Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 4.668,35 (darin keine Barauslagen und S 424,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit der am 4.4.1985 bei Gericht eingelangten Klage begehrte der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung eines Betrages von S 85.686,-- s.A. für Schadenersatz mit folgenden Behauptungen:
Der Erstbeklagte sei am 21.11.1984 mit dem LKW T 58.490, dessen Halter die Zweitbeklagte und dessen Haftpflichtversicherer die Drittbeklagte gewesen sei, auf dem Oberdorfweg in Stans zufolge eines Fahrfehlers zu nahe an den Fahrbahnrand gekommen, wodurch zufolge der übermäßigen Gewichtsbelastung des LKWs die Fahrbahndecke (Asphaltdecke) gebrochen und wodurch in weiterer Folge die daran anschließende Gartenmauer des Klägers beschädigt worden sei. Den Erstbeklagten treffe als Lenker ein Verschulden am Eintritt dieses Schadens. Die Zweit- und Drittbeklagte hafteten auch nach den Bestimmungen des EKHG.
Die Beklagten stellten außer Streit, daß der Erstbeklagte der Lenker des gegenständlichen LKWs, die Zweitbeklagte dessen Halter und die Drittbeklagte dessen Haftpflichtversicherer im Unfallszeitpunkt waren; ebenso S 1,-- vom Schaden des Klägers. Sie beantragten jedoch Klagsabweisung und wendeten ein, daß für den Oberdorfweg kein Fahrverbot für LKWs und auch keine Gewichtsbeschränkung bestehe. Der LKW sei überdies nicht voll beladen gewesen. Der Erstbeklagte, der den Auftrag gehabt habe, die Kläranlage des Raimund W*** zu entleeren, habe auf dessen Liegenschaft nicht wenden können und sei deshalb im Retourgang auf dem Oberdorfweg ganz langsam zurückgefahren. Daß dabei die Asphaltdecke gebrochen sei, wodurch der LKW in Schräglage geraten sei und die Gartenmauer des Klägers beschädigt habe, stelle ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG dar. Letztlich sei der Schade aber auf ein Eigenverschulden des Klägers zurückzuführen, der anläßlich der Asphaltierung des Weges seine Gartenmauer nicht mit der notwendigen Bewehrung versehen habe. Hilfsweise wurde noch eingewendet, daß den Kläger überdies ein Mitverschulden deshalb treffe, weil er als Mithalter des Weges, der von der Gemeinde asphaltiert worden sei, für eine entsprechende Erhaltung des Weges zu sorgen gehabt hätte.
Das Erstgericht wies mit Endurteil das Klagebegehren gegen den Erstbeklagten ab und stellte mit Zwischenurteil die Haftung der Zweit- und Drittbeklagten dem Grunde nach als zu Recht bestehend fest. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Oberdorfweg, der im Schadensbereich 3,5 m breit ist, führt an einem Hang entlang bergwärts. Zur Talseite hin ist er durch einen Zaun an der Grundgrenze zur Liegenschaft des Klägers abgegrenzt. Dieser Zaun ist auf der Gartenmauer des Klägers montiert. Der bis an die erwähnte Gartenmauer heranreichende Weg wurde seinerzeit durch die Gemeinde bei Kostenbeteiligung der Anrainer, damit auch des Klägers, asphaltiert. Das Befahren des Oberdorfweges, der eine Privatstraße darstellt, ist für LKWs nicht untersagt. Eine Gewichtsbeschränkung besteht nicht.
