OGH 8Ob516/86

OGH8Ob516/8619.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eveline L***, Angestellte, Martin Lutherstraße 19, D-6000 Frankfurt, BRD, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Charalambos L***, Angestellter, Blumengasse 8/14, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Gustav Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. September 1985, GZ. 12 R 184/85-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Februar 1985, GZ. 17 Cg 112/84-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 308,85, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 26.7.1955 geborene Klägerin und der am 21.2.1941 geborene Beklagte haben am 27.12.1975 vor dem Standesamt Wien-Währing die Ehe geschlossen. Es handelte sich beiderseits um die erste Ehe. Kinder entstammen dieser Ehe nicht; Ehepakte wurden nicht errichtet. Die Klägerin besitzt die österreichische und die griechische Staatsbürgerschaft; der Beklagte ist griechischer Staatsangehöriger. Die Streitteile hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Wien 18, Blumengasse 8; der Beklagte hat diesen Aufenthalt beibehalten.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 18.2.1982 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beklagte schwere Eheverfehlungen begangen habe, durch die die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet worden sei. Der Beklagte sei der Klägerin gegenüber immer aufbrausend und jähzornig gewesen und habe sie wiederholt beschimpft und beleidigt; er habe auch wiederholt versucht, sie in Gegenwart Dritter herabzusetzen. Er habe der Klägerin den Kontakt mit ihren Eltern und mit anderen Personen verboten und ihr untersagt, kleine Geschenke von Dritten anzunehmen. Er habe jeden Schritt der Klägerin überwacht und sie in jeder Weise herabsetzend und entwürdigend behandelt. Am 13.7.1981 habe die Klägerin den ehelichen Haushalt verlassen, weil sei nicht mehr imstande gewesen sei, das ehewidrige Verhalten des Beklagten zu ertragen; seither lebe sie vom Beklagten getrennt. Hilfsweise stützte die Klägerin ihr Scheidungsbegehren auch auf

§ 55 Abs. 1 EheG (ON 29 S 269).

Der Beklagte beantragte in erster Linie die Abweisung des auf

§ 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens mit der Begründung, daß er keine Eheverfehlungen gesetzt habe. Sollte dies aber doch der Fall sein, sei die Klage im Sinne des § 49 zweiter Satz EheG abzuweisen, weil die Verfehlungen der Klägerin gegenüber dem Fehlverhalten des Beklagten so schwerwiegend seien, daß das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt sei (ON 25 S 217). Im übrigen beantragte der Beklagte den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin im Sinne des § 60 Abs. 3 EheG (ON 14 S 155) bzw. (für den Fall der Scheidung der Ehe nach § 55 Abs. 1 EheG) den Ausspruch ihres alleinigen oder überwiegenden Verschuldens im Sinne des § 61 Abs. 3 EheG (ON 29 S 296). Dazu brachte der Beklagte im wesentlichen vor, daß die Klägerin den gemeinsamen Haushalt grundlos verlassen und die Wiederaufnahme des gemeinsamen Haushaltes grundlos verweigert habe. Sie sei verschwenderisch und putzsüchtig gewesen und habe sich trotz wiederholter Ersuchen des Beklagten geweigert, ein Haushaltsbuch zu führen. Sie habe dem Beklagten eine Kontrolle ihrer Geldgebahrung unmöglich gemacht, ständig ohne ausreichende Gründe ihr Bankkonto überzogen, ohne Zustimmung des Beklagten dritten Personen ohne Sicherstellung kurzfristige Darlehen gewährt und auch ihren Vater durch längere Zeit finanziell unterstützt, obwohl die finanzielle Situation der Streitteile nicht sehr gut gewesen sei. Sie habe ohne Wissen des Beklagten innigen Kontakt mit ihren Eltern gepflogen und diese über unwichtige Details des Ehelebens informiert. Sie habe es letztlich nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes unterlassen, den Beklagten vor Beleidigungen ihrer Mutter zu schützen.

