Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben: das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehung der dem Angeklagten laut Punkt I. zur Last fallenden Tat, in der darauf beruhenden Unterstellung der nach den Punkten I. und II. als erwiesen angenommenen Taten (auch) unter § 16 Abs. 2 Z 2 SuchtgiftG sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft), jedoch unter Aufrechterhaltung des Verfallsausspruchs, aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin B*** der Vergehen (I. und II.) nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 SuchtgiftG (nF) sowie (III.) des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Unter Punkt I. liegt ihm zur Last, am 18.September 1985 in Innsbruck außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SuchtgiftG den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig ein Suchtgift, und zwar ca. 0,5 Gramm Heroin, anderen überlassen zu haben, indem er es Angelika S*** und Werner G*** zum kommissionsweisen Weiterverkauf übergab.
Rechtliche Beurteilung
Der inhaltlich nur gegen den Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehung dieser Tat und die darauf beruhende Qualifikation nach § 16 Abs. 2 Z 2 StGB gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 2, 3, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.
Nicht zielführend ist allerdings die Verfahrensrüge (Z 2 "bzw." Z 3), mit der er die Auffassung vertritt, das Erstgericht hätte das Protokoll über die Verantwortungen, die von den damaligen Mitangeklagten S*** und G*** in einer früheren
Hauptverhandlung abgelegt worden waren (ON 50), sowie den Inhalt der Anzeige in bezug auf deren Angaben bei der Sicherheitsbehörde (ON 13), wo sie ohne Belehrung über allfällige Entschlagungsrechte vernommen worden seien, nicht verlesen (S 41/II) und diese Aktenstücke bei der Urteilsfällung nicht berücksichtigen dürfen, weil sich die Genannten nach der Ausscheidung des sie betreffenden Verfahrens bei ihrer Vernehmung als Zeugen in der Hauptverhandlung gemäß § 153 StPO der Aussage entschlagen haben (S 37/II). Die Verlesung der relevierten Aktenstücke an sich konnte nämlich weder nach Z 2 noch nach Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO zu einer Urteilsnichtigkeit führen, weil das in Rede stehende Hauptverhandlungsprotokoll überhaupt keine sowie die Anzeige keine vom Gesetz mit Nichtigkeit bedrohten Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakte betrafen (Z 2) und dadurch auch sonst keine unter Nichtigkeitssanktion stehende Vorschrift verletzt wurde (Z 3). Ebenso ist dem Schöffengericht aber auch kein (mit dem darauf bezogenen Einwand der Sache nach zudem behaupteter) Begründungsmangel des Urteils (Z 5) - infolge einer Unzulässigkeit der Verwertung jener Schriftstücke (wegen eines ihrer Verlesung entgegengestandenen Beweisaufnahmeverbotes) - unterlaufen. Denn eine Vernehmung der Angelika S*** sowie des Werner G*** als Zeugen in der Hauptverhandlung (am 20.März 1986) kam zwar im Hinblick darauf, daß ihre Aussageverweigerung nach § 153 StPO als berechtigt erkannt wurde, nicht in Betracht, sodaß die Verlesung der Protokolle über ihre früheren gerichtlichen Angaben im selben Verfahren nach § 252 Abs. 1 Z 3 (arg. e contr.) StPO in der Tat gleichfalls unzulässig gewesen wäre, und zwar - wie sich lege non distinguente aus Z 2 derselben Verfahrensbestimmung ergibt - ohne Rücksicht darauf, ob sie jene als Zeugen oder als Beschuldigte (Angeklagte) deponiert hatten (vgl. 12 Os 40/80); wohl aber war die Verlesung dieser Protokolle durch § 252 Abs. 1 Z 4 StPO gedeckt, weil aus dessen Zitierung als Grundlage für den gerügten Vorgang in dem für das Rechtsmittelgericht maßgebenden Hauptverhandlungsprotokoll (S 41/II) zu entnehmen ist, daß der öffentliche Ankläger und (entgegen dem Beschwerdevorbringen auch) der Angeklagte damit einverstanden waren.
Der Einwand des Beschwerdeführers gegen die auf § 252 Abs. 2 StPO gestützte Verlesung der Anzeige auch über die Angaben der Genannten bei der Polizei hinwieder scheitert schon daran, daß eine Belehrung über ein Entschlagungsrecht nach § 153 StPO im Gesetz prozessual gar nicht vorgeschrieben ist (vgl. EvBl. 1978/61 ua). Mit seiner weiteren Mängelrüge (Z 5) jedoch ist der Angeklagte im Recht.