Am 22.11.1984 lenkte der Erstbeklagte den gegenständlichen LKW, der ein Eigengewicht von 10.160 kg und ein zulässiges Gesamtgewicht von 15.000 kg hat und 2,50 m breit ist, am Oberdorfweg bergwärts, um bei der Familie R*** die Klärgrube zu entleeren. Beim Bergwärtsfahren war im Bereich zur Liegenschaft des Klägers hin kein Schade an der Asphaltdecke sichtbar. Es bestand auch kein Anzeichen dafür, daß der Weg nicht in seiner gesamten asphaltierten Breite befahren werden könnte. Da beim Anwesen R*** keine Umkehrmöglichkeit besteht, fuhr der Erstbeklagte mit dem genannten LKW talwärts, wobei er eine Schrittgeschwindigkeit einhielt. Dabei lenkte der Erstbeklagte den LKW ziemlich knapp, nämlich 20 cm oder weniger, an den an die Gartenmauer des Klägers anschließenden Asphaltwulst heran. Durch das Gewicht des LKWs - dieser hatte ein Gesamtgewicht von ca. 14 t - wurde die Asphaltdecke im Bereich des linken hinteren Zwillingsrades eingedrückt, wodurch die Gartenmauer dem seitlichen Druck nicht mehr standhielt. Dabei wurde die Mauer beschädigt; deren Wiederherstellungskosten belaufen sich mindestens auf S 49.087,20. Dem Erstbeklagten wäre es möglich und zumutbar gewesen, eine weiter hangwärts gelegene Fahrlinie einzuhalten, zumal zu dieser Zeit kein weiterer Verkehr auf dem Oberdorfweg herrschte. Hätte der Erstbeklagte eine weiter hangwärts gelegene Fahrlinie gewählt, so wäre es zu einem Einbrechen der Asphaltdecke sowie zu einer Beschädigung der Gartenmauer nicht gekommen.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht eine Ersatzpflicht der Zweit- und Drittbeklagten mit der Begründung, daß ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG nicht vorliege. Bei äußerster Sorgfalt hätte der Erstbeklagte eine Fahrlinie wählen müssen, die nicht auf 20 cm oder weniger an den an die Gartenmauer anschließenden Fahrbahnrand mit dem dort befindlichen Asphaltwulst heranführt.
Infolge Berufung der Zweit- und der Drittbeklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes, das hinsichtlich der Abweisung des gegen den Erstbeklagten gerichteten Klagebegehrens unbekämpft geblieben war, dahin ab, daß auch das gegen die Zweit- und Drittbeklagte gerichtete Klagebegehren abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener, daß es sich bei der beschädigten Mauer um eine Stützmauer gehandelt habe, als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.
Als unabwendbar gelte ein Ereignis dann, wenn sowohl der Halter als auch der Lenker eines Fahrzeuges jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben. Darunter sei die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt zu verstehen. Als Maßstab hiefür sei die Sorgfalt eines sachkundigen, erfahrenen Fachmanns heranzuziehen. Diese äußerste Sorgfalt sei nur dann beachtet, wenn der Lenker eines Kraftfahrzeuges eine über die gewöhnliche Sorgfaltspflicht hinausgehende, besonders überlegene Aufmerksamkeit und Umsicht gezeigt habe. Obwohl also an die Sorgfaltspflicht strengste Anforderungen zu stellen seien, dürfe diese jedoch nicht überspannt werden, solle eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung vermieden werden. Im vorliegenden Fall sei nun davon auszugehen, daß an der Asphaltdecke kein Schade sichtbar war und auch keine Anzeichen dafür vorlagen, daß der Oberdorfweg nicht in seiner ganzen Breite befahren werden könnte. Wenn nun bedacht werde, daß bei einer Breite des Oberdorfweges von 3,5 m und einer Breite des LKWs von 2,5 m für die Seitenabstände nur je 0,5 m übrig blieben, dann könne darin, daß der Erstbeklagte beim Rückwärtsfahren auf 20 cm oder weniger an den rechten Fahrbahnrand und damit zur Gartenmauer herangefahren sei, kein Verstoß gegen die äußerste Sorgfaltspflicht erblickt werden, zumal auch keine objektiven Umstände festgestellt seien, aus denen sich - wie das Erstgericht vermeinte - ableiten ließe, daß der Fahrbahnrand "den geringsten Halt biete". Nach § 2 Z 2 StVO sei als Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße zu verstehen; der Erstbeklagte habe daher bei den gegebenen Umständen die gesamte asphaltierte Breite des Oberdorfweges benützen dürfen. Für den Erstbeklagten habe entgegen der Auffassung des Erstgerichtes auch bei Anwendung äußerster Umsicht und Sorgfalt, kein Anlaß bestanden, beim Rückwärtsfahren eine Fahrlinie zu wählen, die mehr bei der Böschung (hangwärts) gelegen gewesen sei. Das Berufungsgericht kam daher zum Ergebnis, daß der dem Kläger entstandene Schade auf ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG zurückzuführen sei und deshalb keine Ersatzpflicht der Zweit- und Drittbeklagten bestehe.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung "zur Gänze aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen".
