Spruch:
Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Erblasser starb am 17. Juli 1983 im 77.Lebensjahr. Er war ledig. Er hinterließ eine im Sinne des Sachwalterrechtes betroffene, unehelich geborene Tochter. Diese hatte der Erblasser mit (negativem) Testament vom 13. November 1979 einerseits auf den Pflichtteil gesetzt, andererseits aber mit einem Unterhaltsvermächtnis bedacht. Der Erblasser wurde im übrigen von folgenden Seitenverwandten überlebt: Von dem im Jahre 1903 geborenen Bruder Johann, seiner im Jahre 1904 geborenen Schwester Kreszentia, seiner im Jahre 1908 geborenen Schwester Maria und seinem im Jahre 1918 geborenen Bruder Kilian; ferner von fünf Kindern seiner vorverstorbenen Schwester Sophie und zwei Enkelkindern seiner vorverstorbenen Schwester Juliane. Alle diese genannten Seitenverwandten gaben bedingte Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes ab. Mit Ausnahme der - gleichzeitig mit dem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß schriftlich
abgegebenen - Erbserklärung des älteren, unehelich geborenen Großneffen Adolf, über dessen Erbserklärung das Gericht noch keine Entscheidung getroffen hat, wurden alle Erbserklärungen zu Gericht angenommen.
In den Nachlaß fällt eine steiermärkische Liegenschaft. Das Abhandlungsgericht hat festgestellt, daß dieser bäuerliche Besitz einen Erbhof im Sinne des § 1 Abs.1 AnerbenG darstellt (Beschluß vom 27. Februar 1984, Punkt 3, erster Halbsatz, ON 50). Diesen Ausspruch bestätigte das Rekursgericht (ON 63 und 124). Der Oberste Gerichtshof hat den von mehreren Erben ergriffenen Revisionsrekurs zurückgewiesen (6 Ob 15/84; ON 96). Als Anerben bestimmte das Abhandlungsgericht im ersten Rechtsgang den 1918 geborenen Bruder des Erblassers (ON 50 Punkt 3, zweiter Halbsatz). Dabei erachtete das Erstgericht eine Einigung der vier überlebenden Geschwister auf den jüngsten von ihnen ohne Bedachtnahme auf die Standpunkte der entfernteren Seitenverwandten als ausreichend. Im zweiten Rechtsgang bestimmte das Abhandlungsgericht den 1903 geborenen Bruder des Erblassers im Sinne des § 3 Abs.2 Z 3 AnerbenG zum Anerben. Dabei hatte das Erstgericht verabsäumt, den Miterben und sonstigen Beteiligten Gelegenheit zu geben, zur Hofübernahme durch den damals bereits im 82.Lebensjahr stehenden ältesten Bruder des Erblassers Stellung zu nehmen. Aus diesem Grunde trug der Oberste Gerichtshof in Stattgebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen die bestätigende Rekursentscheidung (ON 105) dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung auf (6 Ob 11,29/85; ON 133).
Im dritten Rechtsgang prüfte das Abhandlungsgericht vor allem das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs.1 Z 2 AnerbenG, erachtete den 1903 geborenen ältesten Bruder des Erblassers von einem derartigen Umstand nicht betroffen und bestimmte abermals diesen Miterben zum Hofübernehmer; gleichzeitig enthob das Abhandlungsgericht den jüngeren Bruder des Erblassers vom Amt eines Verlassenschaftskurators und ordnete an, daß die Verwaltung des Hofes mit Rechtskraft des Beschlusses auf den zum Anerben bestimmten ältesten Bruder des Erblassers übergehe (ON 170). Sämtliche übrigen Miterben erhoben Rekurs (ON 171, 172, 174 und 175). Das Rekursgericht gab keinem dieser Rekurse statt (ON 180). Diese bestätigende Rekursentscheidung fechten in gesonderten Schriftsätzen einerseits der 1918 geborene Bruder des Erblassers, andererseits die 1904 geborene Schwester des Erblassers, die fünf Nachkommen der 1980 vorverstorbenen Schwester Sophie und der 1958 ehelich geborene Enkel der vorverstorbenen Schwester Juliane sowie auch der 1954 unehelich geborene Enkel der vorverstorbenen Schwester Juliane an.
Rechtliche Beurteilung
In keinem dieser Rechtsmittel wird ein nach § 16 Abs.1 AußStrG beachtlicher Anfechtungsgrund schlüssig ausgeführt. Die Ausführungen des jüngeren Bruders lassen sich dahin zusammenfassen, daß er sich selbst wegen seiner jahrzehntelangen Tätigkeit auf dem ehemals elterlichen Hof und wegen der dem Erblasser zugesagten Obsorge für dessen pflegebedürftige Tochter moralisch zur Hofübernahme berufen ansehe, während sein 84 Jahre alter Bruder entgegen den getroffenen Feststellungen körperlich und geistig auch bloß zur Leitung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht geeignet sei; davon abgesehen sei die Erbhofeigenschaft des Hofes mit Rücksicht darauf in Zweifel zu ziehen, daß nun tatsächlich nur 6 ha an landwirtschaftlichen Flächen vorhanden seien, während weitere 16 ha altes Weidegebiet inzwischen sehr verwachsen und verwuchert wären.
