OGH 13Os130/86

OGH13Os130/8616.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Michael S*** und Josef L*** wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 142 Abs. 1 bzw. auch § 12 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef L*** sowie über die Berufungen der Angeklagten Michael S*** und Josef L*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 26. Juni 1986, GZ. 8 c Vr 4397/86-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde (des Angeklagten Josef L***) und die Berufung des Angeklagten Michael S*** werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Josef L*** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Michael S*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 3. Dezember 1963 geborene Michael S*** und der am 8. November 1950 geborene Josef L*** wurden mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB., Letztgenannter als Gehilfe (§ 12, dritter Fall, StGB.) schuldig erkannt (Urteilsfakten 1 bzw. 2). Michael S*** liegt (zu 1) zur Last, am 7. April 1986 dadurch, daß er Robert R*** an der Kehle erfaßte und ihn an eine Wand drückte, wobei er Geld forderte, widrigenfalls er ihn schlagen würde, sohin mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, eine fremde bewegliche Sache, nämlich 24.000 S Bargeld, mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Josef L*** hat (laut Punkt 2) zur Ausführung der vorstehend angeführten Tat dadurch beigetragen, daß er mit Michael S*** vereinbarte, diesem zur Tatausführung seine Wohnung zur Verfügung zu stellen, wofür er aus der Beute 5.000 S bar erhielt. Im übrigen liegt noch ein - mit der Raubtat in keinem Zusammenhang stehender - Schuldspruch des Angeklagten S*** wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. vor. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte L*** in dem ihn betreffenden Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Der Angeklagte S*** meldete sogleich nach der der Urteilsverkündung folgenden Rechtsmittelbelehrung die Berufung an, ohne jedoch Beschwerdepunkte zu nennen (S. 164). Auch nach Zustellung der Urteilsausfertigung an den Verteidiger am 5. August 1986 (Rückschein bei S. 192) unterließ der Angeklagte S*** die Ausführung des von ihm angemeldeten Rechtsmittels, sodaß es gemäß §§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO. zurückzuweisen war. Der Angeklagte L*** stützt seine Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO.

Mit der Verfahrensrüge (Z. 4) bekämpft er die Abweisung (S. 163) des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Ladung und Vernehmung des Zeugen Wilhelm K*** (auch K***) zum Beweis dafür, daß er (L***) von einer möglichen gewaltsamen Wegnahme des Geldbetrages von 24.000 S nichts gewußt habe, mithin S*** (in diesem Vorhaben) nie bestärkte und ihm auch nicht bekannt gewesen sei, auf welche Weise sich S*** in den Besitz des Geldes bringen werde; der beantragte Zeuge sei im Gasthaus "bei der Post" (gemeint: in der in der Nähe des Postamtes Arndtstraße gelegenen Gatwirtschaft, in der sich die beiden Angeklagten und R*** vor der Tatausübung durch S*** aufhielten) anwesend gewesen (S. 162/163).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Schöffengericht für sein abweisendes Zwischenerkenntnis gegebene Begründung, Wilhelm K*** sei bei der Absprache der Tat nicht zugegen gewesen und habe von den Vorfällen erst einige Tage später durch R*** erfahren, wobei auf die - in der Hauptverhandlung verlesene (s. S. 161) - Aussage des Zeugen R*** dieses Inhaltes vor dem Untersuchungsrichter (S. 75 a verso) ausdrücklich verwiesen wurde (vgl. abermals S. 163), ist zutreffend:

Da nämlich das gesamte Verfahren, insbesondere auch die Aussagen der beiden Angeklagten (bei der Polizei, beim Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung) keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme ergaben, Wilhelm K*** wäre in dem von den Angeklagten vor der Ausübung der Raubtat (am 7. April 1986) aufgesuchten, unweit des Postamtes in der Arndtstraße gelegenen Gasthauses anwesend gewesen, hätte die Notwendigkeit bestanden, in dem in Rede stehenden Beweisantrag darzutun, aus welchen Gründen erwartet werden könne, daß die Vernehmung K***'S auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis zeitigen werde. Dieser Verpflichtung kam der Antragsteller nicht nach, sodaß dem gerügten Zwischenerkenntnis kein formgerechter Beweisantrag zugrunde liegt (siehe dazu u.a. Mayerhofer-Rieder, Nr. 19 zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. und die dort zitierte Judikatur). Demgemäß ist die Meinung des Rechtsmittelwerbers, das Schöffengericht hätte bei Abweisung des Beweisantrages eine vorgreifende Beweiswürdigung vorgenommen, verfehlt. Mangelt es doch, wie dargelegt, schon an einer prozessualen Voraussetzung zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.

