OGH 14Ob167/86 (14Ob168/86, 14Ob169/86)

OGH14Ob167/86 (14Ob168/86, 14Ob169/86)21.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Hon.Prof.Dr. Gottfried Winkler und Hon.Prof.Dr. Hanns Waas als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1.) Milan D***, Bauarbeiter, Großgmain, Salzburger Straße 362, 2.) Werner S***, Bauarbeiter, Großgmain, Hinterreith 29, 3.) Johann S***, Bauarbeiter, Puch 540, alle vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Dr. Eugen Salpius und Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Matthias B***, St. Gilgen, Pöllach Nr. 12, vertreten durch Dr. Rudolf Bruckenberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen restl. S 84.039, S 72.759,- und S 47.216,- je brutto sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 2. Juni 1986, GZ. 31 Cg 25,26,57/85-11, womit das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 30. April 1985, GZ. Cr 83-85/85-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger zu Cr 85/85 des Erstgerichtes (im folgenden: Erstkläger) war seit 21.4.1975, der Kläger zu Cr 84/85 des Erstgerichtes (im folgenden: Zweitkläger) seit 16.8.1977 und der Kläger zu Cr 83/85 des Erstgerichtes (im folgenden: Drittkläger) seit 19.5.1981 beim Beklagten beschäftigt. Die Dienstverhältnisse der Kläger endeten am 9.8.1984. Strittig blieb bisher, ob die Kläger - wie sie behaupten - ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wurden, oder ob sie - wie der Beklagte behauptet - unbegründet vorzeitig austraten.

Die Kläger machten mit den am 8.2.1985 eingebrachten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen zuletzt folgende, der Höhe nach unbestrittene (Brutto-)Ansprüche geltend:

1. Erstkläger:

Abfertigung (3 Monatsbezüge), Kündigungsentschädigung (1 Woche), Weihnachtsgeld und Urlaubszuschuß, sowie Urlaubsentschädigung zusammen S 84.039,- sA 2. Zweitkläger:

Abfertigung (3 Monatsbezüge), Kündigungsentschädigung (1 Woche), Weihnachtsgeld und Urlaubszuschuß (anteilig) zusammen

S 72.759,- brutto.

3. Drittkläger:

Abfertigung (2 Monatsbezüge), Kündigungsentschädigung (1 Tag) und Weihnachtsgeld (anteilig) zusammen S 72.216,- sA.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren unter anderem mit der Behauptung, sämtliche Ansprüche der Kläger seien nach den zur Anwendung kommenden Kollektivverträgen für Bauindustrie und Baugewerbe, sowie für das Bauhilfsgewerbe erloschen, weil sie nicht innerhalb von acht Wochen (bzw. sechs Wochen) nach Ablehnung durch den Dienstgeber gerichtlich geltend gemacht worden seien. Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Frage des Anspruchsverfalls ein, wies das Klagebegehren ab und legte dieser Entscheidung folgende wesentliche Feststellungen zugrunde:

Der Beklagte ist Inhaber eines Erdbewegungsunternehmens, eines Baumaschinenverleihs, einer Sand- und Schottergewinnung (diese soll allerdings nach dem Vorbringen des Beklagten im April 1984 verkauft worden sein), eines Transportgewerbes für einen LKW und einer Teichgräberei. Der Erstkläger war bis April 1984 als Schlosser für sämtliche Betriebe, zeitweise auch als Raupenfahrer, tätig, ab April 1984 in der Werkstätte und fallweise auch auf Baustellen. Der Zweitkläger war vor April 1984 vorwiegend in der Schottergewinnung tätig und ist seither vorwiegend auf Baustellen oder auch in der Werkstätte beschäftigt. Der Drittkläger Johann S*** war als Raupenfahrer im Teichgräbergewerbe tätig. Auf die Dienstverhältnisse aller drei Kläger wurde vereinbarungsgemäß der Kollektivvertrag für das Baugewerbe angewendet, um Benachteiligungen beim Weihnachtsgeldanspruch zu vermeiden.

Der Beklagte gehört sowohl der Bundesinnung Bauhilfsgewerbe (Schottergewinnung) als auch Baugewerbe (Erdbewegung) an. Mit Schreiben vom 20.8.1984 forderte die Arbeiterkammer Salzburg im Namen der Kläger vom Beklagten die Endabrechnung und die Bezahlung des Entgelts, der anteiligen Sonderzahlungen, sowie einer allfälligen Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung. Der Angestellte Gottfried C*** des Steuerberatungsbüros Dr. Z***-B*** lehnte am 28.8.1984 diese Ansprüche als Bevollmächtigter des Beklagten ab.

