Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.171,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.470,15 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt der beklagten Partei gegenüber die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Arbeitsverhältnisses über den 28. Februar 1985 und den 31. August 1985 hinaus. Die von der beklagten Partei zu diesen Terminen ausgesprochenen Kündigungen seien ungerechtfertigt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen beiden - Klagebegehren. Der als Autobuslenker eingesetzte Kläger habe infolge eines Aortenaneurysmas vom Betriebsdienst abgezogen und ab 1. März 1984 als Garagenarbeiter beschäftigt werden müssen. Er sei von diesem Zeitpunkt an dienstunwillig gewesen, habe trotz wiederholter Ermahnungen mangelhafte Dienstleistungen erbracht und sich häufig unentschuldigt vom Arbeitsplatz entfernt. Er habe daher seine Dienstpflichten gröblich verletzt (§ 24 Abs 2 lit a der Dienst- und Lohnordnung der beklagten Partei) und den allgemein erzielbaren Arbeitserfolg nicht erreicht (§ 24 Abs 2 lit d). Der Kläger sei mit Kündigungsschreiben vom 27. November 1984 gekündigt worden. Um ihn zu schonen, sei nur der Kündigungsgrund des § 24 Abs 2 lit b (Fehlen der geistigen oder körperlichen Eignung) geltend gemacht worden. Der Kläger habe in der Folge auf die Anfechtung der Kündigung verzichtet, weil er mit Schreiben vom 14. März 1985 unter Hinweis auf die Kündigung die Abfertigung verlangt habe. Für den Fall der Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung habe die beklagte Partei den Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 1985 zum 31. August 1985 unter Anführung der Kündigungsgründe des § 24 Abs 2 lit a und d neuerlich gekündigt.
Der Kläger bestritt dieses Vorbringen, insbesondere einen Verzicht auf die Kündigungsanfechtung. Da er aus dem Verschulden der beklagten Partei weder eine Arbeitslosenunterstützung noch ein sonstiges Einkommen bezogen habe, jedoch für seine Frau und zwei Kinder sorgepflichtig sei, habe er lediglich versucht, die Abfertigung als Überbrückungshilfe zu erlangen.
Das Erstgericht gab den verbundenen Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Kläger wurde am 27. November 1978 von der beklagten Partei als Lohnbediensteter aufgenommen und als Autobuslenker eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis ist die Dienst- und Lohnordnung der beklagten Partei anzuwenden. Auf Grund des Aufnahmegutachtens war der Kläger diensttauglich im höchsten Grad der Tauglichkeit. Er hatte vor der Aufnahme in den Dienst der beklagten Partei einen Autounfall erlitten, den er bei der Aufnahmeuntersuchung bekanntgab. Ob ihm damals ein Herzfehler bekannt war, kann nicht festgestellt werden.
Am 18. November 1981 wurde im Zuge einer Gesundenuntersuchung sowie einer anschließenden weiteren Untersuchung ein Aortenaneurysma festgestellt. Nach einer Untersuchung mit Herzkatheter wurden dem Kläger röntgenologische Kontrolluntersuchungen in Abständen von sechs Monaten empfohlen. Nicht erwiesen ist, daß dieser Befund der beklagten Partei bekannt geworden wäre. Erst eine vor der beabsichtigten definitiven Anstellung des Klägers seitens der beklagten Partei im Jänner 1984 vorgenommene Untersuchung zeigte das Aneurysma auf. Der Kläger wurde hierauf sofort vom Betriebsdienst abgezogen, weil seine weitere Tätigkeit als Autobuslenker vom ärztlichen Standpunkt nicht mehr vertretbar schien. Ab 1. März 1984 wurde der Kläger als Garagenarbeiter im Stützpunkt der beklagten Partei in Wörgl eingesetzt. Für diese Arbeit ist der Kläger aus gesundheitlicher Sicht tauglich; er darf lediglich schwere körperliche Arbeiten nicht verrichten. Das Wechseln von Autobusreifen und das Anbringen von Schiträgern lehnte der Kläger daher ab. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger gröbliche Verletzungen der Dienstpflichten begangen hätte oder den allgemein erzielbaren Arbeitserfolg nicht erreicht hätte, wenngleich seine Arbeitsleistung etwas intensiver hätte sein können. Mit Schreiben vom 27. November 1984 sprach die beklagte Partei die Kündigung des Klägers zum 28. Februar 1985 gemäß dem § 24 Abs 2 lit b der Dienst- und Lohnordnung aus. In diesem Schreiben wird unter anderem ausgeführt:
"Bei der Anstellungsuntersuchung am 11. Jänner 1984 wurde bedauerlicherweise Ihre Fahrdienstuntauglichkeit festgestellt. Daher wurde Ihnen die Tätigkeit als Garagenarbeiter angeboten, in der Sie mit 1. März 1984 probeweise in Verwendung genommen wurden. Da Sie aber auch dort auf Grund Ihres Gesundheitszustandes die erforderliche Dienstleistung nicht erbringen und nach neuerlicher chefärztlicher Feststellung vom 7. November 1984 eine Besserung Ihres Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist bzw. eine entsprechende Verwendungsmöglichkeit bei der Kraftwagenbetriebsleitung Innsbruck nicht vorhanden ist, werden Sie
.....".
