Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen, nämlich im Schuldspruch zu Punkt I/1 des Urteilssatzes sowie im Freispruch, unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/2 des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Adolf D*** des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 3, 128 Abs 1 Z 4 StGB und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er (zu I/) in der Zeit vom 1.Dezember 1982 bis 11.April 1983 in Bagdad und Iskandariyah, Irak, 1. seinem Dienstgeber, der Firma Wilhelm L*** AG, unter Ausnutzung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden war, Werkzeug, Geräte und Ersatzteile in einem 5.000 S, nicht aber 100.000 S übersteigenden Wert gestohlen und 2. ihm von der Firma I*** AG anvertraute Barbeträge von 604,80 sfr (= 4.840 S) veruntreut.
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; der (zu II/) ergangene Freispruch von einem weiteren Diebstahlsvorwurf ist hingegen in Rechtskraft erwachsen. Nach den wesentlichen Urteilskonstatierungen war der Angeklagte in der Zeit vom 1.Juni 1981 bis 30.November 1982 als Maschinenmonteur bei der Firma Wilhelm L*** AG, Schweiz, beschäftigt und in den Monaten Juli bis November 1982 auf einer Baustelle in Iskandariyah Irak, tätig, wo die Firma L*** AG gemeinsam mit der schweizer Firma I*** AG eine Autobuslackieranlage errichtete. Über das Vermögen der Firma L*** AG wurde am 9.Dezember 1982 der Konkurs eröffnet. Dem Auftrag der L*** AG vom 30.November 1982, das Werkzeug der Firma einzuschließen, die Kraftfahrzeuge "im Hause" einzustellen und "nach Hause" zu kommen, leistete der Angeklagte nicht Folge, sondern blieb bis 11.April 1983 im Irak und stellte sein technisches Wissen "als gut bezahlter freier Mitarbeiter" der Firma I*** AG zur Verfügung, die den Auftrag zur Errichtung einer Autobuslackieranlage nach dem Konkurs der Firma L*** AG allein weiterführte. Nach seiner Abreise stellten Mitarbeiter der Firma I*** AG die eingangs erwähnten Diebstähle und Veruntreuungen fest.
Unter Androhung einer Strafklage wegen Diebstahls bei der "zuständigen" (gemeint: Schweizer) Polizei, forderte die Firma I*** AG den Beschwerdeführer am 17.Mai 1983 auf, die von ihr ermittelte "Gesamtschadensumme" in der Höhe von 31.497,50 sfr zu bezahlen. Der Angeklagte erstellte daraufhin am 18.Mai 1983 ein handgeschriebenes Schuldanerkenntnis "über die von ihm verfügten Diebstähle und Veruntreuungen im Betrage von 16.028,30 sfr" und verpflichtete sich zur Zahlung binnen 30 Tagen. Am 1.Juni 1983
überwies er einen (Teil-)Betrag von 1.814 sfr und teilte mit Schreiben vom 6.Juni 1983 der Fa I*** AG mit, daß er in der Bundesrepublik Deutschland ein "Sperrkonto" über einen Betrag in der Höhe von 17.107,22 DM errichtet habe, "vorläufig aber keine Überweisungen durchführen werde", weil er "erfahren habe, daß alle Werkzeuge und Geräte der Firma L*** in Bagdad zur Konkursmasse gehören".
Mangels Zahlung reichte die Firma I*** AG am 14.Juni 1983 bei der Kantonspolizei Zürich Strafklage ein. Am 23.Juni 1983 schloß der Angeklagte mit der Firma I*** AG und der Wilhelm L*** AG, diese vertreten durch die "Konkursverwaltung", eine Vereinbarung, derzufolge "durch die Bezahlung eines Pauschalbetrages von 14.000 sfr sämtliche strittigen Punkte bereinigt sind". Diesen Betrag bezahlte der Beschwerdeführer am gleichen Tag dem Konkursverwalter Dr.B***. Daraufhin zog die Firma I*** AG am 29.Juni 1983 die Strafklage zurück. Im Irak war gegen den Angeklagten kein Strafverfahren anhängig (S 227-231).
Rechtliche Beurteilung
Am 9.Jänner 1984 leitete das Kreisgericht Ried im Innkreis gegen Adolf D*** die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Diebstahls und der Vertreuung ein.
Das Erstgericht bejahte das Vorliegen der inländischen Strafgewalt gemäß § 65 Abs 1 StGB, weil die gegenständlichen, von einem Österreicher im Irak begangenen Straftaten auch nach dem Gesetz des Tatortes (Art 453 des irakischen Strafgesetzes) mit Strafe bedroht sind (S 195-199, 232).
Zutreffend zeigt der Angeklagte im ersten Teil seiner Mängelrüge (Z 5) auf, daß die Urteilskonstatierungen zum Schuldspruchfaktum I/2, wonach er aus der ihm anvertrauten Kasse der I*** AG Bargeld in der Höhe von 604,80 sfr (= 4.840 S) entnommen und für sich verwendet habe, unzureichend begründet sind. Denn das Erstgericht verweist in diesem Zusammenhang lediglich auf das Tatsachengeständnis des Angeklagten sowie auf die im Akt erliegenden Rechnungen "Seite 79, 81 und 83" (S 232). Bei diesen Rechnungen handelt es sich aber lediglich um vom Angeklagten selbst verfaßte Belege über Zahlungen für den Transport eines Hubstaplers über I.D. 65 und I.D. 85 (AS 79 und 81), von denen ihm die Firma I*** AG laut Anzeige nur I.D. 20 als veruntreut anlastet (S 47 Punkt 8), sowie um eine Rechnung für (nach der Anzeige gratis erhaltenes; S 47
Punkt 9) Motoröl im Betrag von I.D. 24. Ein Tatsachengeständnis hat der Angeklagte aber nicht abgelegt (vgl S 104 f, 183 und 213). Die im Urteil angeführten Beweismittel sind somit für sich allein nicht geeignet, die leugnende Verantwortung des Angeklagten (S 213 mit Verweisung auf S 183) zu widerlegen.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten in diesem Umfange Folge zu geben und in Ansehung des Vorwurfs der Veruntreuung die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen.
Im übrigen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch als nicht zielführend:
Die weiteren Ausführungen der Mängelrüge sind deshalb unbegründet, weil das Erstgericht im Schuldspruch zu Punkt I/1 des Urteilssatzes zum einen ohnedies beschwerdekonform davon ausging, daß die vom Angeklagten im Irak "verkauften" Gegenstände im Eigentum der Firma L*** AG standen (vgl S 224), und zum anderen bereits anläßlich der Verlesung in der Hauptverhandlung betont wurde, "daß das vom Angeklagten vorgelegte Schreiben vom 16.November 1984 (Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 19.Dezember 1985) keine Unterschrift trägt und daher nicht festgestellt werden kann, woher dieses Schreiben stammt" (S 216). Demgemäß maß der Schöffensenat auch dem Inhalt dieses Schriftstückes, der im übrigen - soweit er die erstmals in der Nichtigkeitsbeschwerde relevierte (vgl den Beweisantrag S 216) Behauptung betrifft, der Beschwerdeführer sei von Peter L*** als dessen "Stellvertreter" an der Baustelle im Irak eingesetzt worden - mit der Verantwortung des Angeklagten (S 174, 214) und den Angaben des Peter L*** vor der Bezirksanwaltschaft Zürich (S 129, 131) in Widerspruch steht, keine Bedeutung zu und konstatierte in Übereinstimmung mit dem insoweit sehr wohl vorliegenden Tatsachengeständnis des Angeklagten mängelfrei, daß der Angeklagte die im Punkt I/1 des Urteilssatzes bezeichneten Gegenstände - zum Nachteil der Fa Wilhelm L*** AG - gestohlen hat. Für in der Beschwerde reklamierte Feststellungen, aus denen abgeleitet werden könnte, daß der Angeklagte die erwähnten Gegenstände nicht gestohlen, sondern veruntreut habe, war daher kein Raum. Die bezüglichen Beschwerdeausführungen erschöpfen sich vielmehr in einem unzulässigen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung.
Es versagen aber auch die Rechtsrügen des Angeklagten:
Zunächst ist der Einwand der Beschwerde verfehlt, die Tathandlungen des Angeklagten seien deshalb der Verfolgung durch den öffentlichen Ankläger im Inland entzogen, weil sie nach irakischem Recht (nur) gerichtlich strafbare Privatanklagedelikte sind.
