OGH 3Ob556/86

OGH3Ob556/8628.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 29. Juni 1983 verstorbenen Anna H***, Pensionistin, 1040 Wien, Schelleingasse 26/3/39, infolge Revisionsrekurses der Legatarin Edith L***, Angestellte, 1020 Wien, Heinestraße 19/1/1/4, vertreten durch Dr. Rudolf Wolf, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 20.Februar 1986, GZ. 43 R 865,866/85-72, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Oktober 1985, GZ. 4 A 492/83-63, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

In ihrem schriftlichen Testament vom 11.September 1979 vermachte die am 29.Juni 1983 verstorbene Anna H*** ihre Eigentumswohnung in 1040 Wien, Schelleingasse 26 einschließlich der Wohnungseinrichtung Edith L*** (ON 5).

Diese beantragte bereits im August 1983, ihr die Bestätigung zu erteilen, daß sie nach der Verstorbenen als Eigentümerin der 50/7851 Anteile an der Liegenschaft EZ 779 KG Wieden (Graf Starhemberggasse 44, Schelleingasse 26), mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Stiege 3 Top 39 verbunden ist, eingetragen werden könne (ON 6).

Am 23.November 1983 wurde der Notarsubstitut Dr. Wilhelm S*** zum Verlassenschaftskurator bestellt (ON 14). Nachdem die Legatarin die Erteilung der schon im August 1983 beantragten Bestätigung betrieben hatte (ON 21), wurde der Verlassenschaftskurator zur Stellungnahme aufgefordert (ON 22). Er beantragte zunächst, mit dieser Bestätigung bis zum Ablauf der Ende Mai 1984 endenden Ediktsfrist zur Einberufung der unbekannten Erben und Gläubiger zuzuwarten. Dann werde er dazu sachlich Stellung nehmen bzw. den Vertreter der Legatarin zur Vorlage eines Entwurfes der Amtsbestätigung auffordern (ON 24).

Im am 8.November 1984 errichteten Inventar wurde ein Aktivstand von S 136.850,74 (darin die mit dem Einheitswert von S 44.478 bewerteten Liegenschaftsanteile) und als einziges Passivum die Forderung Edith L*** von S 95.037,06 angeführt. Der Gerichtskommissär erwähnte, daß diese Forderung unter Umständen zu einer Legatskürzung führen könne. Der Verlassenschaftskurator gab vor einer "definitiven Rückäußerung" der gesetzlichen Erben keine Stellungnahme ab (ON 30).

In einem Aktenvermerk vom 13.November 1984 hielt der Gerichtskommissär fest, daß der Nachlaß überschuldet sei und eine Legatskürzung erforderlich sein werde, falls die Erhebungen des Verlassenschaftskurators hinsichtlich weiterer Nachlaßwerte ergebnislos bleiben sollten (ON 31).

Von den acht möglichen gesetzlichen Erben gab einer keine Erbserklärung ab (ON 38), einer verzichtete auf seinen Erbteil zugunsten Edith L***, sechs weitere gaben bedingte Erbserklärungen ab, die jedoch bisher noch nicht angenommen wurden (ON 38-46 und 67). Am 5.Juli 1985 wiederholte die Legatarin ihren bereits im August 1983 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung und gab unter Hinweis auf eine angebliche Rücksprache mit dem Verlassenschaftskurator bekannt, daß von dessen Seite nunmehr keine Einwände gegen die Ausstellung der beantragten Bestätigung bestünden (ON 52).

Im Protokoll des Gerichtskommissärs vom 2.September 1985 ist darauf hingewiesen, daß es auf Grund der Forderungsanmeldung Edith L*** zu einer Nachlaßüberschuldung kommen werde (ON 55). In einem Aktenvermerk vom 17.September 1985 ist festgehalten, daß der Vertreter Edith L*** unter Hinweis auf Zustimmung des Verlassenschaftskurators um Herausgabe der Amtsbestätigung ersucht habe, eine Stellungnahme und Zustimmung des Verlassenschaftskurators aber nicht aktenkundig sei (ON 58). Edith L*** verwies während einer Vernehmung am 26.September 1985 darauf, daß der Verlassenschaftskurator sich in seiner Stellungnahme nicht gegen die Ausstellung der Amtsbestätigung ausgesprochen habe (ON 60). Am 16.Oktober 1985 bestätigte das Erstgericht, daß auf Grund der im Testament vom 11.September 1979 getroffenen Verfügung zugunsten Edith L*** ob den Anna H*** gehörenden 50/7851 Anteilen an der Liegenschaft EZ 779 KG Wieden ..., mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an der auf der Stiege 3 gelegenen Wohnung Top 39 untrennbar verbunden ist, die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Edith L*** eingetragen werden könne (ON 63).

