Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien schlossen am 3. Juni 1972 die Ehe, aus der vier Kinder stammen, und zwar die am 13. April 1972 geborene Regina, der am 31. Mai 1973 geborene Karl, der am 5. Juli 1974 geborene Christian und die am 11. Dezember 1976 geborene Martina. Die Streitteile bewohnten den im Eigentum des Beklagten stehenden Bauernhof, der schwer zu bewirtschaften war, weil keine Zufahrtswege vorhanden waren und der Bauernhof auf Grund seiner Größe von etwa 11 ha nur als Nebenerwerbslandwirtschaft geeignet war. Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen des Beklagten und brachte im wesentlichen vor, der Beklagte sei trunksüchtig, habe die Klägerin schon öfters mißhandelt und für die Familie nie Unterhalt geleistet.
Der Beklagte trat dem Scheidungsbegehren entgegen und beantragte für den Fall der Ehescheidung, das überwiegende Verschulden der Klägerin auszusprechen, die in der Landwirtschaft nicht ordentlich mitgearbeitet habe, häufig abwesend gewesen sei und ehebrecherische Beziehungen zu anderen Männern unterhalte.
Das Erstgericht schied die Ehe aus beiderseitigem Verschulden.
Es ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
In den ersten Jahren der Ehe hatte der Beklagte verschiedene Arbeitsverhältnisse, seit 1977 betreute er aber nur mehr die eigene Landwirtschaft, und zwar einerseits deshalb, weil er kein gutes Verhältnis zu Arbeitskollegen hatte und ihm der Lohn zu gering schien, andererseits, weil er der Meinung war, die Landwirtschaft werde bei ordnungsgemäßer Führung genug abwerfen, um davon leben zu können. Die finanziellen Probleme der Landwirtschaft waren in erster Linie darauf zurückzuführen, daß der Beklagte durch Maschinenankäufe den finanziellen Rahmen überschritt. Ein weiterer Grund für die Schwierigkeiten war aber auch, daß die Klägerin viel bei ihren Eltern war und oft auch bei ihren Patenleuten mithalf, obwohl am eigenen Anwesen genug zu tun gewesen wäre. Die schlechte finanzielle Lage rührte auch daher, daß die Streitteile nicht richtig zusammenarbeiteten und daß sie überdies nicht gut zu wirtschaften verstanden. Parallel zu den immer größer werdenden finanziellen Problemen verschlechterte sich, insbesondere ab dem Jahr 1980, das Verhältnis der Streitteile zueinander. Gründe für Streitigkeiten, die meist vom Beklagten begonnen wurden, waren anfangs der uneheliche Sohn der Klägerin, den der Beklagte nicht gemeinsam mit der Klägerin in den Haushalt aufgenommen hatte, aber auch der mangelnde Arbeitseinsatz der Klägerin am eigenen Anwesen, der Alkoholkonsum des Beklagten und die Frage, ob er nicht doch eine Arbeit annehmen solle, um die finanzielle Not zu lindern. Nach diesen häufigen Streitigkeiten verließ die Klägerin den Hof für einige Zeit und ging entweder zu ihren Eltern, zu den Großeltern oder zu ihren Patenleuten, kehrte aber wegen der Kinder immer wieder zum Beklagten zurück. Es gab im Lauf der Jahre auch immer wieder Auseinandersetzungen, wenn die Klägerin anderer Meinung war als der Beklagte. Die Art des Beklagten, wie er seine Frau, die nun auf Grund der immer häufigeren Streitigkeiten immer öfter von zu Hause fort war, zur Arbeit anzuhalten versuchte, wurde mit Verschlechterung der finanziellen Lage immer ärger. So mußte sie, nachdem sie sich beim Obstpflücken einen doppelten Armbruch zugezogen hatte, bereits am nächsten Tag wieder in der Landwirtschaft arbeiten oder trotz einer fiebrigen Grippe und vom Arzt verordneter Bettruhe in der Landwirtschaft mithelfen. Arbeiten wie Waschen sollte sie in der Nacht machen, um tagsüber mithelfen zu können. Der Beklagte sprach immer mehr dem Alkohol zu. Er