OGH 10Os133/86

OGH10Os133/8625.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinrich F*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 21.April 1986, GZ 21 a Vr 128/86-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, und des Verteidiges Dr. Reckendorfer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 16 (sechzehn) Monate erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, darauf verwiesen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Heinrich F*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 15.Jänner 1986 in Salzburg den Martin T*** durch Versetzen mehrerer wuchtiger Faustschläge ins Gesicht am Körper dergestalt verletzt hatte, daß aus der Tat insgesamt an sich schwere Verletzungen, nämlich Frakturen des linken Jochbeins, des linken Augenhöhlenbodens (im Urteil unrichtig: Augenbogen), des Nasenbeins, einer Zahnwurzel und des Kieferkammfortsatzes mit Lockerung der Frontzähne, erfolgten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch erhobenen, auf die Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer Feststellungsmängel in bezug auf "die innere Tatseite, also" über einen "für eine schwere Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB erforderlichen bedingten Vorsatz" seinerseits, geltend, wobei er die Auffassung vertritt, die bloße Erwähnung einer den Tathandlungen zugrunde gelegenen "Verletzungsabsicht" sei unzureichend; es fehle an Konstatierungen dahin, daß er gewußt habe, T*** mit seinen Schlägen am Körper zu verletzen, und daß er dies auch gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen habe. Ferner vermißt er Feststellungen darüber, ob er die schweren Folgen der Tat wenigstens fahrlässig verursacht habe.

Alle diese Einwände gehen jedoch fehl.

Der Grundtatbestand des § 83 Abs 1 StGB kann nämlich auf der subjektiven Tatseite durch jede der in § 5 StGB umschriebenen (drei) Arten vorsätzlichen Handelns verwirklicht werden (§ 7 Abs 1 StGB), also auch absichtlich (§ 5 Abs 2 StGB): Eben das aber hat das Erstgericht mit der mehrfachen Konstatierung, daß der Angeklagte mit "Verletzungsabsicht" auf T*** einschlug (UA-S 5, 7), ausdrücklich als erwiesen angenommen. Näherer Feststellungen dazu bedurfte es nach Lage des Falles nicht, weil dem Urteilssachverhalt im Zusammenhang ohnehin deutlich genug zu entnehmen ist, daß das Schöffengericht bei dieser - als für die rechtliche Beurteilung unzulänglich gerügten - Annahme im Hinblick auf die außergewöhnliche Brutalität des Beschwerdeführers, mit der er auf seinen Widersacher einschlug und letzterem die (schweren) Verletzungen zufügte, in tatsächlicher Hinsicht davon ausging, daß es ihm geradezu darauf ankam, jenen am Körper zu verletzen.

Spezielle Konstatierungen über die "Wissenskomponente" des Vorsatzes hinwieder waren dementsprechend entbehrlich. Denn diese wird im Gesetz (§ 5 StGB) nur beim bedingten Vorsatz (durch das Erfordernis, daß der Täter die Verwirklichung eines Sachverhalts, der einem gesetzlichem Tatbild entspricht, ernstlich für möglich hält: Abs 1 zweiter Halbsatz) und bei der Wissentlichkeit (durch die Prämisse, daß er den jeweils maßgebenden Umstand oder Erfolg nicht bloß für möglich, sondern dessen Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält: Abs 3) besonders determiniert; zur Annahme einer (im gegebenen Fall allein aktuellen) Absicht (Abs 2) dagegen ist eine - über die begriffslogisch notwendigerweise damit verbundene (und demzufolge mit ihrer Feststellung subintelligierte) Vorstellung des Täters vom gewollten Tatumstand (hier: einer Verletzung des Gegners) hinausgehende - spezifische Ausprägung des intellektuellen Vorsatzelements im StGB nicht vorgesehen, sodaß sich darauf bezogene Feststellungen erübrigten.

Ebensowenig entbehrt die vom Erstgericht angenommene Haftung des Angeklagten für den qualifizierenden Verletzungserfolg (§ 7 Abs 2 StGB) einer sachverhaltsmäßigen Grundlage, weil sich die mindestens fahrlässige Herbeiführung des schweren Grades der beabsichtigten Körperverletzung zweifelsfrei aus den Urteilsfeststellungen ableiten läßt. Die von der Verletzungsabsicht getragenen Tathandlungen - Versetzen mehrerer wuchtiger Faustschläge ins Gesicht - zogen nämlich durchaus adäquate Verletzungsfolgen nach sich, weshalb mangels eines atypischen Gefälles zwischen Gefährlichkeit der Begehungsweise und Tatfolge die Fahrlässigkeitsprüfung auf die Vorhersehbarkeit einer schweren Verletzung beschränkt ist (vgl. SSt. 47/1, 10 Os 146/85 u.a.). Diese ergibt sich bei der konkreten Fallgestaltung in objektiver Beziehung schon aus der Art der Attacke und in subjektiver Beziehung aus der - vom Schöffengericht auch unter Berücksichtigung einer (mehr oder weniger starken: UA-S 4) Alkoholisierung

bejahten - Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, weshalb auch insoweit kein Feststellungsmangel vorliegt. Daß im erstinstanzlichen Urteil eine entsprechende Darstellung der Rechtslage unterblieb, steht nicht unter Nichtigkeitssanktion.