Gegen diesen Beschluß erhob der Verlassenschaftskurator einen auf Aufhebung gerichteten Rekurs. Die Amtsbestätigung sei ohne seine Zustimmung ergangen; eine solche sei ihm noch nicht möglich, weil die Möglichkeit einer Legatskürzung bestehe und eine Rückäußerung der bereits erbserklärten Erben, denen die Amtsbestätigung zuzustellen gewesen wäre, noch nicht vorliege (ON 64). Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neurliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Nach dem Inventarsentwurf ON 30 bestehe eine Forderung Edith L*** von S 95.037,06 als Passivum, während die Aktiven nach Abzug der Edith L*** vermachten Eigentumswohnung nur S 92.372,74 ausmachten. Eine allfällige Legatskürzung sei jedoch nur infolge der Forderung der Legatarin zu erwarten. Der Verlassenschaftskurator habe auch die Legatsgläubiger zu befriedigen, weshalb er auch alle Umstände geltend machen könne, die gegen eine Legatsforderung sprächen. Obwohl eine Legatskürzung nach § 692 ABGB nur auf Antrag der Erben stattzufinden habe, habe der Verlassenschaftskurator das Recht, den Erben die Möglichkeit eines solchen Antrags zu wahren. Die neuzufassende Entscheidung werde mit den Erben nicht nur diesen Aspekt zu erörtern, sondern den allgemeinen Grundsatz zu berücksichtigen haben, daß die Erben im Verfahren nach § 178 AußStrG zu hören seien.

Dagegen richtet sich der auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs Edith L***

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zulässig (Judikat 203 und ständige Rechtsprechung, zuletzt EFSlg. 47.126 und 47.127); es ist auch begründet.

Denjenigen, welchen in die öffentlichen Bücher eingetragene

unbewegliche Güter ... aus einer Verlassenschaft nicht als Erben,

sondern als Vermächtnisnehmer ... zufallen, ist nach § 178 AußStrG

von der Abhandlungsbehörde auf ihr Ansuchen die Bestätigung zu erteilen, daß sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümer eingetragen werden können.

Bei dieser Bestätigung handelt es sich um einen Beschluß und nicht um ein gerichtliches Zeugnis nach § 281 AußStrG (EvBl.1975/211). Sie kann schon vor der Einantwortung erteilt werden (ständige neue Rechtsprechung z.B. JBl. 1957, 18; SZ 25/193). Der Zustimmung des Erben oder eines sonstigen Nachlaßvertreters zur Ausstellung der Bestätigung bedarf es nicht (NZ 1968, 110; JBl. 1957, 18). Sie kann auch gegen den Willen des Erben ausgestellt werden, wenn das Vermächtnis formgültig und inhaltlich nicht bestritten ist und der Erbe die Zustimmung nur aus übertriebener Ängstlichkeit verweigert (NZ 1980, 99 mwN; EFSlg. 39.887). Die Erben oder sonstigen Nachlaßvertreter sind allerdings vor Erteilung der Bestätigung zu hören (EFSlg. 44.770; SZ 50/56, SZ 47/132 ua). Wenn die Erben die Unzulänglichkeit des Nachlaßvermögens wenigstens ernstlich behaupten (SZ 50/56; JBl.1957, 18 ua) oder die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung ernstlich bestreiten oder hinreichende Gründe für ihr Begehren auf Sicherstellung nach § 692 ABGB anzuführen vermögen (EvBl. 1966/226; NZ 1969, 137; EvBl. 1975/279), dann hat das Verlassenschaftsgericht den Vermächtnisnehmer auf den Rechtsweg zu verweisen (vgl. auch Welser in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 647).

Aus dem dargelegten Verlauf des Abhandlungsverfahrens ergibt sich, daß der Verlassenschaftskurator vor der Erteilung der Bestätigung gehört wurde und daß die Gültigkeit des Vermächtnisses an Edith L*** in keiner Weise bestritten wurde.

Da der Verlassenschaftskurator nach § 129 AußStrG unter anderem die Pflicht hat, die Verwaltung und Vertretung des Nachlasses zu besorgen und, sobald es mit Sicherheit geschehen kann, die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnisnehmer zu befriedigen, war er vor der Erteilung der Bestätigung nach § 178 AußStrG zu hören und auch legitimiert, die ohne seine Zustimmung erteilte Bestätigung mit Rekurs zu bekämpfen (vgl. Weiß in Klang 2 III 637 f; Welser aa0 Rdz 13 zu § 692).

Es ist zwar richtig, daß nach dem bisherigen Inventar Grund zur Annahme besteht, "daß die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtmäßigen Auslagen, und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht zureicht" (§ 692 ABGB), weil der um den Einheitswert der der Rechtsmittelwerberin vermachten Liegenschaftsanteile von S 44.478 verminderte Aktivstand von S 92.372,74 nicht einmal zur Bezahlung der einzigen angemeldeten Forderung von S 95.037,06 ausreicht.

Dies könnte einen verhältnismäßigen Abzug vom Vermächtnis der Rechtsmittelwerberin im Sinne des § 692 ABGB rechtfertigen. Ein solcher kann auch dadurch geschehen, daß dem Legatar eine entsprechende Zahlung an den Nachlaß auferlegt wird (JBl. 1967, 371). Im vorliegenden Fall könnte derselbe Erfolg durch einen entsprechenden Abzug von der von der Legatarin angemeldeten Forderung von S 95.037,06 leicht erreicht werden, so daß der allfällige Abzug vom Vermächtnis ausreichend sichergestellt erscheint.

Wegen dieser besonderen Umstände ist die Verweigerung der Zustimmung durch den Nachlaßkurator als übertriebene Ängstlichkeit anzusehen, weshalb dem Ansuchen der Legatarin auf Erteilung der Bestätigung nach § 178 AußStrG stattgegeben werden kann. Die diesbezügliche Entscheidung der ersten Instanz ist daher wiederherzustellen.

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