stand öfters bereits um 3 Uhr morgens auf, um Tee mit Schnaps zu trinken. Im alkoholisierten Zustand konnte er dann, wenn überhaupt, die zur Bewirtschaftung des Anwesens nötigen Arbeiten nicht ordentlich verrichten. Neben der Häufigkeit der Streitigkeiten nahm auch deren Intensität im Lauf der Jahre zu. Zwar hatte der Beklagte seine Frau auch schon am Anfang der Ehe geschlagen, doch blieb es zu diesem Zeitpunkt noch bei relativ glimpflichen Folgen. Ab 1980 jedoch rührten von den Mißhandlungen auch erhebliche Verletzungen der Klägerin her. So brach er der Klägerin 1982 das Endglied des kleinen Fingers, als sie sich vor seinen Schlägen zu schützen versuchte. Aber auch von Seite der Klägerin wurden die Auseinandersetzungen immer heftiger geführt, so fügte sie dem Beklagten 1980 im Zuge einer Auseinandersetzung eine blutende Kopfwunde durch einen Schlag mit dem Besen zu. Während der Beklagte zur Bewältigung der Schwierigkeiten Zuflucht im Alkohol suchte, nahm die Klägerin vorerst Kontakt zu den Nachbarn, später aber auch zu anderen Männern auf. Bereits im Jahr 1975 kam es zum Austausch von Zärtlichkeiten mit Franz P***, der die Klägerin von Jugend auf kannte und der von den Streitteilen Most und Eier bezog und daher häufig in deren Anwesen war. 1981 begann die Klägerin ein Verhältnis mit Florian H***, der drei Monate lang bei den Streitteilen wohnte, die zu diesem Zeitpunkte bereits getrennte Schlafzimmer hatten. Nach dem Einsturz des Wirtschaftsgebäudes 1982 halfen Leopold B*** und Johann GROßE*** bei der Wiedererrichtung mit. Während Kontakte der Klägerin zu B***, die auch zu Intimitäten geführt hatten, nach Beendigung der Arbeiten wieder aufhörten, entwickelte sich zwischen den Streitteilen und GROßE*** eine Art Nachbarschaftshilfe, in deren Verlauf abwechselnd einander geholfen wurde. Nachdem sich die Lage zwischen den Streitteilen im Verlauf des Jahres 1984 wieder verschärft hatte - so drohte der Beklagte mit Schlägen, als die Klägerin ihm kein Geld für Anschaffungen gab und keine Rechenschaft über den Verbrauch der Kinderbeihilfe abgeben konnte - suchte die verzweifelte Klägerin Trost bei Johann GROßE***, der auf ihre Probleme einging und ihr zu helfen versuchte. Allmählich entwickelte sich zwischen den beiden ein näheres Verhältnis, in dessen Verlauf die Klägerin anfangs öfters spät nachts nach Hause gekommen war, später auch mindestens einmal bei GROßE*** übernachtete. Dieses Verhältnis stellte neuerlich einen Grund für Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen dar. Während die Klägerin bis dahin immer wieder zum Beklagten zurückkehrte, in der Hoffnung, daß er sich bessern würde, kam es schließlich im Herbst 1984 zum Auszug der Klägerin aus dem gemeinsamen Wohnhaus. Ausschlaggebend dafür war ein Vorfall vom 1. September 1984, bei dem der Beklagte heftig auf die Klägerin einschlug. Der Gemeindearzt stellte eine Prellung am rechten Oberbauch und eine durch einen Faustschlag des Beklagten verursachte Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des Leberbettes fest. Aus Angst vor weiteren Mißhandlungen zog die Klägerin mit ihren Kindern zu GROßE***. Während der Ehe hatte sie nie Geld vom Beklagten erhalten, da er sämtliche Einnahmen für Maschinenkäufe und Reparaturen verbrauchte. Bis 1973 erhielt die Klägerin Karenzgeld, später war sie lediglich auf die Familienbeihilfe und Geld, das sie von ihren Eltern erhielt, zur Bestreitung des Unterhaltes der Familie angewiesen. Der Beklagte verlangte jedoch oft auch die Familienbeihilfe, um Maschinen kaufen zu können. So erhielt er 1978 von der Klägerin S 12.000,- für einen Brennholzspalter und verwendete S 7.000, die die Klägerin "von der Bergbauernaktion und der Landesregierung für die Kinder" erhalten hatte, ebenfalls für den Ankauf von Maschinen. Konnte die Klägerin keine Abrechnung für den Verbrauch der Familienbeihilfe vorlegen, kam es zu Streitigkeiten.