Nach § 14 Z 3 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe sind nach Lösung des Arbeitsverhältnisses Forderungen jeglicher Art spätestens binnen drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der Lösung, bei sonstigem Erlöschen beim Dienstgeber geltend zu machen. Lehnt der Dienstgeber den Anspruch ab, verfällt er, wenn er nicht innerhalb von acht Wochen nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird. Eine gleichlautende Bestimmung enthält § 15 Z 3 des Kollektivvertrages für das Bauhilfsgewerbe mit der Ausnahme, daß dort die Frist für die gerichtliche Geltendmachung nur sechs Wochen beträgt. Die Kollektivverträge "Baugewerbe" und "Bauhilfsgewerbe" liegen im Büro des Betriebes des Beklagten auf.

Das Erstgericht war der Ansicht, es brauche auf Grund der im wesentlichen gleichlautenden Verfallsbestimmungen der beiden Kollektivverträge nicht prüfen, ob auf die Dienstverhältnisse der Kläger der eine oder der andere Kollektivvertrag zur Anwendung komme. Die Ansprüche der Kläger seien nämlich nach beiden Kollektivverträgen verfallen. Die Verfallsklauseln seien nicht unwirksam. In Kollektivverträgen enthaltene Verfallsklauseln seien grundsätzlich wirksam, soferne sie nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstießen oder den Arbeitnehmer infolge der Kürze der Verfallsfrist ohne sachlichen Grund derart beschränkten, daß sie als sittenwidrig angesehen werden müßten. Ein Verstoß gegen das Gesetz liege nicht vor, da § 1502 ABGB die Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist zulasse. Die Verfallsklauseln erschwerten die Geltendmachung der Ansprüche der Kläger auch nicht übermäßig. Die drei Kläger hätten ihre Ansprüche schon kurze Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses geltendgemacht. Der Dienstgeber habe diese Ansprüche abgelehnt. Danach sei den Klägern noch eine Frist von sechs (oder acht) Wochen zur Verfügung gestanden, sodaß sie nicht durch die Kürze der Frist ohne sachlichen Grund in der Geltendmachung ihrer Ansprüche beschränkt worden seien. Eine Verletzung der den Arbeitgeber nach § 15 ArbVG treffenden Pflicht zur Publikmachung der Kollektivverträge habe auf deren Geltung keinen Einfluß. Der Steuerberater des Beklagten sei zur Ablehnung der Ansprüche der Kläger bevollmächtigt gewesen.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem. Es traf keine eigenen Feststellungen, gab aber der Berufung der Kläger Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die einzelnen von den Klägern geltend gemachten Ansprüche in Bezug auf die Wirksamkeit der kollektivvertraglichen Verfallsklauseln ein rechtlich verschiedenes Schicksal haben könnten. Für den Anspruch auf Kündigungsentschädigung gelte die Sechsmonats-Frist des § 1162 d ABGB, die auch durch Kollektivvertrag nicht zum Nachteile des Dienstnehmers abgeändert werden könne. Urlaubsentschädigung und Abfertigung gehörten nicht zur Kündigungsentschädigung. Die Urlaubsentschädigung gebühre nach § 9 UrlG. Das Urlaubsgesetz enthalte für ihre gerichtliche Geltendmachung keine Fallfrist, doch bestimme § 12 UrlG, daß die Rechte, die dem Arbeitnehmer auf Grund der §§ 2 bis 11 UrlG zustünden, durch Arbeitsvertrag, Arbeits(Dienst-)ordnung, oder, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt sei, durch Kollektivvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden könnten.

Bei der Abfertigung sei zwischen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Ansprüchen zu unterscheiden. Für gesetzliche Abfertigungsansprüche gelte § 3 ArbAbfG, wonach die Rechte des Arbeitnehmers auf Grund des § 2 ArbAbfG durch Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung weder aufgehoben noch beschränkt werden könnten. Eine Fallfrist zur Geltendmachung der Abfertigung kenne das Arbeiterabfertigungsgesetz nicht. Für die Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsentschädigung gelte somit die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB. Diese Bestimmung, die die Lebensdauer von Dienstnehmerentgeltforderungen regle, habe keine Selbständigkeit, sondern ergänze die einzelnen Normen, die Entgeltansprüche von Arbeitnehmern begründeten. Daraus ergebe sich, daß Kollektivverträge, die die Lebensdauer und Klagbarkeit dieser Ansprüche beschränkten, gegen § 12 UrlG und § 3 ArbAbfG verstießen, weil diese Bestimmung infolge stillschweigender Verweisung auch die dazugehörenden Verjährungsbestimmungen des ABGB schützten. Die gegenständlichen Verfallsklauseln verkürzten nicht etwa nur eine Verjährungsfrist, sondern führten zur Vernichtung des Anspruches. Daher treffe hier die Rechtsprechung, daß Verfallsklauseln die Ansprüche nicht beschränken, sondern nur ihre Geltendmachung regeln, nicht zu.