Das Erstgericht schied - im zweiten Rechtsgang - die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden des Beklagten.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Klägerin wuchs in einem griechisch-österreichischen Elternhaus zunächst in Griechenland und dann in Wien auf. Das Familienleben gestaltete sich problematisch, da insbesondere der Vater der Klägerin nur sehr geringen Freiraum ließ und auch die Ehe der Eltern nicht immer harmonisch war. Der Beklagte ist Grieche und kannte die Klägerin schon seit deren Kindheit, als er Lehrer an der Schule war, die die Klägerin besuchte. Der Altersunterschied zwischen den Streitteilen beträgt 14 1/2 Jahre. Der Beklagte war sehr streng erzogen und hatte genaue Vorstellungen von der Ehe und den Verpflichtungen der Ehepartner. Zunächst lehnte er die Eheschließung wegen einer Krankheit, unter der er leidet, überhaupt ab. Der Vater der Klägerin stand dem Beklagten von vornherein aus soziallen Gründen (der Vater der Klägerin ist finanziell besser gestellt als der Beklagte) kritisch gegenüber. Das autoritäre Verhalten des Vaters der Klägerin gegenüber zeigte sich insbesondere darin, daß er sie, als sie einmal etwas verspätet nach Hause kam, ohrfeigte und aus dem Haus wies, obwohl sie bereits 20 Jahre alt war. Die Klägerin zog daraufhin in die Wohnung des Beklagten, da sie berufstätig und von ihren Eltern unabhängig war. Der Wille, zu heiraten, war schon am Anfang ihres Zusammenlebens gegeben. Der Beklagte gab seine anfänglichen Bedenken auf, da ihm auch sein Vater in diesem Sinne zuredete und er erwartete, daß sich in der Ehe die Liebe erst entwickeln werde. Dies formulierte er vor der Hochzeit dahingehend, daß er noch auf den Eros warte.

Er machte der Klägerin klar, daß er ein ehrlicher, ordentlicher und prinzipientreuer Mensch sei, der sich auf Grund seiner Einstellung für das ganze Leben entscheidet, da er aus einer Familie stamme, die für ihre Ehrlichkeit, Ordentlichkeit und Prinzipientreue bekannt sei und da er auf Grund dessen streng erzogen worden sei. Die Beziehungen zur Familie der Klägerin gestalteten sich schwierig, da der Beklagte und die Eltern der Klägerin einander ablehnten, was eine ständige Quelle des Streites zwischen den Ehepartnern bildete. Obwohl die Klägerin darauf insofern Rücksicht nahm, als sie ihre Eltern nur sehr selten sah und regelmäßig nur telefonischen Kontakt mit ihnen hatte, untersagte ihr der Beklagte jeglichen Kontakt zu ihren Eltern und zu ihrer Großmutter. Er war der Meinung, daß die Klägerin nur auf seiner Seite zu stehen hätte, fühlte sich hintergangen und war sehr empört, als er erfuhr, daß sie trotz seines Verbotes ohne sein Wissen den losen Kontakt zu ihren Eltern aufrecht erhalten hatte, obwohl sich die Klägerin bei ihren Eltern nie über ihr Eheleben beklagt und ihnen auch nie Details daraus zur Kenntnis gebracht hatte. Wenn sie über ihre Ehe sprach, dann nur in Gegenwart des Beklagten.

