OGH 12Os161/86

OGH12Os161/8611.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alfred S*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18.September 1986, GZ 8 Vr 1946/86-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Stöger und des Verteidigers Dr. Schreiber, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt I/1/b) und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred S*** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt I./ 1./ a/ des Urteilssatzes; wobei die rechtliche Annahme, dieses Delikt sei im Versuchsstadium verblieben, nach den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen offensichtlich verfehlt ist, was dem Angeklagten aber nicht zum Nachteil gereicht), ferner des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt I./ 1./ b/ des Urteilssatzes), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Punkt I./ 2./ des Urteilssatzes) und des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 und 2 StGB (Punkt II./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Graz

zu Punkt I./: seine (damalige) Ehegattin Flora S***

1./ am 13.Juni 1986

a/ durch die Äußerung "Du Miststück, jetzt steche ich Dich ab; verschwinde aus der Wohnung, ich brauch' diese für mich und meine Freundin; wenn Du nicht augenblicklich draußen bist, dreh' ich Dich heim", weiters dadurch, daß er ihr einen Fußtritt versetzte und ihr einen Teller nachwarf, sohin mit Gewalt und durch (gefährliche) Drohung mit dem Tode zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen der ehelichen Wohnung genötigt;

b/ bei dem vorerwähnten Vorfall durch Zufügen eines ca 3 cm langen, quer verlaufenden Hämatoms am rechten Oberschenkel und sechs verschieden langer, streifenförmiger Excoriationen an der Außenseite des rechten Unterarmes vorsätzlich am Körper verletzt;

2./ am 14.Juni 1986 durch die Äußerung "Du miese Ratte; einmal steche ich Dich ab und schmeiße Dich in die Jauchegrube" gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

zu Punkt II./: am 17.Juni 1986 Bargeld und Getränke in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert dem Josef T*** durch Einbruch in dessen Cafe, sohin in ein Gebäude, sowie durch Aufbrechen von Laden, sohin von Behältnissen, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Zueignung des Diebsgutes unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich nur gegen die Schuldsprüche wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung (I/1/a) sowie der Vergehen der Körperverletzung (I/1/b) und der gefährlichen Drohung (I/2) richtet, kommt insofern Berechtigung zu, als zutreffend gerügt wird, daß im Faktum I/1/b (wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB) die Feststellungen im Urteilstenor (zu Punkt I/1/b in Verbindung mit Punkt I/1/a), der Angeklagte habe seiner Gattin, indem er ihr einen Fußtritt versetzte und ihr einen Teller nachwarf, am rechten Oberschenkel ein ca 3 cm langes Hämatom und 6 verschieden lange, streifenförmige Excoriationen an der Außenseite des rechten Unterarmes vorsätzlich zugefügt, mit den Angaben der Verletzten nicht in Einklang zu bringen sind. Denn zum einen hat die Genannte vor der Polizei (S 17), dem Untersuchungsrichter (S 74) und auch in der Hauptverhandlung (S 150) vorgebracht, der Angeklagte habe sie gegen ihren rechten Unterschenkel getreten und dadurch verletzt; ohne sich mit dieser Aussage näher auseinanderzusetzen (wiewohl der Widerspruch zwischen den erwähnten Angaben der Zeugin S*** mit dem Inhalt des polizeiärztlichen Befundes - Seite 113 - in der Hauptverhandlung erörtert worden war - Seite 150 -), hat das Erstgericht festgestellt, die Zeugin S*** sei am rechten Oberschenkel verletzt worden. Zum anderen hinwieder hat die Genannte vor der Polizei ausgesagt, durch den vom Angeklagten ihr nachgeworfenen Teller nicht verletzt worden zu sein (S 17); auch vor dem Untersuchungsrichter (ONr 7) und in der Hauptverhandlung (S 149 f) hat sie nicht behauptet, durch den Teller verletzt worden zu sein. Diese Feststellung findet sich auch in den Urteilsgründen (S 156).

Da nach dem Urteilstenor der Angeklagte seiner Gattin nur einen Fußtritt versetzte (der vermutlich zu der Verletzung am Ober- oder Unterschenkel geführt hat), der Wurf mit dem Teller indessen zu keiner Verletzung geführt hat, bleibt unklar, auf welche Weise die Zeugin S*** die Verletzungen an der Außenseite des rechten Unterarmes erlitten hat. Es erweist sich daher der Ausspruch des Gerichtes, wonach der Angeklagte der Zeugin Flora S*** die im Urteilsspruch angeführten Verletzungen zugefügt habe, als mangelhaft begründet, sodaß in diesem Faktum eine Urteilsaufhebung unumgänglich ist.

