OGH 7Ob629/86

OGH7Ob629/8611.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und durch die Hofräte Prof.Dr.Friedl, Dr.Wurz und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hertha S***, Geschäftsfrau, Salzburg, Linzergasse 8, vertreten durch Dr. Othmar Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Gert L***, Arzt, Salzburg, Dreifaltigkeitsgasse 3, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 3.April 1986, GZ 32 R 331/85-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 26.Juni 1985, GZ 14 C 2926/83-11, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.309,50 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 480 S Barauslagen und 257 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Zugunsten der Klägerin ist ob dem im Eigentum der Ehegatten B*** stehenden Seegrundstück Nr. 1526/8 der EZ 64

KG Henndorf bücherlich ein Bestandrecht einverleibt. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß zwischen ihr, als Hauptmieterin dieses Grundstückes und dem Beklagten kein Unterbestandverhältnis bestehe. Sie behauptet, der Beklagte benütze dieses Grundstück ohne Rechtstitel. Er leite sein Benützungsrecht zwar von einer Martha S*** und einem Dr. A*** ab, doch sei es mit keinem der beiden zum rechtswirksamen Abschluß eines Untermietvertrages gekommen.

Der Beklagte wendete ein, Martha S*** habe das Grundstück von der Klägerin gemietet und ihre Mietrechte zulässigerweise an Dr. A*** zediert, der sie seinerseits, ebenfalls zulässigerweise, an den Beklagten abgetreten habe. Hievon sei die Klägerin in Kenntnis gesetzt worden.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne gegen den Beklagten eine Räumungsklage, demnach eine Leistungsklage einbringen, weshalb kein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Unterbestandverhältnisses gegeben sei. Es traf hiebei Feststellungen, von denen nur kurz folgende hervorgehoben seien:

Auf dem strittigen Grundstück befindet sich ein in den Kriegsjahren errichtetes Wochenendhaus. Dieses wurde sowohl von Martha S*** als auch von der Familie A*** benützt. Weitere Benützer des Grundstückes, nicht jedoch des Wochenendhauses, waren die Klägerin und deren Ehegatte. Als die Grundeigentümer B*** ein Interesse daran zeigten, daß lediglich mit einer einzigen Person ein Mietverhältnis bestehe, einigte man sich dahin, daß zwischen den Grundeigentümern und der Klägerin ein Hauptmietvertrag abgeschlossen werde, die Klägerin jedoch zu denselben Bedingungen, wie sie in den Hauptmietvertrag aufgenommen waren, einen Teil des Grundstückes, nämlich den nunmehr streitgegenständlichen Grundstücksteil, an Martha S*** in Unterbestand weitergibt. Am 6.Juli 1976 wurde zwischen der Klägerin und den Ehegatten Johann und Elisabeth B*** ein Bestandvertrag unterschrieben. Es wurde vereinbart, daß das Bestandobjekt Bade- und Erholungszwecken der Klägerin, ihrer Familienangehörigen und Besuchern sowie der Untermieterin Martha S*** und deren Familienangehörigen und Besuchern dient. Es wurde weiters festgestellt, daß die südöstliche Hälfte des Bestandobjektes an Martha S*** untervermietet ist. Die Mieterin verpflichtete sich, sämtliche Bedingungen dieses Vertrages, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Zinszahlung, an die Untermieterin und deren Rechtsnachfolger zu überbinden und für die Einhaltung der Vertragsbestimmungen durch die Untermieterin und deren Rechtsnachfolger Sorge zu tragen. Eine Untervermietung, mit Ausnahme an Martha S*** und deren Rechtsnachfolger, sowie eine Weitergabe des Bestandobjektes an dritte Personen wurde untersagt. Ferner wurde festgehalten, daß der Vertrag beiderseits auf die Rechtsnachfolger übergeht.

In der Folge entwickelte sich eine Korrespondenz zwischen Martha S*** und dem Gatten der Klägerin. Es kam schließlich zu einer einvernehmlichen Regelung bezüglich der Benützung des Grundstückteiles durch die Ehegatten S***.

Ab 1977 wurde das Grundstück mit dem Wochenendhaus von Dr. Gerhard A*** und seiner Familie mehr benützt als von Martha S*** und deren Familie. Martha S*** verständigte die Klägerin davon, daß Dr. A*** alle Angelegenheiten betreffend das Grundstück übernehme. Tatsächlich bezahlte Dr. A*** den Mietzins für das Jahr 1978 im Namen der Martha S***. 1978 bot Martha S*** Dr. A*** an, den Untermietvertrag und das auf dem Grundstück stehende Wochenendhaus zu übernehmen. Die beiden einigten sich über einen bestimmten Preis. Gegenüber der Feuerversicherung und der S*** kam es zu einer Ummeldung auf Dr. A***. Ab diesem Zeitpunkt überwies Dr. A*** den Untermietzins an die Klägerin ohne den Zusatz "von Frau Martha S***". Gesprächsweise äußerste sich Dr. A*** gegenüber dem Ehegatten der Klägerin dahin, daß er nun das Grundstück übernommen habe, jedoch ohnedies alles beim Alten bleibe.

