OGH 9Os113/86

OGH9Os113/8624.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter S*** und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Heinrich H*** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25.März 1986, GZ 20 e Vr 11398/85-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Burka, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Heinrich H*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem - einstimmigen - Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 20.November 1952 geborene Heinrich H*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 2.August 1985 in Wien in Gesellschaft des (im selben Verfahren bereits rechtskräftig abgeurteilten) Walter S*** dem Wilhelm S*** mit Gewalt gegen dessen Person sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, und zwar Walter S*** durch einen Schlag mit einer Doppeliterflasche gegen den Kopf des Wilhelm S*** und Heinrich H*** durch Ansetzen eines Klappmessers in der Halsregion, mithin unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag von 1.700 S und ein Tonbandgerät Marke G***, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer (nominell) auf die Z 5, 6, 9, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 5) rügt er die Zurückweisung seines in der Hauptverhandlung in Ansehung der Geschwornen Edith K*** gestellten Ablehnungsantrages (S 170) mit dem Argument, daß die von der Laienrichterin im Zuge der Befragung des Zeugen Wilhelm S*** vorgenommene Einstufung des äußeren Erscheinungsbildes der beiden Angeklagten als "nicht so vertrauenswürdig" eine der objektiven Sachbeurteilung abträgliche Voreingenommenheit zum Ausdruck bringe.

Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Zwar trifft es in prozessualer Hinsicht zu, daß ein Geschworner in der Hauptverhandlung auch noch nach dem in § 74 a StPO bezeichneten Verfahrensstadium abgelehnt werden kann, wenn der Ablehnungsgrund der Partei erst danach zur Kenntnis gelangt und von ihr sogleich geltend gemacht wird (vgl Mayerhofer/Rieder StPO 2 E Nr 3 zu § 74 a). Auch ist es dem Angeklagten nicht verwehrt, ein seinen Antrag ablehnendes Zwischenerkenntnis aus dem Grunde des § 345 Abs 1 Z 5 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde zu bekämpfen (Mayerhofer/Rieder aaO E Nr 12 zu § 281 Z 4). Vorliegend versagt diese Rüge aber deshalb, weil aus der relevierten Fragestellung an das Tatopfer nach den Gründen für die Mitnahme fremder, "nicht so vertrauenswürdig" aussehender Personen wie der beiden Angeklagten in die Wohnung eine der Sachentscheidung abträgliche Voreingenommenheit der betreffenden Geschwornen nicht abgeleitet werden kann. Beschränkt sich doch der Aussagewert der in Rede stehenden Verhandlungsinitiative der Laienrichterin auf das sinnfällige Bestreben, die für die Entscheidung über Schuld oder Nichtschuld der beiden Angeklagten wesentlichen Hintergründe der (von den allgemein üblichen Gepflogenheiten abweichenden) vorbehaltslosen Kontaktintensivierung des Tatopfers zu den ihm bis dahin fremden Angeklagten aufzuklären. Anhaltspunkte für eine (aus nicht sachgemäßen Gründen erfolgte) verfrühte Festlegung in der Schuldfrage sind daraus - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nicht zu entnehmen. Die in Rede stehende Fragestellung der Geschwornen K*** gab daher keinen Anlaß dafür, ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Das angefochtene Urteil ist aber auch nicht mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO behaftet. Zur Stellung der vom Beschwerdeführer vermißten Zusatzfrage nach einer alkoholisierungsbedingten tataktuellen Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB, wie auch zu einer (vom Nichtigkeitswerber weiters geforderten) Eventualfrage nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) bestand mangels Hervorkommens von eine solche Fragestellung konkret indizierenden Umständen in der Verantwortung des Angeklagten oder in den (sonstigen) Ergebnissen des in der Hauptverhandlung abgeführten Beweisverfahrens (ÖJZ-LSK 1984/100) kein Anlaß.

Der vom Angeklagten in diesem Zusammenhang allein ins Treffen geführte (ausgedehnte) Alkoholkonsum rückte entgegen dem Beschwerdevorbringen die Annahme einer die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausschließenden Volltrunkenheit (SSt 43/47 ua) des Angeklagten zur Tatzeit nicht in jenen näheren Bereich der Möglichkeit, der den Schwurgerichtshof zur Stellung diesbezüglicher Zusatz- und Eventualfragen in Richtung der §§ 11; 287 StGB verpflichtet hätte. Denn abgesehen davon, daß ein allgemeiner Erfahrungssatz, bei Vorliegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration müsse Zurechnungsunfähigkeit vorliegen, nicht besteht (vgl Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 287 RN 9), hat der Angeklagte, der sich übrigens selbst nicht mit Volltrunkenheit verantwortete, im Vorverfahren (vgl S 39 f, 70 ff) und in der Hauptverhandlung (S 157 ff) die Tatereignisse in allen Einzelphasen lückenlos geschildert und war demzufolge, unbeschadet des vorangegangenen Alkoholkonsums, zur Tatzeit durchaus in der Lage, die Tragweite des (gemeinsamen) Tatvorhabens zu erfassen, sich in der Folge tatplankonform zu verhalten und anschließend gezielte fluchtfördernde Vorkehrungen zu treffen.

Angesichts dieser Egebnisse der Hauptverhandlung mangelt es an einem tatsächlichen Vorbringen, das die Annahme einer vollen Berauschung des Angeklagten zur Tatzeit zumindest für möglich erscheinen läßt, sodaß die reklamierte zusätzliche Fragestellung nicht indiziert war.

Mit dem weiteren Beschwerdeeinwand, den Geschwornen wäre im Wege einer entsprechenden Zusatzfrage die Möglichkeit einer Prüfung der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB zu eröffnen gewesen, wird der Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO ebensowenig zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht wie jener der Z 13 des § 345 Abs 1 StPO durch die Beschwerdebehauptung rechtlich verfehlter Anwendung des § 39 StGB im Zusammenhang mit dem den Angeklagten H*** betreffenden Strafausspruch. Denn § 39 StGB normiert weder ein Tatbestandsmerkmal noch eine Deliktsqualifikation, sondern ist vielmehr als fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift zu verstehen, deren Anwendung bzw Nichtanwendung (vom Fall der Überschreitung der Grenzen der durch § 39 StGB ermöglichten Strafschärfung abgesehen) ausschließlich mit Berufung bekämpft werden kann (SSt 46/40 uam). Im übrigen wurde die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe (von sieben Jahren) ohnedies im Rahmen der Strafdrohung des § 143 erster Strafsatz, StGB (5 bis 15 Jahre) bemessen, sodaß § 39 StGB - dessen Voraussetzungen für die Strafschärfung bei Rückfall allerdings dem Beschwerdevorbringen zuwider im Hinblick auf den am 27.Jänner 1978 abgeschlossenen Vollzug der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Februar 1977, AZ 3 b E Vr 30/77 wegen Betruges ausgesprochenen (Zusatz-)Freiheitsstrafe von drei Monaten in Verbindung mit dem Urteil des Kreisgerichtes St.Pölten vom 9.Juli 1981, AZ 16 Vr 34/81 (15 Monate Freiheitsstrafe wegen Diebstahls und einer anderen strafbaren Handlung) keineswegs fehlten (vgl die Punkte 5 und 9 der Strafregisterauskunft S 17) - vorliegend gar nicht zur Anwendung gelangt ist.

Eine grundsätzliche Verkennung des Wesens einer Raubgesellschaft im Sinne des § 143 erster Fall StGB liegt der weiteren Beschwerdeargumentation zugrunde, die auf schweren Raub lautenden Hauptfragen Nr 1 (betreffend den Angeklagten S***) und Nr 2 (betreffend den Beschwerdeführer) stünden in einem unlösbaren Widerspruch zueinander, weil darin jeweils auf einen die gesamte Raubbeute umfassenden Bereicherungsvorsatz jedes der beiden Raubgenossen abgestellt werde, eine Bereicherung beider Täter um jeweils das gesamte Raubgut jedoch begrifflich ausgeschlossen sei.

§ 143 (erster Fall) StGB normiert beim Raub - ebenso wie § 127 Abs 2 Z 1 StGB beim Diebstahl - die Verübung der Tat "in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter (§ 12)" als spezielle Täterschaftsform, zu der es genügt, daß einer der Tatgenossen ("Beteiligten") zum Unternehmen des anderen zur Tatzeit und am Tatort oder in dessen Nähe ("Gesellschaft") in irgendeiner Weise beiträgt, auch wenn sein eigenes Verhalten, isoliert betrachtet, der gesetzlichen Umschreibung der Tathandlungen des Raubes (Diebstahls) nicht unmittelbar entspricht und ohne die bezeichnete deliktsspezifische Sonderregelung dem zweiten oder dritten Fall des § 12 StGB zuzuordnen wäre (vgl 9 Os 57/86; Leukauf-Steininger aaO

§ 12 RN 14, § 127 RN 74, § 143 RN 7 und die dort zitierte Judikatur). Da der Gesellschaftsräuber (Raubgenosse) auch für jenen Teil der Tatbeute haftet, den sein Komplize im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses an sich nimmt und für sich behält, stellt ein auf den eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausgerichteter Bereicherungsvorsatz jedes der Raubgenossen solcherart kein essentielles Tatbestandskriterium nach § 143 erster Fall StGB dar (vgl Leukauf-Steininger aaO § 143 RN 7 iVm § 127 RN 78, 79). Der bezügliche Beschwerdeeinwand versagt daher nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO sondern auch in bezug auf die gleichfalls relevierten Nichtigkeitsgründe nach § 345 Abs 1 Z 9 und Z 12 StPO. Von einer in diesem Zusammenhang in sich widersprechenden Antwort der Geschwornen, wie sie die Beschwerde behauptet, kann aus den dargelegten Erwägungen ebensowenig die Rede sein wie davon, daß mangels Bezugnahme des Wahrspruchs auf einen jeweils wechselseitigen Bereicherungsvorsatz der beiden Täter der Schuldspruch wegen Raubgesellschaft nach § 143 Abs 1 erster Fall StGB rechtlich verfehlt wäre.