Im Laufe der Ehe zeigte sich immer deutlicher, daß die Prinzipientreue des Beklagten in ein beherrschendes Wesen ausartete. Er bevormundete die Klägerin und machte ihr Vorschriften bis ins kleinste Detail. Von Seiten des Beklagten wurde ihr Leben genau reglementiert, wobei ihr vorgeschrieben wurde, mit wem sie Kontakt haben dürfe und wie sie sich an ihrer Arbeitsstelle gegenüber den Kunden zu benehmen hätte; das ging sogar bis zu Bekleidungsvorschriften. Die Klägerin war dem Beklagten immer zu modern und kostspielig angezogen. Er wollte sie in konservativer Kleidung guter Qualität sehen. Der Beklagte verbot der Klägerin kleine Geschenke, wie Blumen oder Parfum, von Kunden der Olympic Airways (dem Dienstgeber der Klägerin) anzunehmen, für die sie Übersetzungen machte oder sonstige kleine Hilfsdienste leistete. Die Klägerin mußte, da der Beklagte sonst mit ihr Streit begann, diese kleinen Geschenke sofort an ihre Kolleginnen weitergeben. Dieses Verhalten des Beklagten resultierte aus der Auffassung, daß eine Frau Geschenke nur von ihrem Ehemann oder dessen Bekannten annehmen dürfe, nicht aber von sonstigen - vor allem dem Mann - unbekannten Personen. Eine ähnliche Meinung des Beklagten führte auch dazu, daß die Klägerin keinen eigenen Bekanntenkreis haben durfte, denn für Eheleute kamen nach Ansicht des Beklagten nur gemeinsame Bekannte - vor allem natürlich die Bekannten des Mannes - in Frage. Daher untersagte er ihr den persönlichen Kontakt mit ihren Arbeitskolleginnen. Sie durfte mit ihnen nur in beruflichen Angelegenheiten verkehren, was soweit führte, daß er ihr sogar das gemeinsame Mittagessen mit den Kolleginnen verbot. Der Beklagte meinte, daß diese Frauen einen schlechten Einfluß auf die Klägerin ausübten und wollte dies durch diese seine Beschränkungen vermeiden. Auch beim Abend der griechischen Verkehrsinformation durfte sie nicht teilnehmen, da die Partner der Eingeladenen nicht miteingeladen waren und die Klägerin diese Veranstaltung alleine hätte besuchen müssen. Auf Grund des restriktiven Verhaltens des Beklagten wurde - entgegen der üblichen Gestaltung - die Weihnachtsfeier der Olympic Airways mit den Partnern der Angestellten begangen, da die Klägerin alleine nicht hätte kommen dürfen und man dies aus Mitleid für und Rücksicht auf die Klägerin vermeiden wollte.

Die Kontrollen und die Bevormundung des Beklagten gingen so weit, daß er die Klägerin täglich mit dem Auto ins Büro brachte und von dort wieder abholte. Dabei fand er sich aber bereits 1 - 1 1/2 Stunden vor Büroschluß der Klägerin bei dieser ein und wartete dort auf das Dienstende. Der Klägerin war das Verhalten des Beklagten, der sich währenddessen an der Arbeitsstelle seiner Gattin wie zu Hause fühlte und sogar versuchte, den Arbeitsablauf zu beeinflussen, äußerst unangenehm, da sie doch nicht mehr so ungestört arbeiten konnte und sie nicht genau wußte, wie ihr Vorgesetzter dieses Verhalten beurteilte. Ihre Bitte, doch mit der Straßenbahn heimfahren zu dürfen, lehnte der Beklagte ab. Er wollte oder konnte nicht einsehen, daß die Klägerin sein Verhalten als sehr unangenehm und ihrem Chef und den Mitarbeitern gegenüber als unstatthaft empfand. Die Klägerin hatte dadurch keine freie Minute für sich, in der sich der Beklagte einmal nicht in ihrer Gegenwart befand. Als sie der Beklagte einmal nicht vom Büro abholten konnte, ging die Klägerin, anstatt die Straßenbahn zu benützen, zu Fuß nach Hause, wo sie daher maximal 30 Minuten später ankam. Für dieses Verhalten bestrafte der Beklagte die Klägerin - nach einem heftigen Streit - mit tagelangem Stillschweigen. Auch telefonisch wurde die Klägerin vom Beklagten kontrolliert. Er rief sie mehrmals am Tage an. Wenn sie nicht anwensend war, wollte er von einer ihrer Arbeitskolleginnen wissen, warum sie sich nicht im Büro befände. Eines Tages begleitete die Klägerin während der Dienstzeit Bekannte ihres Direktors auf dessen Bitte ins Allgemeine Krankenhaus, um dort einen Befund zu übersetzen. Wärenddessen rief der Beklagte an und konnte seine Gattin nicht erreichen. Als sie auf seine Bitte sofort nach ihrer Rückkehr zurückrief, begann er Streit mit der Begründung, daß ihre Aufgaben im Bereich des Büros lägen und nicht außerhalb desselben und sie daher die Arbeitsstelle seiner Meinung nach nicht zu verlassen hätte.