Nach dem Tode der Martha S*** im Jahre 1978 wurde zwischen der Klägerin und deren Ehegatten einerseits und Dr. A*** andererseits nicht mehr darüber gesprochen, ob Dr. A*** im eigenen Namen oder ob er als Bevollmächtigter des Untermieters auftrete.

In den folgenden Jahren benützte Dr. A*** das Grundstück immer weniger, weshalb er damit einverstanden war, daß nunmehr der Beklagte das Grundstück übernimmt. Er machte den Beklagten darauf aufmerksam, daß rechtlich alles abgeklärt werden solle. Beide verständigten die Eheleute B*** von ihren Vereinbarungen. Die Eheleute B*** nahmen zur Kenntnis, daß der Beklagte als Rechtsnachfolger nach Martha S*** im Sinne des Mietvertrages vom 6. Juli 1976 gilt.

In der Folge unterfertigte Dr. A*** eine Empfangsbestätigung über 120.000 S, die er vom Beklagten erhalten hatte. Er bestätigte die Überlassung des Wochenendhauses samt den Mietrechten an der Grundparzelle an den Beklagten. Schließlich verständigte er den Ehegatten der Klägerin von dem Verkauf der Seehütte an den Beklagten. Die Klägerin reagierte mit der Absendung einer Kündigung vom 29.Dezember 1982 an Dr. A*** und einer weiteren Kündigung vom selben Tag an den Beklagten.

Aus dem Akt ergibt sich zusätzlich, daß der Beklagte gegen die Kündigung zu C 65/83 des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg Einwendungen erhoben und die Klägerin auf Grund dieser Einwendungen die Kündigung in der Tagsatzung vom 9.Mai 1983 zurückgezogen hat. Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf, wobei es die Rechtsansicht vertrat, die vom Erstgericht erwähnte Räumungsklage sei deshalb im vorliegenden Fall nicht möglich, weil der Beklagte sein Benützungsrecht von anderen Personen ableite, in welchem Falle er nicht unmittelbar auf Räumung geklagt werden könne. Im übrigen bestehe grundsätzlich ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Dauerschuldverhältnisses. Es müsse daher der behauptete Anspruch der Klägerin bzw. des Beklagten geprüft werden, was eine Abführung der weiteren beantragten Beweise erfordere.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Richtig ist allerdings, daß die Zulässigkeit einer Räumungsklage gegen den Beklagten nicht unter Hinweis darauf abgelehnt werden könnte, daß dieser sein Benützungsrecht von anderen Personen ableitet. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist nach der ständigen Rechtsprechung (siehe die in der Entscheidung des Berufungsgerichtes zitierte Judikatur) die Räumungsklage bei titelloser Benützung gegen eine Person unzulässig, wenn diese ihr Recht von einem ungekündigten Mieter oder dessen ungekündigter Verlassenschaft ableitet. Maßgebend für die Beurteilung einer solchen Räumungsklage ist jedoch immer das Klagsvorbringen. Nur wenn sich aus diesem Vorbringen ergibt, daß derjenige, von dem die Räumung eines Objektes wegen titelloser Benützung begehrt wird, seine Rechte von einem Mieter ableitet, kann das Räumungsbegehren schon aus diesem Grunde abgewiesen werden. Behauptet jedoch der Kläger, daß derjenige, von dem der Beklagte seine angeblichen Rechte ableitet, überhaupt kein Benützungsrecht gehabt hätte, so steht die Einwendung des Beklagten einer sachlichen Behandlung des Räumungsbegehrens nicht im Wege.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz behauptet, es sei nicht einmal mit Martha S*** zum rechtswirksamen Abschluß eines Unterbestandvertrages gekommen. Demnach leite der Beklagte sein Benützungsrecht nicht von einer Person ab, der vertraglich ein Recht zur Benützung des Grundstückes zugestanden worden wäre. Wäre diese Behauptung richtig, so könnte die Klägerin mit Erfolg eine Räumungsklage gegen den Beklagten einbringen. Wenn daher die Möglichkeit einer solchen Räumungsklage grundsätzlich die Feststellungsklage auf Nichtbestehen eines Bestandverhältnisses ausschließen würde, wäre hier dieser Ausschließungsgrund gegeben.

Mit Recht ist allerdings das Berufungsgericht nicht der Rechtsansicht des Erstgerichtes beigetreten, die Möglichkeit der Einbringung einer Räumungsklage schließe eine Feststellungsklage der vorliegenden Art grundsätzlich aus. Hiebei muß auf die außergerichtliche Kündigung des Beklagten durch die Klägerin deshalb nicht eingegangen werden, weil sich bereits aus der Klage ergibt, daß die Klägerin diese Kündigung als Irrtum auffaßte und sie von diesem Standpunkt ausgehend die richtige Konsequenz insofern gezogen hat, als sie die außergerichtliche Kündigung auf Grund von Einwendungen des Beklagten zurückzog.

