wahrnehmungen über das Verhalten und über auffällige Veränderungen des Aussehens von (kurzfristigen) Hotelgästen zeitlich auf die Stunde genau einordnen; die Hervorhebung des Umstands, daß das Paar schon durch Mitnahme eines einmal auch von einem Kellner beanstandeten Hundes auffällig gewesen sei, und die Vorlage von Lichtbildern des Angeklagten und der Zeugin Dr.M*** zum Zweck der Vorweisung gegenüber dem Hotelpersonal bei dessen Einvernahme sind in diesem Zusammenhang nicht zielführend, weil sie eine Orientierung in zeitlicher Hinsicht keinesfalls erleichtern. Soweit der Angeklagte mit dem abgelehnten Antrag weiters unter Beweis zu stellen sucht, daß Hotelbedienstete oder andere Personen keine ihn belastenden Wahrnehmungen gemacht, insbesondere weder die Betätigung eines Alarms noch Hilferufe der Zeugin Dr.Eva M*** vernommen, auch kein auffälliges Verhalten ihres Hundes bemerkt und - mit Ausnahme der dem Angeklagten zufolge von der Zeugin M*** selbst zerschnittenen Kleidungsstücke - im Hotelzimmer keinerlei beschädigte Gegenstände vorgefunden hätten, zielte er auf keinen Entlastungsbeweis (zumal auch ein derartiges Beweisergebnis mit der Tatbegehung durch den Angeklagten vereinbar wäre), sondern auf den Nachweis ab, daß die Aussage der Belastungszeugin Dr.M*** durch die italienischen Zeugen keine Bekräftigung erfahre. Hievon ging das Erstgericht aber ohnehin aus, hatte es doch die zu Lasten des Angeklagten getroffenen Feststellungen ausschließlich auf die Aussage der Zeugin Dr.M***, auf das gerichtsärztliche Gutachten sowie auf die Angaben der Zeugen Helga G*** und Dr.G*** gestützt (US 10 zweiter Absatz und verso).

