OGH 14Ob139/86

OGH14Ob139/8630.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Stefan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann N***, Schätzmeister, Völs, Otto Kubik-Weg 13, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei D*** Auktions-, Versatz- und Bank-Gesellschaft mbH in Wien 1., Dorotheergasse 17, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 80.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. April 1986, GZ. 2 a Cg 5/86-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 11. Dezember 1985, GZ. 2 Cr 120/84-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 4. Jänner 1965 bei der beklagten Partei beschäftigt und zuletzt als Oberschätzmeister in der Zweiganstalt Innsbruck tätig. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1983 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis des Klägers gemäß § 19 Abs 2 lit a und b der Dienstordnung für Vertragsbedienstete des Dorotheums (im folgenden auch: Dienstordnung = DO) zum 29. Februar 1984 auf.

Die Kündigung wurde wie folgt begründet:

"Durch die wiederholte pflichtwidrige Nichtbefolgung von Ihnen erteilten Aufträgen, trotz mehrmaliger Verwarnung unter Androhung der Aufkündigung, erscheinen insbesondere die Kündigungsgründe der nicht zufriedenstellenden Dienstleistung sowie des Bestehens anderer Gründe, die Ihr Verbleiben als unserem Ansehen und unseren Interessen abträglich erscheinen lassen, als gegeben. ..."

Das Dienstverhältnis des Klägers unterliegt der (von der beklagten Partei unwidersprochen als Betriebsvereinbarung bezeichneten) Dienstordnung für Vertragsbedienstete des Dorotheums vom 29. April 1969, in Kraft seit 1. Juli 1969, die folgende wesentliche Bestimmungen enthält:

"I.Hauptstück

Angestellte

A. Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Anwendungsbereich

(1) Diese Dienstordnung regelt in diesem Hauptstück das Dienstverhältnis zwischen dem Dorotheum und den nicht im pragmatischen Dienstverhältnisse stehenden Angestellten, deren Dienstverhältnis nach privatrechtlichen Grundsätzen in Einzelverträgen nach dem Angestelltengesetz und deren Versorgungsansprüche nach den Gesetzen über die Sozialversicherung der Privatangestellten geregelt sind (im folgenden kurz Angestellte genannt).

.....

(3) Soweit dieses Hauptstück keine für die Angestellten günstigeren Bestimmungen enthält, sind auf das Dienstverhältnis die Bestimmungen des Angestelltengesetzes (Bundesgesetz vom 11. Mai 1921, BGBl. Nr. 292, in der jeweils geltenden Fassung) anzuwenden.

.....

§ 4. Allgemeine Pflichten

(1) Die Angestellten sind verpflichtet, ihren Dienst mit Aufmerksamkeit und Fleiß zu verrichten und das Interesse des Dorotheums nach bestem Wissen und Gewissen zu wahren und zu fördern.

(2) Die Angestellten sind insbesondere verpflichtet, die vom Vorstand oder von den hiezu ermächtigten Organen erlassenen Vorschriften gewissenhaft zu befolgen; sie haben jeder von ihren Vorgesetzten erteilten dienstlichen Anordnung pünktlich nachzukommen und sich ihrerseits um die Kenntnis aller ihren Dienst betreffenden Vorschriften zu bemühen.

..........

D. Auflösung des Dienstverhältnisses

§ 18. Gründe der Auflösung

(1) Das Dienstverhältnis der Angestellten endet durch Tod,

Kündigung, Austritt, einvernehmliche Auflösung oder Entlassung.

(2) Soweit in dieser Dienstordnung nichts anderes bestimmt ist,

gelten für die Auflösung des Dienstverhältnisses die gesetzlichen

Vorschriften.

§ 19. Kündigung

.........

(2) Angestellte mit mindestens zehn im Dorotheum ununterbrochen

als Angestellte, Gehilfen (....) oder Hilfsbedienstete

zurückgelegten Dienstjahren können, unbeschadet der Bestimmungen des

Abs. 4, nur dann gekündigt werden, wenn

a) sie eine nicht zufriedenstellende Dienstleistung aufweisen

oder sich für eine Verwendung als geistig oder körperlich ungeeignet

erweisen, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt, oder

b) andere Gründe festgestellt werden, die das Verbleiben des

Angestellten im Dienst als dem Ansehen oder den Interessen des

Dorotheums abträglich erscheinen lassen, sofern nicht die Entlassung

in Frage kommt, oder

c) ......

