OGH 1Ob30/54

OGH1Ob30/547.4.1954

SZ 27/88

Normen

EO §37
EO §37

 

Spruch:

Auch obligatorische Rechte können, wenn sie sich gegen den betreibenden Gläubiger richten, Grundlage einer Exekutionsklage nach § 37 EO. sein.

Entscheidung vom 7. April 1954, 1 Ob 30/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Beklagten führen als betreibende Gläubiger gegen Maria M. als Verpflichtete Exekution zur Räumung der Wohnung Wien, IX., U.-Straße 8/3. Die in der Wohnung befindliche Klägerin begehrt in der vorliegenden Exszindierungsklage, daß die Exekution hinsichtlich zweier Zimmer, des Gassenkabinetts und der Nebenräume für unzulässig erklärt werde, weil sie diesen Teil der Wohnung vom neuen Hauptmieter Peter X., dem Nebenintervenienten auf Seite der Beklagten, untergemietet habe.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich des Gassenkabinetts statt und wies sie im übrigen ab. Es könne nicht als erwiesen angenommen werden, daß die Klägerin mit dem Nebenintervenienten über die ganze Wohnung mit Ausnahme des Gartenkabinetts einen Untermietvertrag geschlossen hätte. Dieser habe sich nur verpflichtet, die Klägerin auf dem von ihr bereits früher, zur Zeit der Hauptmieterin Maria M., benützten Gassenkabinett der Wohnung weiter zu belassen. Nur in diesem Umfang sei die Klage gerechtfertigt.

Infolge Berufung der Klägerin und des Nebenintervenienten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil im abweisenden Teile und änderte es im stattgebenden Teile dahin ab, daß die Klage vollständig abgewiesen wurde. Nach § 37 EO. könne die Exekution nur auf Grund dinglicher oder diesen gleichgestellter Rechte für unzulässig erklärt werden. Rein obligatorische Ansprüche seien nicht Rechtstitel der Exszindierung. Nur das Bestandrecht, das von der Rechtsprechung als ein quasi-dingliches Recht angesehen werde, mache eine Ausnahme. Dieses Recht könne nämlich gleich einem dinglichen Recht auch gegen dritte Personen geltend gemacht werden. Die Ausnahme beziehe sich aber nur auf Hauptmietrechte. Untermietrechte seien nach wie vor als bloß obligatorische Rechte anzusehen, die zur Exszindierung nicht ausreichten. In der vorliegenden Rechtssache brauche daher nicht untersucht zu werden, ob und in welchem Umfang der Klägerin Untermietrechte an der Wohnung zustunden. Der von ihr behauptete Exszindierungsgrund sei an sich ungeeignet, die Unzulässigerklärung der Exekution zu bewirken.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Institut der Exszindierungsklage beruht darauf, daß es Fälle gibt, in denen die vom betreibenden Gläubiger erwirkte Exekution über den Kreis der Rechte des Verpflichteten, auf die sich die Exekution bezieht, hinaus Wirkungen auf fremde Rechtssphären hervorrufen kann. Dies liegt daran, daß einerseits das Gesetz solche Rückwirkungen um der Erleichterung des Exekutionsverfahrens willen in Kauf nimmt oder anderseits der Vollzug der Exekution mangels Klarheit der Rechtslage in fremde Rechte eingreifen kann, wenngleich dies das Gesetz nicht für rechtmäßig erklärt. Ein Fall der ersten Art ist die Vorschrift des § 253 Abs. 1 EO., wonach die in der Gewahrsame des Verpflichteten befindlichen körperlichen Sachen gepfändet werden können. Wenn das Gesetz ausgesprochen hätte, daß nur die im Eigentum des Verpflichteten stehenden Sachen pfändbar sind, könnte es zu einem Widerstreit mit fremden Rechten von vornherein nicht leicht kommen, die Schlagkräftigkeit der Exekution wäre aber verloren, weil es vor Durchführung der Exekution zu weitwendigen Erhebungen über das Eigentum an der zu pfändenden Sache kommen müßte, ein Verfahren, das nach dem Willen des Gesetzgebers erst nach Vollzug der Exekution auf Grund der Exszindierungsklage des dritten Berechtigten durchgeführt werden soll.