Berechtigung kommt hingegen jener Verfahrensrüge zu, mit welcher der Angeklagte eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte durch Abweisung des Antrags auf Einvernahme der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Zeugin Gabriele S*** geltend macht (AS 300, 341). Weder in der im Hauptverhandlungsprotokoll (S 344 unten) festgehaltenen Begründung des ablehnenden Beschlusses, derzufolge es sich bei Gabriele S*** um keine Tatzeugin handelt, noch in den eines stützenden Arguments entbehrenden Ausführungen der Urteilsbegründung (US 11), wonach die Zeugin S*** nur eine "Einschränkung des Deliktszeitraums" (allenfalls) zu bestätigen vermöge, die "an der Begehung der vom Angeklagten verübten Straftaten nichts ändern" könne, geht das Erstgericht darauf ein, daß der betreffende Antrag nicht nur auf den Nachweis eines Treffens zwischen Gabriele S*** und dem Angeklagten am 27.Dezember 1984 ab 12,00 Uhr vor dem Hauptbahnhof Padua und eines anschließenden ununterbrochenen Zusammenseins bis 16,30 Uhr dieses Tages abzielte, sondern überdies der Widerlegung der Behauptung der Zeugin Dr.Eva M*** dienen sollte, der Angeklagte habe sie am 27. Dezember 1984 bis (etwa) 15,00 Uhr im Hotelzimmer gequält und bei ihrer Abreise zu diesem Zeitpunkt im Hotelzimmer geschlafen. Demnach sollte über den Nachweis eines (immerhin rund drei Stunden) früheren Endes des für die Tatbegehung in Betracht kommenden Zeitraumes hinaus die Aussage der Belastungszeugin in einem wesentlich bedeutungsvolleren Punkt, nämlich insoweit widerlegt werden, als sie - im Gegensatz zur Verantwortung des Angeklagten, das Hotel am 27. Dezember 1984 um 12,00 Uhr (nicht, wie in der Beschwerde behauptet, um 10,00 Uhr) fast drei Stunden nach dem Fortgang der Zeugin Dr.M*** (AS 320) verlassen zu haben, um S*** wie vereinbart zu treffen (AS 323) - behauptete, die Flucht sei ihr an diesem Tage erst um 14,45 Uhr oder 15,00 Uhr (AS 340) deshalb gelungen, weil der Angeklagte infolge hochgradiger Alkoholisierung eingeschlafen sei (AS 336). Somit ging es nicht nur um den Nachweis einer - nach Ansicht des Erstgerichtes (US 10 unten) allenfalls auf den geschwächten physischen und psychischen Zustand der Zeugin Dr.M*** zurückzuführenden - Divergenz in Zeitangaben, sondern auch darum, ob der Angeklagte bereits in den Mittagsstunden des 27.Dezember 1984 zur Einhaltung einer Verabredung, sohin zu einem Verhalten fähig gewesen ist, zu dem er in einem alkoholisierungsbedingten Schlafzustand nicht imstande gewesen wäre. Eine Beeinflussung der Entscheidung durch das Ergebnis des beantragten Beweises zugunsten des Beschwerdeführers (§ 281 Abs. 3, erster Satz, StPO) durfte aber vom Erstgericht auch nicht wegen des anscheinend zwischen Gabriele S*** und dem Angeklagten bestehenden näheren Verhältnisses (US 11) vorweg ausgeschlossen werden. Mag auch die genannte Zeugin nach der Aktenlage (ON 31) vom Angeklagten dazu ausersehen gewesen sein, einen den Inhalt einer entlastenden Aussage betreffenden Kassiber weiterzuleiten, so durfte doch ihre Einvernahme aus rein prozessualen Gründen nicht von vornherein mangels hinreichender Glaubwürdigkeit abgelehnt werden. Eine solche Vorgangsweise liefe nämlich auf eine vorwegnehmende Würdigung eines noch gar nicht vorliegenden Beweisergebnisses hinaus (vgl Mayerhofer-Rieder 2 , § 281 Abs. 1 Z 4 StPO, EGr 78 bis 87). Die Fällung eines kasssatorischen Erkenntnisses und die Anordnung eines weiteren Rechtsganges zur Nachholung der betreffenden Beweisaufnahme erweisen sich aber nicht nur zum - im Beweisantrag AS 300 Punkt 3 mit dem Vorwurf des "Quälens" gleichgesetzten - Kern der Anklage gegen den Beschwerdeführer Ernst M***, mithin in Ansehung des Vergehens der schweren Körperverletzung (Urteilstat 2) und des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung (Urteilstat 1) als erforderlich (ohne daß auf die Vernachlässigung des Zusammenhanges zwischen den bei der Erpressung eingesetzten Mitteln und dem angestrebten vermögensschädigenden Verhalten in der Urteilsbegründung - vgl US 8:

"Im Zuge der zunehmenden Agressionshandlungen und Drohungen verlangte der Angeklagte ....." - noch näher eingegangen werden muß); vielmehr gebietet der enge örtliche, zeitliche und beweismäßige Zusammenhang aller vom Schuldspruch erfaßten Straftaten im Sinn des § 289 StPO auch die Aufhebung des Schuldspruches wegen der an der Kamera der Dr.Eva M*** verübten Sachbeschädigung (Teil des Schuldspruches zu Punkt 3), deren vom Erstgericht angenommene Qualifikation nach dem § 126 Abs. 1 Z 7 StGB übrigens - wie in der Beschwerde zutreffend geltend gemacht wird - keine Deckung durch eine die Schadenshöhe betreffende Tatsachenfeststellung findet (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), sowie des Schuldspruches wegen Vergehens der gefährlichen Drohung (Punkt 5 des Urteilstenors). Der zuletzt erwähnte Schuldspruch ist zudem wegen seines bereits oben (anläßlich seiner Wiedergabe) erwähnten - für den Bedeutungsinhalt der betreffenden Äußerung und die Beurteilung der subjektiven Tatseite keineswegs unmaßgeblichen und daher zu Recht vom Beschwerdeführer gerügten - Widerspruches zu den Feststellungen der Urteilsbegründung über den Wortlaut der Äußerung mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behaftet (vgl allerdings AS 326, wonach die Zeugin G*** sowohl die im Urteilsspruch angeführte als auch die in den Urteilsgründen festgestellte Äußerung gehört haben will). Für den Bereich der subjektiven Tatseite ist er überhaupt durch keine Urteilsfeststellung gedeckt (was vom Angeklagten andeutungsweise unter der Z 10 - statt richtig unter dem Gesichtspunkt eines Feststellungsmangels nach derZ 9 lit a - des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht wird).