Soweit aber der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf Z 9 lit b (der Sache nach Z 10) des § 281 Abs 1 StPO eine Beurteilung der Tat als lediglich fahrlässige Körperverletzung anstrebt und dabei den Standpunkt vertritt, er habe bloß eine Notwehrüberschreitung begangen, führt er den relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus, weil er nicht von dem im Urteil festgestellten Sachverhalt (in seiner Gesamtheit) ausgeht, sondern von seiner als bloße Schutzbehauptung abgelehnten Verantwortung.

Denn nach den Feststellungen des Schöffengerichtes versuchte zwar T*** vorerst, den Angeklagten aus dem Bett zu zerren, wobei er ihn am Hals erfaßte, doch wurde diese Tätlichkeit von letzterem wirksam und endgültig abgewehrt, indem er den Angreifer mit einer Bierflasche niederschlug und ihm dabei eine Kopfwunde zufügte. Erst nach diesem Vorgang - der ohnedies nicht Gegenstand des Schuldspruches ist - führte der Angeklagte in Verletzungsabsicht die inkriminierten Faustschläge gegen den nunmehr bereits am Bett liegenden T***, weil er "endlich eine Ruhe" wollte und "rot" sah (UA-S 5, 7/8); seine Verantwortung dagegen, von T*** bei dieser Gelegenheit mit einem Messer angegriffen worden zu sein, wurde vom Schöffengericht als widerlegt angesehen (UA-S 6-8). Angesichts dieser Feststellunen bildet der Einwand, der Angeklagte habe die Tathandlungen als Verteidigungsmaßnahme gegen einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorgestandenen Angriff T*** gesetzt und dabei nur aus Furcht zu hart zugeschlagen, ein lediglich an seiner (von der Tatsacheninstanz für unglaubwürdig befundenen) Verantwortung orientiertes und sowohl in bezug auf die angebliche Notwehrsituation als auch in Ansehung des behaupteten asthenischen Affekts urteilsfremdes Vorbringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte ihn nach § 84 Abs 1 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen und die Mehrheit der (jeweils an sich schweren) Verletzungen als erschwerend, dagegen ein Teilgeständnis und eine nicht auszuschließende Provokation durch den Verletzten als mildernd.

Der Angeklagte strebt mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht an, die Staatsanwaltschaft hingegen begehrt in ihrer Berufung die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe.

Der Berufung der Anklagebehörde kommt Berechtigung zu. Mit Recht macht die Staatsanwaltschaft geltend, daß dem Angeklagten ein überaus rascher Rückfall als zusätzlicher Erschwerungsgrund zur Last fällt; beging er doch die Tat während einer gemäß § 99 Abs 1 Z 1 lit c StVG gewährten Unterbrechung einer u.a. wegen mehrerer Aggressionsdelikte verhängten Freiheitsstrafe.

Der Angeklagte vermag dagegen keine zusätzlichen Milderungsgründe darzustellen.

Die Begehung der Straftat im "Sandlermilieu" ist nicht mildernd; auch Menschen in diesem Milieu genießen gleichermaßen wie andere den Schutz des Strafrechts.

Eine durch Alkoholisierung bedingte allfällige Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit wird nach den Umständen des vorliegenden Falles durch den Vorwurf aufgewogen, den der Gebrauch des berauschenden Mittels begründet, denn aus den Vorstrafakten ergibt sich, daß der Angeklagte wiederholt in alkoholisiertem Zustand delinquierte und ihm daher seine in diesem Zustand auftretende mangelnde Hemmfähigkeit bekannt ist.

Von einer einem Rechtfertigungsgrund nahekommenden Situation kann keine Rede sein, weil er durch sein Verhalten die Konfliktsituation überhaupt erst herbeigeführt hatte. In Anbetracht des aufgezeigten zusätzlichen Erschwerungsgrundes sowie des Umstandes, daß einer vom Erstgericht berücksichtigten "nicht auszuschließenden Provokation durch den Verletzten" im Hinblick auf das einleitende Verhalten des Angeklagten nur äußerst geringes Gewicht beigemessen werden kann, aber auch unter Berücksichtigung des besonderen Umfanges der Verletzungsfolgen und des in einschlägiger Richtung schwer getrübten Vorlebens des Angeklagten, bei dem alle Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall im Sinn des § 39 StGB gegeben sind, erscheint das vom Erstgericht gewählte Strafausmaß im untersten Drittel des Strafrahmens des § 84 Abs 1 StGB entschieden zu gering. Es war demnach in Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde eine Erhöhung auf ein der tat- und täterbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechendes Ausmaß vorzunehmen.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, auf diese Entscheidung zu verweisen. Bei dem in einschlägiger Richtung schwer vorbestraften Angeklagten, der während einer ihm gewährten Strafunterbrechung in überaus raschem Rückfall delinquierte, fehlt es schon unter spezialpräventiven Aspekten an sämtlichen Voraussetzungen für die Gewährung bedingter Strafnachsicht; demnach kann auch keine Rede davon sein, daß aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten sein könne, daß der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Seiner Berufung war daher, soweit sie eine bedingte Strafnachsicht anstrebt, ein Erfolg zu versagen.

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