§ 21. Entlassung

(1) Ein Angestellter, der durch ein in Rechtskraft erwachsenes

gerichtliches Urteil irgendeines Verbrechens oder eines aus

gewinnsüchtigen Motiven begangenen Vergehens oder einer derartigen

Übertretung schuldig erkannt wurde, ist ohne Einhaltung einer

Kündigungsfrist zu entlassen. Das Kuratorium kann Ausnahmen

beschließen.

(2) Im übrigen kann ein Angestellter ohne Einhaltung einer

Kündigungsfrist nur entlassen werden, wenn ein anderer wichtiger

Grund des § 27 des Angestelltengesetzes vorliegt. .........."

Der Kläger behauptet, er habe die im Kündigungsschreiben vom 25. Oktober 1983 ohne Konkretisierung behaupteten Kündigungsgründe nicht gesetzt, andere Gründe könnten als verspätet nicht mehr geltend gemacht werden. Da sein Dienstverhältnis zur beklagten Partei durch dieses Schreiben nicht beendet worden sei, begehrt er die Feststellung des Fortbestehens über den 29. Februar 1984 hinaus. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein:

Der Kläger habe seit Jahren Anlaß zu Klagen gegeben. Er habe sich im Jahre 1978 mit der Begründung, nicht entsprechend ausgebildet zu sein, geweigert, Kraftfahrzeuge des Bundesheeres zu schätzen. Entgegen einem dienstlichen Auftrag habe er an der Einschulung für solche Schätzungen nicht teilgenommen. Im Jahre 1982 habe er die Schätzung eines zerbrochenen Porzellantellers für Versicherungszwecke abgelehnt. Am 1. Febraur 1983 habe er die Anstalt zur Durchführung eines auswärtigen Schätzungstermines verlassen, obwohl er wegen Personalausfalls in der Zweiganstalt Innsbruck für eine Auktion gebraucht worden wäre. Kunden hätten sich wiederholt über die Unhöflichkeit des Klägers beschwert. Am 22. September 1983 habe der Generaldirektor der beklagten Partei dem Direktor der Zweiganstalt Innsbruck die Weisung erteilt, gemeinsam mit dem Kläger Vorschläge über die Öffnungszeiten der Zweiganstalt nach deren Neugestaltung zu erstatten. Der Direktor der Zweiganstalt Innsbruck habe den Kläger am 30. September 1983 nach Schalterschluß an diese unerledigte Angelegenheit erinnert. Der Kläger habe erklärt, er sage überhaupt nichts, man solle ihn in eine Filiale schicken, über der nicht der "Pleitegeier kreise". Der Kläger sei wegen seines Verhaltens wiederholt ermahnt worden, habe sich jedoch nicht gebessert.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab.

Es traf - außer dem bereits eingangs wiedergegebenen

Sachverhalt - folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger war als sogenannter Doppelschätzmeister für die Fachgebiete Pretiosen (Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus Gold und Silber und sonstige Edelmetalle, Brillanten, Edelsteine, Schmucksteine, Perlen, sowie Taschen- und Armbanduhren) und Effekten (Gegenstände des täglichen Gebrauchs aller Art wie Teppiche, Pelze, Fotoapparate, optische Instrumente und Geräte, Fahrräder, Schreibmaschinen, Nähmaschinen, Rechenmaschinen, Musikinstrumente, Elektrogeräte, Dekorationsstücke, Waffen und anderes sowie Bilder und kunstgewerbliche Gegenstände, soweit sie nicht als ausgesprochene Kunstgegenstände oder Antiquitäten anzusprechen sind) eingeteilt. Für diese Fachgebiete hatte er die einschlägigen Prüfungen abgelegt. Der Kläger war auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Fachgebiet "Alt- und Gebrauchswarenhandel, Schätzung von gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen" und das Fachgebiet "Juwelen und Pretiosen" eingetragen. Er war bemüht, sich in seiner Freizeit weiterzubilden und sein Wissen zu vertiefen, und wurde auch mehrmals zur Weiterbildung in die Zentrale nach Wien geschickt. Bei Gegenständen, für deren Bewertung er nicht ausreichend ausgebildet war, hatte er auch die Möglichkeit, bei den betreffenden Spezialabteilungen in Wien anzufragen oder schriftlich Unterlagen (Auktionskataloge etc.) anzufordern. Die Dienstbeurteilung des Klägers lautete seit Ende 1982 auf "zufriedenstellend" für den schätztechnischen Dienst. Fachliche Mängel der Dienstleistung des Klägers konnten nicht festgestellt werden.

