OGH 1Ob652/86

OGH1Ob652/8622.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Erlagssache der Erleger 1.) Verlassenschaft nach dem am 28. August 1984 verstorbenen Johann F***, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Martha F***, Pensionistin, Spittal an der Drau, Am Anger 10, und 2.) Martha F***, wie zu 1., wider die Erlagsgegnerin Rosalia M***, Pensionistin, Seeboden, Techendorfer Straße 3, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlages gemäß § 1425 ABGB, infolge Revisionsrekurses der Erlagsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 12. August 1986, GZ. 3 R 125/86-437, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 4. März 1986, GZ. 1 Nc 36/63-423, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Rosalia H*** (geboren am 6.4.1890) verkaufte den Erlegern mit Notariatsakt vom 15. Dezember 1962 die Liegenschaft EZ 208 KG Seeboden mit dem Wohn- und Geschäftshaus Techendorf 23 um den Preis von S 400.000,-. Die Erleger räumten der Verkäuferin ein Wohnungsrecht ein und verpflichteten sich zu deren Verköstigung und zur Bestreitung der Kosten der Beheizung und Beleuchtung der Wohnung sowie zur Zahlung einer monatlichen Leibrente von S 2.500,- bis zum Ableben der Verkäuferin. Die mit monatlich S 800,- bewerteten Naturalleistungen und die Leibrente wurden entsprechend dem Lebensalter der Verkäuferin mit dem 7,5-fachen Jahreswert kapitalisiert und mit diesem Betrag (S 297.000,-) auf den Kaufpreis angerechnet. Der restliche Kaufpreis von S 103.000,- sollte in monatlichen Raten a S 2.500,- an die Rechtsnachfolger der Verkäuferin abgestattet werden. Sollte die Verkäuferin, gerechnet vom 1.1.1963 an, länger als 7 1/2 Jahre leben, waren die Käufer berechtigt, den Gegenwert für die Naturalleistung und die Leibrente von monatlich S 3.300,- so lange vom Kaufpreis abzuziehen, bis der Gesamtbetrag von S 400.000,- erreicht war.

Rosalia H*** wurde am 5. Juli 1963 wegen Geistesschwäche voll entmündigt und der Kurator, ihr Ehegatte Franz H***, vom Pflegschaftsgericht zur Anfechtung des Kaufvertrages ermächtigt. Dieser brachte darauf beim Landesgericht Klagenfurt die auf Aufhebung des Kaufvertrages gerichtete Klage ein, in der er behauptete, seine Ehegattin sei beim Vertragsabschluß geschäftsunfähig gewesen. Rosalia H*** verstarb am 31.12.1974; ihr Nachlaß wurde der Erlagsgegnerin, ihrer Tochter Rosalia H*** verehelichte M*** (geboren am 6.11.1916), am 3.4.1979 eingeantwortet.

Am 4.4.1963 erlegten die Käufer bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Graz S 1.100,- als restlichen Leibrentenbetrag für April 1963 und beantragten beim Erstgericht, den Erlag zu genehmigen, weil der Kurator der Verkäuferin die Annahme des Betrages verweigere. Auch in der Folge erlegten die Käufer die jeweils fälligen Leibrentenbeträge, letztmals am 11.12.1974. Das Erstgericht genehmigte die Erläge und verständigte hievon jeweils auch die Erlagsgegnerin. Am 19.8.1974 ordnete das Erstgericht die fruchtbringende Anlegung der Hinterlegungsmasse durch Ankauf von Pfandbriefen der Landeshypothekenanstalt Steiermark an; die abreifenden Zinsen waren zunächst auf ein Sparbuch einzulegen und aus dem Sparguthaben weitere Pfandbriefe anzuschaffen. Mit Beschluß vom 6.4.1984 bewilligte das Landesgricht Klagenfurt der Erlagsgegnerin als betreibenden Partei gegen die Erleger die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung und Verwahrung der im Depot der Landeshypothekenbank Steiermark verwahrten Wertpapiere und des dort erliegenden Sparbuches. Über Anordnung des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Exekutionsgerichtes wurden diese Wertpapiere gepfändet und von der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Graz in Verwahrung genommen. Mit Beschluß vom 24.5.1985 ordnete das Exekutionsgericht deren teilweise Realisierung und die weitere Verwahrung des Realisats von S 496.244,31 bei der genannten Verwahrungsabteilung an. Mit Beschluß vom 14.11.1985 wurde ein Teil des Realisates der Erlagsgegnerin und einem weiteren Pfandgläubiger zugewiesen und die Verwahrungsabteilung angewiesen, die nicht veräußerten Wertpapiere wiederum der Landeshypothekenbank Steiermark auszufolgen. Das Exekutionsverfahren wurde mit Beschluß vom 20.1.1986 eingestellt.

Zum 18.2.1986 wurden im Depot der Landeshypothekenbank Steiermark Wertpapiere zum Gesamtnennbetrag von S 233.000,-

verwahrt; das gleichfalls verwahrte Sparbuch weist einen Einlagestand von S 67.675,58 auf.

