Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 15.874,65 S bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses (darin enthalten 1.443,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist ein Wirtschaftstreuhandunternehmen mit Sitz in Wien und verschiedenen Zweigstellen, so auch (Bezirksstelle) in Judenburg, Wickenburggasse 6. Der Erstbeklagte war vom August 1982 bis 14.Oktober 1985 als Angestellter der Klägerin der Leiter der Bezirksstelle in Judenburg.
Mit der am 6. Dezember 1985 eingebrachten Klage beantragte die Klägerin, beide Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, Abwerbungen von Klienten der Klägerin in Kenntnis des mit dieser bestehenden Vollmachtsverhältnisses zu unterlassen sowie Aufträge von Klienten der Klägerin nur dann zu übernehmen, wenn die Klägerin dieser Übernahme zugestimmt hat oder der Auftraggeber erklärt hat, daß die Verbindung mit der Klägerin gelöst ist. Die Klägerin beantragte weiters, den Erstbeklagten allein schuldig zu erkennen, jede unter die Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung fallende Tätigkeit im Klientenkreis der Klägerin zu unterlassen, ferner die Zuführung von Klienten der Klägerin an die zweitbeklagte Partei oder eine andere Wirtschaftstreuhandkanzlei zu unterlassen. Daneben wird noch die Feststellung begehrt, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin sämtliche ihr durch die Abwerbung von Klienten oder/und durch die Übernahme von Mandaten von Klienten der Klägerin ohne deren Zustimmung oder vor Auflösung des mit dieser bestehenden Auftragsverhältnisses entstandenen und noch in Zukunft entstehenden Schadens (einschließlich entgangenen Gewinns), der Erstbeklagte entsprechend seiner Verpflichtung zur Entrichtung einer Konventionalstrafe gemäß der Erklärung vom 20.Juli 1982, zu ersetzen beziehungsweise zu bezahlen. Schließlich wird die Veröffentlichung des Urteilsspruchs in bestimmten Zeitschriften verlangt.
Mit dieser Klage verband die Klägerin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen den Erstbeklagten mit der ihm verboten werden soll,
a) Werbung für sich oder ein anderes Wirtschaftstreuhandunternehmen und unter den Klienten der Klägerin, insbesondere ihrer Bezirksstelle Judenburg (Bereich Judenburg/Knittelfeld), zu betreiben und Klienten der Klägerin anderen Wirtschaftstreuhandunternehmen zuzuführen sowie
b) jede wie immer geartete unter die Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung fallende Tätigkeit im Kreise der Klienten der Klägerin zu entfalten.
Die Klägerin brachte dazu vor, der Erstbeklagte habe nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zur Klägerin entgegen der Vereinbarung vom 20.Juli 1982 (bezüglich derer sich der Erstbeklagte im Falle der Verletzung zur Bezahlung einer Konventionalstrafe verpflichtet habe) und den Bestimmungen des § 35 Wirtschaftstreuhänderberufsordnung (WTBO) in zahlreichen Fällen Klienten der Klägerin abgeworben, wobei in den meisten Fällen die neue Steuervollmacht nicht dem Erstbeklagten persönlich, sondern der Zweitbeklagten erteilt worden sei, bei welcher und für welche der Erstbeklagte nunmehr tätig sei.
