OGH 3Ob58/86

OGH3Ob58/8617.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang J***, Kaufmann, 8020 Graz, Zeppelinstraße 40, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Gottfried I***, Kaufmann, 8020 Graz, Annenstraße 23, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unzulässigkeit einer Räumungsexekution infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 19. Dezember 1985, GZ. 2 R 396/85-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 20. September 1985, GZ. 12 C 15/85-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 440 KG Gries mit dem Haus Graz, Annenstraße 23. Seine Ehefrau Dagmar I*** war gemäß einem am 14.5.1979 abgeschlossenen Mietvertrag Hauptmieterin, unter anderem von Geschäftsräumlichkeiten in diesem Haus (links von der Passage). Untermieter dieser Räumlichkeiten war ursprünglich die Firma J*** M*** AG.

Mit Untermietvertrag vom 9./14.12.1984 gab die Hauptmieterin Dagmar I*** diese Geschäftsräumlichkeiten dem Kläger in Unterbestand. Das Untermietverhältnis sollte am 1.5.1985 beginnen. In § 3 des Untermietvertrages verzichtete die Vermieterin Dagmar I*** auf jegliche Aufkündigung des Bestandverhältnisses, ausgenommen schwere Verletzungen der Vertragsbedingungen und erheblichen nachteiligen Gebrauch. Der Beklagte, der den Vertrag gemäß § 14 mitfertigte und dadurch bestätigte, den gesamten Vertragsinhalt zur Kenntnis zu nehmen und zu genehmigen, sowie damit die ihn betreffenden Erklärungen abzugeben, gab in § 3 des Untermietvertrages den gleichen Kündigungsverzicht ab. Nach Räumung der Geschäftslokale durch die Firma J*** M*** AG gelangte die klagende Partei in den Besitz derselben, wobei die näheren Umstände strittig sind, und in der Folge kam es zu verschiedenen Differenzen zwischen dem Kläger, dem Beklagten und Dagmar I***.

Mit vollstreckbarem Notariatsakt vom 30.7.1985 verpflichtete sich Dagmar I*** in ihrer Eigenschaft als Hauptmieterin, die strittigen Räume dem Beklagten bis 31.7.1985 geräumt zu übergeben. Der Beklagte erwirkte aufgrund dieses Exekutionstitels zu 12 E 857/85 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz eine Räumungsexekution. Gegen diese Exekution richtet sich die Exszindierungsklage des Klägers.

In dieser Klage macht der Kläger geltend, der Beklagte habe dem Mietvertrag zugestimmt und durch die Unterfertigung des Mietvertrages auch selbst auf Kündigung verzichtet. Der Beklagte und Dagmar I*** seien in mehreren Verfahren durch einstweilige Verfügungen zur Respektierung der Mietrechte des Klägers verpflichtet worden, die bekämpfte Räumungsexekution habe der Beklagte offensichtlich im bewußten gemeinsamen Zusammenwirken zwischen ihm und seiner Ehefrau erwirkt, obwohl beide verpflichtet gewesen wären, dem Kläger das Bestandobjekt zu erhalten. Aus all diesen Gründen stehe dem Beklagten nicht das Recht zu, den von ihm erwirkten Exekutionstitel (in der Klage immer unrichtig als Versäumungsurteil bezeichnet) im Exekutionswege durchzusetzen. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.

Er wendete ein, daß zwischen ihm und dem Kläger keine Rechtsbeziehungen bestünden. Die Unterfertigung des Untermietvertrages habe nur die Zustimmung zur Untervermietung erklärt, der strittige Untermietvertrag sei aber inzwischen auch unabhängig von der Beendigung der Hauptmietrechte der Dagmar I*** unwirksam geworden. Einerseits liege Nichtigkeit wegen Vereinbarung einer unzulässigen Ablöse vor, andererseits sei Dagmar I*** noch vor Vertragsbeginn zulässigerweise gemäß § 918 ABGB vom Vertrag zurückgetreten und schließlich habe sich der Kläger eigenmächtig in den Besitz der Geschäftslokale gesetzt, dort widerrechtliche Baumaßnahmen vorgenommen, bisher kein Benützungsentgelt bezahlt und auch zahlreiche andere widerrechtliche Handlungen begangen, so daß auch eine Aufhebung des Vertrages gemäß § 1118 ABGB begehrt werden könne.

