OGH 3Ob114/86

OGH3Ob114/8619.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei protokollierte Firma Ing. Heinrich H*** Gesellschaft m. b.H. & Co KG, Währinger Gürtel 17-19, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Holzberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei D*** Österreichische Lichtpauspapier Gesellschaft m.b.H., Altmannsdorfer Straße 104, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 23.526,90 samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 25. Juli 1986, GZ. 46 R 377/86-6, womit der Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 12. März 1986, GZ. 6 E 2134/86-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die Kosten des Revisionsrekursverfahrens von S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen. Sie hat die Kosten ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Aufschiebungsbeschluß selbst zu tragen.

Text

Begründung

In dem Rechtsstreit GZ. 3 C 1159/83 des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien hat der Oberste Gerichtshof mit dem Urteil vom 27. November 1985 zu 8 Ob 611/85 das Urteil des Prozeßgerichtes erster Instanz wieder hergestellt, womit das auf Herausgabe einer bestimmten Maschine gerichtete Klagebegehren der D*** Österreichische Lichtpauspapier Gesellschaft m.b.H. abgewiesen und der beklagten prot. Firma Ing. Heinrich H*** Gesellschaft m. b.H. & Co KG eine Kostenersatzforderung von S 17.823,30 zuerkannt worden war, und die klagende Partei zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens von S 2.393,85 und des Revisionsverfahrens von S 3.309,75 an die beklagte Partei verhalten.

Zur Hereinbringung dieser vollstreckbaren Forderung an Prozeßkosten von zusammen S 23.526,90 erwirkte die im Rechtsstreit beklagte hier betreibende Partei beim Titelgericht am 13. Februar 1986 wider die verpflichtete Partei die Bewilligung der Fahrnisexekution.

Noch bevor die vom Titelgericht bewilligte Pfändung vom Erstgericht als Exekutionsgericht vollzogen werden konnte und vor Zustellung des Beschlusses, mit dem die Exekution bewilligt worden war, hat die verpflichtete Partei mit Klage ihre Einwendungen gegen den Anspruch beim Exekutionsbewilligungsgericht (Bezirksgericht für Handelssachen Wien AZ 3 C 116/86) erhoben und geltend gemacht, ihr stehe eine die betriebene Kostenforderung weit übersteigende Gegenforderung an Benützungsentgelt zu, die sie schon am 18. Juni 1985 mit S 192.500,-- samt Zinsen eingeklagt habe (Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien AZ 30 Cg 58/86 = 30 Cg 243/85). Diese Gegenforderung habe schon bei Entstehen der betriebenen Kostenersatzforderungen bestanden. Eine Aufrechnung gegen die Kostenersatzforderungen im Titelprozeß sei nicht möglich gewesen. Die verpflichtete Partei habe aber unmittelbar nach Zustellung der Entscheidungen des Prozeßgerichtes erster Instanz und des Obersten Gerichtshofes der betreibenden Partei erklärt, daß sie aufrechne, womit der Geldleistungsanspruch, zu dessen Hereinbringung die Exekution geführt werde, erloschen sei. Mit dieser am 3. März 1986 eingebrachten Oppositionsklage verband die verpflichtete Partei den Antrag auf Aufschiebung der Fahrnisexekution, weil ihre Fortführung der Aufschiebungswerberin einen schwer zu ersetzenden Vermögensnachteil bringen werde, und erbot sich zum Erlag einer Sicherheit.

Das Erstgericht schob die Exekution bis zur rechtskräftigen Erledigung des Prozesses auf, machte sie aber von einer Sicherheitsleistung von S 27.925,88 abhängig, weil mangels Vollzuges die Fahrnisexekution nach § 43 Abs 2 EO nur aufgeschoben werden könne, wenn für die volle Befriedigung des zu vollstreckenden Anspruches Sicherheit geleistet werde.