Ob der Kläger zu Kunden unfreundlich oder unhöflich gewesen war, konnte nicht festgestellt werden.

Im Februar 1978 sollte der Kläger mehrere zu versteigernde Militärfahrzeuge schätzen. Da er dies mangels fachlicher Qualifikation ablehnte, wurde die Schätzung durch einen von Wien entsandten Angestellten der technischen Abteilung durchgeführt. Der Kläger nahm an dieser Schätzung teil. Weil die beklagte Partei diese kurze Einschulung nicht für ausreichend ansah, wurde der Kläger für den 3. März 1978 nach Wien ins Arsenal zu einer Schätzung von 50 Heereskraftfahrzeugen einberufen. Der Kläger hatte an diesem Tag Durchfall und sagte deshalb die Wienfahrt ab, machte aber Schalterdienst. Einer weiteren Einberufung zu einer Einschulung leistete er Folge. Ab dem Jahre 1978 schätzte der Kläger Heereskraftfahrzeuge, so gut er es konnte, obwohl er für technische Gegenstände nicht entsprechend ausgebildet war. Eine weitere Weigerung des Klägers im Juli 1979 konnte nicht festgestellt werden. Gegen eine Ermahnung wegen einer derartigen Weigerung protestierte der Kläger und ersuchte auch den Betriebsrat und die Gewerkschaft um Intervention.

Im Jahre 1980 oder 1981 lehnte der Kläger eine Zollschätzung für Möbel unter Hinweis auf seine mangelnde fachliche Qualifikation ab. Am 14. Dezember 1982 sollte der Kläger im Auftrage des Direktors der Zweiganstalt Innsbruck der beklagten Partei einen zerbrochenen Porzellanteller schätzen. Der Kläger lehnte dessen Bewertung mit dem Bemerken ab, daß er solche Schätzungen nicht mache, nicht machen wolle und auch nicht durchführen könne. Der Porzellanteller wurde dann in Wien in der Kunstabteilung geschätzt. Der Kläger wollte es nicht verantworten, ohne ausreichendes Fachwissen nur auf Grund eines vorhandenen Kataloges und des Manufakturzeichens irgendeinen Wert festzusetzen. Es bedarf dazu eines großen Fachwissens. Weitere Verweigerungen von Schätzungen durch den Kläger sind nicht feststellbar.

Am 1. Februar 1983 kam es bei der beklagten Partei infolge Erkrankung eines Angestellten bei der Durchführung einer Auktion zu Personalknappheit. Der Kläger hatte für diesen Tag bereits einen Schätzungstermin außer Haus vereinbart, den er dann auch wahrnahm. Nach schriftlicher Ermahnung durch die beklagte Partei rechtfertigte sich der Kläger damit, daß er der Meinung gewesen sei, der Anstaltsleiter habe von dem auswärtigen Schätzungstermin Kenntnis gehabt. Er werde jedenfalls in Hinkunft sämtliche Termine mit dem Direktor der Zweiganstalt Innsbruck abstimmen.