Ein Fall der zweiten Art ist etwa der Vollzug der Räumungsexekution. Er hat sich nach dem Gesetz auf den Verpflichteten und auf Personen zu beschränken, die vom Verpflichteten abgeleitete Benützungsrechte besitzen (§ 568 ZPO.). Der Exekutionstitel soll aber gegen Personen, die kraft eigenen Rechts oder namens dritter Personen befugt sind, in der Liegenschaft zu bleiben, nicht wirksam sein (so auch Punkt 151 Abs. 1 des Dienstbuches für die Vollstrecker). Trotzdem ist es oft nicht vermeidbar, daß mangels geeigneter Unterlagen, die dem Vollstrecker vom berechtigten Dritten vorgewiesen werden könnten, oder mangels rechtzeitigen Nachweises des fremden Rechts die Räumungsexekution in dieses eingreift und den Dritten zwingt, mit der Exszindierungsklage die Exekution abzuwehren. Die Judikatur hat gegen die Meinung von Neumann - Lichtblau, S. 188, und mit Billigung von Walker - Jaitner, S. 130, für derartige Fälle schon frühzeitig die Exszindierungsklage zugelassen (Oberster Gerichtshof, Entscheidung vom 25. März 1925, SZ. VII/109, vom 10. Juni 1925, SZ. VII/204, vom 10. März 1926, ZBl. 331, vom 11. Oktober 1927, SZ. IX/193, vom 3. Juli 1931, SZ. XIII/157, vom 18. Feber 1948, SZ. XXI/72, vom 25. Jänner 1951, MietSlg. 2142, vgl. auch die OGH.-E. vom 4. Feber 1908, GlUNF. 4109, die die Exszindierung auch gegen eine Exekution nach § 353 EO. - Wiederherstellung einer Umzäunung - grundsätzlich zugelassen hat). Diese Ansicht wird trotz der engeren Fassung des § 771 DZPO. ("ein die Veräußerung hinderndes Recht") auch im deutschen Recht vertreten (vgl. Stein - Jonas - Schönke, Kommentar zur DZPO.[17], § 771, S. 4, Rosenberg, Lehrbuch des DZPR.[6], S. 911, 915 Nr. 4).

Rechte, die eine Exekution unzulässig machen sollen, müssen so beschaffen sein, daß sie dem betreibenden Gläubiger gegenüber wirksam sind und überdies der Exekution kraft Gesetzes entgegenstehen. Dazu gehören nicht nur absolute Rechte, wie etwa das Eigentum, das ungeachtet seiner Entstehung von jedermann respektiert werden muß und das noch von Klang, Exszindierungstypen, als der Exszindierungsfall angesehen wird. Ebenso wurde bei den Vorläufern des § 37 EO., nämlich Punkt 3 HD. vom 29. Mai 1845, JGS. 889, und § 447 Ungarisch-Siebenbürgische Zivilprozeßordnung vom 16. September 1852 (vgl. F. Schuster, Kommentar[3], S. 763) angenommen, daß nur dingliche Rechte zur Exszindierung berechtigten, wenngleich auch dort der Wortlaut ("Besitz, Eigentum oder andere Rechte") eine andere Auslegung zugelassen hätte. Im übrigen gibt es auch beim Eigentum eines Dritten am Exekutionsobjekt Fälle, in denen dieser die Exekution dulden muß (gesetzliches Pfandrecht des Bestandgebers, OGH.-E. vom 20. September 1932, SZ. XIV/167). Es können auch obligatorische Rechte bestimmter Art, insbesondere solche geltend gemacht werden, die sich gegen den betreibenden Gläubiger selbst richten. Es müßte als zulässig angesehen werden, daß der dritte Benützer der zu räumenden Wohnung sich auf einen mit dem betreibenden Gläubiger abgeschlossenen Mietvertrag beruft und diesen zum Rechtsgrund seiner Exszindierungsklage macht. Anderseits wäre es unzulässig, daß der Dritte rein obligatorische Rechte geltend macht, die er von jemandem eingeräumt erhalten hat, mit dem der betreibende Gläubiger diesbezüglich nicht in Rechtsbeziehung steht (vgl. Pleniss B. des Obersten Gerichtshofes vom 28. Oktober 1908, Jud. 186, GlUNF. 4359, OGH.-E. vom 11. Juli 1938, SZ. XX/167). Hätte der Dritte also mit einer dazu nicht befugten Person über die Wohnung einen Mietvertrag geschlossen, könnte er diesen dem Hauseigentümer, der gegen den bisherigen Mieter die Räumungsexekution betreibt, nicht entgegensetzen.