Über den Rekurs der betreibenden Partei änderte das Gericht zweiter Instanz den Aufschiebungsbeschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag auf Aufschiebung der Exekution abwies. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung habe zu unterbleiben, wenn die Exekution begonnen oder fortgeführt werden könne, ohne daß dies für den Aufschiebungswerber mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles verbunden wäre. Nach erfolgter Pfändung sei diese Gefahr bei einer Fahrnisexekution offenkundig, nicht aber, wenn noch gar keine Fahrnisse gepfändet wurden. Es hätte daher der Behauptung und Bescheinigung bedurft, daß mit den bevorstehenden Exekutionsakten schwer zu ersetzende Vermögensnachteile drohen. Die Behauptung, wegen ihrer hohen Forderung an Benützungsentgelt sei zweifelhaft, ob sie von der Gegnerin Schadenersatz erlangen könne, sei zu allgemein gehalten und auch nicht bescheinigt. Mangels Abweichens von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei ein weiterer Rekurs nicht zulässig.

Diesen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes bekämpft die verpflichtete Partei mit außerordentlichem Revisionsrekurs. Sie beantragt die Abänderung der rekursgerichtlichen Entscheidung in die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Aufschiebungsbeschlusses. Nach dem Ergebnis der veranlaßten Erhebungen ist die für die verpflichtete Partei bestimmte Ausfertigung der Rekursentscheidung ON 6 entgegen der § 9 Abs 1 ZustG entsprechenden Zustellverfügung vom 14. August 1986 nicht an ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt, der schon in ON 2 unter Berufung auf sein Vertretungsverhältnis eingeschritten war, sondern am 29. August 1986 der verpflichteten Partei zugestellt worden und erst am 9. September 1986 dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen. Nach § 9 Abs 1 Satz 2 ZustG ist die Zustellung daher erst am 9. September 1986 vollzogen worden und der am 18. September 1986 zur Post gegebene Revisionsrekurs fristgerecht erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Auch im Verfahren über die Aufschiebung der Exekution kommen nach § 78 EO die Bestimmungen des § 528 ZPO und über § 528 Abs 2 ZPO des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zur Anwendung. Der Revisionsrekurs wendet sich gegen eine abändernde Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über einen S 15.000,-- an Geld übersteigenden Beschwerdegegenstand, die, weil hier (auf Kosten lautende) Exekutionstitel ein und desselben Verfahrens selbständig betrieben werden, nicht über den Kostenpunkt erging. Es liegen, weil der Streitgegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, S 300.000,-- nicht übersteigt, zwar nicht die Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO vor, wohl aber wurde vom Rekursgericht zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO i. V.m. § 528 Abs 2 ZPO verneint, denn die rekursgerichtliche Entscheidung weicht von der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab.