Der Kläger erhob gegen diese KÜndigung am 30. November 1984 eine Vorstellung, in der er auf die klinischen Untersuchungen und die von ihm eingehaltenen Kontrollen sowie darauf hinwies, daß er durch die Kündigung überrascht sei, weil sie ihn familiär hart treffe. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor, er bitte um die Rücknahme der Kündigung.
Mit Schreiben vom 30. Jänner 1985 teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, daß er auf Grund der bahnbetriebsärztlichen Gutachten nicht mehr als Autobuslenker verwendet werden könne. Die Verwendung im Garagendienst habe ergeben, daß er den allgemein erzielbaren Arbeitserfolg nicht habe erreichen können, so daß mangels Weiterverwendungsmöglichkeit die Kündigung ausgesprochen worden sei. Eine Zurücknahme der Kündigung werde abgelehnt.
Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol veranlaßte am 5. Februar 1985 an der Universitätsklinik Innsbruck eine Untersuchung des Klägers. In dem darüber ausgestellten Attest wird ausgeführt, daß sich der Zustand des Klägers seit der Untersuchung vom 31. Jänner 1984 nicht verändert habe und daß der Kläger mit Ausnahme des Hebens schwerer Lasten keinerlei Beschränkungen unterworfen sei. Eine Tätigkeit als Garagenarbeiter könne er ohne weiters durchführen.
Nachdem sich der Kläger am 1. März 1985 beim Arbeitsamt Innsbruck gemeldet hatte, stellte sich in weiterer Folge heraus, daß er aus nicht mehr feststellbaren Gründen weiterhin bei der beklagten Partei gemeldet war, sodaß er keine Arbeitslosenunterstützung erhielt. Da er auch von der beklagten Partei keine Entgeltzahlungen bekam, wandte er sich an den Personalvertreter Franz W***. Unter dessen Mithilfe verfaßte der Kläger folgendes mit 14. März 1985 datierte Schreiben:
"Mein Dienstverhältnis zu den Ö*** B***
wurde mit Schreiben vom 27. November 1984 aufgekündigt und mit Ablauf des Monats Feber 1985 bin ich aus dem Dienst der ÖBB ausgeschieden. Die Kündigung erfolgte nach den Bestimmungen des § 24 lit 2 b der Dienst- und Lohnordnung. Auf Grund der Bestimmung derselben Vorschrift § 27 steht mir eine Abfertigung zu und aus diesem Grunde ersuche ich um ehestmögliche Überweisung des Abfertigungsbetrages."
Der Kläger begehrte die Abfertigung, weil er für seine Familie Geld benötigte.
Der Kläger war bis etwa Ende Mai (dem Zeitpunkt der ersten Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung) mittellos und hatte keine Einkünfte. Er ist für seine Ehefrau und zwei kleine Kinder sorgepflichtig. Die Frau nahm ab Mai 1985 eine Arbeit als Kellnerin an. Auf einen Verzicht auf die Anfechtung der Kündigung allenfalls abzielende (weitere) Äußerungen könne nicht festgestellt werden. Der Personalvertreter Franz W*** intervenierte für den Kläger bei dessen Vorgesetzten.