Ungeachtet des auch insoweit gegebenen Zusammenhanges der Taten in beweismäßiger Hinsicht kann ein weiterer Rechtsgang rücksichtlich der übrigen Urteilsfakten - der durch Zerreißen von Kleidungsstücken der Dr.Eva M*** begangenen Sachbeschädigung (Teil von Punkt 3) und der schweren Nötigung (Punkt 4) - deshalb unterbleiben, weil der Schuldspruch insoweit außerdem zufolge Verletzung des Grundsatzes der Spezialität der Auslieferung (Art 14 Abs. 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens; vgl § 70 Abs. 1 ARHG) mit einer vom Beschwerdeführer zwar nicht geltend gemachten, gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO jedoch von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO behaftet ist: Im Haftbefehl des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4.Juni 1985 (ON 25), auf welchen in der Auslieferungsbewilligung der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 9.Juli 1985 (ON 30) ausdrücklich (und ausschließlich) Bezug genommen wird, sind die betreffenden Taten nicht angeführt. Die vom Oberlandesgericht Graz in der Einspruchsentscheidung ON 63 vertretene Ansicht, es liege wenigstens zur schweren Nötigung (Punkt I 4 der Anklageschrift = Punkt 4 des Urteilsspruches) nur eine (unter den Voraussetzungen des Art 14 Abs. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens die Verfolgung und Aburteilung nicht hindernde) Änderung der rechtlichen Beurteilung eines Teiles des im Auslieferungsverfahren als gefährliche Drohung qualifizierten Sachverhaltes (Punkt c der ON 25) vor, findet in der Aktenlage keinerlei Deckung. Zwar weist die der Auslieferung zugrundegelegte Bedrohung der Dr.Eva M***, sie habe nicht mehr lange zu leben, er werde ihr sämtliche Zähne ausschlagen und sie bis zur Unkenntlichkeit entstellen, teilweise - in Ansehung eines der angedrohten Übel, keineswegs jedoch hinsichtlich des Zwecks der Äußerung - Ähnlichkeit mit der unter Punkt 4 des Urteilsspruches inkriminierten Nötigung der Frau durch den Angeklagten zu inhaltlich vorgegebenen Telefonaten durch die Ankündigung, ihr die Zähne einzutreten, auf. Aus den Angaben der Zeugin Dr.M***, auf welche allein sich der betreffende Tatverdacht stützt, gehen aber keine Anhaltspunkte für eine Identität dieser Handlungen hervor (vgl insbesondere AS 47 j letzter Absatz: "Zu diesem Anruf hat mich der Beschuldigte durch weitere Drohungen gezwungen ..."; siehe ferner AS 334 unten: "... haben die weiteren Drohungen und Beschimpfungen mich veranlaßt, G***, G*** und meine Eltern anzurufen ..."). Die zusätzliche Erhebung des Vorwurfs der schweren Nötigung beruht sohin nicht bloß auf geänderter rechtlicher Beurteilung einer lediglich im Wortlaut präzisierten, an sich jedoch schon zur Zeit des Auslieferungsersuchens vom 4.Juni 1985 aktenkundig gewesenen Äußerung des Angeklagten, sondern auf der erstmals am 27.August 1985 (AS 47 j unten) erhobenen Anschuldigung wegen einer weiteren Tat, die mit den schon früher angezeigten Delikten in Realkonkurrenz stünde und schon im Hinblick auf den Zeitpunkt ihres Hervorkommens weder dem Auslieferungsersuchen noch dessen Bewilligung zugrundegelegen sein kann. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die vorsätzliche Zerstörung der Kleider durch den Angeklagten: Zwar war letztere Tat zur Zeit des Auslieferungsersuchens bereits aktenkundig (AS 15, 47), doch fand sie in diesem Ersuchen keine Erwähnung. Auch sie zählt daher nicht zu dem der Auslieferungsbewilligung vom 9. Juli 1985 zugrundegelegenen - nach Zeit, Ort und Objekt individualisierten - historischen Tatgeschehen, auf dessen Identität mit der Urteilstat es hier (in Analogie zur Prüfung der Identität zwischen Anklage- und Urteilsfaktum im Sinn des § 262 StPO) ankommt (EvBl 1984/26 = ÖJZ-LSK 1983/99, 100 zu § 11 ARHG). An dieser Beurteilung vermag der Umstand, daß Tatorte und Tatzeiten der schweren Nötigung und der erwähnten Sachbeschädigung jenen der im Auslieferungsersuchen angeführten Handlungen entsprechen, nichts zu ändern; denn die Angabe von Zeit und Ort der Tat reicht allein zur Individualisierung nicht hin (vgl Linke-Epp-Dokoupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht, Erl 4 zu § 70 ARHG; Linke, Grundriß des Auslieferungsrechts, S 22, S 85 sowie - hinsichtlich der eindringlichen Warnung vor einer "großzügigen", der zentralen Bedeutung des Spezialitätsgrundsatzes nicht gerecht werdenden Verfolgungspraxis - S 87 f.).