Die von einem Notar vertretenen Rechtsmittelwerber unterstellen ihre Rechtsmittelausführungen ausdrücklich unter die einzelnen im § 16 Abs.1 AußStrG genannten Gründe der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und offenbaren Gesetzwidrigkeit. Die Aktenwidrigkeitsrüge wird dabei darauf gestützt, daß in einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsverfahren wegen Gewährung eines Hilflosenzuschusses Begutachtungen des 1903 geborenen Anerben vorgenommen worden seien, deren Inhalt mit dem Befund und dem Gutachten des im anhängigen Abhandlungsverfahren beigezogenen ärztlichen Sachverständigen in einem schwerwiegenden Widerspruch stünden; nichtigkeitsbegründende Verfahrensmängel erblicken die erwähnten sieben Rechtsmittelwerber darin, daß ein von ihnen beantragter Facharzt der Gerontologie dem Verfahren nicht als Sachverständiger beigezogen worden, der Befundaufnahme durch den zum Sachverständigen bestellten praktischen Arzt ein Vertreter der Bezirksbauernkammer beigezogen worden und das Sachverständigengutachten unrichtig sei; das Abhandlungsgericht habe im Verfahren über die Bestimmung des Anerben gegen § 2 Abs.1 Z 2 GKoärG verstoßen; die Vorinstanzen hätten es auch ungeprüft gelassen, ob wegen des Verfallens der Hofstelle, der Entäußerung des Betriebes von jedem lebenden und toten Inventar und der natürlichen Ausbreitung der Waldflächen die festgestellte Erbhofeigenschaft nicht verlorengegangen sei, ob ein ernstlicher Wille des 1903 geborenen Anerben zur Hofübernahme vorliege und ob dieser älteste Bruder des Erblassers nicht nach der Regel des § 3 Abs.1 Z 4 AnerbenG ausscheide. Ohne jede gesetzliche Deckung und daher offenbar gesetzwidrig sei die Übertragung der Verwaltung des Erbhofes an den zum Anerben bestimmten Miterben erfolgt. Die Rechtsmittelausführungen des von einem Rechtsanwalt vertretenen Großneffen des Erblassers decken sich inhaltlich mit den erwähnten Rechtsmittelausführungen der sieben von einem Notar vertretenen Rechtsmittelwerber.
Bei der Rüge der Aktenwidrigkeit verkennen die Rechtsmittelwerber das Wesen dieses Anfechtungsgrundes. Dieser Rechtsmittelgrund wird nicht dadurch erfüllt, daß einander widersprechende schriftliche oder niederschriftlich beurkundete Auskunftsmittel vorliegen, sondern nur dadurch, daß das Gericht die Tatsache oder den Inhalt einer Verfahrenserklärung eines Beteiligten oder eines schriftlichen oder schriftlich beurkundeten Auskunftsmittels in Abänderung von ihrer aktenkundigen Abfassung als tragende Entscheidungsgrundlage heranzieht. Einen derartigen Fehler vermögen die Rechtsmittelausführungen nicht aufzuzeigen. Welchem von zwei oder mehreren einander widersprechenden Auskunftsmitteln das Gericht bei der Feststellung eines erheblichen Tatumstandes folgt, ist ein Akt der Beweiswürdigung, die mit einem auf die Anfechtungsgründe des § 16 Abs.1 AußStrG beschränkten Rechtsmittel nicht wirksam bekämpft werden kann.
Über Art und Zahl der im Verfahren zur Bestimmung des Anerben beizuziehenden Sachverständigen fehlen besondere gesetzliche Anordnungen. Das Gericht hat daher dabei die allgemeinen Verfahrensvorschriften nach § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG zu beachten. Daß sich die Vorinstanzen mit dem Gutachten eines praktischen Arztes im Zusammenhang mit der Aussage des behandelnden Arztes, der Äußerung der Bezirksbauernkammer für Land- und Forstwirtschaft und den eigenen Wahrnehmungen des Abhandlungsrichters begnügten, weil sie durch diese Auskunftsmittel alle Zweifel an der Eignung des zur Hofübernahme Berufenen zur Führung des in Betracht kommenden bäuerlichen Betriebes behoben sahen, ist ebenfalls ein Akt der unanfechtbaren Beweiswürdigung.
Die Beiziehung eines Vertreters der Bezirksbauernkammer zur Befundaufnahme des ärztlichen Sachverständigen sollte einer für die besondere Fragestellung spezifischen Erweiterung und Vertiefung der Gutachtensgrundlagen dienen, vermochte aber keinesfalls einen Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit zu begründen, weil die eigenverantwortliche Tätigkeit des bestellten Sachverständigen durch den gerügten Vorgang in keiner Weise eingeschränkt oder behindert worden sein kann.