Das Erstgericht erließ ohne Anhörung des Erstbeklagten die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Am 20. Juli 1982 unterfertigte der Beklagte als Angestellter unter Berufung auf die Bestimmungen des Angestelltengesetzes und der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung eine Erklärung, im Falle der Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Klägerin keine wie immer geartete unter die Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung fallende Tätigkeit im Kreise der an die Klägerin angeschlossenen Klienten zu entfalten. Diese Verpflichtung hat vereinbarungsgemäß sowohl dann wirksam zu werden, wenn der Erstbeklagte infolge Beendigung seiner Berufsausbildung und Bestellung zum Wirtschaftstreuhänder aus dem Dienst der Klägerin ausscheidet, als auch dann, wenn er nach Beendigung seines Dienstes in den Dienst eines anderen Wirtschaftstreuhänders oder Angehörigen eines verwandten freien Berufes tritt und bezieht sich auf jede wirtschaftliche und finanzrechtliche Beratungs- und Vertretungstätigkeit. Der Erstbeklagte erklärte ausdrücklich, daß im übrigen die Bestimmungen des Angestelltengesetzes sowie der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung zu gelten haben. Mit Gesellschaftsvertrag vom 23.August 1985 und Nachtrag vom 16. September 1985 wurde die Zweitbeklagte gegründet und am 9.Oktober 1985 in das Handelsregister beim Kreisgericht Leoben eingetragen. Am gleichen Tag äußerste sich Helga M***, eine Klientin, gegenüber Ruth D*** dahin, daß sie dem Erstbeklagten bereits ihr Wort gegeben habe, mit ihm zu gehen. Mit Schreiben vom 11.Oktober 1985 hat die Klägerin den Erstbeklagten als Leiter der Zweigstelle in Judenburg und den gleichfalls dort beschäftigten Ernst B*** fristlos entlassen. Ein Klient der Klägerin, Walter G***, erklärte am 10.Oktober 1985 im Beisein des Achilles A*** gegenüber Helmut H***, er habe für den Erstbeklagten bereits eine Steuervollmacht unterschrieben und diese Ernst B*** übergeben. Derartige Erklärungen, wie sie Helga M*** abgab, haben auch andere Klienten der Klägerin nach der Entlassung des Erstbeklagten gegenüber Elfriede M*** abgegeben und darauf hingewiesen, daß der Erstbeklagte nunmehr sein Steuerbüro im S*** B***, also am Sitz der Zweitbeklagten, habe. In der Folge langten bei der Klägerin 43 Kündigungsschreiben ein.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, es sei dargetan, daß der Erstbeklagte sich wettbewerbswidriger Handlungen schuldig gemacht haben könnte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erstbeklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Es sprach ferner aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Rekursgericht nahm ergänzend als bescheinigt an, daß auf Grund des zeitlichen Zusammenhangs (der Kündigung von Vollmachtsverhältnissen durch Klienten der Klägerin) mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit des Erstbeklagten beziehungsweise seiner Zusammenarbeit mit der Zweitbeklagten eine aktive Tätigkeit des Erstbeklagten (bei diesen Kündigungen) angenommen werden muß.
Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, da sich der Erstbeklagte auch verpflichtet habe, für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Konkurrenzklausel eine Konventionalstrafe zu leisten, könne der Dienstgeber gemäß § 37 Abs 3 AngG nur die verwirkte Konventionalstrafe verlangen, der Anspruch auf Erfüllung oder auf Ersatz eines weiteren Schadens sei ausgeschlossen. Auch § 35 Abs 3 WTBO halte in seinem letzten Satz ausdrücklich fest, daß hiedurch die Bestimmungen des Angestelltengesetzes unberührt bleiben. Die Vereinbarung einer Konventionalstrafe schließe zwar an sich die Anordnung einstweiliger Verfügung zur Sicherung der Verwirklichung des Anspruches nicht aus, doch würden