Anders sei die Rechtslage bei den durch Kollektivvertrag begründeten Sonderzahlungen. Da der Oberste Gerichtshof kollektivvertragliche Verfallsklauseln im Baugewerbe grundsätzlich nicht als sittenwidrig ansehe, sei es auch zulässig, daß der Kollektivvertrag die von diesem begründeten Ansprüche mit einer Verfallsklausel versehe. Soweit es sich um rückständige Sonderzahlungen handle (was aber noch zu erörtern sei), seien die Verfallsklauseln wirksam.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt. Verfallsklauseln in Kollektivverträgen sind nach ständiger Rechtsprechung nichtig, wenn sie a) durch eine unangemessen kurze Ausschlußfrist die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren und damit den guten Sitten iSd § 879 Abs 1 ABGB widerstreiten oder b) zum Nachteil des Dienstnehmers gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen über die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen verstoßen (Arb. 6062, 8515, 10.174, 10.219 = SZ 56/27; RdW 1985, 379

und 380; Martinek-Schwarz, AngG 6 497; dieselben, Auflösung des Arbeitsverhältnisses 374 f).

Entgegen der Ansicht der Rekursgegner bewirken die Bestimmungen des § 14 Z 3 KV für Bauindustrie und Baugewerbe und des § 15 Z 3 KV für das Bauhilfsgewerbe eine übermäßige Erschwerung der Anspruchsverfolgung durch eine unangemessen kurze Frist nicht. Der Oberste Gerichtshof hat schon mit Entscheidung vom 23. April 1968, 4 Ob 17/68 = Arb. 8515 die im damaligen § 13 des Kollektivvertrages für Baugewerbe enthaltenen Verfallsklauseln als unbedenklich angesehen. Diese Bestimmung sah vor, daß nach Lösung des Dienstverhältnisses Forderungen jeglicher Art spätestens binnen einem Monat bei sonstigem Erlöschen beim Dienstgeber geltend zu machen sind und der Anspruch verfällt, wenn er nicht innerhalb von sechs Wochen nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird. In der gegenwärtigen Fassung der beiden zu beurteilenden Kollektivverträge steht dem Arbeitnehmer eine wesentlich längere Frist schon zur Geltendmachung seiner Forderungen aus dem Dienstverhältnis beim Dienstgeber zur Verfügung, nämlich drei Monate. Nach der Ablehnung durch den Dienstgeber bleiben ihm weitere acht (sechs) Wochen zur gerichtlichen Geltendmachung. Diese Fristen sind ausreichend und erschweren die Geltendmachung der Ansprüche weder unsachlich noch übermäßig. Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche soll jene Beweisschwierigkeiten vermeiden, die sich erfahrungsgemäß gerade in diesem Bereich schon nach relativ kurzer Zeit für beide Teile ergeben; die Verfallsklauseln zwingen den Arbeitnehmer, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis möglichst bald und damit zu einer Zeit geltend zu machen, in der nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Arbeitgeber die zur Klarstellung des rechtserheblichen Sachverhaltes notwendigen Beweismittel in aller Regel noch zur Verfügung stehen. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof die kollektivvertragliche (bzw. einzelvertragliche) Festsetzung von Ausschlußfristen in der Dauer von drei oder vier Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung angesehen (drei Monate: Arb 10.174;

4 Ob 78/85 = RdW 1985, 360; RdW 1986, 52; vier Monate:

Arb. 10.219 = SZ 56/27; 4 Ob 113/85 = RdW 1985 380). Erst eine

weitergehende Abkürzung dieses Zeitraumes hat der erkennende Senat (im Anlaßfall: auf sechs Wochen) als bedenklich angesehen, weil dem Arbeitnehmer dann kaum noch genügend Zeit bleibt, allenfalls fehlende Unterlagen zu beschaffen, die notwendigen Erkundigungen über die Rechtslage einzuziehen und sich die zur - gerichtlichen oder außergerichtlichen - Geltendmachung seiner Ansprüche notwendigen und zweckdienlichen Schritte entsprechend zu überlegen (RdW 1985, 379). Im vorliegenden Fall standen den Klägern Fristen in einem Gesamtausmaß von rund 5 (4 1/2) Monaten für die Aufforderung des Arbeitgebers und die nachfolgende gerichtliche Geltendmachung zur Verfügung. Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, daß sich dieser Gesamtzeitraum erheblich verkürzt, wenn der Arbeitnehmer die Dreimonatsfrist zur Aufforderung des Dienstnehmers nicht ausschöpft (weil er schon früher tätig wird) und dadurch nach der Ablehnung des Dienstgebers die zweite (kürzere) Frist von acht (sechs) Wochen für die gerichtliche Geltendmachung früher in Lauf setzt. Trotzdem ist das Ausmaß auch dieser zweiten Frist unbedenklich, weil der Dienstnehmer regelmäßig bereits einen Teil der notwendigen Schritte zur gerichtlichen Geltenmachung seiner Ansprüche vorbereitet hat, wenn er den Dienstgeber außergerichtlich zur Bezahlung seiner Ansprüche auffordert. Erkennt dann der Dienstnehmer auf Grund der Ablehnung des Dienstgebers, daß außergerichtliche Zahlung nicht zu erlangen ist, reicht die weitere Frist von acht (sechs) Wochen für die Einbringung der Klage aus.

Die weitere Frage, ob die vorliegenden Verfallfristen zum Nachteil des Dienstnehmers gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen über die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen verstoßen, muß, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, für die einzelnen in der Klage erhobenen Ansprüche (Kündigungsentschädigung, Abfertigung, Urlaubsentschädigung, Sonderzahlungen) getrennt beurteilt werden:

Die von den Klägern wegen vorzeitiger Entlassung ohne wichtigen Grund erhobenen Ansprüche nach § 1162 b ABGB sind gemäß § 1162 d ABGB bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend zu machen. Die Berechtigungen des Dienstnehmers, die sich aus dieser Bestimmung ergeben, können gemäß § 1164 Abs 1 ABGB durch den Dienstvertrag nicht aufgehoben oder beschränkt werden. Dasselbe gilt für Aufhebungen und Beschränkungen durch Kollektivvertrag (vgl. Krejci in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 1164). Damit darf die Frist des § 1162 d ABGB nicht durch Einzel- oder Kollektivvertrag zum Nachteil des Dienstnehmers verkürzt werden (Krejci aaO Rz 1 zu § 1162 d; SZ 44/151 = Arb. 8927 = JBl 1972, 216 [Spielbüchler];

ebenso zu § 34 AngG Martinek-Schwarz AngG 6 686; Arb. 9039, 9349). Die den Klägern allenfalls gebührende Kündigungsentschädigung ist daher, wie die zweite Instanz richtig beurteilt hat, nicht verfallen, so daß schon aus diesem Grund auch die Frage zu prüfen ist, ob die Kläger ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wurden (§ 1162 b ABGB) oder ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten sind (§ 1162 a ABGB).

Nicht zur Kündigungsentschädigung gehört, wie die zweite Instanz ebenfalls zutreffend beurteilte, die Abfertigung und die Urlaubsentschädigung (Abfertigung: Arb. 8255, 8900, 10.097; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 192; Martinek-Schwarz, Ang 6 660, 685 ff; Urlaubsentschädigung: 10.072).

Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz hat aber der zwingende Charakter der (Arbeiter-)Abfertigung (§ 3 ArbAbfG; ebenso die Angestelltenabfertigung: § 40 AngG) und der Urlaubsentschädigung (§ 12 UrlG) nicht zur Folge, daß eine kollektivvertragliche Festsetzung von Fallfristen für diese Ansprüche unwirksam wäre. Eine besondere Verjährungs- oder Präklusivfrist, von der zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden dürfte, setzt nämlich weder das Arbeiterabfertigungsgesetz für den Anspruch auf Abfertigung, noch das Urlaubsgesetz für den Anspruch auf Urlaubsentschädigung fest (anders für den Naturalanspruch auf Urlaub § 4 Abs 5 UrlG; vgl Arb 10.179 = SZ 55/124). Für die Verjährung dieser Ansprüche gilt vielmehr die allgemeine Bestimmung des ABGB über die Verjährung von Dienstnehmerforderungen (§ 1486 Z 5 ABGB). Diese Bestimmung ist aber insofern dispositiv, als § 1502 ABGB zwar keine vertragliche Verlängerung, wohl aber eine vertragliche Verkürzung von Verjährungsfristen zuläßt, so daß eine Verfallklausel nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstößt (Arb. 8515; Martinek-Schwarz, AngG 6 734 ff; dieselben, Abfertigung-Auflösung des Arbeitsverhältnisses 374 f, Migsch aaO 191; Zur Urlaubsentschädigung Klein-Martinek, Urlaubsrecht 128). Wie der Oberste Gerichtshof unter Ablehnung der gegenteiligen Ansicht von Strasser (in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Kollektives Arbeitsrecht 73; jetzt auch Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Individualarbeitsrecht 2 141) ausgesprochen hat, sind Verfallsklauseln nicht schon deshalb unwirksam, weil sie unabdingbare Ansprüche betreffen. Derartige Verfallklauseln beschränken nämlich nicht die Ansprüche selbst, sondern nur ihre Geltendmachung (Arb. 6062, Arb. 10.219, 4 Ob 102/85 = RdW 1986, 52;

Martinek-Schwarz, AngG 6 735;

dieselben, Abfertigung-Auflösung des Arbeitsverhältnisses 375;

vgl auch Migsch aaO 192). Das trifft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes auch hier zu. Die zur Beurteilung stehenden Verfallklauseln sind somit wirksam, soweit sie Abfertigungs- und Urlaubsentschädigungsansprüche betreffen.

Diesen Verfallsklauseln unterliegen schließlich auch die Ansprüche der Kläger auf die aliquoten Sonderzahlungen, für die § 1162 d ABGB nicht gilt, also das Weihnachtsgeld und den Urlaubszuschuß, soweit nicht unter diesen Titeln Beträge für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses begehrt werden, die den Charakter einer Kündigungsentschädigung haben. Der Auftrag des Berufungsgerichtes, festzustellen, welcher Teil dieser Ansprüche auf rückständige Sonderzahlungen bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses entfällt, beruht daher auf richtiger rechtlicher Beurteilung. Die Rechtssache ist schließlich auch hinsichtlich jener Ansprüche, für die die Verfallsklauseln wirksam sind, nicht spruchreif, weil die Kläger in der Berufung die Feststellung des Erstgerichtes, Gottfried C*** habe im Namen des Beklagten ihre Ansprüche abgelehnt, bekämpften und den Antrag stellten, hiezu Dr. Erich K*** als Zeugen zu vernehmen. Einer abweisenden Erledigung einzelner Teilansprüche (Sonderzahlungen, Abfertigung, Urlaubsentschädigung) steht außerdem das Vorbringen der Kläger in der Berufung entgegen, daß der Beklagte auch eine Gewerbeberechtigung für das Transportgewerbe besitze und der für dieses Gewerbe maßgebliche Kollektivvertrag keine Verfallklausel enthalte. Ob dieser Kollektivvertrag auf das Dienstverhältnis des Erst- und Zweitklägers Anwendung zu finden hat, wird nach den Regeln des § 10 ArbVG festzustellen sein. Näher kann dazu noch nicht Stellung genommen werden, weil die in Betracht kommenden Kollektivverträge nicht vorgelegt wurden und damit nicht feststeht, zwischen welchen kollektivvertragsfähigen Parteien sie abgeschlossen wurden. Der Drittkläger war ausschließlich im Teichgräbergewerbe beschäftigt.

Die allfällige Verletzung der den Arbeitgeber nach § 15 ArbVG treffenden Pflicht, die einschlägigen Kollektivverträge im Betrieb in einem für alle Arbeitnehmer zugänglichen Raum aufzulegen, ist auf die Wirksamkeit dieser Kollektivverträge ohne Einfluß (Arb. 10.112; Floretta-Strasser, Komm z ArbVG 113). Die Einwendung des Anspruchsverfalls könnte im vorliegenden Fall trotz Verletzung der Publikationspflicht nach § 15 ArbVG durch den Arbeitgeber auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben bilden: Da die Kläger schon kurze Zeit nach der Auflösung ihres Dienstverhältnisses durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte schriftlich Ansprüche gegen den Beklagten geltend machten und nach ihrem eigenen Vorbringen am 7.9.1984 einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragten, könnten sie aus einer allfälligen Verletzung der Bestimmung des § 15 ArbVG durch den Beklagten auch deshalb nichts für sich ableiten, weil sie infolge rechtzeitiger Einschaltung von Rechtsvertretern unschwer Gelegenheit hatten, sich über den Inhalt der maßgeblichen Kollektivverträge, also insbesondere auch über Fallfristen, zu informieren (vgl Arb. 10.112).

Da der Rekurs der beklagten Partei zu einer teilweisen Abänderung der dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht der zweiten Instanz führte, sind die Kosten des Rekursverfahrens vorzubehalten (§ 52 ZPO).

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