Mit Schreiben vom 28. Mai 1985 sprach die beklagte Partei die Kündigung des Klägers zum 31. August 1985 für den Fall aus, daß die erste Kündigung vom Gericht für rechtsunwirksam erklärt werden sollte. Die neue Kündigung erfolgte aus den Gründen des § 24 Abs 2 lit a und d (gröbliche Verletzung der Dienstpflichten und Nichterreichen des allgemein erzielbaren Arbeitserfolges). Das Erstgericht vertrat im wesentlichen die Rechtsauffassung, keiner der Kündigungsgründe liege vor. Die mit der zweiten Kündigung geltend gemachten Kündigungsgründe seien infolge des langen Zeitablaufes verwirkt. In dem Verlangen auf Abfertigung allein könne angesichts der sonstigen, auf ein Verbleiben im Dienst der beklagten Partei gerichteten Schritte des Klägers ein Verzicht auf die Anfechtung der Kündigung nicht erblickt werden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000 übersteigt. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Ergänzend stellte es fest, daß die Abfertigung an den Kläger etwa Ende März 1985 tatsächlich ausgezahlt und von ihm angenommen worden ist.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auffassung der beklagten Partei, der Kläger habe nach dem objektiven Erklärungswert seines Schreibens vom 14. März 1985 die Auflösung seines Dienstverhältnisses anerkannt und somit auf die Geltendmachung einer allfälligen Rechtsunwirksamkeit der Kündigung verzichtet, kann nicht zugestimmt werden. Das Dienstverhältnis des Klägers wurde durch die Kündigung vom 27. November 1984 mit Ablauf des 28. Februar 1985 aufgelöst. Voraussetzung der Rechtswirksamkeit dieser Kündigung war jedoch das Vorliegen des von der beklagten Partei geltend gemachten Kündigungsgrundes nach § 24 Abs 2 lit b der Dienst- und Lohnordnung der beklagten Partei. Da dieser Kündigungsgrund (Fehlen der geistigen und körperlichen Eignung des Klägers) aus den noch darzulegenden Gründen nicht gegeben ist, war die Kündigung bis zur erfolgreichen Geltendmachung ihrer Rechtsunwirksamkeit durch den Kläger schwebend wirksam. Diese Rechtsunwirksamkeit machte der Kläger mit der am 11. April 1985 erhobenen Klage geltend. Bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger vor diesem Zeitpunkt auf diese Geltendmachung schlüssig (ein ausdrücklicher Verzicht liegt nicht vor) verzichtet hat, kommt es, wie die beklagte Partei zutreffend ausführt, auf den objektiven Erklärungswert seines Verhaltens an, also wie die beklagte Partei sein Erklärungsverhalten verstehen durfte.
Die Auffassung der beklagten Partei, der Kläger habe in seinem oben erwähnten Schreiben auf die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung verzichtet, wäre nur dann richtig, wenn in diesem Schreiben eine derartige Willenserklärung und nicht bloß eine Wissenserklärung des Klägers zum Ausdruck kam. Tatsächlich enthält dieses Schreiben zunächst zur Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung nur eine konkludente Wissenserklärung und dann mit dem Verlangen nach Abfertigung eine (unmittelbar nur darauf gerichtete) Willenserklärung. Der Kläger verhielt sich dabei als Empfänger der Kündigung dieser Vertragsauflösung gemäß; er ging von der Kündigung sowie deren Rechtswirksamkeit aus und verlangte die ihm auf dieser Grundlage gebührende Abfertigung (vgl. dazu Bydlinski, Willens- und Wissenserklärung im Arbeitsrecht, ZAS 1976, 83 ff, bes. 94). Aus diesem Verhalten kann eine mit Überlegung aller Umstände nicht anders zu verstehende (§ 863 ABGB) Willenserklärung des Klägers, auf die Geltendmachung einer allenfalls möglichen Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht abgeleitet werden.