Am 27.2.1986 erklärte die Erlagsgegnerin, sie nehme den Erlag an und beantrage, die Landeshypothekenbank Steiermark anzuweisen, die Verwahrnisse (also die Wertpapiere und das Sparbuch) zu realisieren und den Erlös bis zum Betrag von S 259.566,- an sie zu überweisen. Mit Vereinbarung vom 21.6.1983 hätten ihr die Erleger für den Fall, daß sie nicht Eigentümer der genannten Liegenschaft bleiben sollten, das Recht eingeräumt, zur Abgeltung aller Vorteile aus dem Besitz der Liegenschaft eine monatliche Entschädigung von S 1.000,- ab 21.6.1963 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites 17 Cg 262/82 des Landesgerichtes Klagenfurt aus dem Erlag zu beanspruchen. Der Rechtsstreit sei durch Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 13.12.1984 (8 Ob 564/84) im Sinne der Stattgebung des auf Aufhebung des Kaufvertrages gerichteten Klagebegehrens beendet worden. Demnach errechne sich eine Entschädigung für 259 Monate und 20 Tage, somit ein Betrag von S 259.566,-, dessen Ausfolgung sie nunmehr begehre.

Das Erstgricht gab diesem Antrag statt.

Infolge Rekurses der Verlassenschaft nach dem Ersterleger wies das Gericht zweiter Instanz den Ausfolgungsantrag der Erlagsgegnerin ab. Mangels gegenteiliger Entscheidung im streitigen Verfahren sei der Erlag dem Erlagsgegner im Verfahren außer Streitsachen unter jenen Bedingungen, die der Erleger beim Erlag gestellt habe, auszufolgen. Einer besonderen Zustimmung des Erlegers bedürfe es dann nicht. Wer hinterlege, erteile nämlich auch die Einwilligung zur Ausfolgung an den Erlagsgegner. Zweck des Erlages sei nämlich die Befreiung von einer Schuld. Deshalb trete die befreiende Wirkung nicht ein, wenn der Erleger die Ausfolgung von seiner Zustimmung abhängig mache. Dagegen sei die nachträgliche Zustimmung des Erlegers immer dann erforderlich, wenn der Erlag zu einem anderen Zweck als dem Erlagsgrund ausgefolgt werden solle. Der Erlag dürfe nur zur Berichtigung jener Schuld, die der Schuldner bezahlen habe wollen, verwendet werden. Verweigere der Erleger die in diesem Fall gebotene Zustimmung, müsse ihn der Erlagsgegner auf deren Erteilung klagen. Erst aufgrund einer stattgebenden Entscheidung in einem solchen Rechtsstreit sei die Ausfolgung anzuordnen. Soweit sich die Erlagsgegnerin auf den Vertrag vom 21.6.1983 berufe, stütze sie ihren Ausfolgungsanspruch auf einen anderen Rechtsgrund als den des Erlages. Dieser sei der Kaufvertrag vom 15.12.1962, jener dagegen die genannte Vereinbarung, mit welcher der Bereicherungsanspruch der Höhe nach festgelegt worden sei. Damit sei die Ausfolgung an die Zustimmung der Erleger oder an die gerichtliche Entscheidung, die diese Zustimmung ersetze, geknüpft. Im Verfahren außer Streitsachen sei der Erlagsgegnerin die beantragte Ausfolgung (derzeit) nicht zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Erlagsgegnerin gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Sie bekämpft nicht die mit Rechtsprechung und Lehre (GesRZ 1978, 82; SZ 44/149; JBl. 1959, 186 u.a.; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 35 zu § 1425; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 3 , 586; vgl. auch Koziol-Welser, Grundriß 7 I 250) übereinstimmende und deshalb zu billigende Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die beiden Erleger die monatlichen Leibrentenbeträge jeweils zur Erfüllung ihrer sie aufgrund des Kaufvertrages vom 15.12.1962 treffenden Schuld (vgl. ON 1) hinterlegten, wogegen die Erlagsgegnerin den Erlag aufgrund einer Vereinbarung vom 21.6.1983 (richtig: 1963) annehmen will. Sie beruft sich vielmehr als Neuerung auf das in dem über ihre Klage gegen den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Zweiterlegerin anhängig gemachten Prüfungsprozeß 19 Cg 148/85 des Landesgerichtes Klagenfurt vom Masseverwalter abgegebene Anerkenntnis und das auf ihren Antrag darauf ergangene Teilanerkenntnisurteil vom 16.8.1985, mit welchem die von ihr im Konkurs angemeldete Benützungsentgeltforderung von S 259.666,- rechtskräftig festgestellt worden sei.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Rekursgericht von Amts wegen auf die Ergebnisse des streitigen Verfahrens Bedacht nehmen hätte müssen, ob sich die Erlagsgegnerin im Revisionsrekurs - in welchem sie den Rechtsstreit erstmals aktenkundig machte - auf diesen (neuen) Tatbestand stützen könnte (vgl. dagegen etwa SZ 47/141; EvBl. 1974/226 u.a.) und ob das stattgebende Urteil im Prüfungsprozeß, mit dem nur über den Forderungsbestand abzusprechen war, die verweigerte Zustimmung der Zweiterlegerin überhaupt ersetzen könnte; die Erlagsgegnerin übersieht nämlich, daß die Klage lediglich gegen den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Zweiterlegerin gerichtet war und dessen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit (§§ 112, 61 KO) somit nach Aufhebung des Konkurses (vgl. ON 430) nur gegen diese, keineswegs aber auch gegen die Verlassenschaft nach dem Ersterleger wirken könnten. Deren - im Rekurs an die zweite Instanz verweigerte - Zustimmung zur Erfolglassung an die Erlagsgegnerin müßte diese im Hinblick auf den geänderten Rechtsgrund der Erlagsannahme jedenfalls im Rechtsweg erzwingen.

Das Rekursgericht hat demnach den Ausfolgungsantrag zu Recht abgewiesen, sodaß dem Revisionsrekurs der Erlagsgegnerin ein Erfolg zu versagen ist.

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