durch die angeführten gesetzlichen Bestimmungen die Rechtsfolgen eines derartigen Vertragsbruches durch den früheren Angestellten eingeschränkt, was durch die WTBO nicht geändert werde. Da feststehe, daß der Klagsanspruch, soweit er aus der vereinbarten Konkurrenzklausel abgeleitet werde, nicht bestehe, könne er auch nicht durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Erstbeklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, daß das beantragte Verbot, Werbung für ein anderes Wirtschaftstreuhandunternehmen zu betreiben und Klienten der Klägerin anderen Wirtschaftstreuhandunternehmen zuzuführen, schon deshalb nicht erlassen werden könnte, weil bisher nicht bescheinigt ist, daß der Erstbeklagte solche Handlungen unternommen hat. Allerdings wurde auch das Gegenteil von den Vorinstanzen nicht als bescheinigt angenommen, sondern zur diesbezüglichen Behauptung im Sicherungsantrag überhaupt keine Feststellung getroffen. Einer Verfahrensergänzung bedarf es jedoch aus folgenden Erwägungen nicht:
Es ist davon auszugehen, daß es zum Wesen jedes Wettbewerbs gehört, in den fremden Kundenkreis einzudringen, weshalb das Ausspannen von Kunden eines Konkurrenten an sich nicht unzulässig ist (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 82; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 RZ 527 zu § 1 UWG; Godin, Wettbewerbsrecht 2 RZ 153 zu § 1 UWG). Die Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung ist daher - anders als etwa die Verleitung oder die Beihilfe zum Vertragsbruch (SZ 32/79; SZ 33/64 uva) - nicht schlechthin sittenwidrig, sondern nur dann, wenn besondere, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände, hinzutreten (v. Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 2 RZ 239 zu § 1 UWG; Godin aaO Rz 165; Baumbach-Hefermehl aaO Rz 530 zu § 1 UWG; Nordemann, Wettbewerbsrecht 4 Rz 257 f. zu § 1; v. Gamm in Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 4 II 278 f.; 4 Ob 336/86). Ebenso ist das Ausspannen von Kunden durch frühere Beschäftigte grundsätzlich zulässig, da niemand Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat (Baumbach-Hefermehl, aaO Rz 531 zu § 1 UWG). Soweit dem Beschäftigten kein vertragliches oder gesetzliches Verbot auferlegt ist oder sein Verhalten gegen standesrechtliche Vorschriften verstößt, handelt er erst bei Hinzutreten besonderer Umstände sittenwidrig.
Soweit die Klägerin ihr Sicherungsbegehren auf die vertragliche Konkurrenzklausel stützt, ist der Anspruch schon deshalb nicht gegeben, weil gemäß § 37 Abs 3 AngG der Dienstgeber nur die verwirkte Konventionalstrafe verlangen kann, wenn der Angestellte für den Fall des Zuwiderhandels gegen die Konkurrenzklausel eine Konventionalstrafe versprochen hat. Daß es sich bei der Verpflichtung des Erstbeklagten, im Falle der Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Klägerin keine wie immer geartete, unter die Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung fallende Tätigkeit im Kreis der an die Klägerin angeschlossenen Klienten zu entfalten, um eine Konkurrenzklausel im Sinne der §§ 36 und 37 AngG handelt, kann nicht zweifelhaft sein. Soweit die Klägerin aber meint, § 37 Abs 3 AngG berechtige die Dienstnehmer nicht, seinen bisherigen Dienstgeber zu schädigen oder zu vernichten, übersieht sie, daß mit jeder Konkurrenzierung (auch) eine Schädigung des Konkurrenten verbunden ist, es aber zum Wesen des freien Wettbewerbs gehört, auch in den Kundenkreis des Konkurrenten einzudringen. Daß das Vorgehen des Erstbeklagten aber auf die Vernichtung der Klägerin abziele, wurde im Sicherungsantrag nicht behauptet, weshalb nicht geprüft werden muß, ob ein solches Vorgehen ungeachtet der Bestimmung des § 37 Abs 3 AngG einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen könnte.
Zu prüfen bleibt daher, ob sich die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf die Bestimmung des § 35 Abs 3 WTBO berufen kann. Danach darf der Wirtschaftstreuhänder Aufträge eines Auftraggebers, der bereits einen anderen Wirtschaftstreuhänder beschäftigt, nur annehmen, wenn der Auftraggeber erklärt, daß er die Verbindung mit dem bisher zugezogenen Wirtschaftstreuhänder gelöst, oder wenn letzterer ausdrücklich zugestimmt hat. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung wurde zwar in der Klage behauptet und ein diesbezügliches Verbot bildet auch einen Teil der Unterlassungsklage. Vom Sicherungsantrag sind dagegen Verstöße gegen diese Bestimmung nicht umfaßt. Durch die Wirtschaftstreuhänderberufsordnungsnovelle 1982, BGBl. Nr. 352, wurde dem § 35 Abs 3 WTBO allerdings noch folgender Satz angefügt:
"Personen, die für eine Wirtschaftstreuhandkanzlei tätig sind, dürfen während dieser Tätigkeit oder anläßlich deren Beendigung Klienten dieser Kanzlei nur mit Zustimmung der letzteren selbst übernehmen oder einer anderen Kanzlei zuführen; unberührt bleiben jedoch die Bestimmungen des Angestelltengesetzes". Ein Verstoß gegen diese Bestimmung war allerdings auch vom Sicherungsantrag umfaßt. Dennoch könnte ein solches Zuwiderhandeln nicht mehr die Grundlage einer einstweiligen Verfügung bilden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ansicht des Rekursgerichtes, der zweite Halbsatz dieser Bestimmung schließe, da eine Konventionalstrafe vereinbart wurde, einen Unterlassungsanspruch auch nach dieser gesetzlichen Regelung aus, richtig ist. Dem Erstbeklagten ist nämlich zuzugeben, daß sich aus der Wendung "während dieser Tätigkeit oder anläßlich deren Beendigung" ergibt, daß nicht jede Übernahme oder jedes Zuführen von Klienten des früheren Dienstgebers während einer unbeschränkten Zeitspanne, sondern nur ein solches anläßlich der Beendigung der Tätigkeit gegen das Gesetz verstoßen würde. Es muß also ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Beendigung der Tätigkeit in der Wirtschaftstreuhandkanzlei bestehen. Wenn nun auch nicht gesagt werden kann, daß ein solcher Zusammenhang schon bei der Übernahme von Klienten erst mehrere Monate nach diesem Zeitpunkt fehlt, so kann doch von keinem solchen Zusammenhang mehr gesprochen werden, wenn die Übernahme fast ein Jahr nach diesem Zeitpunkt stattfindet. Abwerbungen vom Klienten der Klägerin fallen daher derzeit nicht mehr unter das Verbot des § 35 Abs 3, zweiter Satz, WTBO. Unterlassungsklagen können aber nach überwiegender Lehre und ständiger Rechtsprechung (Fasching, Zivilprozeßrecht, RZ 1069 mwN) nur dann zum Erfolg führen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Nun ist zwar die Berechtigung eines Unterlassungsbegehrens grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung (der Erlassung der Provisorialentscheidung) zu beurteilen (ÖBl. 1981, 102 mwN). Es wurde jedoch auch schon ausgesprochen, daß dann, wenn die mit einer Klage verbundene einstweilige Verfügung durch das Urteil im Hauptprozeß nicht mehr gerechtfertigt werden kann, mangels eines bestehenden Anspruches auch die einstweilige Verfügung nicht mehr erlassen werden kann und dies auch im Rahmen eines Revisionsrekurses berücksichtigt werden muß (4 Ob 319/81). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann - soweit er sich auf § 35 Abs 3, zweiter Satz, WTBO stützt - im Hauptprozeß zu keinem Erfolg mehr führen, weil eine Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die enge Umschreibung des Verbotes im Gesetz nicht mehr bestehen kann. Damit kann aber mangels eines bestehenden Anspruches auch eine einstweilige Verfügung nicht mehr erlassen werden.
Soweit die Klägerin schließlich darauf verweist, daß der Erstbeklagte gegen das Werbeverbot des § 39 WTBO verstoße, wurde im Sicherungsantrag diesbezüglich nichts vorgebracht. Es war daher nicht zu prüfen, ob das Verhalten des Erstbeklagten gegen die vom Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gemäß § 17 Abs 2 des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes erlassenen Richtlinien verstoßen hat.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, 41 und 50 ZPO.
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