Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Oktober 1946 geborene Bedienstete der Österreichischen Bundesbahnen Kurt C*** der Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB (A I des Urteilsspruches) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall (richtig: höherer Strafsatz [LSK 1984/129]) StGB (B) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (A/II) schuldig erkannt. Darnach hat er (zu A I) am 27.Oktober 1984 in Gänserndorf die schwer alkoholisierte Brigittte M*** dadurch, daß er ihr mehrere Schläge ins Gesicht versetzte, sie wiederholt auf eine Bettbank stieß, sie dabei entkleidete und sich sodann auf sie legte und sie am Kopf festhielt (sohin durch Gewalt; der Urteilsbegründung US 9 und 15 zweiter Absatz zufolge überdies auch durch eine gegen Brigitte M*** gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch die Ankündigung, erst dann mit dem Schlagen aufzuhören, wenn sie sich ausziehe), widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht; (zu B) am 24.April 1985 in Korneuburg Brigitte M*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er sie des von Amts wegen zu verfolgenden (mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten) Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch ist, indem er als Angeklagter im gegenständlichen Verfahren vor dem Schöffengericht angab, er sei nach dem 27.Oktober 1984 von Brigitte M*** zweimal an seiner Arbeitsstelle (Bahnhof Floridsdorf) angerufen worden, wobei sie von ihm unter der Behauptung, gegen ihn etwas in der Hand zu haben, 5.000 S verlangt und ihm mit einer Anzeige gedroht habe, wenn er ihr das Geld nicht gebe.
Nur gegen die erwähnten Schuldsprüche wegen Notzucht (A I) und Verleumdung (B) richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kurt C***; die Verurteilung wegen Vergehens der Sachbeschädigung (A II) läßt er unangefochten.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge (siehe deren Punkte aa, bb und dd) die Urteilsfeststellung, wonach er Brigitte M*** anläßlich der Urteilstat A I durch mehrere Schläge ins Gesicht leicht verletzt hat (US 8 letzter Absatz, 9 oben), als überhaupt nicht oder als unvollständig begründet bezeichnet, setzt er sich darüber hinweg, daß das Erstgericht sich nicht nur (laut US 10) ausdrücklich auf die Aussage der Zeugin M*** (I 419, II 23; vgl I 23 bis 25, 264, 471, 473) gestützt hat, sondern auch auf die der Zeugin in Ansehung von Details unterlaufenen Ungenauigkeiten eingegangen ist. Da der Schöffensenat diese Unstimmigkeiten generell auf eine alkoholisierungsbedingte Erinnerungsschwäche zurückführte und daher nicht zum Anlaß nahm, die Glaubwürdigkeit der belastenden Aussage in ihrem Kern in Zweifel zu ziehen (US 11), erübrigte sich eine eingehende Befassung mit einzelnen Abweichungen in den Angaben der Brigitte M*** anläßlich der Schilderungen der an ihr verübten Tätlichkeiten gegenüber dem gerichtsärztlichen Sachverständigen (I 259) am 30.Oktober 1984 (sohin während jener der Anzeigeerstattung am 2.November 1984 vorausgegangenen Überlegungsfrist, als Brigitte M*** noch nicht entschlossen gewesen war, den Vorfall in seiner ganzen Schwere bekanntwerden zu lassen). Auch im die Motivation der Zeugin M*** hinsichtlich der Verzögerung der Anzeigeerstattung betreffenden Teil der Urteilsbegründung ist dem Erstgericht keine Unvollständigkeit (im Sinne der gegen den Schuldspruch wegen Verleumdung - Punkt B des Urteilsspruches - gerichteten Ausführungen unter Punkt ff der Mängelrüge) unterlaufen: In der Furcht der Zeugin vor einem Verlust ihrer Hauptbeschäftigung bei Bekanntwerden des Vorfalles (US 9 unten, 10) hat der Schöffensenat keineswegs das ausschließliche Motiv ihrer unschlüssigen Haltung gesehen, sondern er hat diese Einstellung darüber hinaus auch auf die gerichtsnotorische verständliche Scheu des Notzuchtsopfers vor den im Fall der Anzeigeerstattung zu gewärtigenden Unannehmlichkeiten und Peinlichkeiten zurückgeführt (US 11 unten und verso). Die bezüglichen Angaben der Zeugin (I 421 unten, 422; I 24, 26) wurden solcherart in ihrer Gesamtheit vom Erstgericht berücksichtigt und auf logisch durchaus vertretbare Weise miteinander in Einklang gebracht, zumal die vorläufige Abstandnahme von einer Anzeige durchaus auf einer Mehrzahl von einander nicht ausschließenden, vom Tatopfer selbst nicht immer ganz klar unterschiedenen Beweggründen beruhen kann (vgl hiezu die Aussage der Zeugin M*** I, 104: "Ich habe deswegen nicht sofort Anzeige erstattet, weil ich mich gefürchtet habe und ich auch keine Schwierigkeiten mit dem Dienstgeber haben wollte ....").