Auslandsstraftaten, für die nicht §§ 63 und 64 StGB gelten, unterliegen nach § 65 StGB - neben den anderen dort angeführten Voraussetzungen - dann den österreichischen Strafgesetzen, wenn die Tat sowohl nach dem Tatortrecht als auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist. Dieses Prinzip der identischen Norm ist im Sinne einer konkreten Strafbarkeit am Tatort zu verstehen, sodaß eine Bestrafung nach dem StGB nicht erfolgen kann, wenn nach den Gesetzen des Tatorts bei dem zu beurteilenden Sachverhalt ein Unrechts-, Schuld- oder persönlicher Strafausschließungsgrund zu berücksichtigen ist. Nicht erforderlich ist hingegen, daß es sich um korrespondierende Strafnormen handelt, sodaß sich der ausländische Tatbestand mit dem österreichischen nicht decken muß; auch spielt es für die Frage der Normidentität keine Rolle, daß die Straftat im Tatortstaat nur auf Verlangen des Verletzten (bzw über seinen Antrag oder mit seiner Ermächtigung) verfolgt werden kann, also ein Unterschied in der beiderseitigen Verfolgbarkeit besteht (Leukauf-Steininger, Komm 2 , § 65 RN 8-10; Liebscher WK, § 65 StGB RN 5). Unter dem Gesichtspunkt einer Erledigung des Strafanspruchs hinwieder ist es ohne Belang, daß der nach dem Tatortrecht hiezu Berechtigte innerhalb der dafür vorgesehenen Frist keinen Strafantrag gestellt oder einen solchen in der Folge zurückgezogen hat. Denn § 65 Abs 4 Z 1 StGB - wonach die inländische Strafbarkeit entfällt, wenn die Strafbarkeit der Tat nach den Gesetzen des Tatorts erloschen ist - stellt nur auf die (im Einzelfall in Betracht kommenden) Strafaufhebungsgründe des Tatortrechts, nicht aber auf den (bloßen) Verlust des Verfolgungsrechts ab (Leukauf-Steininger aaO RN 10; Liebscher aaO RN 20). Kein Anwendungsfall im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt demnach vor, wenn der Verletzte die ihm im ausländischen Recht zur Erhebung der Strafklage eingeräumte Frist ungenützt verstreichen läßt; denn ungeachtet des Verlustes des Verfolgungsrechts ist dadurch die Strafbarkeit der Tat als solche nicht erloschen (Liebscher aaO RN 20). Der von Epp in ÖJZ 1979, 38 vertretenen Ansicht - das Fehlen eines Verfolgungsantrages als Prozeßvoraussetzung müsse bei Einleitung eines Strafverfahrens im Tatortstaat zu einem Freispruch führen, sodaß im Inland das Verfolgungshindernis des § 65 Abs 4 Z 2 StGB vorläge, was dem Täter jedoch dann nicht zugute komme, wenn im Ausland ein Strafverfahren mangels Antrages nicht eingeleitet wurde, weshalb (um diese Diskrepanz zu beseitigen) § 65 Abs 4 Z 1 StGB so auszulegen sei, daß die Unterlassung der Prozeßführung innerhalb der vorgesehenen Frist ein Erlöschen der Strafbarkeit bewirke - vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten. Denn die inländische Strafgewalt kann nicht (schon) durch die hypothetische Annahme als gemäß § 65 Abs 4 Z 1 StGB erloschen angesehen werden, daß, wenn im Tatortstaat ein Strafverfahren eingeleitet worden wäre, dieses mangels eines berechtigten Anklägers mit einem Freispruch geendet hätte; im übrigen ist eine Bindung der inländischen Strafverfolgung wohl nur anzunehmen, wenn der Freispruch durch das Gericht des Tatortstaates ein Sachurteil ist, dh aus Beweis- oder rechtlichen Gründen erfolgte, nicht aber wenn er darauf zurückgeht, daß die Strafanwendungsbedingungen nicht vorliegen. Ein Formalurteil dieser Art spricht nämlich nicht über die Strafbarkeit der Tat als solche ab; es muß daher für die Geltung des österreichischen Strafrechts bedeutungslos sein (Liebscher aaO RN 29). Für den Standpunkt des Beschwerdeführers kann aber auch aus § 65 Abs 2 StGB nichts gewonnen werden, weil es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Strafbemessungsvorschrift für (im Inland gemäß § 65 Abs 1 StGB zu verfolgende) Auslandsstraftaten handelt (SSt 47/23; SSt 48/51; Leukauf-Steininger aaO RN 21; Liebscher aaO RN 17).
Daß vorliegend aufgrund der am 14.Juni 1983 gegen den Angeklagten eingebrachten Strafklage des Geschädigten bei der Kantonspolizei Zürich, sohin einer zur Strafverfolgung berufenen Behörde (§§ 167 Abs 2, 151 Abs 3 StGB; vgl Mayerhofer-Rieder StGB 2 , Anm 6 zu § 151 StGB; Leukauf-Steininger 2 , RN 17 zu § 151 StGB, Epp, ÖJZ 1981, S 199), und der erst am 23.Juni 1983
erfolgten Schadensgutmachung kein Fall tätiger Reue vorliegt, hat das Erstgericht zutreffend (S 234 f) und vom Beschwerdeführer unwidersprochen festgestellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit zu verwerfen.
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