OGH 1Ob646/86

OGH1Ob646/8617.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache Harald T***, geboren 6. Jänner 1966, Schüler, Wien 3., Rennweg 70/1/28, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Helmut T***, Programmdirektor, Luxembourg, 26, Avenue Monterey, vertreten durch Dr. Otto Köhler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 24. April 1986, GZ 43 R 225/86-104, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. Jänner 1986, GZ 9 P 410/76-97, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neue Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Juli 1976, 29 Cg 37/76, rechtskräftig geschieden. Nach dem mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. März 1977, ON 5, pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich vom 15. Juli 1976 verblieb der minderjährige Harald in Erziehung und Pflege der Mutter. Der Vater verpflichtete sich, zu Handen der Mutter einen monatlichen Unterhaltsbetrag in der Höhe des jeweiligen Regelbedarfes der entsprechenden Altersstufe des Kindes zu bezahlen, zuzüglich 30 % dieses Betrages, solange sich sein derzeitiges Nettoeinkommen nicht um mehr als 10 % verringert. Die Mutter beantragte unter Hinweis auf individuell erhöhten Bedarf des Kindes für Internat, Sport (Tennis, Schikurs), Kleidung, Nachhilfestunden, Lernferien, Urlaub, Möbel, Besuch einer Maturaschule und Spitalskosten sowie die überproportionale Steigerung des Einkommens des Vaters die Erhöhung und Festsetzung des Unterhaltes mit monatlich S 7.000, ab 1. Jänner 1984 mit monatlich S 8.500.

Der Vater wendete ein, eine Änderung der Lebensverhältnisse sei im Vergleich vom 15. Juli 1976 bereits berücksichtigt worden. Ungewöhnliche Ausgaben für das Kind träfen die Mutter nicht. Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, daß der Vater anstelle des aufgrund des Vergleiches zu leistenden Unterhaltes ab 28. November 1981, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes, monatlich S 7.000 zu bezahlen habe. Über den weiteren Antrag auf Erhöhung des Unterhaltes ab 1. Jänner 1984 auf monatlich S 8.500 werde gesondert entschieden werden. Es stellte fest, daß seit Vergleichsabschluß am 15. Juli 1976 sowohl auf Seiten des unterhaltspflichtigen Vaters als auch des unterhaltsberechtigten Kindes unabhängig von dem altersbedingten Ansteigen des Bedarfes und der allgemeinen Erhöhung der Lebenshaltungskosten wesentliche Änderungen eingetreten seien, die im Vergleich nicht berücksichtigt worden seien. Der Vater habe im Jahre 1976 ein Nettoeinkommen von DM 68.542,23 bezogen, im Jahre 1981 DM 95.688,80, 1982 DM 75.240,20 und 1983 Flux 2,038.532. Eine geänderte Situation läge auch in dem bedeutsamen Ansteigen des Einkommens des Vaters. Daneben sei ein besonderer Mehraufwand durch Ausgaben für Nachhilfelehrer und den Besuch einer Maturaschule entstanden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Die Ausführungen des Rekurses über die lernbedingten Mehraufwendungen des Kindes könnten auf sich beruhen, da bereits die Einkommenssteigerung allein den zugesprochenen Unterhaltsbetrag rechtfertige. Es träfe zwar zu, daß im Vergleich aus dem Jahre 1976 darauf Bedacht genommen worden sei, daß die Unterhaltsbeträge mit dem Alter des Kindes steigen sollten, die vom Vater hierin erblickte automatische Anpassung an die geänderten Verhältnisse und den erhöhten Bedarf sei aber nicht vollständig eingetreten, da dem Vater ein überproportionaler Einkommenszuwachs zugutegekommen sei. Dies rechtfertige eine Neubemessung des Unterhaltes.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt. Da Inhalt und Wirksamkeit einer in einem Vergleich über den gesetzlichen Unterhalt vereinbarten Umstandsklausel strittig sind, liegt zwar in diesem Punkt keine Entscheidung der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche vor (EFSlg. 44.063, 39.231, 36.750 ua), der Rechtsmittelwerber ist aber aufgrund der bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichtes auf die im § 16 AußStrG als einzig zulässigen Rekursgründe der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit und der Nullität beschränkt. Es kann keine Rede davon sein, daß die Vorinstanzen, die ein umfangreiches Beweisverfahren durchführten, bei der Stoffsammlung vom Rekurswerber gar nicht näher bezeichnete Grundprinzipien des Verfahrensrechtes außer acht gelassen hätten. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg. 47.208 uva) nur in jenen Fällen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor, in dem ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und dennoch eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde oder wenn das Gericht gegen ein Grundprinzip des materiellen Rechtes verstoßen hat (SZ 23/289 uva). Zu den Grundprinzipien des Rechts gehört die Bindung an rechtswirksam zustandegekommene gerichtliche Vergleiche. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner in dieser Rechtssache ergangenen Vorentscheidung darauf hingewiesen, daß Unterhaltsvergleiche zwar in der Regel unter der Umstandsklausel abgeschlossen gelten, aber doch die Bedeutung haben, daß nur eine nicht unwesentliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse eine Neubemessung des Unterhaltes zulässig sein läßt, wogegen bis zu einer derartigen Änderung der Verhältnisse der Unterhaltsvergleich einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung im Sinne eines materiellrechtlichen Hindernisses entgegensteht (1 Ob 651/83). In der Vorentscheidung wurde ebenfalls schon hervorgehoben, daß der Vergleich bereits auf die Änderung der Kaufkraft und das zunehmende Alter des Kindes insoweit Bedacht genommen hatte, als mit der Bezugnahme auf den Regelbedarf auf Geldwertveränderungen und den erhöhten Bedarf eines älter werdenden Kindes bereits Rücksicht genommen war. Der Vater durfte zudem seine Unterhaltsleistungen nicht herabsetzen, solange sich sein im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses erzieltes Nettoeinkommen um nicht mehr als 10 % verringerte. Daraus ergibt sich zwingend, daß ein Abgehen vom Vergleich durch das Kind auch nur dann möglich war, wenn sich die Leistungsfähigkeit des Vaters zumindest im gleichen Ausmaß erhöhte. Da aber die steigenden Bedürfnisse des Kindes als Folge der Geldwertverringerung voll berücksichtigt waren, ist es klar, daß auch die Leistungsfähigkeit des Vaters nicht allein deswegen als erhöht angesehen werden kann, weil sein Einkommen nominell stieg, sondern nur dann, wenn es auch unter Bedachtnahme auf die Kaufkraftverringerung der Währung, in der er seine Bezüge erhält, um mindestens 10 % höher liegt. Mit Recht rügt der Revisionsrekurs, daß das Rekursgericht darauf keine Rücksicht nahm. Allein darauf, daß das Einkommen des Vaters nominell stieg, durfte das Rekursgericht seine Entscheidung nicht gründen. Das Erstgericht hat allerdings auch einen außergewöhnlichen erhöhten Bedarf des Kindes angenommen, dessen Prüfung das Rekursgericht nicht für erforderlich hielt, weil es allein die nominelle Erhöhung des Einkommens des Vaters für ein Abgehen vom Vergleich ausreichend ansah. Da mangels Kaufkraftvergleichs diese Begründung nicht ausreicht, wird nunmehr das Rekursgericht in die volle Prüfung der erstgerichtlichen Entscheidung einzugehen haben. Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die Rechtssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

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