Gemäß dem Art 14 Abs. 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens kann allerdings die ausgelieferte Person wegen einer anderen vor ihrer Übergabe begangenen Handlung als jener, die der Auslieferung zugrundelag, von der hier nicht in Betracht kommenden Erfüllung der Voraussetzungen der lit b dieser Vertragsbestimmung abgesehen, mit Zustimmung jenes Staates, der sie auslieferte, verfolgt und abgeurteilt werden. Eine solche Zustimmung wurde am 13.Dezember 1985 (ON 55) zwar in Ansehung weiterer Taten erteilt, umfaßte jedoch weder die an den Kleidern Dris.M*** verübte Sachbeschädigung noch die Gegenstand von Punkt 4 des Schuldspruches bildende schwere Nötigung. Insoweit unterblieb die Stellung eines Ersuchens im Sinn des Art 14 Abs. 1 lit a des erwähnten Vertrages bisher überhaupt (vgl ON 55 in Zusammenhalt mit ON 51), obwohl beide Taten vor der Übergabe des Angeklagten an Österreich am 25.Juli 1985 (ON 35) begangen wurden. Der Verfolgung und Verurteilung des Angeklagten wegen dieser strafbaren Handlungen steht sohin das in der Spezialität der Auslieferung begründete (materiellrechtliche) Verfolgungshindernis entgegen, dessen (gemäß § 290 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO auch von Amts wegen gebotene) Wahrnehmung im Nichtigkeitsverfahren nach ständiger Judikatur (SSt 52/49 = EvBl 1982/74 = ÖJZ-LSK 1981/192 zu § 68 Abs. 1 ARHG, 193 zu § 70 Abs. 1 Z 1 ARHG, 196 zu § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO; JBl 1986, 401; Mayerhofer-Rieder 2 , § 288 StPO, EGr 32) dann den sofortigen Freispruch nach sich zieht, wenn (wie im gegenständlichen Fall) ein Verfahren zur Erwirkung der Auslieferung nicht (mehr) anhängig ist. Mithin war das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB (Punkt 1 des Urteilsspruches), wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 (Abs. 1), 84 Abs. 1, Abs. 2 Z 3 StGB (Punkt 2), wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB (Punkt 5) und wegen Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB in Ansehung der Kamera der Dr.Eva M***

(Teilfaktum zu Punkt 3), demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (§ 288 Abs. 2 Z 1 StPO). Im übrigen - sohin im Ausspruch, Ernst M*** habe das Vergehen der schweren Sachbeschädigung auch durch Zerstörung von Kleidungsstücken der Dr.Eva M*** begangen (Teil des Schuldspruches Punkt 3) und im Schuldspruch wegen Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt 4) - war das Ersturteil gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen aufzuheben und insoweit gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3, erster Satz, StPO in der Sache selbst zu erkennen und mit Freispruch vorzugehen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen der beiden letzterwähnten Taten war der Angeklagte auf diesen Freispruch, mit seiner Berufung hingegen - ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten erhobenen Berufung - auf den kassatorischen Teil des Erkenntnisses zu verweisen.

Der Antrag des Angeklagten Ernst M*** auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens im außerordentlichen Weg war als unzulässig zurückzuweisen (§ 362 Abs. 3 StPO). Im übrigen hegt der Oberste Gerichtshof nach den bisherigen vom Erstgericht durchgeführten Beweisaufnahmen auch keine die angeregte Maßnahme allenfalls rechtfertigende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem angefochtenen Urteil zugrundelegten Tatsachenannahmen (§ 362 Abs. 1 StPO).

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