Bei der Beurteilung eines schlüssigen Verzichts ist besondere Vorsicht geboten und es sind besonders strenge Anforderungen an die Auslegung der Erklärung zu stellen. Er darf nur angenommen werden, wenn kein vernünftiger Grund übrig bleibt, daran zu zweifeln, daß der Wille des Erklärenden, auf ein Recht zu verzichten, vorliegt. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die darauf hinweisen, daß der Verzicht ernstlich gewollt war (Koziol-Welser, Grundriß 7 I, 81; SZ 53/35 uva).
Ein solcher eindeutiger Verzichtswille kann schon dem Wortlaut des Schreibens des Klägers nicht entnommen werden. Bei der Beurteilung der Frage, welchen Erklärungswert die beklagte Partei dem Schreiben entnehmen konnte, müssen überdies der ihr bekannte niedrige Bildungsgrad des Klägers - er ist ein einfacher Arbeiter, dem die rechtlichen Konsequenzen seines Schreibens nicht ohne weiteres unterstellt werden konnten - sowie der Umstand berücksichtigt werden, daß der Kläger, wenn auch vor diesem Schreiben, eine Vorstellung gegen die Kündigung erhoben hatte und durch den Personalvertreter W*** in der gleichen Richtung intervenieren ließ. Dazu kommt, daß die beklagte Partei den Kläger nicht bei der Sozialversicherung abgemeldet hatte, sodaß er weder eine Arbeitslosenunterstützung noch ein Arbeitsentgelt erhielt und sich daher in einer besonders schwierigen wirtschaftlichen Situation befand, die über jene Schwierigkeiten, auf die er in seiner Vorstellung hingewiesen hatte, hinausreichten. Die beklagte Partei mußte auch berücksichtigen, daß der Kläger im Hinblick auf die wenn auch schwebende Rechtswirksamkeit der Kündigung einen Anspruch auf Abfertigung hatte und ein an ihn ausgezahlter Abfertigungsbetrag für den Fall der späteren erfolgreichen Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung mit den dann bestehenden Entgeltforderungen verrechnet werden konnte. Schließlich mußte der beklagten Partei auch klar sein, daß zwischen einem allfälligen Verzicht des Klägers auf die Fortsetzung seines weitgehend bestandgeschützten Arbeitsverhältnisses bei den ÖBB und dem Abfertigungsbetrag von zwei Monatsentgelten ein erhebliches Ungleichgewicht besteht. Sie hätte auch aus diesem Grund daran zweifeln müssen, daß der Kläger auf eine mögliche Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung und damit auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zugunsten dieses vergleichsweise geringfügigen Betrages verzichten werde. Angesichts dieser Umstände wäre es an der beklagten Partei gelegen, durch eine Rückfrage klarzustellen, ob der Kläger auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses endgültig verzichte. Zu erwähnen ist schließlich noch, daß der Kläger schon rund vier Wochen nach seinem Schreiben vom 14. März 1985, nämlich am 11. April 1985, die vorliegende Klage erhoben hat, sodaß aus einem Zeitablauf ebenfalls keine Schlüsse auf einen Verzichtswillen gezogen werden können.
Auf der Grundlage der Feststellungen ist keine der beiden Kündigungen berechtigt. Der Kläger ist für eine Tätigkeit als Garagenarbeiter, wenn auch mit der Einschränkung, daß er schwere Lasten nicht heben kann, geeignet. Diese Einschränkung ist der beklagten Partei, wie von ihr auch gar nicht bestritten wurde, zumutbar, zumal derartige nur gelegentlich vorkommenden Arbeiten von anderen Bediensteten vorgenommen werden können. Nach den Feststellungen liegen weder gröbliche Dienstpflichtverletzungen vor noch ist die Annahme des Nichterreichens des allgemein erzielbaren Arbeitserfolges gerechtfertigt. Die geltend gemachten Kündigungsgründe des § 24 Abs 2 lit a, b und d der Dienst- und Lohnordnung der beklagten Partei liegen daher nicht vor. Auf die weitere Frage, ob die Gründe der zweiten Kündigung rechtzeitig geltend gemacht wurden, ist deshalb nicht mehr einzugehen. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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