OGH 1Ob562/86

OGH1Ob562/8614.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emma F***, Landwirtin, St. Martin im Sulmtal, Dietmannsdorf 15, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Josef F***, Arbeiter, Gleinstätten 45, vertreten durch Dr. Kuno Purr, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufhebung der Gütergemeinschaft und Übertragung eines Liegenschaftsanteils (Streitwert S 17.500,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 29. November 1985, GZ. 27 R 16/85-29, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Eibiswald vom 9. September 1983, GZ. C 67/83 -3, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 2. Mai 1950 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. September 1978, 24 Cg 149/77, aus dem Verschulden des Beklagten geschieden. Am 3. Juli 1950 schlossen die Streitteile in Form eines Notariatsaktes Ehepakten womit sie "über ihr gesamtes beiderseitiges Vermögen, welches sie gegenwärtig einzeln oder schon gemeinsam besitzen und welches sie in Zukunft während der Ehe einzeln oder zusammen erwerben, ererben oder auf was immer für rechtliche Art unter Lebenden oder von Todes wegen an sich bringen und erhalten sollten," eine bereits unter Lebenden wirksame allgemeine Gütergemeinschaft. Eine Auseinandersetzungsvereinbarung für den Fall der Scheidung der Ehe wurde nicht getroffen. Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 13. März 1957, A 111/56-43, wurde der Nachlaß der am 11. April 1956 verstorbenen Mutter der Klägerin Sofie W*** der Klägerin zur Hälfte und den Kindern der Streitteile Josef und Emma F*** je zu einem Viertel eingeantwortet. Im Hinblick auf das im Abhandlungsverfahren zwischen den Erben und mit dem Beklagten getroffene Übereinkommen vom 22. Februar 1957 wurden die Streitteile sowie Josef und Emma F*** je zu einem Viertel als Eigentümer der Liegenschaft EZ 14 KG Dietmannsdorf einverbleibt. Zwischen den Streitteilen einerseits und jedem von ihnen und jedem der beiden Kinder wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vertraglich begründet und einverleibt.

Die Klägerin begehrt mit der am 4. Mai 1983 erhobenen Klage den Ausspruch, daß die zwischen den Streitteilen am 3. Juli 1950 errichteten Ehepakte aufgehoben seien; der Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts ob dem in seinem Eigentum stehenden Viertelanteil an der Liegenschaft EZ 14 KG Dietmannsdorf einzuwilligen. Die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten rechtfertige das Begehren auf Aufhebung der Ehepakte und die Rückübertragung des von der Klägerin in die Gütergemeinschaft eingebrachten Vermögens.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil er in den letzten 25 Jahren ca. 1,5 Mio. S in die Liegenschaft investiert habe. Dem Klagebegehren stehe auch das begründete Belastungs- und Veräußerungsverbot entgegen.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er stellte fest, daß das Vermögen der Streitteile im Zeitpunkt der Begründung der Ehepakte nur aus Kleidung, Wäsche und Schuhen im Wert von je S 400,-- bestanden habe. Im Hinblick auf die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten sei dieser verpflichtet, den ihm während der Ehe von der Klägerin zugekommenen Viertelanteil an der EZ 14 KG Dietmannsdorf an die Klägerin zurückzustellen. Die behaupteten Investitionen stünden der Aufhebung der Gemeinschaft nicht entgegen, ein Zurückbehaltungsrecht habe der Beklagte nicht geltend gemacht.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstrichters, erachtete das Verfahren jedoch insoferne als ergänzungsbedürftig, als der Beklagte jedenfalls dem Sinn nach geltend gemacht habe, daß er im Hinblick auf die von ihm auf die Liegenschaft getätigten Aufwendungen zur Zurückstellung des Liegenschaftsanteils nur Zug um Zug gegen Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs der Klägerin kommt Berechtigung nicht zu.

§ 1266 zweiter und dritter Satz ABGB regelt die Auswirkungen der nicht einverständlichen Scheidung auf eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden dahin, daß der an der Scheidung Schuldlose in Ermangelung einer vertraglichen Regelung Teilung wie beim Tod verlangen kann. Der schuldlose Ehegatte kann aber auch statt der Teilung die Aufhebung der Ehepakte (§ 1266 erster Satz ABGB) fordern (SZ 34/53; JBl. 1968, 424; SZ 23/67; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 1266; Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht 3 105; Gschnitzer-Faistenberger, Familienrecht 2 88). Der Beklagte kann für seine Aufwendungen auf das gemeinschaftliche Vermögen ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 ABGB geltend machen; die gegenseitigen Ansprüche sind dann Zug um Zug zu erfüllen (SZ 48/9; EvBl. 1951/397; Petrasch a.a.O. Rdz 2 zu § 1266; Rummel, JBl. 1968, 406, 415). Ein Veräußerungs- oder Belastungsverbot steht der Geltendmachung des Anspruches nach § 1266 ABGB nicht entgegen (SZ 30/71 = JBl. 1958, 120 m. Anm. Gschnitzer; Petrasch a.a.O. Rdz 2 zu § 1266).

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe sich im Verfahren vor dem Erstgericht auf die von ihm getätigten Aufwendungen nur zur Entkräftung des von ihr erhobenen Anspruchs auf Aufhebung der Gütergemeinschaft berufen, ein Zurückbehaltungsrecht habe er - auch sinngemäß - nicht geltend gemacht; von Amts wegen sei hierauf jedoch nicht Bedacht zu nehmen. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht rechtsfreundlich vertreten und vom Erstrichter offenbar auch nicht hinreichend über die Rechtslage belehrt war. Es ist dem über die mündliche Verhandlung aufgenommenen Protokoll jedenfalls nicht zu entnehmen, daß der Beklagte dahin informiert worden wäre, daß die von ihm behaupteten Aufwendungen auf die gemeinsame Liegenschaft die Einwendungen des Zurückbehaltungsrechtes gemäß § 471 ABGB rechtfertigen und der Beklagte dennoch sich auf ein solches Zurückbehaltungsrecht nicht berufen hätte. Die Verletzung der Manuduktionspflicht (§ 432 ZPO) begründet, wenn sie geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Fasching, Lehrbuch Rz 1611). Die Aufhebung der Entscheidung des Erstrichters ist demnach auch dann gerechtfertigt, wenn das Vorbringen des Beklagten nicht im Sinne der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes verstanden werden konnte. Im Berufungsverfahren hat sich der Beklagte entgegen den Rekursbehauptungen jedenfalls darauf berufen, die Annahme des Erstrichters, er habe ein Zurückbehaltungsrecht nicht geltend machen wollen, sei unzutreffend.

Demzufolge ist dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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