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht unter sorgfältiger Würdigung der Verantwortung des Angeklagten, der Aussagen der Zeugin Flora S*** und des polizeiärztlichen Befundes vom 16.Juni 1986 festzustellen (und zu begründen) haben, welche Verletzungen der Angeklagte seiner damaligen Gattin auf welche Weise zugefügt hat. Hingegen ist die gegen die Schuldsprüche wegen des Verbrechens der (versuchten) schweren Nötigung (Punkt I./ 1./ a/) und des Vergehens der gefährlichen Drohung (Punkt I./ 2./) gerichtete Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit a) nicht berechtigt:

Die Beschwerde entbehrt insoweit einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, als sie in beiden Fällen nicht den gesamten, vom Erstgericht jeweils als erwiesen angenommenen Urteilssachverhalt berücksichtigt, sondern jeweils nur einen Teil der den bekämpften Schuldsprüchen zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen herausgreift und diesen unter isolierter Betrachtung einer anderen, für den Angeklagten günstigeren rechtlichen Beurteilung unterzogen wissen will.

So übergeht der Beschwerdeführer in bezug auf den Schuldspruch wegen (versuchter) schwerer Nötigung (Punkt I./ 1./ a/), indem er der Sache nach die objektive Eignung der von ihm geäußerten Drohungen, dem Tatopfer begründete Besorgnisse einzuflößen, bestreitet, daß sich sein vom Erstgericht als erwiesen angenommenes, auf Nötigung seiner Ehegattin zum Verlassen der Wohnung abzielendes Tatverhalten keineswegs in (vom Erstgericht als gefährliche Drohung gewerteten) mündlichen Äußerungen erschöpfte. Der Angeklagte ist vielmehr bei dem in Rede stehenden Vorfall am 13.Juni 1986 nach den Urteilsannahmen gegen seine Ehegattin auch durch Versetzen eines Fußtrittes und Werfen eines Tellers tätlich vorgegangen und hat somit zur Verwirklichung des angestrebten und von ihm auch tatsächlich erreichten Zieles (Verlassen der Wohnung) gegen seine Ehegattin neben dem Mittel der gefährlichen Drohung (mit dem Tode) überdies auch jenes der Gewalt (erfolgreich) eingesetzt. Es liegt auf der Hand, daß es für die Beurteilung der (objektiven) Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, und somit für die rechtliche Beurteilung einer mündlichen Äußerung als gefährliche Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB, aber auch für die Entscheidung der weiteren, vom Beschwerdeführer in seiner Nichtigkeitsbeschwerde aufgegriffenen Frage der Ernstlichkeit einer schon nach ihrem Wortlaut als Drohung zu verstehenden Äußerung von wesentlicher Bedeutung ist, wenn der Täter, so wie vorliegend, über die von ihm mündlich in Aussicht gestellte Verwirklichung eines (anderen gewichtigen) Übels hinaus auch noch Tätlichkeiten gegen das Tatopfer setzt, weil er damit das Gewicht seiner verbalen Drohung verstärkt. In einem solchen Fall, in welchem (Todes-)Drohungen noch durch einen nachhaltigen körperlichen Angriff gegen die bedrohte Person unterstrichen werden, ist die Gewaltanwendung durch den Täter, vor allem wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bedrohung des Tatopfers steht, bei der Beurteilung der objektiven Eignung einer Äußerung als gefährliche Drohung schon nach der Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB, wonach auch auf die Verhältnisse bei der Tatbegehung abzustellen ist, mitzuberücksichtigen. Die mit einer verbalen Drohung Hand in Hand gehende Gewaltanwendung gegen das Tatopfer ist demnach ein gewichtiger Indikator für die rechtliche Annahme der objektiven Eignung einer Drohung, der bedrohten Person begründete Besorgnisse einzuflößen. Andererseits bestehen angesichts von (gewichtigen), Hand in Hand mit verbalen Drohungen gehenden Tätlichkeiten gegen das Tatopfer auch in subjektiver Beziehung keine Bedenken, daß die schon nach ihrem Wortlaut als Drohung mit einer Verletzung am Körper (oder sogar mit dem Tode) einzustufenden Äußerungen vom Täter auch ernst gemeint waren. Von bloß (harmlosen) milieubedingten Unmutsäußerungen oder Beschimpfungen, die dem Begriff der gefährlichen Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB nicht entsprechen, kann unter solchen Umständen nicht mehr gesprochen werden.