Die Klägerin war durch dieses Verhalten des Beklagten sehr belastet. Sie hatte nicht die geringste Möglichkeit, ein eigenständiges Leben zu führen. Sie lebte mit der dauernden Angst, als Folge einer selbständigen Handlung mit dem Beklagten tagelangen Streit in Kauf nehmen zu müssen.

Überdies ließ sich der Beklagte von der Klägerin bedienen, obwohl sie neben ihrer Haushaltstätigkeit ganztags berufstätig war, kritisierte ihre Haushaltsführung, zeigte aus den geringsten Anlässen Jähzornausbrüche und behandelte die Klägerin sehr degradierend.

Bei einer Einladung bei einer Arbeitskollegin mußte die Klägerin auf Wunsch des Beklagten sofort aufstehen und, ohne das vorbereitete Abendessen einnehmen zu dürfen, mit ihm nach Hause gehen. Ebenso schulmädchenhaft behandelte er sie, als sie bei einer Bekannten Silvester feierten und er ihr verbot, ein Glas Sekt zu trinken. Als sie dennoch auf Drängen der übrigen Gäste einen Schluck nahm, stellte er sie vor allen Anwesenden bitterböse zur Rede. Obwohl die Klägerin den besten Ruf im Bekanntenkreis hatte und alle ihren gut geführten Haushalt bewunderten, konnte sie es dem Beklagten nie recht machen, da er einen besonderen Wert auf Ordnung legte. Er verlangte in jeder Situation ein in seinen Augen perfektes Verhalten von ihr. Fehler duldete er nicht. Überdies war er, entweder temperaments- oder krankheitsbedingt, streitsüchtig. Sogar vor Gästen war das Verhältnis zwischen den Streitteilen wie eines zwischen Dienstherr und Magd. Der Beklagte entwürdigte die Klägerin vor Dritten und schlug ihr gegenüber einen Ton an, der zwischen Ehegatten weder angebracht noch üblich ist. Auch vor Gästen zeigte der Beklagte seine autoritäre Einstellung, indem er die Klägerin beschimpfte, als sie zur Tasse Kaffee das von ihm immer gewünschte Glas Wasser vergaß, indem er ihr drohte, daß er den zu wenig gesüßten Kaffee samt Tasse an die Wand werfen werde, wenn sie die Tasse nicht sofort wieder wegnähme, indem er die Oliven aus dem Salat auf den Tisch warf, da ihm diese Sorte von Oliven nicht schmeckte, indem er, als seiner Meinung nach das Essen nicht rechtzeitig fertig war, drohte: "Bring endlich das Essen, sonst mache ich Dir Beine!" und indem er aus nichtigem Anlaß den Deckel so stark auf den Suppentopf knallte, daß Suppe verspritzte. Auch verbale Drohungen wie: "Sonst klesch' ich Dir eine!" mußte die Klägerin ertragen. Manchmal waren die Beschimpfungen von Seiten des Beklagten so arg, daß sich die Hausparteien über den daraus resultierenden Lärm beschwerten.

Das jähzornige Verhalten des Beklagten manifestierte sich in Aktionen wie dem Herunterreißen von Gardinen samt der Metallstange, nur weil die Gardine von der Klägerin nicht ordentlich zur Seite gerückt worden war, wie dem Zerdrücken einer Kaffeetasse samt Inhalt wegen eines nichtigen Anlasses, über den sich der Beklagte geärgert hatte und dem Zerschlagen von zwei Kaffeetassen, weil sie von der Klägerin nicht ordentlich genug abgewaschen worden waren. Er versperrte auch schwarze Stiefel der Klägerin im Kasten, sodaß sie sie nicht anziehen konnte, weil sie vorher das Geld dafür von ihrer Großmutter erhalten hatte und sie sich so teure Sachen nicht leisten konnten. Die Klägerin erhielt ihre Stiefel erst sehr viel später zum Gebrauch, nachdem ihr Schwiegervater bei seinem Sohn zu ihren Gunsten interveniert hatte.

Auch die Finanzgebarung der Klägerin kritisierte der Beklagte forlaufend. Er war der Meinung, daß sie zu viel Geld ausgebe, daß die Haushaltsführung zu aufwendig sei und sie unter anderem für sich selbst zu viel Geld brauche. Er verbot ihr, Geld für Friseur oder Kosmetika zu verwenden und ordnete an, daß, obwohl beide auf seinem Konto zeichnungsberechtigt waren, sie nur auf sein ausdrückliches Geheiß von seinem Konto Geld abzuheben habe, woran sich die Klägerin auch hielt. Daß das Konto der Klägerin des öfteren überzogen war, lag nicht daran, daß sie andauernd - wie der Beklagte behauptete - Geld an fremde Leute verborgte (was nur einmal geschah, als sie einem Kollegen für einen dringenden Medikamentenkauf S 1.500,- borgte, die sie jedoch am nächsten Tag sofort zurückerhielt, weshalb der Beklagte aber trotzdem mit ihr Streit begann), sondern weil sie von ihrem Gehalt sämtliche Fixkosten der Lebensführung bestreiten mußte, darunter auch die - wegen der Telefonate nach Griechenland zu den Verwandten des Beklagten - sehr hohen Telefonkosten. Auch die vielen Gäste, die der Beklagte einlud und die er durch die Klägerin fürstlich bewirten ließ (für seine Gäste war ihm nichts zu gut und zu teuer) belasteten das Haushaltsbudget enorm. Für die Klägerin, die weder putz- noch verschwendungssüchtig war und die auch nicht sehr modisch, sondern eher gegenteilig gekleidet war, blieb dabei sowieso nicht mehr viel Geld übrig. Der Beklagte trug zur Haushaltsführung nichts bei, sondern verwendete einen Großteil seines Gehaltes für die Pflege und Erhaltung seines Autos Marke Alfa Romeo, was sehr kostspielig war. Wofür er sonst noch Geld gebrauchte, entzog sich mangels Kontrollmöglichkeit der Kenntnis der Klägerin. Dafür verlangte er aher von ihr die Führung eines Haushaltsbuches, um ihre Geldgebarung überprüfen zu können. Als sich die Klägerin weigerte, dies zu tun, da sie wegen ihrer Berufstätigkeit keine Zeit dafür hatte, zwang sie der Beklagte, ihre Kontoauszüge zwecks Überprüfung von Einnahmen und Ausgaben herauszugeben, was sie auch tat.

Am Anfang der Ehe hoffte die Klägerin noch, daß sich der Beklagte ändern würde. Doch zeigte sich, daß sich sein Wesen nur verschlimmerte und er immer liebloser und jähzorniger wurde. Auf Versuche der Klägerin, sich über die unerträglich werdende Situation auszusprechen, reagierte der Beklagte gereizt und es kam regelmäßig zu Szenen. Er wollte sich nicht ändern, da er auf dem Standpunkt stand, daß die Klägerin ihn und sein Verhalten schon lange vor der Eheschließung gekannt hätte und er sie zusätzlich noch über seinen Charakter und seine Lebenseinstellung aufgeklärt hätte, sodaß sie von vornherein wissen habe müssen, mit wem sie es zu tun haben werde. Er sehe keinen Grund, sich zu ändern und "wenn ihr etwas an ihm nicht passe, so könne sie jederzeit gehen". Der Beklagte war sich keiner Schuld bewußt und konnte bis zuletzt nicht einsehen, bei der Gestaltung des Ehelebens Fehler gemacht zu haben. Diese anhaltenden Zermürbungen führten im Lauf der Zeit dazu, daß die Klägerin immer ruhiger wurde, daß sich bei ihr eine Wesensänderung von einem lustigen zu einem immer ernster werdenden Menschen vollzog und daß ihr Ehewille allmählich zerstört wurde. Um endlich ein Leben, wie es einem erwachsenen Menschen zusteht, führen zu können, weil sie erkannt hatte, daß der Beklagte einer ernsthaften Aussprache nicht zugänglich war und sie eine Entscheidung herbeiführen wollte, solange sie noch die Kraft dazu hatte, verließ sie schließlich am 13.7.1981 Wien und lebt derzeit in Frankfurt, wo sie ebenfalls bei den Olympic Airways arbeitet. Die Ehe der Streitteile ist unheilbar zerrüttet.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Beklagte schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG gesetzt habe, die zur Zerrüttung der Ehe der Streitteile geführt hätten. Ein der Klägerin anzulastendes Mitverschulden liege nicht vor. Insbesondere stelle ihre Flucht aus Wien kein böswilliges Verlassen dar, sondern nur den letzten Versuch der Klägerin, ein eigenständiges Leben zu beginnen, nachdem sie lange versucht und gehofft hatte, daß sich der Beklagte ändern werde.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten als Einheit aufzufassen sei und sich aus den getroffenen Feststellungen ergebe, daß das dem Beklagten zum Vorwurf gemachte ehewidrige Verhalten bis zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft fortgedauert habe. Da somit in die Frist des § 57 EheG fallende schwere Eheverfehlungen des Beklagten gegeben seien, seien auch verfristete Eheverfehlungen zu berücksichtigen und das Gesamtverhalten der Ehegatten zu würdigen. Daraus, daß die Klägerin jahrelang die Verfehlungen des Beklagten hingenommen habe, könne nicht darauf geschlossen werden, daß sie sie nicht als ehezerstörend empfunden hätte. Der Auszug der Klägerin aus der Ehewohnung und die Einbringung der Scheidungsklage durch sie zeigten deutlich, daß das Gegenteil der Fall gewesen sei. Ein Verhalten der Klägerin, aus dem eine Verzeihung der vom Beklagten gesetzten Verfehlungen unzweifelhaft abzuleiten sei, liege nicht vor.

Die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft sei der Klägerin nicht als schwere Eheverfehlung anzulasten. Das Zusammenleben von Ehegatten könne nicht nur dann unerträglich werden, wenn es mit der Gefahr erheblicher körperlicher Nachteile verbunden sei; auch ein besonders schwerwiegendes, die seelische Integrität des Ehepartners erheblich gefährdendes Fehlverhalten des anderen rechtfertige die Aufgabe der Hausgemeinschaft. Derartige Umstände, die die Ablehnung des gemeinsamen Wohnens durch die Klägerin berechtigt erscheinen ließen, seien hier gegeben. Die Aufhebung der Ehegemeinschaft und die Verweigerung ihrer Wiederaufnahme durch die Klägerin stellten daher im vorliegenden Fall keine schwere Eheverfehlung dar. Daß die Klägerin das Fehlverhalten des Beklagten jahrelang hingenommen habe, sei kein Grund dafür, die sittliche Rechtfertigung ihres Scheidungsbegehrens zu verneinen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens abzuändern, allenfalls es im Sinne der Stattgebung des auf § 55 Abs. 1 EheG gestützten Scheidungsbegehrens und des Ausspruches des alleinigen bzw. überwiegenden Verschuldens der Klägerin oder letztlich im Sinne der Stattgebung des auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens und des Ausspruches des überwiegenden Verschuldens der Klägerin abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO). Soweit der Beklagte in seinen Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit und die Anwendbarkeit materiellen österreichischen Rechtes bezweifelt, ist ihm zu entgegnen, daß im Hinblick auf die österreichische Staatsangehörigkeit der Klägerin und die Vorschrift des § 76 Abs. 2 Z 1 JN die inländische Gerichtsbarkeit zweifellos gegeben ist.

In der Frage des anzuwendenden materiellen Rechtes verweist § 20 Abs. 1 IPRG auf das für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebende Recht (§ 18 IPRG) im Zeitpunkt der Ehescheidung, worunter der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz zu verstehen ist (Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 20 IPRG und die dort zitierte Judikatur). Gemäß § 18 Abs. 1 IPRG sind die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach dem gemeinsamen bzw. dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten zu beurteilen, sofern es einer von ihnen beibehalten hat (Z 1), sonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat (Z 2). Gemäß § 9 Abs. 1 IPRG ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem sie angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die Vorinstanzen mit Recht österreichisches materielles Recht angewendet haben. Da nämlich im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz die Klägerin (auch) österreichische Staatsangehörige und der Beklagte griechischer Staatsbürger war, lag unter Bedachtnahme auf die Vorschrift des § 9 Abs. 1 zweiter Satz IPRG ein gemeinsames oder letztes gemeinsames Personalstatut der Ehegatten nicht vor. Sie hatten in diesem Zeitpunkt auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im gleichen Staat. Maßgebend ist daher im Sinne des § 20 Abs. 1 und des § 18 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall IPRG das Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im gleichen Staat war (bis zur Aufhebung der Ehegemeinschaft) in Österreich begründet; der Beklagte hat diesen Aufenthalt beibehalten. Auch nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des IPRG wäre gemäß der bis dahin in Geltung gestandenen Vorschrift des § 8 Abs. 3 der 4. DVzEheG österreichisches Recht anzuwenden gewesen. Auf die Frage eines allfälligen Statutenwechsels infolge Inkrafttreten des IPRG (siehe dazu Schwimann aaO) brauchte daher nicht eingegangen zu werden (vgl. 1 Ob 631/81). Die Vorinstanzen haben mit Recht österreichisches materielles Recht angewendet.

In der Sache selbst ist den Revisionsausführungen des Beklagten zu entgegnen, daß er sich zur Rechtfertigung seines von den Vorinstanzen festgestellten Verhaltens nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des § 91 ABGB in der Fassung vor Inkrafttreten des EheRwG berufen kann. Eheverfehlungen sind Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg. 33.398, 46.148 ua.). Eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG hat ein Verhalten zur Voraussetzung, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (EFSlg. 29.494, 38.683, 46.149 ua.). Die Pflicht zur anständigen Begegnung, also zu einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Respektierung der Person des Ehepartners, war im § 90 ABGB vor Inkrafttreten des EheRwG ebenso normiert wie sie es seither ist. Daß der Beklagte, geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, durch sein gesamtes Verhalten gegenüber der Klägerin bis zur Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft durch sie in schwerster Weise gegen diese Verpflichtung verstoßen hat, bedarf keiner weiteren Begründung. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß es bei der Beurteilung, ob ein Ehepartner schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG setzte, immer auf das Gesamtverhalten unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände ankommt. Mögen auch einzelne Handlungen und Unterlassungen für sich allein betrachtet nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, ist immer zu beurteilen, ob nicht Dauer, Wiederholung und dadurch gegebene Belastung das Gesamtverhalten zu einer schweren Eheverfehlung machen (EFSlg. 31.636, 36.299, 46.152 ua.). Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich des festgestellten Verhaltens des Beklagten eindeutig zu bejahen.

Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich nach den übernommenen Feststellungn des Erstgerichtes das im wesentlichen in der mangelnden Respektierung der Persönlichkeit seiner Ehefrau liegende ehewidrige Verhalten des Beklagten bis zur Aufgabe der Ehegemeinschaft durch die Klägerin fortsetzte, sodaß von einer Verfristung des Rechtes der Klägerin auf Scheidung wegen Verschuldens im Sinne des § 57 Abs. 1 EheG nicht die Rede sein kann. Dem Hinweis des Beklagten, der Umstand, daß die Klägerin sein ehewidriges Verhalten jahrelang hingenommen habe, könne nur als Verzeihung im Sinne des § 56 EheG gewertet werden, ist zu entgegnen, daß allein aus dem Zuwarten der Klägerin mit der Einbringung der Scheidungsklage noch nicht der Schluß gezogen werden kann, daß sie das ehewidrige Verhalten des Beklagten nicht als ehezerrüttend empfunden hätte. Es geben vielmehr ihr Auszug aus der Ehewohnung und die Erhebung der Scheidungsklage deutlich und unmißverständlich zu erkennen, daß sie die Verfehlungen des Beklagten als ehezerstörend empfand (EFSlg. 25.063, 25.067, 41.263 ua.). Von einer (schlüssigen) Verzeihung des ehewidrigen Verhaltens des Beklagten durch die Klägerin im Sinne des § 56 EheG kann daher entgegen den Revisionsausführungen des Beklagten nicht die Rede sein. Auch wenn der Beklagte letztlich darzutun versucht, daß die Klägerin durch ihre einseitige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft eine schwere Eheverfehlung begangen habe, die den Ausspruch ihres überwiegenden Verschuldens (bzw. ihres Verschuldens im Falle einer Scheidung nach § 55 Abs. 1 EheG) rechtfertige, kann ihm nicht gefolgt werden.

§ 92 Abs. 2 ABGB gestattet einem (grundsätzlich zum Zusammenwohnen verpflichteten) Ehegatten, vorübergehend gesondert Wohnung zu nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist. Der Gesetzestext stellt durch den Gebrauch des Wortes "besonders" klar, daß nicht nur körperliche Bedrohung, sondern auch anderes Verhalten des anderen Ehegatten das Zusammenleben unzumutbar machen kann; er hebt nur den Fall der körperlichen Bedrohung hervor. Das Gesetz weist nur durch das gewählte Beispiel und den Gebrauch des Wortes "unzumutbar" darauf hin, daß nicht jede schwere Eheverfehlung des anderen Ehegatten schon eine gesonderte Wohnungsnahme rechtfertigen kann; es muß sich um ein Verhalten des anderen Ehegatten handeln, das das weitere Zusammenleben unzumutbar macht (EFSlg. 28.539 ua.). Dem entspricht die ständige Rechtsprechung, daß in der Regel nur besonders schwere Eheverfehlungen die eigenmächtige Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft durch den anderen Teil rechtfertigen (EFSlg. 33.923, 38.689, 46.174 uva.); auch hier muß es sich um Eheverfehlungen handeln, die das weitere Zusammenleben unzumutbar machen.

Geht man im vorliegenden Fall davon aus, daß sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Beklagte der Klägerin gegenüber dauernd in ärgster Weise kränkend und herabsetzend verhielt, sie beschimpfte, erniedrigte und aus nichtigen Anlässen mit Schlägen bedrohte, ihren Bemühungen, ihn zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen, nur entgegnete, er sehe keinen Grund, sich zu ändern und sie könne jederzeit gehen, wenn ihr etwas an ihm nicht passe und daß dieses durch Jahre fortgesetzte Verhalten des Beklagten schließlich zum Erlahmen des Ehewillens der Klägerin und zu einer völligen Veränderung ihres Wesens führte, dann ist es gerechtfertigt, dieses ehewidrige Verhalten des Beklagten als so schwerwiegende psychische Beeinträchtigung der Klägerin zu qualifizieren, daß dieser das weitere Zusammenleben mit ihm nicht mehr zugemutet werden konnte. Unter diesen Gesichtspunkten ist aber in der einseitigen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch die Klägerin eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG nicht zu erkennen. Der Beklagte vermag somit auch einen dem Berufungsgericht unterlaufenen Rechtsirrtum nicht aufzuzeigen, sodaß seiner Revision ein Erfolg versagt bleiben muß.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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