Schließlich geht der Beschwerdeeinwand einer in Ansehung der subjektiven Tatseite mangelhaften Fassung der den Angeklagten H*** betreffenden Hauptfrage nach schwerem Raub auch insoweit ins Leere, als eine mangelnde Klarstellung des raubspezifischen Erfordernisses eines (neben der Bereicherung auch die Nötigung des Tatopfers umfassenden) Doppelvorsatzes geltend gemacht wird. Die dem Gesetzeswortlaut des § 142 Abs 1 StGB (iVm § 7 Abs 1 StGB) entsprechende sprachliche Fassung der in Rede stehenden Schuldfrage läßt nämlich dem Beschwerdestandpunkt zuwider keine Unklarheit darüber aufkommen, daß sich das ausdrücklich normierte innere Tatbestandserfordernis vorsätzlicher Tatbegehung denknotwendigerweise nicht nur auf die tatbedingte Bereicherung sondern auch auf die Wegnahme (bzw das Abnötigen) des Raubguts erstreckt. Einer über das bei Redigierung des § 142 Abs 1 StGB für notwendig erachtete Maß hinausgehenden Konkretisierung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen im Rahmen der bekämpften Fragestellung hat es daher - zumal das Unterbleiben eines solchen Ausspruchs vorliegend zu keinen Unklarheiten führen konnte und den Geschwornen zudem in der Rechtsbelehrung (vgl deren Seiten 1 und 3) die erforderliche Schuldform ohnedies erklärt wurde - keineswegs bedurft (Leukauf-Steininger aaO RN 3; Mayerhofer/Rieder StGB 2 E Nr 2 und 3 je zu § 7).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren.

Dabei wertete es sieben einschlägige Vorstrafen und die zweifache Qualifikation der Tat zum schweren Raub als erschwerend, hingegen die herabgesetzte Hemmschwelle durch den Genuß von Alkohol als mildernd.

Auch den Berufungen des Angeklagten, der eine Strafherabsetzung anstrebt, sowie der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe begehrt, kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen seinem Berufungsvorbringen wurden dem Angeklagten die Vorverurteilungen (sowohl wegen Körperverletzung als auch wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen) gleichermaßen zu Recht angelastet wie die zweifache Tatqualifikation zum schweren Raub (Gesellschaftsraub unter Verwendung einer Waffe). § 39 StGB hinwieder wurde vorliegend - wie bereits bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan wurde - gar nicht angewendet. Anhaltspunkte für die Annahme des vom Angeklagten reklamierten Milderungsgrundes nach § 34 Z 14 StGB können weder dem Berufungsvorbringen noch der sonstigen Aktenlage entnommen werden. Bei der Behauptung schließlich, "mit der Gewalttat" des Mitangeklagten Walter S*** nichts zu tun gehabt zu haben, ignoriert der Angeklagte den (auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden) rechtskräftigen Schuldspruch.

Der Staatsanwaltschaft hinwieder ist zwar einzuräumen, daß die beim Angeklagten zur Tatzeit bestehende "herabgesetzte Hemmschwelle durch den Genuß von Alkohol" nicht als strafmildernd gewertet werden kann, weil die gemäß § 35 StGB gebotene Vorwurfsabwägung angesichts des Umstands, daß der Angeklagte - wie sich aus den Vorstrafakten ergibt - im alkoholbeeinträchtigten Zustand bereits (wiederholt) strafbare Handlungen begangen hat, jedenfalls zu seinem Nachteil ausschlägt. Die Strafzumessungsgründe bedürfen allerdings insoweit noch einer Ergänzung, als dem Angeklagten auch die Verletzung des Raubopfers (Brillenbluterguß und Bindehautblutung rechts - S 23) zusätzlich als erschwerend anzulasten gewesen wäre. Dennoch erscheint auf der Basis der sohin korrigierten Strafzumessungsgründe die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren, insbesondere mit Rücksicht auf den hohen Unrechtsgehalt der Raubtat sowie auf sein durch mehrere (obgleich nicht allzu gravierende) einschlägige Verurteilungen getrübtes Vorleben, nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) - und zwar auch im Verhältnis zu der über den Mitangeklagten S*** verhängten Freiheitsstrafe - durchaus als angemessen. Es kam daher weder eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe noch deren Erhöhung in Betracht.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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