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht dessen Sachverhalt dahin, den Beklagten treffe wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums, der rüden, geradezu brutalen Behandlung der Klägerin sowie deren Beschimpfungen und Mißhandlungen die Schuld an der Zerrüttung der Ehe. Aber auch die Beklagte trage durch ihre häufige Abwesenheit, dadurch, daß sie bei anderen mitgearbeitet habe, obwohl in der eigenen Landwirtschaft genug zu tun gewesen wäre, und durch ihre ehebrecherischen Beziehungen zu anderen Männern, die Ausgangspunkt neuer Streitigkeiten gewesen seien, eine Mitschuld an der Zerrüttung der Ehe. Die Ehe sei daher aus gleichteiligem Verschulden zu scheiden gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, für die Verschuldensabwägung sei das gesamte Verhalten der Ehegatten maßgebend. Es komme auch dann auf den Gesamtzusammenhang an, wenn einem Teil ein Ehebruch zur Last liege. Selbst ein solcher müsse gegenüber den Verfehlungen des anderen Gatten nicht den Ausschlag geben. Ein überwiegendes Verschulden sei nur auszusprechen, wenn die Schuld des einen Gatten erheblich schwerer sei und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund trete. Dieser Unterschied müsse augenscheinlich hervortreten. Den Beklagten treffe durch seinen übermäßigen Alkoholkonsum, die mangelnde Unterhaltsleistung, die rüde, geradezu brutale Behandlung seiner Frau sowie durch die Beschimpfungen und Mißhandlungen ein erhebliches Verschulden an der Zerrüttung der Ehe. Allerdings habe auch die Klägerin durch ihre häufige Abwesenheit, obwohl in der eigenen Landwirtschaft zu tun gewesen wäre und ihre ehebrecherischen Beziehungen zu anderen Männern ein erhebliches Verschulden an der Zerrüttung zu verantworten. Ein deutliches Überwiegen des Verschuldens eines der Streitteile an der Zerrüttung der Ehe liege nicht vor.
Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision. Er macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben oder die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin zu scheiden.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber führt aus, die Klägerin habe schon vor Beginn der finanziellen Schwierigkeiten, nämlich bereits 1975, Zärtlichkeiten mit einem anderen Mann ausgetauscht, mag es dabei auch zu keinem Geschlechtsverkehr gekommen sein. Bei einer Landwirtin wie der Klägerin sei auch als besonders schweres Fehlverhalten zu werten, wenn sie häufig vom Hof abwesend ist, obwohl genug zu arbeiten gewesen wäre. Daher sei es verständlich, daß der Beklagte selbst Eheverfehlungen gesetzt habe, so daß es zu Streitigkeiten gekommen sei. Betrachte man die Eheverfehlungen in ihrem Gesamtzusammenhang, erweise sich, daß die Klägerin durch ihr ehewidriges Verhalten bereits 1975, (also zu einer Zeit, zu der sich das Verhältnis der Streitteile noch nicht gravierend verschlechtert gehabt habe, sowie durch ihre häufige Abwesenheit vom Hof) so schwerwiegende Eheverfehlungen gesetzt habe, daß ihr die sittliche Berechtigung fehle, wegen der nach dem Milieu der Streitteile nicht unverständlichen Verfehlungen des Beklagten die Scheidung der Ehe zu begehren. Der Beklagte beweise seinen guten Willen insbesondere dadurch, daß er nach wie vor an der Ehe festhalte. Möge der Beklagte auch Eheverfehlungen gesetzt haben, so komme diesen doch wesentlich geringeres Gewicht zu als den Verfehlungen der Beklagten.
Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der im § 60 Abs 2 EheG normierten Verschuldensabwägung auf das gesamte Verhalten der Ehegatten in seinem Zusammenhang an
(Efslg 46.231 uva). Maßgebend ist nicht nur der Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Eheverfehlungen, sondern auch, wie weit diese einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (Efslg 46.235 uva). Daß die Ehe dadurch zerrüttet wurde, daß die Klägerin im Jahre 1975 mit einem anderen Mann Zärtlichkeiten austauschte und daß dieser Vorfall Ursache für die in den späteren Jahren stattgefundenen Streitigkeiten war, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Die Streitigkeiten zwischen den Eheleuten hatten jedenfalls zunächst andere Ursachen als ehewidrige Beziehungen der Klägerin zu anderen Männern. Soweit der vor der Ehe geborene Sohn der Klägerin Ursache der Streitigkeiten war, ergibt sich aus den Feststellungen nicht, ob und welchem Teil ein Verschulden hieran anzulasten wäre. Die auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zurückzuführenden Auseinandersetzungen müssen beiden Teilen zum Vorwurf gemacht werden, weil es die Klägerin unterließ, ihre Arbeitskraft im eigenen Anwesen entsprechend einzusetzen, der Beklagte aber keine andere Beschäftigung annahm, obwohl die Landwirtschaft wegen ihrer geringen Größe nur als Nebenerwerbslandwirtschaft geeignet war. Dem Beklagten ist auch anzulasten, daß er für die Familie kein Geld zur Verfügung stellte und bestrebt war, sogar die Familienbeihilfe und andere, für die Kinder bestimmte Zuwendungen teilweise für andere Zwecke zu verwenden. Soweit Streitigkeiten darauf zurückzuführen waren, daß die Klägerin dem Beklagten von der Familienbeihilfe nichts zur Verfügung stellen wollte, fallen sie jedenfalls dem Beklagten zur Last. Schwer ins Gewicht fällt auch dessen übermäßiger Alkoholkonsum. Berücksichtigt man überdies, daß der Beklagte die Klägerin schon seit dem Beginn der Ehe schlug und sie mehrmals verletzte, während nur ein Vorfall festgestellt wurde, bei dem die Klägerin den Beklagten mißhandelte, dann ergibt sich, daß dem Beklagten ein Gesamtverhalten anzulasten ist, das im erheblichen Maße zur Ehezerrüttung beitrug. Der Klägerin fallen, abgesehen davon, daß auch ihr die Streitigkeiten teilweise zum Vorwurf gemacht werden müssen, und sie ihre Arbeitskraft in der Landwirtschaft trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht entsprechend einsetzte, insbesondere ihre ehewidrigen und ehebrecherischen Beziehungen zu anderen Männern zur Last. Diese reichen aber für einen Ausspruch, daß ihr Verschulden überwiege, nicht aus. Ein derartiger Ausspruch hätte gemäß § 60 Abs 2 EheG zur Voraussetzung, daß das Verschulden eines Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen ist. Der Unterschied muß augenscheinlich hervortreten (46.243 uva), was hier unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Streitteile nicht der Fall ist. Die durch das Milieu in keiner Weise entschuldbaren Verfehlungen des Beklagten sind so schwerwiegend und haben derart wesentlich zur Zerrüttung der Ehe beigetragen, daß auch die ehewidrigen und ehebrecherischen Beziehungen der Klägerin zu anderen Männern nicht zum Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin führen können. Daß eine Anwendung des zweiten Satzes des § 49 EheG im Hinblick auf die Schwere der Eheverfehlungen des Beklagten nicht in Betracht kommt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Ersatz für die von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung verzeichneten Gerichtskostenmarken war nicht zuzusprechen, weil diese wegen der gewährten Verfahrenshilfe nicht hätten beigebracht werden müssen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)