Richtig ist, daß nach § 228 ZPO eine Feststellungsklage das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses voraussetzt. Es dürfen keine anderen oder nur wesentlich unökonomischere Mittel zur Abwehr der Rechtsbeeinträchtigung zur Verfügung stehen ("Subsidiarität" der Feststellungsklage, prozeßökonomische Schranke der Zulässigkeit). Dabei ist stets zu untersuchen, welches von mehreren zur Verfügung stehenden Abhilfemittel bezüglich desselben Anspruches die weitergehende Bereinigungswirkung hat. Diesem gebührt der Vorzug (Fasching Zivilprozeßrecht Rdz 1101). Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließt eine Feststellungsklage nur dann aus, wenn das mögliche Leistungsbegehren alles das bietet, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird (Fasching III, 69). Das rechtliche Interesse an der Feststellung, daß ein Recht nicht bestehe, ist gegeben, wenn der Bestand eines Rechtes ernstlich behauptet wird, so daß eine tatsächliche Ungewißheit und Unsicherheit besteht (RZ 1984/80 u.a.). Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (SZ 40/3, SZ 39/92 u.a.). Dem Erstgericht ist zuzugeben, daß die Klägerin ihr Ziel, das Nichtbestehen eines Bestandrechtes des Beklagten an dem Grundstück klarzustellen, auch unter Umständen durch die Einbringung einer Räumungsklage erreichen könnte. Hiebei darf jedoch nicht übersehen werden, daß das Ergebnis einer Räumungsklage sich nicht unbedingt mit dem Ergebnis einer negativen Feststellungsklage decken muß. Es kann ohne weiters sein, daß ein Kläger gegen die tatsächliche Benützung eines Objektes durch den Beklagten nichts einzuwenden hat, jedoch ein Bestandrecht als Benützungstitel bestreitet. Diesfalls hat er ein rechtliches Interesse an der Klarstellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines entsprechenden Vertragsverhältnisses. Würde man ihn zwingen, die Abklärung dieser Frage mittels einer Räumungsklage vorzunehmen, so würde man von ihm verlangen, ein Ziel anzustreben, das er gar nicht im Auge gehabt hat. Am rechtlichen Interesse im Sinne des § 228 ZPO fehlt es daher nicht, wenn der Kläger zwar auf Räumung hätte klagen können, er aber zunächst nur sicherstellen will, daß dem Beklagten kein derart weitreichendes Recht zusteht, während er den Beklagten, z.B. auf prekaristischer Basis, unter Umständen noch längere Zeit auf dem Objekt belassen will. Der Zweck der negativen Feststellungsklage ist es, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung der Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben, wobei das Feststellungsinteresse zu bejahen ist, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Rechtsstreitigkeiten verhindert werden können (MietSlg. 29.618, 3 Ob 580/81 u.a.).

Im Ergebnis hat daher das Berufungsgericht richtig erkannt, daß die Zulässigkeit des klägerischen Feststellungsbegehrens nicht an der grundsätzlichen Möglichkeit der Einbringung einer Räumungsklage scheitert. Es müssen vielmehr die Behauptungen der Klägerin geprüft werden. Diesbezüglich hat das Erstgericht nicht sämtliche Beweise aufgenommen. Wenn daher das Berufungsgericht das Verfahren in diesem Punkte als ergänzungsbedürftig erachtet, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß die Frage des Eigentumsrechtes an dem auf dem Grundstück befindlichen Haus für die vorliegende Entscheidung kaum eine Rolle spielen wird. Handelt es sich bei diesem Gebäude um ein Haus, das in der Absicht aufgeführt würde, stets auf dem Grundstück zu verbleiben, so ist es Zubehör des Grundstückes (§ 297 ABGB), weshalb daran kein gesondertes Eigentum erworben werden kann. Handelt es sich hingegen um ein Superädifikat, so könnte zwar daran selbständiges Eigentum erworben werden, doch würde dies für die Beurteilung des Vorliegens eines Benützungsrechtes am Grundstück nur dann eine Rolle spielen, wenn eine Vereinbarung dahin vorliege, daß der Eigentümer des Gebäudes von der Vermieterin schlechthin als Untermieter anerkannt werde. Andernfalls würde das Eigentum an dem Haus ebensowenig ein Bestandrecht begründen, wie die Einbringung anderer beweglicher Sachen auf ein Grundstück durch eine Person, die das Grundstück zu benützen wünscht. Mangels Vorliegens einer Vereinbarung dahin, daß der jeweilige Eigentümer des Hauses Untermieter sein solle, würde sich demnach eine Ausdehnung des Verfahrens auf die Frage, in wessen Eigentum das Haus steht, erübrigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte