Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold H*** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4) StGB schuldig erkannt, weil er sich am 11.Dezember 1984 in Wien, wenn auch nur fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und im Rausch 1./ dadurch, daß er sich auf Inspektor Andreas W***, der im Begriffe war, ihn festzunehmen, stürzte, ihn an der linken Hand erfaßte, diese zusammendrückte und zu verdrehen trachtete, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchte, 2./ durch die unter Punkt 1./ bezeichnete Handlung, die bei Inspektor Andreas W*** eine Schwellung im Bereiche des linken Handrückens zur Folge hatte, einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzte, sohin Handlungen beging, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zugerechnet würden.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 (zu ergänzen: lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.
In seiner Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer, die Urteilskonstatierung, wonach er als Reaktion auf die von Inspektor Andreas W*** gemäß § 35 lit c VStG ausgesprochene Festnahme aufsprang, sich auf den Beamten stürzte, ihn an der linken Hand erfaßte und diese zu verdrehen suchte (S 72), sei unzureichend begründet und stehe in einem logischen Widerspruch zu der auf das Sachverständigengutachten gestützten Urteilsannahme, er habe im Vollrausch gehandelt, könne doch ein derart stark alkoholisierter Mensch, der "nicht gehen konnte und von dem Beamten getragen bzw geschleppt werden mußte", in diesem Zustand derartige Tathandlungen nicht gesetzt haben.
Die Rüge ist nicht berechtigt.
Denn der Schöffensenat stützte die bekämpfte Urteilsannahme auf die Aussage des Polizeibeamten Inspektor Johann ALT (S 59) in Verbindung mit dem Inhalt der Anzeige (S 16) unter Berücksichtigung der Angaben des Angeklagten vor dem Polizeikommissariat Penzing (S 33) und seiner leugnenden Verantwortung in der Hauptverhandlung (S 74, 75). Von unzureichender Begründung kann sohin keine Rede sein. Die Urteilskonstatierung steht aber auch nicht im logischen Widerspruch zur Annahme voller Berauschung. Denn volle Berauschung im Sinn des § 287 Abs 1 StGB bedeutet nicht die gänzliche Aufhebung des Bewußtseins, bei welcher der Täter einer willkürlichen Handlung nicht mehr fähig wäre. Daß aber der Beschwerdeführer - was eine Haftung wegen des bezeichneten Vergehens ausschlösse - sich in einem (bewußtlosen) Zustand befunden hätte, in dem es (bereits) an einer Handlung im strafrechtlichen Sinn (und nicht erst an der - von der Handlungsfähigkeit zu unterscheidenden - Schuldfähigkeit) fehlte, kann den Feststellungen des Erstgerichts nicht entnommen werden. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, der Beschwerdeführer sei so stark alkoholisiert gewesen, daß er "nicht gehen konnte und von dem Beamten getragen bzw geschleppt werden mußte", negiert den Urteilsinhalt. Denn insoweit konstatierte das Erstgericht, daß sich der Angeklagte vor dem Lokal nach dem erfolglosen Versuch, sich loßzureißen, "zu Boden fallen und sich von dem Beamten schleppen ließ", bevor er neuerlich einen überraschenden Versuch unternahm, davonzulaufen (AS 72), sohin zielgerichtete (aktive) Handlungen des Beschwerdeführers, nicht aber ein rein passives, auf einen Bewußtlosigkeit bewirkenden Vollrausch zurückzuführendes Verhalten. Für eine rauschbedingte Handlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich auch aus dem Sachverständigengutachten des Doz. Dr.Stefan P*** (vgl S 61 ff) keinerlei Anhaltspunkte. Daher konnte der Schöffensenat auch dem vom Angeklagten in den Vordergrund gerückten, im Urteil aber keineswegs übergangenen (vgl S 74) Umstand, daß ihn der Amtsarzt Dr. O*** ca zwei Stunden nach der Tat als "nicht gehfähig" bezeichnete (S 21), zu Recht keine entscheidungswesentliche Bedeutung beimessen. Ein Begründungsmangel liegt demnach nicht vor.
Es versagt aber auch die Rechtsrüge des Beschwerdeführers, in der er meint, daß "sein Bestreben lediglich darauf gerichtet war, seine Festnahme zu verhindern, nicht aber darauf, einen Beamten am Körper zu verletzen". Er habe daher "in Wirklichkeit eine einzige deliktische Handlung begangen, die zwar die Merkmale mehrerer Deliktstypen aufweise, doch werde der Unrechtsgehalt der Tat vollständig durch die Unterstellung (seines Verhaltens unter den Tatbestand) des tätlichen Widerstandes gegen die Amtsgewalt erfaßt". Mit diesem Vorbringen übergeht der Beschwerdeführer die - in der rechtlichen Beurteilung nachgetragene - Feststellung des Schöffensenates, derzufolge der Angeklagte durch seinen Angriff auf Inspektor W*** diesen zwar mit Gewalt an der Vornahme einer Amtshandlung hindern wollte, dabei aber, nämlich beim Verdrehen der linken Hand des Beamten, (auch) eine leichte Verletzung desselben "zumindest billigend in Kauf nahm" (S 77). Nach diesen Urteilskonstatierungen handelte der Angeklagte nicht nur mit dem Vorsatz (vgl hiezu ÖJZ-LSK 1984/151 zu § 287 Abs 1 StGB ua), eine Amtshandlung zu verhindern, sondern auch mit dem - wenngleich (trotz mehrfacher Hinweise in Judikatur und Literatur) nicht nach dem Wortlaut des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB, sondern nach der früher üblichen, jedoch das Wesen immerhin treffenden Diktion formulierten - bedingten Vorsatz, den Beamten dabei zu verletzen. Indem der Beschwerdeführer dies übergeht, bringt er den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten an dem gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis verlangt, daß dem Erstgericht bei der Beurteilung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes ein Rechtsirrtun unterlaufen ist, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Soweit der Beschwerdeführer darüberhinaus - der Sache nach in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 10 StPO - (grundsätzlich) das Vorliegen von Scheinkonkurrenz behauptet und ersichtlich den Fall der Konsumtion ins Treffen führt, ist ihm folgendes zu erwidern:
Konsumtion liegt vor, wenn durch eine (oder mehrere) Tathandlung(en) zwar formal mehrere Tatbestände verwirklicht erscheinen, das Tatgeschehen aber materiell nur einem der (abstrakt) in Betracht kommenden Deliktstypen zu unterstellen ist, weil eine wertabwägende Beurteilung zu dem Ergebnis führt, daß dieser eine Tatbestand den deliktischen Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes bereits für sich allein ausreichend erfaßt (Leukauf-Steininger Komm 2 § 28 RN 45; Kienapfel AT, E 8, RN 30 und die dort jeweils zitierte Judikatur und Literatur). Von den drei Fallgruppen der Konsumtion (der sogenannten typischen Begleittat, der sogenannten straflosen Vortat und der sogenannten straflosen Nachtat) käme vorliegend nur jener der Begleittat in Betracht.
Darunter werden im wesentlichen solche Delikte verstanden, die regelmäßig mit der Begehung eines anderen Deliktes verbunden sind, wobei die Begleittat im Vergleich zur Haupttat einen wesentlich geringeren Unrechtsgehalt aufweist, sodaß sie (kraft des zwischen den beiden Taten nach dem regelmäßigen Verlauf der Geschehnisse bestehenden inneren Zusammenhangs) dieser gegenüber nicht ins Gewicht fällt und insoweit kein (weiteres) Strafbedürfnis besteht. Der Beschwerde ist einzuräumen, daß das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt im vorliegenden Fall durch die Ausübung von Gewalt gekennzeichnet ist und nicht jede im Zuge ausgeübter Gewalt bei einem Widerstand dem Beamten zugefügte körperliche Beschädigung schon zwangsläufig den Tatbestand nach §§ 83, 84 Abs 2 Z 4 StGB erfüllt. Es muß vielmehr Verletzungs- bzw Mißhandlungsvorsatz im Sinne des § 83 Abs 1 bzw Abs 2 StGB vorliegen (vgl Leukauf-Steininger aaO § 269 RN 32 und die dort zitierte Judikatur). Soweit der Beschwerdeführer nun in diesem Zusammenhang die Urteilskonstatierung negiert, er habe Inspektor Andreas W*** die Hand zumindest (auch) mit bedingtem Verletzungsvorsatz verdreht, entbehrt die Nichtigkeitsbeschwerde - wie bereits ausgeführt - einer gesetzmäßigen Darstellung; soferne er aber meint - was seinen Ausführungen allenfalls entnommen werden könnte -, es läge insoweit jedenfalls nur scheinbare Idealkonkurrenz vor, so übersieht er, daß eine vorsätzliche Verletzung eines Beamten mit der Begehung gewaltsamen Widerstandes gegen eine im Zuge befindliche Amtshandlung weder regelmäßig verbunden ist, noch diese Tat im Vergleich zum Delikt des § 269 Abs 1 StGB einen wesentlich geringeren Unrechtsgehalt aufweist (vgl die Strafdrohungen der §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB und des § 269 Abs 1 erste Strafstufe StGB). Vom Vorliegen einer "typischen Begleittat" kann deshalb keine Rede sein, vielmehr liegt (angesichts des konstatierten Verletzungsvorsatzes) echte Konkurrenz (:ungleichartige Idealkonkurrenz) dieser Delikte vor (EvBl 1983/60;
1976/45 und 120; RZ 1979/65).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Leopold H*** war
daher zu verwerfen.
Das Erstgericht wertete als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, die die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, und verhängte über den Angeklagten gemäß § 287 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Die Berufung, mit der der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB bzw die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 37 Abs 1 StGB anstrebt, ist nicht begründet.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zutreffend festgestellt. Auch der Berufungswerber vermag keine zusätzlichen Milderungsgründe anzuführen. Die sehr starke Alkoholisierung des Angeklagten wurde entgegen der Auffassung des Berufungswerbers bei Ausmessung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe bereits angemessen berücksichtigt.
Das Vorleben des Berufungswerbers läßt weder die Anwendung der bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB noch die Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe gemäß § 37 Abs 1 StGB zu. Denn angesichts der zahlreichen Vorstrafen kann nicht angenommen werden, daß die bloße Androhung der Strafe bzw die Verhängung einer Geldstrafe genügen werde, um Leopold H*** von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Es mußte daher der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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