Insoweit sich der Beschwerdeführer sowohl in der Verfahrens-, als auch in der Mängel- und Rechtsrüge gegen die erstgerichtliche Urteilsfeststellung wendet, er sei mit Michael S*** übereingekommen, in der vom Beschwerdeführer zu diesem Zweck überlassenen Wohnung R*** das von ihm mitgeführte und im Gasthaus hergezeigte Geld "gewaltsam abzunehmen" bzw. "abzunötigen" (s. S. 173 sowie 176/177), unternimmt er lediglich einen Angriff auf die (einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogene) Beweiswürdigung. Das Schöffengericht konnte nämlich ungeachtet der insoweit leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers und der abgeschwächten Angaben S***'S in der Hauptverhandlung in Ausübung freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) auf Grund der Polizeiangaben S***'S (s. S. 52, worauf das Schöffengericht in den Urteilsgründen hinweist [S. 173 und 176 unten]) ohne Verstoß gegen die Denkgesetze die - übrigens mängelfrei begründete (s. S. 176 ff.) - Feststellung treffen, der Beschwerdeführer habe S*** zum Zweck der gewaltsamen Geldwegnahme die Wohnung zur Verfügung gestellt.

Hiebei ist es - der vom Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z. 5), aber auch in der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) vertretenen Meinung zuwider - bedeutungslos, ob zwischen den beiden Tätern ausdrücklich "vereinbart" wurde (siehe Urteilsspruch S. 169 und Urteilsgründe S. 176), daß S*** gegenüber R*** in der Wohnung des Beschwerdeführers Gewalt anwenden werde, oder ob, wie das Schöffengericht eventualiter annimmt (siehe abermals S. 176), S*** den Beschwerdeführer hievon lediglich "in Kenntnis setzte" und ihn (zu diesem Zweck) um die Überlassung der Wohnung ersuchte. Denn das dem Beschwerdeführer angelastete Delikt des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB. in Form der Beitragstäterschaft gemäß § 12, dritter Fall, StGB. verlangt (lediglich) bedingten Vorsatz in der Bedeutung des zweiten Satzteiles des § 5 StGB. Darnach genügt es, daß der Täter - hier: der Beschwerdeführer als Gehilfe (§ 12, dritter Fall, StGB.) - die Verwirklichung eines Sachverhaltes, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (hier: die gewaltsame Geldwegnahme in der zu diesem Zweck überlassenen Wohnung), ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Dies brachte das Landesgericht mit hinlänglicher Klarheit zum Ausdruck, sodaß die - auch in diesem Belang ausreichend (im Sinn des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) begründeten - Konstatierungen eine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen bieten.

Die vom Beschwerdeführer gerügte, vorstehend wiedergegebene alternative Feststellung betrifft mithin - weil eben zur Verwirklichung des Tatbestandes des Raubes (als Gehilfe) bedingter Vorsatz genügt - keine entscheidende, das heißt auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß übende Tatsache, sodaß auch insoweit das Rechtsmittel nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gelangte (siehe dazu u.a. 9 Os 101/85, 10 Os 108/85, 12 Os 113/85, zuletzt 11 Os 119/86).

Schließlich erfuhr die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) auch insoweit keine prozeßordnungsgemäße Darstellung, als unter Vernachlässigung der - wie vorstehend dargelegt, mängelfreien - Urteilsfeststellungen der Schuldvorwurf des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB. in der Täterschaftsform des dritten Falles des § 12 StGB. bestritten wird. Bei Ausführung einer Rechtsrüge ist nämlich vom Urteilssachverhalt - und nicht, wie im vorliegenden Fall, von der in Ausübung freier Beweiswürdigung vom Erstgericht als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung des Beschwerdeführers - auszugehen. Rechtsausführungen auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen (kurzfristige Überlassung der Wohnung an S*** zum Zweck der Geldwegnahme, wobei der Beschwerdeführer auch die vorangehende Gewaltanwendung ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand) gehen den Beschwerdeausführungen ab. Was unter dem von Michael S*** gegenüber dem Beschwerdeführer gebrauchten Ausdruck des (Geld-)"Abnegerns" zu verstehen ist, nämlich nach Lage des Falles auch die gewaltsame Geldwegnahme, wurde vom Schöffengericht, wie bereits dargelegt, auf Grund der für glaubwürdig erachteten Polizeiangaben S***'S (S. 52) in freier Beweiswürdigung festgestellt (vgl. abermals S. 176 unten).

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß weder einer der angerufenen noch sonst einer der in § 281 Abs. 1 StPO. angeführten Nichtigkeitsgründe zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung gelangte, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. i. V.m. § 285 a Z. 2 StPO. zurückzuweisen war.

Mangels einer Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L*** entfällt die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur (meritorischen) Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten (§ 296 StPO.). Zur Erledigung dieses Rechtsmittels sind daher die Akten dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten (vgl. u.a. RZ. 1970 S. 17, 18; 1973 S. 70; JBl. 1985 S. 565).

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