OGH 9Os57/86

OGH9Os57/8628.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard M*** und einen anderen wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Robert S***, die Berufung des Angeklagten Gerhard M*** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Robert S*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 4.Dezember 1985, GZ 20 m Vr 8453/85-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, des Angeklagten Robert S*** und der Verteidiger Dr. Doczekal und Dr. Meller, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Gerhard M*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S***, soweit dieser die Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung dieses Angeklagten im übrigen sowie jener des Angeklagten M*** wird Folge gegeben und es werden die über Gerhard M*** verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt sowie die über Robert S*** verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 22.April 1982 geborene Gerhard M*** und der am 18.April 1964 geborene Robert S*** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 26.Juli 1985 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) und unter Verwendung einer Waffe dadurch, daß Robert S*** den Gerhard M***, nachdem er dessen

Gasrevolver gesehen hatte, aufforderte, mit ihm einen Raub zu begehen, und beide in der Folge zwei unbekannt gebliebene Männer stellten, wobei M*** den Gasrevolver zog, den Hahn der Waffe spannte, den Gasrevolver gegen den Bauch eines der beiden Männer richtete und von ihnen Geld verlangte, während S*** drohend daneben stand, versucht, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einem anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der Angeklagte S*** bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der keine Berechtigung zukommt. Den Verfahrensmangel (Z 6) erblickt er darin, daß den Geschwornen zu der ihn betreffenden (anklagekonformen) Hauptfrage 2 nach versuchtem Gesellschaftsraub (mit einer Waffe) keine Eventualfrage nach einer bloßen Beteiligung seinerseits daran im Sinn des § 12 zweiter und/oder dritter Fall StGB gestellt wurde. Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß nach § 314 Abs 1 StPO Eventualfragen unter anderem dann zu stellen sind, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - ein als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) Angeklagter als Täter anzusehen wäre, der einen anderen dazu bestimmt hat, die Tat auszuführen (§ 12 zweiter Fall), oder der sonst zu ihrer Ausführung beigetragen hat (§ 12 dritter Fall).

Rechtliche Beurteilung

Eine auf eine andere rechtliche Beurteilung seines Verhaltens im Sinn des Beschwerdevorbringens abzielende Eventualfrage, nämlich auf Bestimmung des Angeklagten M*** zur Begehung eines (schweren) Raubes unter Verwendung einer Waffe als Einzeltäter oder aber auf eine (bloße) Beteiligung des Beschwerdeführers an einem von M*** allein begangenen (bewaffneten) Raub, war nach den Verfahrensergebnissen nicht indiziert. Denn der Angeklagte S*** hatte jede Urheberschaft am Tatentschluß des

M*** in Abrede gestellt (S 162, 166) und dieser hatte angegeben, der Beschwerdeführer habe ihn aufgefordert, mit ihm gemeinsam einen Raub zu begehen (S 158, 159) und sich in der Folge an diesem beteiligt, indem er - während M*** von den ihnen in der Folge begegnenden Männern unter Bedrohung mit dem Gasrevolver Geld forderte - unmittelbar neben ihm stand (S 42, 163, 164) und sohin in Form des Bereithaltens zum tätigen Eingreifen einen Beitrag im Sinn des § 12 StGB zur Tatausführung geleistet, der als Raubgenossenschaft (i.S. des § 143 erster Fall StGB) zu qualifizieren war.

Insoweit übersieht nämlich die Beschwerde, daß § 143 (erster Fall) StGB beim Raub - ebenso wie § 127 Abs 2 Z 1 StGB beim Diebstahl - die Verübung der Tat "in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter (§ 12)" als spezielle Täterschaftsform normiert, zu der es genügt, daß einer der Tatgenossen ("Beteiligten") zum Unternehmen des anderen zur Tatzeit und am Tatort oder in dessen Nähe ("Gesellschaft") in irgendeiner Weise (undifferenziertes Klammerzitat des § 12 StGB) beiträgt, auch wenn sein eigenes Verhalten, isoliert betrachtet, der gesetzlichen Umschreibung der Tathandlungen des Raubes (Diebstahls) nicht unmittelbar entspricht und ohne die besagte deliktsspezifische Sonderregelung dem zweiten oder dritten Fall des § 12 StGB zuzuordnen wäre (vgl 13 Os 8/85; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 12 RN 14, § 127 RN 74, § 143 RN 7; Kienapfel BT II § 127 RN 256, 271, § 143 RN 7; Zipf WrK § 143 Rz 3 und 5 sowie die dort jeweils angeführte Judikatur).

Gleichermaßen versagt die Rüge der Rechtsbelehrung (Z 8) in Ansehung der für das Merkmal der Begehung des Raubes in Gesellschaft relevanten Beteiligungsformen (§ 12 StGB), die - entgegen dem Beschwerdevorbringen - in der Rechtsbelehrung ohnedies differenzierend beschrieben und (ausreichend) erläutert worden sind. Eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung in diesem Belang, durch welche die Geschwornen nach den Umständen des Falles über für ihren Wahrspruch wesentliche Rechtsbegriffe im Unklaren gelassen worden wären oder welche Anlaß zu Mißverständnissen über die Rechtslage hätte sein können, ist demnach - in der Zielrichtung der Nichtigkeitsbeschwerde - nicht zu erkennen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach §§ 41, 143 erster Strafsatz StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Gerhard M*** in der Dauer von zweieinhalb Jahren und Robert S*** in der Dauer von einem Jahr. Dabei wertete es die zweifache Qualifikation des Raubes nach § 143 StGB, bei M*** zusätzlich noch zwei einschlägige Vorstrafen und den raschen Rückfall als erschwerend, hingegen bei beiden Angeklagten den Umstand, daß es beim Versuch blieb, bei M*** außerdem das Geständnis sowie bei S*** auch noch den bisher

unbescholtenen Wandel und das Alter unter 21 Jahren als mildernd. Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten eine Herabsetzung der Strafdauer, S*** außerdem die Gewährung bedingter Strafnachsicht an, während die Staatsanwaltschaft in Ansehung des Angeklagten S*** eine Straferhöhung begehrt. Nur den Berufungen der beiden Angeklagten - jener des Angeklagten S*** allerdings nur soweit er die Gewährung bedingter Strafnachsicht begehrt - kommt Berechtigung zu. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die beiden

Angeklagten - wie sich schon aus dem Tatverlauf ergibt - eine eher doch nur geringe deliktische Intensität entwickelten und daß ihnen die vorliegende (versuchte) Raubtat, deren Opfer zudem gar keine Anzeige erstatteten und daher unbekannt blieben, letztlich nur aufgrund ihrer eigenen Verantwortung nachgewiesen werden konnte. Schlägt man in Ansehung des Angeklagten M*** noch dessen ungünstige familiären Verhältnisse und den Umstand hinzu, daß die Initiative zur Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat vom Angeklagten S*** ausgegangen ist, so zeigt sich, daß die vom Erstgericht über den Angeklagten M*** - der zwar einschlägig vorbestraft ist, bisher aber das Übel des Freiheitsentzuges noch nicht zu verspüren bekommen hat - verhängte Freiheitsstrafe mit zweieinhalb Jahren doch etwas zu hoch ausgemessen wurde. Sie war daher in Stattgebung seiner Berufung auf die aus dem Spruch ersichtliche, seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechende Dauer von zwei Jahren herabzusetzen.

Hinsichtlich des Angeklagten S*** ist der Berufung der Staatsanwaltschaft zwar einzuräumen, daß bei diesem Angeklagten der vom Erstgericht herangezogene Milderungsgrund nach § 34 Z 1 StGB zu entfallen hat, weil die Tat ca drei Monate nach Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres verübt wurde. Ebenso wäre seine Urheberschaft bei der Begehung der in Rede stehenden Raubtat als erschwerender Umstand zu berücksichtigen gewesen.

Zieht man jedoch demgegenüber die alkoholbedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten S*** - der zu seinen leiblichen Eltern nie Kontakt hatte, mit den Großeltern im gemeinsamen Haushalt lebte und offenbar durch den (mehrere Monate vor der Tat erfolgten) Tod seiner Großmutter vorübergehend, bis zu einem gewissen Grad entwurzelt, dem Alkohol im Übermaß zugesprochen hat - wie auch den Umstand ins Kalkül, daß nach Lage des Falles die Äußerung gegenüber dem Mitangeklagten M*** (zur Begehung eines Raubes) spontan und (nahezu) unbesonnen (vgl § 34 Z 7 StGB) ausgesprochen worden ist, so zeigt sich bei sachgemäßem Abwägen der tatsächlich vorliegenden Strafzumessungsgründe unter Beachtung der ihnen hier (spezifisch) zukommenden Bedeutung, daß die vom Geschwornengericht über S*** verhängte

Freiheitsstrafe - entgegen der insoweit in den Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung - nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen wurde. Es bestand daher für eine Korrektur der Strafdauer nach oben oder unten kein Anlaß.

Begründet ist hingegen das auf die Gewährung bedingter Strafnachsicht gerichtete Verlangen des Angeklagten S***. Der bisher unbescholtene Angeklagte geht als ausgebildeter Betonbauer einer geregelten Beschäftigung nach. Er hat, wie bereits dargelegt wurde, offenbar nur vorübergehend - bedingt durch den Verlust seiner bisher einzigen Bezugspersonen

(Großeltern) - Alkoholmißbrauch getrieben, was den Tatentschluß und das folgende Tatgeschehen maßgeblich beeinflußt hat. Nach Lage des Falles kann sohin - nachdem sich der Angeklagte ersichtlich wieder in die Gesellschaft integriert hat - doch noch angenommen werden, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe genügen werde, ihn, der in Anbetracht seines Alters durchaus noch resozialisierungsfähig ist, von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Der Gewährung der bedingten Strafnachsicht (die vorliegend auf dem ersten Absatz des § 43 StGB fußt) stehen mit Rücksicht auf die - in Relation zur Bandbreite aller kriminologischen Erscheinungsbilder von Raubtaten - hier doch eher geringe deliktische Intensität auch aus Gründen der Generalprävention entscheidende Hindernisse (noch) nicht entgegen. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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