Die weiteren in der Mängelrüge (unter cc und ee) behaupteten Unvollständigkeiten der Urteilsbegründung betreffen keine entscheidenden Tatsachen:
Der Aussage des Zeugen Martin T*** (I, 430 unten, 431 iV mit I 191) ist zwar zu entnehmen, daß bereits am 27.Oktober 1984 ein Bursche, der sich als Bruder der Brigitte M*** bezeichnete, von ihm Näheres über eine in der vorangegangenen Nacht an der Genannten verübte Tätlichkeit (Ohrfeige) mit Verletzungsfolgen (Platzen des linken Trommelfells) zu erfahren trachtete. Abgesehen davon, daß die Identität jenes Burschen mit dem Bruder der Zeugin M*** keineswegs feststeht und aus der Zeugenaussage zudem weder der genaue Umfang dessen Wissens um den Vorfall noch die Quelle dieses Wissens hervorgeht - sodaß insoweit kein unlösbarer Widerspruch zur Behauptung der Zeugin M*** (I, 422 f) besteht, ihren Bruder jedenfalls nicht selbst informiert zu haben -, erscheint die Beantwortung der Frage, ob, wann und in welchem Ausmaß sich Brigitte M*** ihrem Bruder anvertraut hat, weder für die rechtliche Unterstellung der Taten A I und B noch für die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes entscheidend. Mit seinen diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sucht der Angeklagte lediglich die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin generell zu erschüttern. Damit führt er jedoch die Mängelrüge nicht prozeßordnungsgemäß aus, sondern bekämpft - im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens unzulässigerweise - die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Ebenso belanglos bleibt es, daß der rechtskräftig freigesprochene Erich S*** seiner Verantwortung (II, 18) zufolge in jenem Zeitpunkt, als er Brigitte M*** mit dem Angeklagten in dessen Wohnung allein ließ, keine Änderung im (Alkoholisierungs-)Zustand der Zeugin zu erkennen vermochte. Denn abgesehen davon, daß der Eintritt einer teilweisen Ernüchterung einer beträchtlich alkoholisierten Person keineswegs sogleich auch nach außen hin evident werden muß, kommt es im vorliegenden Fall nicht auf die Verfassung der Zeugin M*** während der Anwesenheit des Erich S***, sondern vielmehr darauf an, ob sie die Vorfälle nach dessen Weggang ungeachtet ihrer Alkoholisierung im wesentlichen richtig wahrzunehmen, im Gedächtnis behalten uGd wiederzugeben imstande war. Zur Klärung dieser Frage vermag die nach Ansicht des Beschwerdeführers erörterungsbedürftige Verantwortung des Zeugen S*** nichts Entscheidendes beizutragen, zumal dem gerichtspsychiatrischen Gutachten (I 487) zufolge die Wiederkehr des nicht mehr beeinträchtigten Bewußtseinsvollzuges nicht nur allmählich sondern auch mehr oder minder abrupt erfolgt sein kann. Die auf die Nichtigkeitsgründe nach Z 9 lit a und - soweit die Subsumtion der Tat A I unter § 202 Abs 1 StGB angestrebt wird - nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rechtsrüge in Ansehung des Schuldspruches wegen Verbrechens der Notzucht (A I) wird vom Angeklagten insoweit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, als er von der urteilsfremden Annahme einer nicht den Grad einer Widerstandsunfähigkeit erreichenden bloßen körperlichen Erschöpfung der Brigitte M*** ausgeht. Damit setzt sich der Beschwerdeführer über jene Urteilsfeststellungen hinweg, denen zufolge sich Brigitte M*** wegen ihrer Alkoholisierung und der Gewaltanwendung seitens des Angeklagten - die insbesondere im wiederholten Drücken oder Stoßen der Widerstrebenden auf eine Bettbank, im Versetzen mehrerer zu leichten Verletzungen führender Schläge ins Gesichts sowie im Festhalten der Genannten an der Schulter und am Kopf zur Überwindung des von ihr bis zuletzt geleisteten Widerstands bestand (US 8 unten, 9 erster Absatz) - nicht derart zur Wehr setzen konnte, um den Geschlechtsverkehr zu verhindern (US 9 zweiter Absatz; vgl auch US 13 zweiter Absatz und US 15, wonach die Zeugin infolge körperlicher Unterlegenheit und Alkoholisierung zu weiterer Gegenwehr außerstande gewesen war, ihre Kräfte infolge der "Mißhandlungen" erlahmt waren und ihr Widerstand solcherart durch den Angeklagten gebrochen worden war). Die rechtliche Beurteilung dieses vom Beschwerdeführer übergangenen Urteilssachverhaltes seitens des Schöffensenates dahin, die Zeugin M*** habe sich infolge der Handlungsweise des Angeklagten in einem Zustand extremer Hilflosigkeit befunden, in welchem sie (schon rein physisch) zu weiterem Widerstand unfähig gewesen war, ist zutreffend. Angesichts der konstatierten körperlichen Überwältigung erübrigte sich eine Prüfung, ob die Zeugin noch über die psychische Kraft zu weiterem Widerstand verfügt hätte und ob ihr ein solcher - insbesondere angesichts der Androhung, die Verletzte weiter zu schlagen - auch zumutbar gewesen wäre. Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß die betreffende Äußerung des Angeklagten, den abschließenden Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO zuwider, vom Erstgericht zu Recht als im Sinne des § 201 Abs 1 StGB tatbildliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben beurteilt worden ist (US 14 vorletzter Absatz bis US 15 zweiter Absatz), weil damit der sofortige Eintritt einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität angekündigt wurde (vgl Pallin in WrK, § 201 StGB, Rz 14; Leukauf-Steininger 2 , § 201 StGB, RN 6).
Als sachlich unbegründet erweist sich auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) in Ansehung des Schuldspruches wegen Verbrechens der Verleumdung (B des Urteilssatzes):
Die Beurteilung, ob eine Verdächtigung falsch - d h objektiv unrichtig (EBRV 1971, 446) - ist, hängt nicht davon ab, ob und welche Schwierigkeiten mit dem Nachweis ihrer Tatsachenwidrigkeit verbunden sind. Wäre - wie der Beschwerdeführer vermeint - nur eine solche Verdächtigung als "falsch" anzusehen, deren Unrichtigkeit schon von allem Anfang an ins Auge fällt und nicht erst durch eingehende Beweiswürdigung festgestellt werden muß, so würde dies auf eine dem Strafgesetzgeber nicht zusinnbare Begünstigung gerade jenes raffinierten und daher besonders gefährlichen Täters hinauslaufen, der eine erst auf Grund von Gegenbeweisen widerlegbare (also nicht von vornherein für jedermann als wahrheitswidrig erkennbare) Falschbezichtigung vorbringt.
Dem Schuldspruch zu B/ haftet weder zur objektiven noch zur subjektiven Tatseite ein Feststelllungsmangel an; das Gericht hat vielmehr - wenn auch zT erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (s S 59/60) - alle erforderlichen Konstatierungen getroffen. Daß die Beschuldigung derart unglaubhaft gewesen wäre, daß von vornherein nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines behördlichen Einschreitens gegen Brigitte M*** wegen §§ 15, 144 Abs 1 StGB bestand und es daher am Tatbild fehlt (vgl L-St 2 § 297 RN 11), kann bei der gegebenen Sachlage jedenfalls nicht gesagt werden. Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 297 Abs 1 StGB genügt im übrigen die konkrete Gefahr einer Verfolgung des Verleumdeten; daß es wirklich zu einer Verfolgung kommt, ist nicht erforderlich. Der Angeklagte hat mit dem inkriminierten Vorbringen aber auch - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - die Grenze gerechtfertigter (wenn auch falscher) Verantwortung überschritten, wobei auch das Erstgericht zutreffend die Erfordernisse der Anwendbarkeit des höheren Strafsatzes des § 297 Abs 1 StGB für erfüllt angesehen hat (vgl SSt 47/3= EvBl 1976/206).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kurt C*** war mithin zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 201 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren, bei deren Bemessung das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen und die einschlägige Vorstrafe erschwerend, hingegen das reumütige Geständnis hinsichtlich der Sachbeschädigung mildernd waren. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Die Berufung ist teilweise berechtigt.
Weitere Milderungsgründe werden in der Berufungsschrift zwar nicht aufgezeigt. Es trifft nicht zu, daß der Angeklagte die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen hat, weil nach dem vom Erstgericht festgestellten Tathergang keine Rede davon sein kann, daß es sich um eine solche Gelegenheit gehandelt hat, der auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterliegen könnte. Die Abstandnahme von weiteren Verletzungshandlungen bei der Notzucht stellt, den Ausführungen des Berufungswerbers zuwider, keinen Milderungsgrund im Sinne des § 34 StGB dar.
Der Oberste Gerichtshof vertritt jedoch in Abwägung der vom Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründe die Auffassung, daß nach dem Unrechtsgehalt der vorliegenden Tathandlungen eine Freiheitsstrafe in der Dauer von nur 15 Monaten der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten durchaus entspricht, sodaß die in erster Instanz ausgesprochene Strafe auf dieses Maß herabzusetzen war. Im Hinblick auf die Vorstrafen des Angeklagten und die Art seines kriminellen Verhaltens liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB nicht vor, sodaß die Berufung in diesem Punkte erfolglos bleiben mußte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)