Die eine Voraussetzung der Exekutionsaufschiebung bildende Gefahr, daß der Beginn oder die Fortführung der Exekution dem Aufschiebungswerber einen unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteil zufügen kann (§ 44 Abs 1 EO), wird bei der Fahrnisexekution als grundsätzlich offenbar bestehend angenommen. Es bedarf daher, weil offenkundige Tatsachen keines Beweises bedürfen, einer ausdrücklichen Gefahrenbescheinigung im Antrag auf Aufschiebung der Fahrnisexekution nicht, denn der Erlös bei einer Versteigerung beweglicher Sachen bleibt in aller Regel hinter ihrem Wert zurück. Aus dem Erfordernis des Einsatzes erheblich größerer Mittel zur Wiederbeschaffung ergibt sich, daß mit der Versteigerung von Fahrnissen jedenfalls regelmäßig ein schwer zu ersetzender Vermögensnachteil für den Verpflichteten verbunden ist (Heller-Berger-Stix 546; EvBl 1951/390). Die Offenkundigkeit der Gefahr wurde in der dieser Entscheidung beipflichtenden Ansicht von Heller-Berger-Stix wohl nur bei dem der Entscheidung EvBl 1951/390 zugrunde gelegten Sachverhalt angenommen, daß durch die Pfändung Einrichtungsgegenstände ergriffen wurden, und daher betont, daß die Rechtsprechung die Offenkundigkeit der Gefahr eines schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles bei der Fahrnisexekution nicht schon allgemein und im vorhinein, ohne daß überhaupt noch Sachen gepfändet wurden, als der Behauptung und Bescheinigung nicht bedürftig angesehen habe. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch schon in den am 6. Oktober 1982 ergangenen Entscheidungen zu 3 Ob 125/82 und 3 Ob 142/82 zum Ausdruck gebracht, daß die Bescheinigung der Gefahr des unersetzlichen oder doch schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles nicht bescheinigt werden muß, wenn sie offenkundig ist, und daß dies bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufschiebung einer Fahrnisexekution auch dann anzunehmen ist, wenn die Pfändung noch nicht vollzogen wurde. Es sei nämlich grundsätzlich davon auszugehen, daß der Exekutionsvollzug in der Pfändung und dem Verkauf von Fahrnissen bestehe. In beiden Fällen wurde die Aufschiebung der noch nicht vollzogenen Fahrnisexekution bewilligt und eine besondere Gefahrenbehauptung und -bescheinigung für entbehrlich gehalten. An dieser Rechtsansicht wurde auch in der Entscheidung vom 12. Oktober 1983 zu 3 Ob 121/83 festgehalten, deren hier bedeutsamer Begründungsteil veröffentlicht ist (EFSlg 44.179). Zu einem Abgehen von dieser Rechtsmeinung besteht kein Anlaß. Es ist nicht einzusehen, warum der Aufschiebungsantrag abgewiesen werden sollte, wenn nach dem regelmäßigen Verlauf des Vollzuges der Fahrnisexekution die bewilligte und angeordnete Pfändung beweglicher Sachen unmittelbar bevorsteht und alsbald deren Versteigerung droht, aber zu bewilligen wäre, wenn die Pfändung stattgefunden hat. Vor der Begründung des Pfandrechtes kommt ohnedies, wie das Erstgericht richtig erkannte, in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs 2 EO eine Aufschiebung der Fahrnisexekution nur in Betracht, wenn der Aufschiebungswerber für die Befriedigung des zu vollstreckenden Anspruches volle Sicherheit leistet (EvBl 1963/11; ZBl. 1935/326). Die Aufschiebung nach Erlag der (vollen) Sicherheit bietet dem betreibenden Gläubiger daher mehr Gewähr für seine Befriedigung als die Aufschiebung nach Begründung seines Pfandrechtes. Wenn auch die Pfändung allein kaum mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden ist, darf nicht übersehen werden, daß auch die Verwahrung der Pfandgegenstände bewilligt wurde und nach § 259 Abs 5 EO dem Antrag auf Einleitung der Verwahrung sogleich zu entsprechen ist. Die Aufschiebung der Fahrnisexekution kann somit bei Vorliegen eines Aufschiebungsgrundes auch vor ihrem Vollzug regelmäßig angeordnet werden (aber nur gegen volle Sicherstellung des betriebenen Anspruches), es sei denn, daß nach den besonderen Umständen des konkreten Falles anzunehmen wäre, die Fortführung der Exekution könne stattfinden, ohne daß für den Aufschiebungswerber die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles entstehe.

Der Aufschiebungsgrund nach dem § 42 Abs 1 Z 5 EO liegt vor. Die Erhebung der Oppositionsklage war auch keineswegs aussichtslos (GZ 3 C 116/86-9, mit welchem den Einwendungen nach § 35 EO in Ansehung des Teilbetrages von S 14.160,-- stattgegeben wurde). Daß inzwischen am 7. November 1986 vom Erstgericht mit dem Beschluß GZ 6 E 2134/86-17 neuerlich die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den zu 3 C 116/86 des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien anhängigen Oppositionsprozesses mit der Bedingung aufgeschoben wurde, daß die verpflichtete Partei den Betrag von S 27.189,24 als Sicherheit zu Gericht erlegt und die Sicherheit erlegt wurde, steht der im Revisionsrekurs beantragten Wiederherstellung des Beschlusses vom 12. März 1986, GZ 6 E 2134/86-3, nicht entgegen. Das Rechtsschutzinteresse der verpflichteten Partei ist mit der neuerlich verfügten Aufschiebung nicht weggefallen, weil dieser Aufschiebungsbeschluß erst am 10. November 1986 abgefertigt wurde und noch nicht rechtskräftig ist.

In Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes ist der Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Nach § 78 EO und den §§ 41 und 50 ZPO hat die betreibende Partei der verpflichteten Partei die Kosten dieses durch ihren letztlich erfolglos gebliebenen Rekurs gegen den erstgerichtlichen Aufschiebungsbeschluß ausgelösten Zwischenstreits zu ersetzen.

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