Der Untermieter, die vom Verpflichteten in der Räumungsexekution seine Benützungsrechte ableitet, ist zur Exszindierung nicht befugt, wenn sein Hauptmieter die Wohnung zu räumen hat. Er müßte aber zur Widerspruchsklage befugt angesehen werden, wenn etwa der Hauptmieter als betreibenden Gläubiger gegen den bisherigen Untermieter Räumungsexekution führt und der neue Untermieter, der sich in der Wohnung befindet, geltend machen kann, daß er mit dem betreibenden Gläubiger einen Untermietvertrag geschlossen habe. Hier wird das Exszindierungsrecht nicht auf das Verdinglichte Bestandrecht gestützt, wie das Berufungsgericht mit Neumann - Lichtblau, aaO., und der OGH.-E. vom 25. Jänner 1951, MietSlg. 2142, annimmt. Denn einerseits hat der Untermieter nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dieses Recht nicht. Anderseits muß aber der Hauptmieter das Untermietrecht nicht etwa deshalb anerkennen, weil es als absolutes Recht gegen jedermann wirke, sondern weil er im Verhältnis zum klagenden Untermieter vertraglich gebunden ist und aus diesem Grund zu bewirken hat, daß die Exekution nicht auch den Vertragspartner treffe (sowohl auch Klang, Kommentar zum ABGB.[2], V, S. 25, Punkt 4 c am Ende).

Im vorliegenden Fall meint die Revisionswerberin, daß sie ein vom Hauptmieter abgeleitetes Recht geltend mache, das die Beklagten als betreibende Parteien zu respektieren hätten. Denn der Hauptmietvertrag der Beklagten mit dem Nebenintervenienten sei aufrecht und ihr eigener Untermietvertrag mit dem Nebenintervenienten sei von diesem Hauptmietvertrag abhängig. Die Revisionswerberin übersieht, daß ihr Recht ausschließlich nur auf den Nebenintervenienten zurückgeht und daß ihr gegen die Beklagten weder ein dingliches noch ein obligatorisches Recht zusteht (vgl. OGH.-E. vom 22. September 1951, SpR. 31 neu, SZ. XXIV/238). Die Revisionswerberin könnte nur dann mit Erfolg exszindieren, wenn sie sich direkt auf das Recht des Nebenintervenienten aus seinem Hauptmietvertrag mit den Beklagten stützen könnte. Dies wäre der Fall, wenn sie unmittelbar auf Grund des Hauptmietrechtes die Wohnung benützte. Denn dann müßten die Beklagten auf Grund ihrer vertraglichen Bindung anerkennen, daß die Klägerin ebenso wie der Nebenintervenient das Recht hat, in der Wohnung zu bleiben. So aber verweigerte ihr der Nebenintervenient dieses Recht, indem er sich auf der Seite der Beklagten am Rechtsstreit beteiligte und dadurch zu erkennen gab, daß er die Berufung der Klägerin auf sein Mietrecht ablehne. Wenn der Klägerin aber nur das vom Nebenintervenienten ohne Beteiligung der Beklagten abgeleitete Untermietrecht zusteht, muß dieses Recht, das die Beklagten nicht bindet, als zur Exszindierung ungeeignet angesehen werden. Die Klägerin könnte sich mit ihrem angeblichen Recht, die Wohnung zu benützen, nur an ihren Vertragspartner, den Nebenintervenienten, halten.

Weiterer Feststellungen bedurfte es aus rechtlichen Gründen nicht. Das Berufungsgericht ist vielmehr im Ergebnis mit Recht zur Überzeugung gekommen, daß die Klage schon nach deren Inhalt selbst abgewiesen werden muß.

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