OGH 10Os85/86

OGH10Os85/862.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Gottlieb L***-T*** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs 1, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.April 1986, GZ 9 d Vr 836/86-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Krause, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gottlieb L***-T*** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs 1, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 18. Dezember 1985 in Wien fremde bewegliche Sachen, und zwar ein Diktiergerät sowie weiteres verwertbares Diebsgut und Bargeld, Berechtigten der I***-W***-P***-Ges.m.b.H. durch

Einbruch in deren Geschäftslokal mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchte, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und b sowie 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Zur Verfahrensrüge (Z 4) gegen das Unterbleiben einer Einvernahme des als Zeugen geladenen (und erschienenen) Meldungslegers, auf die der Verteidiger nicht verzichtet habe, ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert, weil er einen dazu vorauszusetzenden Vernehmungsantrag in der Hauptverhandlung nicht gestellt hat, und auch das übrige Beschwerdevorbringen ist nicht zielführend.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte ursprünglich in das benachbarte Gasthaus einbrechen wollte, um dort verwertbare Sachen und vor allem Geld zu stehlen, bei der Ausführung seines Vorhabens aber ein Fenster zum Geschäftslokal einschlug, den Irrtum sogleich bemerkte, trotzdem einstieg und nunmehr in diesem Lokal (erfolglos) nach Bargeld suchte, in der Folge auf das Eintreffen der Polizei aufmerksam wurde, das Diktiergerät an sich nahm und durch ein anderes Fenster zu flüchten versuchte, jedoch sofort nach dem Verlassen des Tatorts festgenommen wurde. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, er habe die Verwechslung des Fensters erst nach dem Einsteigen festgestellt, im Geschäftslokal nichts stehlen wollen und deswegen den Tatort verlassen, wobei er sich selbst nicht erklären könne, warum er das Diktiergerät mitgenommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Davon ausgehend reklamiert er mit Bezug auf sein - darnach allein verpöntes (ursprüngliches) - Vorhaben, in das Gasthaus einzubrechen, (Z 9 lit a) eine absolute Untauglichkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) in Ansehung der Art der Handlung und des Gegenstands, an dem dieser begangen wurde, allenfalls (Z 9 lit b) einen freiwilligen Rücktritt davon (§ 16 Abs 1 StGB) und letztlich (Z 10) einen Rechtsirrtum bei der Beurteilung der Tat als Diebstahlsversuch anstatt bloß als Sachbeschädigung (§ 125 StGB). Alle solcherart ausgeführten Rechtsrügen lassen demnach eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen, weil sie nach dem zuvor Gesagten mit den Prämissen, der Angeklagte habe (die Verwechslung des Tatorts erst nach dem Einsteigen bemerkt und) im Geschäftslokal nichts stehlen wollen sowie letzteres eben deswegen verlassen, nicht - wie zur Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe erforderlich wäre - auf den festgestellten Urteilssachverhalt abgestellt sind; das gilt auch für jene Einwände des Beschwerdeführers, mit denen er dem Schöffengericht in bezug auf das angebliche Fehlen seines (späteren) Vorsatzes, den geplanten Diebstahl nunmehr aus dem Geschäftslokal zu begehen, die Unterlassung der "wesentlichen" und "erforderlichen" Konstatierungen vorwirft: wird doch damit nicht etwa behauptet, daß aus irriger Rechtsansicht zu entscheidungswesentlichen Tatfragen keine Feststellungen getroffen worden seien, sondern vielmehr nach Art einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise gegen ohnehin vorliegende, jedoch seinem Standpunkt zuwiderlaufende Tatsachenannahmen remonstriert. Eine materiellrechtliche Erörterung dieser Rechtsrügen ist dementsprechend entbehrlich, weil sie sich durchwegs auf einen urteilsfremden Sachverhalt beziehen. Die Mängelrüge (Z 5) aber, mit der die Konstatierung bekämpft wird, daß der Angeklagte die Verwechslung des Tatorts beim Einsteigen schon erkannt hatte, geht - abgesehen von der Frage nach ihrer rechtlichen und (mit Bezug auf die tatsächliche Wegnahme des Diktiergeräts auch) faktische Tragweite (jedenfalls) - fehl. Denn entgegen dem Beschwerdevorbringen hat er weder in der Hauptverhandlung (S 64 f) noch bei den sicherheitsbehördlichen Ermittlungen (S 16, 19) jemals behauptet, die in Rede stehende Verwechslung erst innerhalb des Geschäftslokals festgestellt und nicht beabsichtigt zu haben, dort etwas zu stehlen; aus seinen darauf bezogenen Angaben konnte das Erstgericht vielmehr durchaus mängelfrei ableiten, daß er den Irrtum sofort nach dem Einschlagen der Fensterscheibe erkannte und sehr wohl bereits mit dem Vorsatz einstieg, den Diebstahl nunmehr aus diesem Lokal zu begehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Nach dem Einlangen der vom Verteidiger verfaßten Rechtsmittelschrift brachte der Angeklagte - teils durch ersteren überreichte - Schriftsätze vom 28.Mai 1986 und vom 30.Mai 1986, jeweils als Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung überschrieben sowie vom 11.Juni 1986, zum Teil als Anhang zur selbstverfaßten Nichtigkeitsbeschwerde vom 30.Mai 1986 bezeichnet, ein. Auf diese Schriftsätze war - soweit sie als Rechtsmittel gegen das erstgerichtliche Urteil gedacht sind - nicht einzugehen, weil das Gesetz für jeden Angeklagten nur eine einzige Rechtsmittelausführung vorsieht und demgemäß erst im Zuge des Rechtsmittelverfahrens eingelangte weitere Eigaben des Rechtsmittelwerbers unbeachtlich bleiben müssen (vgl Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , ENr 36 und 41 zu § 285).

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 129 StGB zu fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe; dabei wertete es seine "die Qualifikation des § 39 StGB erfüllenden" Vorstrafen als erschwerend, sein Geständnis und den Umstand, daß die Tat beim Versuch blieb, hingegen als mildernd.

Der Berufung des Angeklagten, der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Die Voraussetzungen des - keineswegs strafsatzverändernden (SSt 46/40=verst. Senat) - § 39 StGB liegen zwar tatsächlich vor, doch machte das Schöffengericht von dieser fakultativen Strafzumessungs-Bestimmung keinen Gebrauch; zutreffend wertete es demnach alle einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend (vgl Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 6 zu § 33 samt Judikatur-Zitaten).

Ebenso wurde der vom Berufungswerber zusätzlich als mildernd reklamierte Umstand, daß er für eine Bahnfahrt zu seiner kranken Mutter Geld gebraucht hätte, vom Erstgericht mit Recht nicht angenommen, weil es in dieser Behauptung lediglich einen Versuch erblickte, seine Tat "verständlich zu machen", womit es ersichtlich und lebensnah zum Ausdruck brachte, daß er damit einen achtenswerten Beweggrund nur vorschützen wollte. Das Vorbringen in der Berufung vermag diese Erwägungen nicht zu erschüttern. Alles in allem ist die Dauer der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) keineswegs überhöht.

Von einer Gewähr dafür aber, daß er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (§ 43 Abs 2 StGB) kann angesichts seines schwer getrübten Vorlebens keine Rede sein; eine bedingte Strafnachsicht kommt demnach ebenfalls nicht in Frage. Auch der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

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