Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 41-jährige Kurt S*** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB, des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 und § 15 StGB sowie des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 (erster Fall) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er seine am 21. November 1968 geborene Stieftochter Manuela M*** jeweils in zahlreichen Angriffen
1. in der Zeit vom Sommer 1981 bis Frühjahr 1982 in Wien als unmündige Person dadurch, daß er sie an der Brust und am Geschlechtsteil betastete, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;
2. in der Zeit von November 1982 bis 3.Dezember 1985 in Traiskirchen dadurch, daß er sie durch Schläge und die Androhung, es werde etwas passieren bzw er werde sie erschlagen, einschüchterte und sie sodann an der Brust und am Geschlechtsteil abgriff und sich fallweise von ihr mit der Hand befriedigen ließ, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Unzucht genötigt;
3. in der Zeit vom Frühjahr 1985 bis 3.Dezember 1985 in Traiskirchen durch Versetzen von Schlägen, sohin mit Gewalt, außer dem Fall der Notzucht zum außerehelichen Beischlaf genötigt und am 3. Dezember 1985 zu nötigen versucht;
4. durch die zu 1. bis 3. geschilderten strafbaren Handlungen sein minderjähriges Stiefkind zur Unzucht mißbraucht. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO stützt.
In Ausführung der Mängelrüge (Z 5) bezeichnet der Beschwerdeführer das Urteil deshalb als offenbar unzureichend begründet, weil das Erstgericht seine (überwiegend leugnende) Verantwortung als unglaubwürdig und lebensfremd bezeichnete, die Angaben der ihn belastenden Zeugin Manuela M*** hingegen für wahr hielt; der Hinweis, daß die Zeugin auf das Gericht einen sehr guten persönlichen Eindruck machte und durch die Art ihrer Aussage den Schöffensenat von der Wahrheit ihrer Angabe überzeugte, stelle nur eine Scheinbegründung dar.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer das Wesen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, mit welchem die Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) der Tatrichter nicht angefochten werden kann, und den Umfang der gesetzlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO). Abgesehen davon, daß sich der Schöffensenat ohnedies ausführlich und im Detail mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt hat (AS 253 ff), ist nach dem Gesetz die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen, ohne daß es erforderlich wäre, darin alle Verfahrensergebnisse einer detaillierten Erörterung zu unterziehen und sich mit allen gegen die erfolgte Beweiswürdigung möglichen Einwände im voraus auseinanderzusetzen (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 E Nr 78, 104, 105 zu § 270). Gerade bei der Würdigung der Aussage eines in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen ist das Gericht weder imstande noch verpflichtet, alle jene Umstände im einzelnen anzuführen, auf denen seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit (oder Unglaubwürdigkeit) dieses Zeugen beruht; ist doch bei der Beurteilung einer solchen Aussage eben der persönliche Eindruck entscheidend, der sich in Worten nicht wiedergeben läßt. Es genügt daher in einem solchen Fall im Sinne der §§ 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z 5 StPO grundsätzlich die Feststellung, daß das Gericht auf Grund seines persönlichen Eindruckes die Überzeugung von der Glaubwürdigkeit (oder Unglaubwürdigkeit) der Aussage des Zeugen gewonnen hat (Mayerhofer-Rieder aaO E Nr 134 zu § 270; E Nr 5, 6 ff zu § 281 Z 5).
Eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung reklamiert der Beschwerdeführer deshalb, weil das Erstgericht die - von ihm in der Beschwerde allerdings willkürlich interpretierte - Aussage seiner Gattin, der Zeugin Elfriede S***, übergangen und Widersprüche zwischen deren Angaben und denjenigen der Zeugin Manuela M*** ungewürdigt gelassen habe.
Auch dieser Einwand versagt. Denn es trifft nicht zu, daß im Urteil die Aussage dieser Zeugin mit Stillschweigen übergangen wird. Vielmehr brachte das Erstgericht darin mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß es deren "wechselhaften Angaben" (noch dazu großteils über Vorfälle, die sie nur "aus Erzählungen erfahren hat") bei der Beweiswürdigung keine entscheidungswesentliche Bedeutung zumaß (AS 257), sie mithin sehr wohl (obwohl in ihren einzelnen Teilen als auch in ihrem Zusammenhang) in den Kreis seiner beweiswürdigenden Überlegungen einbezogen hat.
In seiner allein gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erster Deliktsfall StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich behauptet der Angeklagte, der Tatbestand sei nicht erfüllt, weil als Unzucht nur Handlungen von sozialstörender Erheblichkeit, nicht aber "unbedeutende Verstöße in dieser Richtung" anzusehen seien. Das Betasten der Brüste des Mädchens, von denen nach den Urteilskonstatierungen nicht einmal feststehe, ob sie bereits "entwickelt" waren, stelle für sich allein ebensowenig eine Unzuchtshandlung dar, wie das "Betasten des Geschlechtsteiles", zumal es das Erstgericht auch insoweit unterlassen habe, festzustellen, "um welchen Geschlechtsteil es sich handelte und in welchem Bereiche das Betasten stattfand".