Diese Erwägungen gelten auch für den vom Beschwerdeführer gleichfalls bekämpften Schuldspruch wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Punkt I./ 2./), soweit er auch die diesem Schuldspruch zugrundeliegende Drohung (mit dem Abstechen) bloß als nicht ernstgemeinte, milieubedingte Unmutsäußerung gewertet wissen will. Denn der Beschwerdeführer läßt auch hier die weitere - vom Erstgericht im Einklang mit den Verfahrensergebnissen (vgl S 23 d.A) und im übrigen in der Nichtigkeitsbeschwerde unbekämpft gebliebene - Urteilsfeststellung außer acht, derzufolge er seine Ehegattin bei dem Vorfall am 14. Juni 1986 auch an den Haaren gerissen hat, sohin auch damals gegen sie tätlich geworden ist. Es ist demnach auch in diesem Fall nicht bloß bei einer wörtlichen Bedrohung durch den Angeklagten geblieben. Die Beschwerdebehauptung, daß sich der Angeklagte in diesem Faktum "keiner Handlung" (ersichtlich gemeint: keiner Gewaltanwendung) bedient hätte, um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, findet in dem festgestellten Urteilssachverhalt keine Deckung und stellt demnach keine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge dar. Desgleichen ist der weitere Beschwerdeeinwand unzutreffend, daß im Urteilsfaktum I./ 2./ keine "unmittelbare Androhung der Tathandlung" (Abstechen) vorliege; hat sich doch der Beschwerdeführer bei dieser Drohung keineswegs eines Mittelsmannes bedient, sondern die Äußerung mit dem Abstechen am 14.Juni 1986 direkt gegenüber seiner (damit bedrohten) Ehegattin gemacht. Sollte der vorerwähnte Einwand mit dem auf den festgestellten Wortlaut der Drohung ("...einmal stech ich Dich ab") gestützten Argument dahin zu verstehen sein, daß eine gefährliche Drohung im Sinne des § 107 Abs. 1 StGB dann nicht in Betracht komme, wenn das in Aussicht gestellte Übel erst in einem (späteren) nicht näher bezeichneten und daher noch unbestimmten Zeitpunkt zugefügt werden soll, ist ihm entgegenzuhalten, daß das Wesen einer gefährlichen Drohung gerade in der Ankündigung eines bevorstehenden, also erst in der Zukunft eintretenden Übels, auf dessen Eintritt der drohende Einfluß zu haben vorgibt, gelegen ist (vgl EvBl 1982/108). Die Absicht des Täters ist bei einer gefährlichen Drohung im Sinne des § 107 Abs. 1 StGB stets auf die Erzeugung einer "Erwartungsangst" beim Bedrohten gerichtet (Kienapfel, Grundriß 2 , BT, RN 19 zu § 107 StGB; vgl auch 9 Os 79/85). Schon daraus folgt, daß die vom Täter in Aussicht gestellte Zufügung des Übels keineswegs unmittelbar bevorstehen muß, sondern auch in weiterer Zukunft gelegen sein kann (EvBl 1967/41). Es kommt vielmehr bei einer Beurteilung einer Äußerung (oder eines anderen Verhaltens) als gefährliche Drohung entscheidend darauf an, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten, sohin den Eindruck gewinnen kann, der Täter sei in der Lage und willens, die in Aussicht gestellte Folge auch tatsächlich herbeizuführen (Leukauf-Steininger, StGB 2 , § 74, RN 18). Nur wenn schon aus der Drohung selbst hervorgeht, daß der Eintritt des angedrohten Übels zeitlich gesehen in solcher Ferne liegt, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auch aus der Sicht des Bedrohten die Verwirklichung des angekündigten Übels ernstlich nicht mehr zu erwarten ist, würde einer solchen Äußerung der Charakter einer gefährlichen Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB nicht zukommen. Diese der Annahme einer gefährlichen Drohung entgegenstehende Voraussetzung trifft aber auf die aktuelle Äußerung des Angeklagten nicht zu.

Soweit schließlich der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die weitere, diesem Urteilsfaktum zugrundeliegende Androhung, seine Ehegattin nach dem Abstechen in eine Jauchegrube zu werfen, die Möglichkeit der Ausführung dieser Ankündigung mangels Vorhandenseins einer Jauchegrube in Tatortnähe verneint und daraus die mangelnde Ernstlichkeit der Drohung dartun will, übersieht er, ganz abgesehen von dem rein spekulativen Charakter dieses Einwandes, daß das Hauptgewicht der ihm zu Punkt I./ 2./ angelasteten gefährlichen Drohung in der Ankündigung des Abstechens und nicht in einem Verschwindenlassen der Leiche in einer Jauchegrube liegt, sodaß dieses Vorbringen schon aus diesem Grunde ins Leere geht. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Bei dem im fortgesetzten Verfahren zu fällenden Strafausspruch wird auch auf die (bisher unberücksichtigt gebliebene) Vorhaft des Angeklagten am 13.Juni 1986 von 2 Uhr 50 bis 4 Uhr 45 (Seiten 15 und 17) sowie am 14.Juni 1986 von 3 Uhr 10 bis 3 Uhr 35 (Seite 23) Bedacht zu nehmen sein.

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