Im September 1983 (lt. Beilage 8 am 22. September) gab der Generaldirektor der beklagten Partei in Innsbruck bekannt, daß die wirtschaftliche Lage dieser Zweiganstalt schlecht sei. Er beauftragte dessen Direktor und den Kläger, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Situation verbessert werden könnte, und forderte den Kläger und auch die anderen Mitarbeiter zu gesteigerter Arbeitsleistung auf. Der Kläger gab in weiterer Folge keine Verbesserungsvorschläge bekannt. Als der Zweiganstaltsdirektor den Kläger nach einigen Tagen an die geforderten Verbesserungsvorschläge erinnerte, erklärte dieser, man solle ihn in eine Filiale schicken, die so gut sei, daß nicht der "Pleitegeier darüber kreise", beispielsweise nach Wels. Dann brach der Kläger das Gespräch mit dem Bemerken ab, er habe jetzt keine Zeit mehr, er werde erwartet. Der Direktor der Zweiganstalt Innsbruck berichtete der beklagten Partei über diesen Vorfall mit Schreiben vom 6. Oktober 1983. Auf Grund dieses Vorfalles sprach die beklagte Partei die bereits eingangs erwähnte Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers aus. Das Erstgericht war der Ansicht, die Weigerung des Klägers, Heereskraftfahrzeuge zu schätzen, liege zu weit zurück, um als Kündigungsgrund herangezogen werden zu können. Außerdem habe die Verwarnung entsprechenden Erfolg gezeigt, so daß dieses Verhalten nicht mehr zu berücksichtigen sei. Was die Schätzung von Möbeln und Porzellantellern betreffe, müsse die beklagte Partei ihre Fachgruppeneinteilung gegen sich gelten lassen. Der Kläger sei hiefür nicht entsprechend ausgebildet gewesen. Der Vorfall vom Februar 1983 stelle keine schwerwiegende Fehlleistung dar. Wohl aber stelle das Verhalten des Klägers unmittelbar vor der Kündigung den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 lit b DO her. Die Bemerkung des Klägers, er sage überhaupt nichts mehr, stelle eine Dienstverweigerung dar. Mit der Äußerung "Pleitegeier" habe er die Grenzen eines zu duldenden Verhaltens überschritten, auch wenn diese Äußerung nicht nach außen gedrungen sei. Der Kläger habe durch diese ohne Provokation seitens der beklagten Partei gemachte Äußerung seine Dienstpflichten derart verletzt, daß die beklagte Partei berechtigt sei, den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 lit b DO in Anspruch zu nehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es den Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur beklagten Partei über den 29. Februar 1984 hinaus feststellte. Die zweite Instanz sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 2.000 übersteigt. Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese auf Grund des neuen Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wie folgt:

Nach dem Gespräch mit dem Zweiganstaltsdirektor der beklagen Partei am 30. September 1983 verließ der Kläger die Filiale, um nach Igls zu einer Akquisition von Nachlaßgegenständen zu fahren. Die vom Kläger am 13. Oktober 1983 gegenüber Direktor S*** und Betriebsrat C*** geäußerte Entschuldigung wurde nicht angenommen. Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Kläger könne sich nicht auf § 25 des Dienstrechts für Vertragsbedienstete des Dorotheums vom 1. Jänner 1982 berufen, der vor Kündigung eines Angestellten die Befassung einer Kündigungskommission vorsah, weil diese Dienstordnung durch jene vom 29. April 1969 ersetzt worden sei. Die spätere Betriebsvereinbarung habe die frühere auch insoweit aufgehoben, als dadurch für die betroffenen Arbeitnehmer eine Verschlechterung eingetreten sei.

Die von der beklagten Partei geltend gemachten, vor dem Vorfall vom 30. September 1983 liegenden Kündigungsgründe könnten schon wegen des langen Zeitraumes bis zum Ausspruch der Kündigung nicht mehr geltend gemacht werden. Die Vorfälle von 1978 bis Feber 1983 seien daher für die Kündigung im Oktober 1983 rechtlich nicht mehr bedeutsam. Unfreundliches Verhalten des Klägers habe die beklagte Partei nicht bewiesen, was zu ihren Lasten gehe. Soweit die Kündigung auf den Vorfall vom 30. September 1983 gestützt werde, sei sie entgegen der Auffassung des Klägers nicht verspätet. Der Dienstgeber müsse wohl eine Kündigung unverzüglich, also unnötigen Aufschub aussprechen, nachdem ihm der Kündigungsgrund bekannt geworden sei. Eine Verzögerung der Kündigung rechtfertige aber die Annahme eines Verzichts nicht, wenn sie in der Sachlage begründet sei. Hiebei sei insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, daß die Willensbildung bei juristischen Personen mehr Zeit erfordere als bei physischen Personen. Der Ausspruch der Kündigung am 25. Oktober 1983 sei daher noch rechtzeitig.