Das Erstgericht wies die Widerspruchsklage als unschlüssig mit der Begründung ab, ein Untervermieter sei nicht zur Exszindierungsklage legitimiert, außer es bestünden unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem Untermieter und dem Hauptvermieter, was aber in der Klage nicht behauptet werde.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige.

Aus dem Untermietvertrag vom 9./14.12.1984 ergebe sich, daß auch der Beklagte selbst auf Kündigung verzichtet habe. Daraus könne sich ein obligatorisches Recht des Klägers gegenüber dem Beklagten ergeben, das dieser beachten müsse. Dieser Fall sei dann gegeben, wenn sich der Beklagte mit der Abgabe des Kündigungsverzichtes dazu verpflichten habe wollen, den Hauptmietvertrag mit Dagmar I*** aufrechtzuerhalten. Hier müsse daher die Absicht der Parteien erforscht werden. Das Vorbringen des Klägers könne auch dahin gedeutet werden, daß er die Auflösung des Hauptmietverhältnisses als ihm gegenüber unwirksames Scheingeschäft werte. Hier müsse auf eine Vervollständigung des Vorbringens des Klägers gedrungen werden und dann seien die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Allenfalls müßten auch Feststellungen zu den Einwendungen des Beklagten über den geltend gemachten Vertragsrücktritt bzw. die Aufhebung des Mietvertrages getroffen werden.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes oder im Sinne einer Klagszurückweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Mit Recht macht die beklagte Partei in ihrem Rekurs geltend, daß die Auslegung des Unterbestandvertrages vom 9./14.12.1984 eine Frage der rechtlichen Beurteilung darstellt, weil dieser Vertrag nicht unklar ist und die Streitteile auch nie geltend gemacht haben, daß sie in Wirklichkeit vom Inhalt des Vertrages abweichende zusätzliche sonstige Vereinbarungen getroffen hätten.

Die Auslegung dieses Unterbestandvertrages kann aber nicht im Sinne des Rechtsstandpunktes der beklagten Partei ausfallen, sondern aus der Formulierung von § 3 dieses Vertrages ergibt sich in Verbindung mit § 14 desselben zwingend, daß der Beklagte gegenüber dem Kläger ausdrücklich und unmißverständlich auch selbst auf Kündigung verzichtet hat.

Hätte nur die Hauptmieterin und Untervermieterin auf eine Aufkündigung (ausgenommen bestimmte Fälle) verzichtet und hätte der Beklagte als Hauptvermieter dies nur zur Kenntnis genommen, dann könnte man den Standpunkt vertreten, er habe damit nur der Untervermietung an sich zugestimmt.

§ 3 des Vertrages enthält aber nach der Darstellung des Kündigungsverzichtes der Hauptmieterin und Untervermieterin den zusätzlichen Satz, daß auch der Beklagte als Hauseigentümer durch die Unterfertigung des Vertrages den gleichen Verzicht abgebe. Und in § 14 des Vertrages erklärte der Beklagte als Liegenschaftseigentümer überhaupt ausdrücklich, daß er mit der Unterfertigung des Vertrages nicht nur den Vertragsinhalt zur Kenntnis nehme und genehmige, sondern bestätigte auch, daß er damit auch die ihn betreffenden Erklärungen (wie im § 3 zweiter Satz!) abgebe.

