OGH 9Os79/85

OGH9Os79/8526.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinz A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 21. März 1985, GZ 4 Vr 332/85-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Auer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Heinz A ist schuldig, er hat am 8. Jänner 1985 in Graz einen Beamten, nämlich den Kriminalbeamten Bezirksinspektor Franz B, während einer Amtshandlung dadurch tätlich anzugreifen versucht, daß er unter der gleichzeitigen Ankündigung 'ich hau dir eine in die Goschn' und Einnahme einer sogenannten Boxerstellung einen Faustschlag gegen das Gesicht des Genannten zu führen suchte. Er hat hiedurch das Vergehen des versuchten tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach §§ 15, 270 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach der letztgenannten Gesetzesstelle unter Anwendung des § 11 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Wochen verurteilt.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß §§ 389, 390 a StPO fallen ihm die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. Juni 1967 geborene (demnach zur Tatzeit noch jugendliche) Heinz A des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 8.Jänner 1985 in Graz den Kriminalbeamten (Bezirksinspektor) der Bundespolizeidirektion Graz Franz B durch die Äußerung 'ich hau dir eine in die Goschn', wobei er ihm die Fäuste vor das Gesicht hielt, mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen sollte der Angeklagte am 8. Jänner 1985 im Vernehmungsraum des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Graz, wo er zu dieser Zeit eine (u.a.) wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung und des Widerstands gegen die Staatsgewalt über ihn verhängte Freiheitsstrafe verbüßte, von Bezirksinspektor B wegen des Verdachtes, Diebstähle begangen zu haben, vernommen werden. Da er eine Verantwortung hiezu ablehnte, brach Bezirksinspektor B die Vernehmung ab. Als der Beamte im Begriff war, die dienstversehenden Justizwachebeamten zu ersuchen, A in seinen Haftraum zurückzubringen, nahm der Angeklagte plötzlich eine Boxerstellung ein, indem er die Fäuste vor das Gesicht des Beamten hielt und gleichzeitig äußerte 'ich hau dir eine in die Goschn'; nur durch ein rasches Zurücktreten gelang es dem Beamten, aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu gelangen. Als unmittelbar darauf die von Bezirksinspektor B herbeigerufenen Justizwachebeamten die Vernehmungszelle betraten, 'senkte der Angeklagte seine Hände, ohne jedoch sein aggressives Verhalten einzustellen'. Schließlich gelang es den Justizwachebeamten, den Angeklagten in die Zelle abzuführen (S 82 f).

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Aus Analß dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das Urteil mit einer sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden (materiellrechtlichen) Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, die vom Angeklagten nicht geltend gemacht wurde und daher gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war:

Den Tatbestand nach § 107 Abs. 1 StGB erfüllt, wer einen anderen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Unter Furcht und Unruhe, worauf die Absicht des Täters gerichtet sein muß, ist ein nachhaltiger, sohin zumindest einige Zeit dauernder, das ganze Gemüt ergreifender peinvoller Seelenzustand des Opfers zu verstehen (vgl. ÖJZ-LSK 1975/202

= EvBl. 1976/120; Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN 3 sowie Kienapfel BT I 2 RN 9, jeweils zu § 107). Setzt der Täter jedoch (seinem Tatplan gemäß) die ausgesprochene drohende Ankündigung gleichsam uno actu in die Tat um, stellt sich demnach die Ankündigung nur als eine Vorbereitung auf das dar, was das Opfer sogleich zu erwarten hat und folgt der Vollzug des angedrohten übels mithin gleichzeitig oder unmittelbar im Anschluß daran, so liegt ein einheitlicher Vorsatz in Ansehung der Drohung und der Körperverletzung bzw. des tätlichen Angriffs vor, welcher eine gesonderte strafrechtliche Zurechnung von gefährlicher Drohung und Körperverletzung bzw. tätlichem Angriff auf einen Beamten nicht zuläßt (vgl. ÖJZ-LSK 1975/219 = RZ 1976/9; SSt. 38/54; Leukauf-Steininger aaO § 107 RN 11).

Vorliegend konstatierte das Schöffengericht, gestützt insbesondere auf die Aussage des Kriminalbeamten B - der in der Hauptverhandlung als Zeuge eindeutig zum Ausdruck brachte (S 73), daß der Angeklagte zum Zeitpunkt der Äußerung 'ich hau dir eine in die Goschn' mit den Händen vor sein Gesicht geschlagen habe und daß er 'sicherlich einen Schlag erhalten hätte', wenn er nicht zurückgetreten wäre -, daß der Beamte nur durch ein rasches Zurücktreten aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich des sogleich eine Boxerstellung einnehmenden Angeklagten gelangen konnte. Daraus folgt, daß der Beamte (nur) dadurch die sofortige Verwirklichung des Vorhabens des Angeklagten, ihn zu schlagen, abzuwenden vermochte, während der Angeklagte das übel nicht (bloß) androhen, sondern sogleich auch tatsächlich zufügen wollte. Daß das Erstgericht in diesem Zusammenhang in Wahrheit von einem unmittelbaren tätlichen Vorgehen des Angeklagten gegen den Polizeibeamten ausging, ergibt sich auch daraus, daß es im Rahmen der Beweiswürdigung (vor allem zur subjektiven Tatseite) ausdrücklich darauf Bezug nahm, daß der Angeklagte am 14.März 1985 gegenüber einem Grazer Sicherheitswachebeamten erklärte, er mußte einem 'Kiberer' (gemeint: Bezirksinspektor B) eine 'anrauchen' (vgl. S 85 iVm S 67) und vor Mithäftlingen damit prahlte, daß er dem Kriminalbeamten eine 'aufgelegt' habe (vgl. S 85 iVm S 17).

Da der Angeklagte sohin den Kriminalbeamten B während einer (noch nicht beendeten) Amtshandlung (§ 269 Abs. 3 StGB) vorsätzlich zumindest tätlich angreifen wollte und ein darüber hinausgehender (Verletzungs-)Vorsatz vom Schöffengericht weder angenommen wurde noch in der Aktenlage eine Stütze findet, stellt sich der festgestellte Sachverhalt rechtsrichtig als tätlicher Angriff auf einen Beamten im Sinn des § 270 Abs. 1 StGB dar, wobei - ausgehend von den Feststellungen des Gerichtes - der Angriff allerdings nicht gelungen ist, sodaß der Angeklagte (bloß) das Vergehen nach §§ 15, 270 Abs. 1 StGB verantwortet.

Die dem Ersturteil somit anhaftende, zum Nachteil des Angeklagten unterlaufene unrichtige Gesetzesanwendung war daher nach § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wie im Spruch zu beheben, ohne daß auf das Vorbringen des Angeklagten in seiner Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen war.

Bei der erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall während der Strafhaft als erschwerend, als mildernd hingegen die ungünstigen Familien- und Erziehungsverhältnisse, aus welchen der Angeklagte stammt, sowie den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.

Ausgehend von diesen besonderen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als tatschuld- und täterpersönlichkeitsgerecht.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Sachentscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung fußt auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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