OGH 1Ob73/61

OGH1Ob73/6112.4.1961

SZ 34/53

Normen

ABGB §1266
ABGB §1266

 

Spruch:

Der schuldlose Ehegatte kann - ohne Todfallsregelung in der Vereinbarung der Gütergemeinschaft - nicht verlangen, daß der unabhängig davon bestehende Erbvertrag und das wechselseitige Testament den Regeln des § 1266 ABGB. über die Behandlung der Gütergemeinschaft unterstellt werden. Die Rechtswirkung des Erbvertrages im Falle der Ehescheidung ergibt sich vielmehr aus der besonderen Bestimmung des vorletzten Satzes des § 1266 ABGB.

Entscheidung vom 12. April 1961, 1 Ob 73/61.

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach den Feststellungen der Untergerichte waren die Streitteile Ehegatten und hatten am 2. Juni 1932 Ehepakte errichtet, mit denen eine allgemeine, schon unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft über ihr gesamtes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen vereinbart worden war. In die Gütergemeinschaft brachte die Klägerin die Liegenschaft EZ. 117 GB. G. und eine Legatsforderung von 1650 S ein. Während der Ehe wurden von beiden Streitteilen die Liegenschaften EZ. 1630 und 2041 GB. G. angeschafft. Die Ehe ist sodann aus dem Alleinverschulden des Beklagten rechtskräftig geschieden worden. Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage, der Beklagte habe die ihm gehörigen Hälften der Liegenschaften EZ. 117, 1630 und 2041 GB. G. in das Eigentum der Klägerin zu übertragen und in die grundbücherliche Einverleibung ihres Eigentumsrechtes einzuwilligen.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich der Hälfte der Liegenschaft EZ. 117 GB. G. statt und wies das Mehrbegehren betreffend die Liegenschaften EZ. 1630 und 2041 GB. G. ab. Nach der Rechtsprechung stehe - so führt das Erstgericht aus - dem an der Ehescheidung schuldlosen Teil, in diesem Fall der Klägerin, ein Wahlrecht zwischen der Teilung des der Gütergemeinschaft unterzogenen, Vermögens wie beim Tod und der Aufhebung der Gemeinschaft zu. Die Klägerin habe sich für die Teilung des Vermögens entschlossen. Sie könne vorderhand nur den Hälfteanteil des Beklagten an der von ihr in die Gütergemeinschaft eingebrachten EZ. 117 GB. G. verlangen. Hinsichtlich des während der Ehe angeschafften Vermögens habe es bei den bisherigen Hälfteanteilen der Streitteile zu verbleiben. Der Klägerin stehe aber auf den Todesfall des Beklagten das Recht aus dem in den Ehepakten geschlossenen Erbvertrag und dem wechselseitigen Testament zu. Dies ergebe sich aus dem vorletzten Satz des § 1266 ABGB. Im stattgebenden Teil ist das erstgerichtliche Urteil rechtskräftig geworden.

Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils. Mangels vertraglicher Regelung der Teilung des gütergemeinschaftlichen Vermögens für den Fall des Todes eines der Streitteile hätten nach der Meinung des Berufungsgerichtes die gesetzlichen Vorschriften des § 1234 ABGB. angewendet zu werden. Danach habe der überlebende Ehegatte das Recht auf die Hälfte dessen, was nach dem Ableben des anderen vom gütergemeinschaftlichen Vermögen noch vorhanden sei. In diesem Sinn sei im vorliegenden Fall die Teilung vorzunehmen, weil nach § 1266 ABGB. auf Begehren des schuldlosen Ehegatten das gemeinschaftliche Vermögen wie beim Tod zu teilen sei. Die Klägerin habe daher Anspruch auf die Freiheit nur der ihr bereits zugeschriebenen Hälfteanteile an den drei Liegenschaften von den sich aus der Gütergemeinschaft ergebenden Verfügungsbeschränkungen (§ 1236, zweiter Satz, ABGB.). Ein Anspruch auf die anderen, dem Beklagten zugeschriebenen Liegenschaftshälften stehe ihr hingegen nicht zu. Ein solcher Anspruch stehe der Klägerin auch nicht auf Grund des Erbvertrages und des wechselseitigen Testamentes zu. Wie sich aus § 1266, vorletzter Satz, ABGB. ergebe, wirke der Erbvertrag trotz der Scheidung als Titel zum Erbrecht weiter. Er werde aber erst wirksam, wenn die schuldlose Klägerin den Beklagten überlebte. Da der der Klägerin zustehende Anspruch auf Freiheit ihrer eigenen Eigentumshälften gegenüber dem Klagebegehren ein aliud sei, sei die Abweisung der Klage hinsichtlich der Hälfteanteile des Beklagten an den Liegenschaften EZ. 1630 und 2041 GB. G. zu bestätigen gewesen. Was die Liegenschaft EZ. 117 GB. G. betreffe, sei das erstgerichtliche Urteil in dieser Hinsicht nicht angefochten worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin weist mit Recht auf den Grundsatz des Gesetzes (§ 1266 ABGB.) hin, daß der an der Ehescheidung schuldlose Ehegatte keinen Nachteil erleiden und der schuldige Teil keinen unbilligen Vorteil erlangen darf. Ein solcher ungerechter Vorteil bestehe - wie die Klägerin meint - darin, daß der Beklagte nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes Hälfteeigentümer der Liegenschaften EZ. 1630 und 2041 GB. G bleiben würde, obwohl er in die Ehe nur ganz wenig eingebracht habe. Diese Argumentation ist deshalb unrichtig, weil die Liegenschaft EZ. 117 GB. G. nach dem erstgerichtlichen Urteil ohnedies der Klägerin, die sie in die Ehe eingebracht hat, zurückzustellen ist und die beiden anderen Liegenschaften während der Ehe angeschafft worden sind, ohne daß festgestellt worden wäre, daß sie aus dem Vermögen der Klägerin erstanden worden wären.

Wie der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (RiZ. 1960 S. 61, 1 Ob 360/55, 1 Ob 124/52, 2 Ob 313/49) zum Ausdruck gebracht hat, kann der an der Ehescheidung schuldlose Ehegatte statt der Teilung die Aufhebung der Gütergemeinschaft unter Lebenden verlangen. Der Entschluß wird davon abhängen, je nachdem, ob die Rechtswirkungen auf die eine oder die andere Art für ihn günstiger sind. Der schuldlose Ehegatte kann aber mangels einer Todfallsregelung in der Vereinbarung der Gütergemeinschaft nicht den Anspruch erheben, daß der Erbvertrag und das wechselseitige Testament, die mit der Gütergemeinschaft nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, als Teil der Abmachung über die Gütergemeinschaft angesehen und den Regeln des § 1266 ABGB. über die Behandlung der Gütergemeinschaft unterstellt werden. Die Rechtswirkung des Erbvertrages im Fall der Ehescheidung ergibt sich vielmehr aus der besonderen Bestimmung des vorletzten Satzes des § 1266 ABGB., wonach das Recht aus einem Erbvertrag dem schuldlosen Ehegatten auf den Todesfall vorbehalten bleibt. Dieser Vorbehalt bedeutet, anders als die Todesfiktion bei der Gütergemeinschaft, nichts anderes, als daß der schuldlose Ehegatte seine Rechte aus dem Erbvertrag zwar behält, sie aber nur im Fall des Überlebens geltend machen kann (so auch schon Zeiller, Kommentar zum ABGB., III/2 S. 660).

Die Untergerichte sind daher mit Recht zur Überzeugung gekommen, daß die Klägerin gegenwärtig auf die dem Beklagten zugeschriebenen Hälften der während der Ehe angeschafften Liegenschaften EZ. 1630 und 2041 GB. G. keinen Anspruch erheben kann.

Da der geltend gemachte Revisionsgrund nicht vorliegt, mußte der Revision der Erfolg versagt werden.

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