OGH 7Ob668/86

OGH7Ob668/8623.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gilberta G***, Hausfrau, Eisentratten, Sonnberg 10, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wider die beklagten Parteien 1.) Stefanie U***, Hausfrau, Eisentratten, Sonnberg 8, und 2.) Josef U***, Pensionist, Eisentratten, Sonnberg 8, beide vertreten durch Dr. Hans Rogen, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 12. August 1986, GZ 3 R 225/86-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 9. April 1986, GZ 4 C 61/86-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für die von ihr erstattete Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, sämtliche Handlungen zu unterlassen, welche die Klägerin in der Ausübung ihrer Dienstbarkeitsberechtigung, nämlich im Befahren des Grundstückes 1072/2 der KG Eisentratten, hindern oder die Ausübung dieser Dienstbarkeit unmöglich machen. Sie bringt vor, sie sei Eigentümerin der Liegenschaft EZ 79 KG Eisentratten. Zugunsten dieser Liegenschaft sei auf der EZ 77, deren Eigentümerin die Erstbeklagte sei, die Dienstbarkeit, bestehend im Recht des Gehens und Fahrens in zwei Meter Breite auf dem Grundstück 1072/2 und 1072/1, einverleibt. Am 23. Jänner 1986 und auch an den folgenden Tagen hätten die Beklagten die Klägerin an der Ausübung ihres Rechts im Befahren über das Grundstück 1072/2 dadurch gehindert, daß sie quer über den befahrbaren Weg mit Hilfe eines Traktors ein Stahlseil gespannt hätten. Die Beklagten hätten angekündigt, auch in Zukunft derartige Störungshandlungen vorzunehmen.

Die Beklagten beantragen, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen. Mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Villach vom 17. Oktober 1964, Zl 1973/64, sei auf dem Grundstück 1072/2 für drei Liegenschaften die Einräumung des landwirtschaftlichen Bringungsrechtes erfolgt. Dieses Bringungsrecht sei keine Dienstbarkeit, es sei als Rechtsinstitut sui generis zu behandeln. Da keine Dienstbarkeit vorliege, sei auch die Zuständigkeit des Gerichtes nicht gegeben. Nach § 19 GSLG, Landesgesetzblatt für Kärnten Nr. 46/1969, entscheide die Agrarbehörde mit Ausschluß des Rechtsweges über Streitigkeiten, die Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechtes betreffen.

Das Erstgericht wies die Klage zurück.

Das Rekursgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß der Rekurs nach den §§ 528 Abs 2, 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Bei der Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges sei vom Klagebegehren und dem zur Begründung dieses Begehrens vorgetragenen Sachverhalt, den Klagebehauptungen, auszugehen. Entscheidend sei die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund, wie er sich auf Grund der Klagebehauptungen darstelle, von Bedeutung sei. Ohne Einfluß sei es hingegen, was der Beklagte einwende und ob der behauptete Anspruch begründet sei. Darüber sei erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges komme es hingegen nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben werde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Nach dem Inhalt des Klagsvorbringens könne im Zusammenhang mit dem Klagebegehren kein Zweifel daran bestehen, daß es sich um eine Klage der Dienstbarkeitsberechtigten gegen diejenigen handle, die sie an der Ausübung ihres Rechtes hindern. Es liege somit eine Klage aus dem Rechtsgrund des § 523 ABGB, eine Servitutenklage, vor. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges sei deshalb zurückzuweisen gewesen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen gewesen, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Rechtsnatur eines als Dienstbarkeit verbücherten landwirtschaftlichen Bringungsrechtes fehle. Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs. Sie beantragen, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt in der von ihr erstatteten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 521 a Abs 2, § 508 Abs 1 ZPO) - nicht zulässig.

Der Beschluß des Rekursgerichtes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 51/41 uva). Bei einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist von den Klagsbehauptungen auszugehen. Maßgebend ist die Natur des erhobenen Anspruches. Entscheidend sind daher grundsätzlich der Wortlaut des Klagebegehrens und der Klagssachverhalt. Es kommt lediglich darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage und dem geltend gemachten Rechtsgrund ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird. Nur dann, wenn sich weder aus dem Begehren, noch aus dem vorgebrachten Sachverhalt die Natur des Anspruches als privatrechtlicher Anspruch eindeutig erschließen läßt, kann über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch den Beklagten dessen Vorbringen eine erweiterte Grundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ergeben. Das Beklagtenvorbringen darf aber auch dabei nur insoweit berücksichtigt werden, als hieraus der noch nicht erkennbare Rechtsgrund der Klageforderung ersichtlich wird. Somit begründet insbesondere auch eine Einwendung des Beklagten, mit der er einen eindeutig privatrechtlich zu qualifizierenden Klagsanspruch durch Behauptung eines ihm zustehenden Anspruches des öffentlichen Rechts abwehren will, nicht die Unzulässigkeit des Rechtsweges (4 Ob 568/78).

Der zweiten Instanz ist darin beizupflichten, daß die gegenständliche Klage eindeutig als Servitutenklage (actio confesoria) iS des § 523 ABGB zu qualifizieren ist. Mit einer solchen Klage wird stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, wenn sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlichrechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen sind (SZ 44/165 ua). In einem derartigen Fall ist der vom Beklagten behauptete Bestand eines nach öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Rechtes vom ordentlichen Gericht als Vorfrage zu prüfen und bei Bejahung dieses Rechts die Servitutenklage abzuweisen (SZ 20/8, 3 Ob 184/75).

Es bestand unter diesen Umständen für das Rekursgericht kein Anlaß, die Revision an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären. Die Frage der Rechtsnatur eines als Dienstbarkeit verbücherten landwirtschaftlichen Bringungsrechtes ist nach den eigenen Ausführungen des Rekursgerichtes bei der Entscheidung darüber, ob im gegenständlichen Fall der Rechtsweg zulässig ist, ohne jede Bedeutung, da hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen sein wird. Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Da die Klägerin in der von ihr erstatteten Revisionsrekursbeantwortung auf diese Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat, waren ihr Kosten hiefür nicht zuzusprechen.

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