Das Erstgericht hat nämlich die bekämpfte Feststellung, daß er S*** und G*** die urteilsgegenständlichen 0,5 Gramm Heroin in Absicht überließ, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 6), formell allein schon aus den Angaben der Erstgenannten bei der Polizei abgeleitet (US 5), wonach - unter anderem - er ihr den Vorschlag gemacht habe, für ihn in Innsbruck "Heroin zu verdealen" (US 4), doch kann nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen werden, daß für diese Beweiswürdigung gerade jene Überlegungen entscheidend waren, die es dazu (nach den weiteren Entscheidungsgründen bloß) "darüber hinaus" anstellte (US 5 bis 7). Denn zum einen sprach S*** auch bei der Polihei nicht von einem Vorschlag, Heroin zu "verdealen", sondern von einem solchen, es zu "verkaufen" (S 113/I), und zum anderen geht aus diesen Angaben im Zusammenhang (S 113 bis 115/I) umsoweniger "eindeutig" (US 4) hervor, daß sich der Vorschlag des Beschwerdeführers auf eine wiederkehrende derartige Verkaufstätigkeit bezogen habe, als sie von den Erhebungsbeamten, denen die damals Beschuldigte darüber berichtete, augenscheinlich so verstanden wurden, daß er nur den Verkauf der urteilsgegenständlichen Heroin-Menge betraf (S 87 f./I). Von den übrigen beweiswürdigenden Argumenten des Schöffengerichts aber sind - im Hinblick darauf, daß es den vorerst als "Warenprobe zur Qualitätsprüfung" ins Treffen geführten Heroin-Konsum des Angeklagten kurz vor der Tat (US 5, 7) in weiterer Folge gar nicht als erwiesen annahm (US 7) und daß seinen "beruflichen Schwierigkeiten" für sich allein keine logisch und empirisch ausreichende Beweiskraft für eine Absicht seinerseits zukäme, zu einem laufenden Heroinhandel zurückzukehren (US 5) - ersichtlich jene von besonderer Bedeutung, daß der Beschwerdeführer nicht bereit sei, den Namen des Heroin-Lieferanten zu nennen, von dem er "als versierter Dealer der Innsbrucker Suchtgiftszene" bloß unglaubhaft behaupte, ihn nicht zu kennen, sodaß die Annahme durchaus nahe liege, er habe mit jenem weitere Lieferungen vereinbart, und daß er "seit vielen Jahren als gefährlicher Heroindealer tätig sei" sowie "nach seinem Vorleben als einer der ganz gefährlichen Rauschgifthändler in Tirol angesehen werden müsse" (US 5, 6, 7).
Insofern wendet der Angeklagte berechtigtermaßen ein, daß diese Feststellung in Ansehung der hier entscheidenden Akzente weder in seinen Vorstrafakten - aus denen sich in bezug auf eine von ihm ausgeübte Dealer-Tätigkeit nur ergibt, daß er im Jahre 1981 in sechs Angriffen insgesamt 43,5 Gramm Heroin aus Italien in die Schweiz einschmuggelte, von denen ca. 22,5 Gramm in den Verkauf gelangten, ohne daß sich daraus Anhaltspunkte für eine derartige (fortlaufende) Tätigkeit seinerseits "seit vielen Jahren" oder "in Tirol" oder für eine Kenntnis seinerseits über die "Innsbrucker Suchtgiftszene" ergäben - noch sonst im Verfahren Deckung finden.
Ebenso berechtigt ist der Vorwurf einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe in Ansehung jener den gerügten Urteilsannahmen zuwiderlaufenden Bekundungen des mit den Erhebungen befaßt gewesenen Polizeibeamten W***, wonach diesem nicht bekannt geworden sei, daß der Beschwerdeführer seit seiner letzten Enthaftung (im Anschluß an seine vorerwähnten Auslands-Straftaten) wieder mit Heroin zu tun gehabt hätte.
Im Hinblick auf die damit aufgezeigten Begründungsmängel des Urteils (Z 5) ist im davon betroffenen Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung der (nicht gesetzmäßig ausgeführten) Rechtsrüge (Z 10) bedarf.
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