Dieser auch vom Beklagten selbst abgegebene Kündigungsverzicht kann aber nur bedeuten, daß der Beklagte sich dem Kläger gegenüber verpflichtet hat, alles zu unternehmen, die Grundlage des Untermietvertrages, nämlich das Hauptmietrecht der Untervermieterin zu erhalten. Der Beklagte durfte also im Verhältnis zum Kläger, ausgenommen die vereinbarten Fälle, weder selbst den Hauptmietvertrag aufkündigen, noch durfte er eine Aufkündigung der Hauptmieterin entgegennehmen und er durfte auch nicht, weil dies in der Wirkung dasselbe darstellt, eine einvernehmliche Auflösung des Hauptmietvertrages vereinbaren. Freilich konnte er seine vertraglichen Beziehungen zur Hauptmieterin, soweit diese nur ihn selbst und die Hauptmieterin betrafen, ändern wie er wollte. Aber gegenüber dem Kläger muß sich der Beklagte aufgrund der beschriebenen Vereinbarung mit dem Kläger so behandeln lassen, als wäre der Hauptmietvertrag noch aufrecht.

Daß einer Räumungsexekution auch nur obligatorische Rechte eines Dritten mittels einer Klage nach § 37 EO entgegengesetzt werden können, wurde vom Obersten Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (SZ 7/109, MietSlg. 2142, SZ 27/88). Voraussetzung ist nur, daß es sich im Sinne des § 568 ZPO um ein zwischen dem Unterbestandnehmer und dem Hauptbestandgeber bestehendes Rechtsverhältnis handeln muß. Nur von den Rechten des Hauptbestandnehmers abgeleitete Rechte könnten eine Exszindierungsklage naturgemäß nicht rechtfertigen. Wenn auch grundsätzlich die Beendigung des Hauptbestandverhältnisses, aus welchem Grunde immer, das Erlöschen des Unterbestandverhältnisses nach sich zieht (Würth in Rummel, Rdz 8 zu § 1112 ABGB und dort angeführte Rechtsprechung), so muß doch für den vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, daß im Falle einer solchen durch den Hauptbestandgeber abgegebenen Garantieerklärung der vorliegenden Art auch nach der Beendigung des Hauptbestandverhältnisses die Benützungsrechte des Unterbestandnehmers fortbestehen. Ob die Auflösung des Hauptbestandverhältnisses nur ein Scheingeschäft war oder nicht, muß dabei nicht untersucht werden, weil auch dann, wenn Hauptvermieter und Hauptmieter das Hauptbestandverhältnis wirklich beenden wollten, keine Räumungsverpflichtung des Klägers angenommen werden könnte. Zwar wäre der Kläger dann mangels Beendigung des Hauptbestandverhältnisses nicht mehr Untermieter im eigentlichen Sinn, wohl aber käme ihm zumindest gegenüber dem Beklagten eine Stellung ähnlich der eines Hauptmieters (beschränkt auf die Rechte aus dem ursprünglichen Untermietvertrag) zu.

Sollte hingegen der Untermietvertrag aus anderen Gründen, z.B. wegen einer unzulässigen Ablösevereinbarung an sich in seiner Gesamtheit immer schon nichtig gewesen sein oder sollte der Kläger sich in einer Weise verhalten haben, daß ein an sich gültiger Untermietvertrag im Sinne der ursprünglich getroffenen Vereinbarungen aufgekündigt werden hätte können (also dem Kläger schwere Verletzungen der Vertragsbedingungen oder ein erheblich nachteiliger Gebrauch zur Last liege) oder sollten die Voraussetzungen für einen Vertragsrücktritt nach § 918 ABGB oder eine vorzeitige Aufhebung des Untermietvertrages gemäß § 1118 ABGB vorliegen, dann wäre freilich der Beklagte nicht mehr an seine dargestellten Verpflichtungen gebunden.

Da das Erstgericht zu den diesbezüglichen Prozeßeinwendungen des Beklagten keine Feststellungen getroffen hat, hat es aus diesem Grunde bei der Aufhebung des Ersturteils zu verbleiben. Die vom Berufungsgericht angeführten weiteren Ergänzungsaufträge hinsichtlich einer näheren Erforschung des Parteiwillens und der Klärung, ob ein Scheinvertrag vorliegt oder nicht, sind jedoch entbehrlich.

Da die Erhebung des Rekurses der Klärung von Rechtsfragen dienlich war, war gemäß § 52 Abs.1 ZPO auszusprechen, daß die Kosten des Rekursverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln sind.

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