Die Äußerung des Klägers sei jedoch nicht so schwerwiegend, daß sie eine Kündigung rechtfertige. Nicht jede unpassende Äußerung und nicht jedes Vergreifen im Ausdruck gegenüber einem Vorgesetzten stelle eine erhebliche, die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar. Die Grenze der Pflichtwidrigkeit sei erst erreicht, wenn die menschliche Würde des Vorgesetzten verletzt oder der Betriebsfriede und die dienstliche Zusammenarbeit anderweitig ernstlich gestört würde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Nichtig soll das angefochtene Urteil nach Ansicht der Revisionswerberin sein, weil sich das Berufungsgericht mit der Frage, ob dem Kläger wegen der Äußerung, er sage (zu den von ihm geforderten Verbesserungsvorschlägen) überhaupt nichts, eine Dienstverweigerung zur Last falle, nicht auseinandergesetzt und eine spontane Unmutsäußerung angenommen habe. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 (§ 503 Abs 1 Z 1) ZPO ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann oder wenn das Urteil mit sich selbst im Widerspruch ist oder wenn für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Andere Mängel der Begründung sind allenfalls im Rahmen der übrigen Rechtsmittelgründe aufzugreifen, stellen aber keine Nichtigkeit dar.

Auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Mit dem vom Zeugen Josef S*** behaupteten Verhalten des Klägers (negative Äußerungen über die Wirtschaftslage der Zweiganstalt Innsbruck der beklagten Partei zu anderen Angestellten; herabsetzende Bemerkungen über die Geschäftsleitung der beklagten Partei, AS 68 f) hatte sich das Berufungsgericht schon deshalb nicht auseinanderzusetzen, weil es über die erhobenen Einwendungen hinausging und die beklagte Partei auch im Berufungsverfahren hiezu kein ergänzendes eigenes Vorbringen erstattet hat. Entgegen ihrer Ansicht können Aussagen im Beweisverfahren die erforderlichen Prozeßbehauptungen mindestens dann nicht ersetzen, wenn die Partei (wie hier) anwaltlich vertreten ist (JBl. 1965, 93, SZ 39/8, Arb 9458 uva).

Mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die beklagte Partei geltend, bei der Wertung des Verhaltens des Klägers als Kündigungsgrund hätte nicht nur der Vorfall von Ende September 1983, sondern das gesamte Verhalten des Gekündigten berücksichtigt werden müssen. Selbst eine Einbeziehung dieser zum Teil weit zurückliegenden Fakten in die Bewertung des Verhaltens des Klägers führt jedoch im Ergebnis zu keiner Änderung der Entscheidung:

Die in einem Dienstverhältnis zum Dorotheum stehenden

Bediensteten sind seit dem mit Bundesgesetz vom 8. November 1978,

BGBl 1979/66, angeordneten Eigentumsübergang des Vermögens des

Dorotheums auf die hier beklagte Gesellschaft mbH (§ 1) Arbeitnehmer

dieser Gesellschaft (§ 3). Sie unterliegen daher kraft der

Rechtsform der beklagten Gesellschaft als Kaufmann (§§ 5 HGB, 61

Abs 3 GmbHG) bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 1

Abs 1 AngG (Art der zu leistenden Dienste) dem Anwendungsgebiet des

Angestelltengesetzes, sofern es sich nicht um öffentlich-rechtliche

Bedienstete handelt (Martinek-Schwarz AngG 6 92; so auch § 1 Abs 3

der Dienstordnung für Vertragsbedienstete des Dorotheums vom

29. April 1969). Daraus folgt, daß die in einem privatrechtlichen

Dienstverhältnis zur beklagten Partei stehenden Angestellten

grundsätzlich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes (§ 20 AngG)