Die Vorinstanzen haben das vom beigezogenen Sachverständigen erstattete Gutachten als überzeugend angesehen. Ein offenbarer Denkfehler ist den Vorinstanzen dabei nicht anzulasten. Die gerügte richterliche Vorgangsweise ist unanfechtbare Beweiswürdigung. Der Notar, dem das Abhandlungsgericht die Abhandlungspflege aufgetragen hat, hat die Akten dem Abhandlungsgericht zur Bestimmung des Anerben vorgelegt (ON 48), das Abhandlungsgericht hat in der Folge die ihm von den Rechtsmittelinstanzen aufgetragenen Verfahrensergänzungen auch soweit es sich nicht um Amtshandlungen im Sinne des § 1 Abs.2 GKoärG handelte, unmittelbar vorgenommen. Auch darin kann kein nichtigkeitsbegründender Verfahrensverstoß erblickt werden.
In der gerügten Unterlassung einer neuerlichen Prüfung der Erbhofeigenschaft könnte nur ein Feststellungsmangel gelegen sein. Die Vorinstanzen haben auf der Grundlage der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung (ON 50, ON 63/124, ON 96) das Tatsachenvorbringen der Rekurswerber nicht als erhebungswürdig behandelt, offenbar aus der rechtlichen Beurteilung, daß die behaupteten Änderungen auf das Bewirtschaftungsprovisorium während des nun schon mehr als drei Jahre währenden Abhandlungsverfahrens zurückgeführt werden müßten, die tatsächliche Bewirtschaftung aber für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Ertragsfähigkeit des Betriebes grundsätzlich ohne Belang sei. Eine derartige rechtliche Beurteilung könnte keinesfalls als offenbar gesetzwidrig erkannt werden, das schließt auch das Vorliegen eines sogenannten sekundären Verfahrensmangels aus.
Die vor dem Abhandlungsgericht abgegebene Erklärung, den Erbhof als Anerbe übernehmen zu wollen, bedurfte auch mit Rücksicht auf angebliche außergerichtliche Äußerungen des Anerben keiner Überprüfung auf ihre Ernstlichkeit.
Das Ausscheiden eines Miterben von der gesetzlichen Berufung zur Hofübernahme nach § 3 Abs.1 Z 4 AnerbenG setzt tatbestandlich voraus, daß Miterben derselben Linie vorhanden seien, die für die Landwirtschaft erzogen worden seien oder würden und nicht anderweitig versorgt seien. Es fehlt an jedem Anhaltspunkt aber auch an jeder Behauptung dafür, daß ein nach der zitierten Gesetzesstelle in Betracht kommender Miterbe unversorgt wäre. Eine gerichtliche Erhebungspflicht nach § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG kommt daher nicht in Betracht und damit auch nicht der behauptete Verstoß gegen eine solche Amtspflicht.
Der 1918 geborene Bruder des Erblassers mag sich auf Grund seiner Erfahrungen auf dem in Rede stehenden Hof sowie seines geringeren Alters zur Führung des Hofes besser geeignet fühlen als sein 15 Jahre älterer Bruder, er mag es moralisch als richtig empfinden, daß ihm der Hof zufiele, mit allen seinen Ausführungen vermag er aber keinen offenbaren Verstoß gegen die gesetzlichen Ausleseregelungen für die beschlußmäßige Bestimmung des Anerben aufzuzeigen.
Bei der als offenbar gesetzwidrig bekämpften Übertragung der Verwaltung des als Erbhof festgestellten landwirtschaftlichen Betriebes an die beschlußmäßig als Anerben bestimmte Person konnten die Vorinstanzen davon ausgehen, daß die erbrechtliche Nachfolge in den Erbhof durch eine Zuweisung des Hofes an den Anerben gemäß § 10 Abs.1 AnerbenG zu erfolgen habe und anstelle des Hofes nur die Forderung auf Leistung des Übernahmspreises in der Verlassenschaft verbleibe. Nach Feststellung der Erbhofeigenschaft und der Person des Anerben könnte in Ansehung des Sondervermögens Erbhof eine ähnliche Rechtslage erkannt werden wie bei einem einzigen erbserklärten Erben mit ausgewiesenem Erbrecht in Ansehung der gesamten Verlassenschaft. Daß der Erbhof als solcher bei der Erbteilung aus der Verlassenschaft ausscheidet, ändert freilich nichts daran, daß er für die mit ihren Ansprüchen nicht der Erbteilung unterliegenden Verlassenschaftsgläubiger weiterhin Verlassenschaftsbestandteil ist. Die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses erfolgt im Interesse der erbrechtlichen Rechtsnachfolger, soweit sie auch die Besorgung und Verwaltung des Erbhofes umfaßt, also im Interesse des Anerben. Ist dessen Sonderrechtsnachfolge durch Zuweisung in der vorzunehmenden Erbteilung ausgewiesen, liegt eine analoge Anwendung des § 145 AußStrG auf das Sondervermögen nicht derart fern, daß eine solche Analogie wegen Verstößen gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze oder Denkgesetze als offenbar gesetzwidrig zu werten wäre.
Mangels schlüssiger Ausführung eines im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrundes waren sämtliche Revisionsrekurse zurückzuweisen.
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