Die Zweit- und die Drittbeklagte beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Das Berufungsgericht begründete seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision damit, daß soweit überschaubar, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen fehle, der Lösung dieser Rechtsfrage aber erhebliche Bedeutung zukomme.
Der Kläger versucht in seiner Revision darzutun, daß der Lenker des LKWs, dem es nach den Feststellungen möglich gewesen wäre, eine weiter hangwärts gelegene Fahrlinie zu wählen, die nach den Umständen des vorliegenden Falles mögliche und gebotene äußerste Sorgfalt nicht aufgewendet habe und daher dem Beklagten der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG nicht gelungen sei; sie hätten daher für den Schaden des Klägers nicht zu haften. Gemäß § 508 a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden.
Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit, daß es an der für ihre Bejahung erforderlichen Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO mangelt, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Zur Frage, wann eine derart erhebliche Rechtsfrage vorliegt, führt der Bericht des Justizausschusses zur ZVN 1983 (1337 BlgNR 15. GP 19) aus, daß durch die Bestimmung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sichergestellt werden sollte, "daß der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nur mit wichtigen, zumindest potentiell für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsamen Rechtsfragen befaßt wird, um seiner Leitfunktion besser gerecht werden zu können".
Die für die Revisionszulässigkeit im Zulassungsbereich maßgebliche Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Hat das Berufungsgericht im Sinne einer einheitlichen und von der Lehre anerkannten Rechtsprechung entschieden, dann kann die Zulässigkeit der Revision nur mit neuen bedeutsamen Argumenten begründet werden (Ausschußbericht aaO). Der Rechtsmittelwerber wird immer zu überlegen haben, ob sein Rechtsproblem potentiell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt (8 Ob 79/85 ua.).
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung allgemein erarbeiteten Grundsätze hinsichtlich der Voraussetzungen für die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG zutreffend dargelegt (ZVR 1984/243, ZVR 1985/51 ua.). Der Frage, ob nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles bei Anwendung dieser Grundsätze die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses gerechtfertigt war, oder aber, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung als jene der Vorinstanzen gerechtfertigt hätten, kommt keine zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zu, sodaß sie an den Obersten Gerichtshof mit einer Grundsatzrevision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht herangetragen werden kann (vgl. hiezu Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs)Recht, ÖJZ 1983, 177). Wohl ist auch in einem singulären, in seiner Tragweite über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Streitteile nicht hinausgehenden Fall zur Wahrung der Rechtssicherheit der Einzelfallgerechtigkeit insoweit Rechnung zu tragen, als die Revision dann für zulässig zu erachten ist, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht (1 Ob 795/83; 3 Ob 30/84; 8 Ob 517/85 u.a.). Hievon kann aber im vorliegenden Fall nach Auffassung des Revisionsgerichtes keine Rede sein. Es liegen somit die im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO normierten Voraussetzungen nicht vor. Das Berufungsgericht hat daher zu Unrecht die Zulässigkeit der Revision nach dieser Gesetzesstelle ausgesprochen, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen der dort umschriebenen Art abhängt. Auch in der Revision des Klägers wird die unrichtige Lösung derartiger Rechtsfragen nicht aufgezeigt.
Die Revision des Klägers war daher als unzulässig zurückzuweisen. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, waren ihm die Kosten für seine Revisionsbeantwortung zuzusprechen (§§ 41, 50 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)