gekündigt werden können, soweit nicht durch Einzelarbeitsverträge,

Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen für die Angestellten

günstigere (vgl § 20 Abs 2 AngG) Regelungen getroffen wurden, die

die Ausübung des Kündigungsrechtes durch den Arbeitgeber

weitergehend beschränken. Regelmäßig geht es in solchen

Vereinbarungen darum, für Arbeitnehmer nach längerer

Betriebszugehörigkeit die Kündigung zu erschweren oder

auszuschließen (Martinek-Schwarz aaO 386 f.). Das ist auch im

vorliegenden Fall dadurch geschehen, daß Angestellte der beklagten

Partei nach mehr als zehnjähriger ununterbrochener Dienstzeit nur

mehr aus den in § 19 Abs 2 lit a bis c DO genannten Gründen

rechtswirksam gekündigt werden können, die Ausübung des

Kündigungsrechtes des Arbeitgebers also an bestimmte Gründe gebunden

wurde. Im vorliegenden Fall kommen von diesen Kündigungsgründen nur

zwei Tatbestände des § 19 Abs 2 lit. a und b DO, nämlich "nicht

zufriedenstellende Dienstleistung" und "andere Gründe, die das

Verbleiben des Angestellten im Dienste als dem Ansehen oder den

Interessen des Dorotheums abträglich erscheinen lassen" in Betracht.

Der Vorbehalt des § 19 Abs 2 lit b DO: "sofern nicht die

Entlassung in Frage kommt", läßt darauf schließen, daß die Kündigung

auch auf Gründe gestützt werden kann, die nicht das Gewicht eines

zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigenden

Entlassungsgrundes haben. Der Zweck der vereinbarten

Kündigungsbeschränkung (Sicherung länger dienender Angestellter) und

die Fassung des § 19 Abs 2 lit b DO legen es aber nahe, unter die

vereinbarten Kündigungsgründe nicht schon jede geringfügige

Beeinträchtigung von Dienstgeberinteressen zu subsumieren, sondern

nur solche Verfehlungen, die von einer gewissen Erheblichkeit sind,

so daß der Dienstgeber die gerechtfertigte Befürchtung hegt, daß

seine Belange durch den Angestellten nicht mehr gewährleistet werden.

Setzen die vereinbarten Kündigungsgründe ein dauerndes, fortgesetztes oder wiederholtes Verhalten des Angestellten voraus, so ist - analog wie bei derartigen Entlassungsgründen (vgl dazu Kuderna, Entlassungsrecht, 39 f) - das Gesamtverhalten des betreffenden Angestellten zu werten. Unter einem fortgesetzten Entlassungs-(hier: Kündigungs-)grund ist die wiederholte Begehung von im wesentlichen gleichartigen, auf der selben Neigung oder denselben Eigenschaften des Dienstnehmers beruhenden Handlungen oder Unterlassungen zu verstehen, welche alle ein- und und demselben Entlassungs-(Kündigungs-)tatbestand zu unterstellen sind und wegen ihres inneren Zusammenhanges durch Zeit, Ort, Ursache oder Gelegenheit nach den Regeln des Arbeitslebens eine Einheit bilden (Kuderna aaO 40). Die dem Kläger im Zusammenhang mit dem die Kündigung auslösenden Verhalten vorgeworfene (mehrmalige) Ablehnung von Schätzungen bildete jedoch keine pflichtwidrige Dienstverweigerung. Die Ablehnung betraf stets Sachen, die nicht in die Fachgebiete fielen, für die der Kläger nach Ablegung der entsprechenden Prüfung als Schätzmeister bestellt war. Das gilt sowohl für die vom Kläger zunächst abgelehnte Schätzung von Heereskraftfahrzeugen, die in das Fachgebiet "technische Geräte" fielen, als auch für die Verweigerung der Schätzung von Möbeln und eines zerbrochenen Tellers, der als Kunstgegenstand anzusprechen war, weshalb er auch schließlich von der Kunstabteilung der beklagten Partei in Wien geschätzt wurde. Der Kläger hat die Ablehnung dieser Schätzungen jedesmal mit sachlich zutreffenden Argumenten begründet. Wegen der Nichtteilnahme an der Einschulung in die Schätzung von Heereskraftfahrzeugen am 3. März 1978 hat sich der Kläger mit Gründen entschuldigt. Daß er nach späterer (kursorischer) Einschulung in diese Sparte weitere Schätzungen von Heereskraftfahrzeugen abgelehnt habe, wurde nicht festgestellt. Die objektive Berechtigung der dem Kläger deswegen erteilten Verwarnung steht somit nicht fest. Auch in der Ablehnung des Klägers, am 1. Februar 1983 für einen erkrankten Mitarbeiter bei einer in Innsbruck durchzuführenden Auktion mitzuhelfen, lag keine subjektiv vorwerfbare Dienstverweigerung, weil er für diesen Tag einen Schätzungstermin außer Haus vereinbart hatte und auch wahrnahm. Daß der Kläger eine damals bestehende Verpflichtung verletzt habe, auswärtige Termine seinem Vorgesetzten vorher mitzuteilen, geht aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht hervor. Wohl aber erklärte der Kläger in einem Rechtfertigungsschreiben an die Direktion der beklagten Partei, in Hinkunft sämtliche Termine mit dem Direktor der Zweiganstalt Innsbruck schriftlich abzustimmen.