Auch dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu.
Der normative Begriff der Unzucht ist zwar nach objektiven Kriterien im Rahmen des Schutzzweckes der in Betracht kommenden Strafbestimmung zu beurteilen und umfaßt nur solche Handlungen, durch welche die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt wird. Als Maßstab hiefür gilt das gesunde Empfinden eines kulturverbundenen Durchschnittsmenschen. Demnach ist unzüchtig, was von jedermann, der sozial integriert ist, im speziellen sexuellen Bereich als unerträglich empfunden wird. Von Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauches kann nur dann gesprochen werden, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige und sexual bezogene Berührung gebracht werden (Leukauf-Steininger, Komm 2 RN 4, 5; Pallin im WK, Rz 6, 7; Mayerhofer-Rieder, StGB 2 E Nr 1 und 2 je zu § 203 und die dort jeweils zitierte Judikatur; in diesem Sinne auch die vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen ÖJZ-LSK 1981/73 und 1982/4 = EvBl 1982/20).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann kann nicht zweifelhaft sein, daß die (nach den Urteilsannahmen ersichtlich keineswegs bloß flüchtigen) wiederholten Betastungen eines fast 13-jährigen Mädchens an der Brust und am Geschlechtsteil, in dem der geschlechtliche Mißbrauch des Körpers des Opfers sinnfällig wird, als unzüchtige Handlungen im Sinne des § 207 Abs. 1 StGB zu beurteilen sind, mögen auch genauere Feststellungen über den Entwicklungsgrad der Brüste der Manuela M*** zur Tatzeit (Sommer 1981 bis Frühjahr 1982) dem Urteil nicht zu entnehmen sein. Kommt es doch auf das Entwicklungsstadium der Brüste der Manuela M*** allein gar nicht an. Vielmehr ist entscheidend, ob sich das Mädchen zumindest schon in der Phase beginnender Pubertät befunden und insgesamt eine solche körperliche Reife erreicht hatte, daß damit das Berühren im Brustbereich ohne Rücksicht auf die Ausbildung der Brustdrüsen schon biologisch der Geschlechtsregion zuzurechnen war, was nach Lage des Falles schon mit Rücksicht auf das Alter des Tatopfers zu bejahen ist (so auch die gleichfalls vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung EvBl 1982/20; ähnlich des weiteren RZ 1984/56 sowie 9 Os 80/86). Mit dem Ausdruck "Geschlechtsteil" umschreibt das Erstgericht aber auch ausreichend und eindeutig den zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörenden Genitalbereich der Manuela M***, dessen Betastung, ohne daß es - im Sinne des Beschwerdevorbringens - einer noch konkreteren Bezeichnung der jeweils vom Angeklagten betasteten Körperstellen am Genitale bedurfte, vom Erstgericht gleichfalls rechtsrichtig als Mißbrauch zur Unzucht gewertet wurde. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 207 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit zwei Vergehen, den langen Deliktszeitraum und den getrübten Lebenswandel, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis.
Gegen den Strafausspruch haben sowohl der Angeklagte als auch der öffentliche Ankläger Berufung ergriffen. Während ersterer die Herabsetzung der Strafe begehrt, strebt die Staatsanwaltschaft deren schuldangemessene Erhöhung an.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Wie sich aus der Strafregisterauskunft ergibt, wurde der Angeklagte bisher fünfmal wegen Vermögensdelikten (vorwiegend wegen Betruges) und einmal wegen Verletzung der Unterhaltspflicht abgeurteilt, mithin durchwegs wegen Straftaten, die nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen wie die ihm vorliegend zur Last fallenden strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit. Da sohin die Voraussetzungen des § 33 Z 2 StGB nicht vorliegen, kann - entgegen der Auffassung des Erstgerichts - der "getrübte Lebenswandel" dem Angeklagten nicht als erschwerend angelastet werden (Leukauf-Steininger aaO § 33 RN 9). Andererseits ist dem Angeklagten - was das Erstgericht übersehen hat - als weiterer Milderungsgrund zugute zu halten, daß die Nötigung zum Beischlaf teilweise bloß versucht worden ist (S 249, 258).
Ausgehend von den solcherart korrigierten Strafzumessungsgründen und unter entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht aber das vom Erstgericht gefundene Strafmaß der Schuld des Angeklagten, sodaß weder zu dessen Reduzierung noch aber zu dessen Erhöhung Anlaß besteht.
Es war daher beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen und insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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