Aus den, dem unmittelbaren Kündigungsanlaß vorausgehenden, zum Teil überdies weit zurückliegenden Vorfällen ist also eine Neigung des Klägers zu unrechtmäßiger Dienstverweigerung, die bei der Prüfung des Vorliegens der Kündigungsgründe des § 19 Abs 2 lit a und b DO mitzuberücksichtigen wäre, nicht zu entnehmen. Der Vorfall vom 30. September 1983 rechtfertigte aber die Kündigung nach diesen Bestimmungen der Dienstordnung ebenfalls nicht. Die sinngemäß zum Ausdruck gebrachte Weigerung des Klägers, Verbesserungsvorschläge zu erstatten, war zwar pflichtwidrig. Auch kam ihm nicht etwa eine gerechtfertigte Entrüstung über das Verhalten seines Vorgesetzten zugute, weil er auf eine sachliche Frage mit einer Unmutsäußerung reagierte. Zugunsten des Klägers muß aber berücksichtigt werden, daß Josef S*** bei der Geschäftsleitung der beklagten Partei mehrmals Beschwerden über ihn erhoben hatte, die nach den Feststellungen der Vorinstanzen weitgehend ungerechtfertigt waren. In dieser - gespannten - Situation ist die Bemerkung des Klägers unter vier Augen, "man solle ihn in eine Filiale schicken, die so gut sei, daß nicht der Pleitegeier darüber kreise", bloß als eine die Interessen der beklagten Partei nicht erheblich beeinträchtigende Unmutsäußerung zu werten; mit dem Ausdruck "Pleitegeier" drückte der Kläger - freilich in ungehöriger Form - nur aus, was den Tatsachen entsprach, nämlich daß die wirtschaftliche Lage der Zweiganstalt Innsbruck schlecht war. Der Wunsch des Klägers, in einer anderen Filiale zu arbeiten, war wegen des schlechten Verhältnisses zu seinem Vorgesetzten verständlich. Daß der Kläger das Gespräch mit dem Vorgesetzten mit der Begründung abbrach, er habe noch einen Termin, stellte schon deshalb keine gewichtige Verletzung von Dienstpflichten dar, weil er sich tatsächlich zu einer Akquisition von Nachlaßgegenständen nach Igls begab. Der Ausdruck "Pleitegeier" bezog sich auf die wirtschaftliche Situation der Zweiganstalt Innsbruck und war damit keine persönliche Beleidigung des Vorgesetzten. Die Bemerkung war auch nicht geeignet, die dienstliche Zusammenarbeit ernstlich zu stören. Im übrigen sind Vergleiche mit der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, Zl 85/09/0223 vom 11. Dezember 1985, die eine über einen öffentlich Bediensteten verhängte Disziplinarstrafe betraf, nicht zielführend.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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