Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern die mit 3.127,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 284,28 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Eigentümer der EZ 4490 KG Lustenau, die Beklagten je zur Hälfte Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft EZ 6092 KG Lustenau. Die Kläger haben den Beklagten vertraglich die Dienstbarkeit des unbeschränkten, unwiderruflichen und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes über die Grundparzelle 146/2 der EZ 4490 KG Lustenau eingeräumt.
Urspünglich befand sich bei der Einfahrt zum Grundstück der Kläger ein zweiflügeliges Eisentor. Dieses stand teilweise offen, teilweise war es geschlossen. Es konnte nicht versperrt werden. In der Folge ließen die Kläger die beiden Torflügel zusammenschweißen. Dieses nun größere Tor versahen sie mit einer elektrischen Schließvorrichtung, die am 14.11.1983 in Betrieb genommen wurde. Die Beklagten haben wegen der Inbetriebnahme dieses elektrischen Schließmechanismus gegen die Kläger eine Besitzstörungsklage eingebracht, mit der sie insoweit Erfolg hatten, als ausgesprochen wurde, die Kläger haben dadurch, daß sie ein Metalltor mit elektrischem Schließmechanismus angebracht haben, die Beklagten im ruhigen Besitz des ihnen zustehenden unentgeltlichen, unwiderruflichen und uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes gestört. Die Kläger wurden verpflichtet, weitere derartige Störungen zu unterlassen und den angebrachten elektrischen Schließmechanismus zu entfernen. Das Mehrbegehren, die Kläger schuldig zu erkennen, das Tor jederzeit offenzuhalten, wurde abgewiesen.
Die Vorinstanzen haben eingehende Feststellungen über das nunmehrige Tor und dessen Funktionsweise getroffen. Diesbezüglich kann auf die Darstellungen des Berufungsgerichtes (S.90 bis 93 d.A.) verwiesen werden.
Im Ergebnis stellten die Vorinstanzen fest, daß der elektrische Türschließmechanismus vom 14.11.1983 bis zum 21.5.1984 in Betrieb war und anstandslos funktionierte. Früher, als noch das zweiflügelige Tor vorhanden war, war dessen rechter Flügel durch einen Riegel im Boden befestigt. Diese Befestigung ragte über das Niveau der Fahrbahn hinaus. Nunmehr ist diese Befestigung nicht mehr erforderlich und auch nicht mehr vorhanden.
Die Zeitungsausträgerin, die den Beklagten die Zeitung bringt, hatte keinerlei Schwierigkeiten mit der elektrischen Torschließanlage. Sie öffnet das Tor entweder händisch oder mittels Knopfdrucks.
Die Gemeinde räumt auf freiwilliger Basis den Weg zum Haus der Beklagten, jedoch nur, wenn das Tor geöffnet ist.
Besucher der Beklagten haben keine Schwierigkeiten, diese zu erreichen.
Die Vorinstanzen haben dem Feststellungsbegehren, durch den Betrieb einer elektrischen Torschließanlage anstelle des machanisch zu öffnenden und zu schließenden Tores werde die Dienstbarkeit der Beklagten nicht beeinträchtigt, stattgegeben. Rechtlich führten sie aus, die Beklagten müßten eine Modifizierung ihrer Dienstbarkeit dann in Kauf nehmen, wenn hiedurch für sie keine wesentliche Erschwerung eintreten sollte. Dies sei hier der Fall, weil eine Öffnung des nunmehrigen Tores nicht schwieriger zu bewerkstelligen sei als eine Öffnung des früheren. Insbesondere für das Passieren mit Kraftfahrzeugen stelle das nunmehrige Tor eine Erleichterung dar, weil es mittels eines Piepsers vom Fahrzeug aus geöffnet werden könne, während früher eine Person das Kraftfahrzeug zwecks Öffnen des geschlossenen Tores verlassen hätte müssen. Irgendwelche schikanöse Beeinträchtigungen der Beklagten durch die Kläger seien nicht festgestellt worden.
Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt und die Revision für zulässig erklärt.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Was die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens anlangt, ist zwar richtig, daß eine solche gemäß § 228 ZPO nur gegeben ist, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung hat. Aus der gesetzlichen Formulierung des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung ergibt sich, daß ein unmittelbarer akuteller Anlaß zur Klagsführung gegeben sein muß. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Rechtsposition des Klägers gefährdet erscheint. Das rechtliche Interesse muß sich unmittelbar aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben (Fasching Zivilprozeßrecht Rdz 1097 ff).
Das rechtliche Interesse an der Feststellung des genauen Inhaltes eines zwischen den Streitteilen bestehenden Dauerschuldverhältnisses ist in der Regel immer dann gegeben, wenn der Inhalt dieses Rechtsverhältnisses strittig ist. Insbesondere muß das dann angenommen werden, wenn es einem der Vertragspartner mittels einer Besitzstörungsklage gelungen ist, dem anderen Vertragspartner die Ausübung des Rechtes in einem Umfang, den er anstrebt, unmöglich zu machen. In einem solchen Fall besteht auf jeden Fall ein rechtliches Interesse an der Feststellung des genauen Inhaltes dieses Rechtsverhältnisses.
Im vorliegenden Fall steht zwar die Dienstbarkeit der Beklagten fest, doch ist deren genauer Inhalt strittig. Die Beklagten haben diesbezüglich in einem Besitzstörungsprozeß eine für die Kläger nachteilige Entscheidung erwirkt. Aus diesem Grunde muß den Klägern das Recht zugebilligt werden, den materiellen Umfang ihres Rechtes darzutun. Dies kann zweckmäßigerweise nur mit einer Feststellungsklage geschehen. Aus diesem Grunde erweist sich die Feststellungsklage als im Sinne des § 228 ZPO zulässig. Richtig ist, daß nach § 484 ABGB eine Dienstbarkeit nicht erweitert oder ihrem Zweck widersprechend eingeschränkt werden darf. Nur eine die Belastung des dienenden Gutes erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden Gutes stellt eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar (SZ 54/154, SZ 52/99 u. a.). Dies muß aber auch für den umgekehrten Fall gelten. Das Ausmaß der Dienstbarkeit, der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (SZ 53/149, SZ 56/60, RZ 1985/27 u.a.). Wird daher durch eine Maßnahme des Belasteten die dem Zweck der Ausübung der Dienstbarkeit entsprechende Benützungsmöglichkeit durch den Berechtigten nicht beeinträchtigt, so kann von einer Verletzung der Dienstbarkeit durch den Belasteten nicht gesprochen werden. Im vorliegenden Fall ist der Zweck der Dienstbarkeit, den Beklagten die Benützung des Weges zu ermöglichen. Bereits bei Einräumung der Dienstbarkeit war ein Tor vorhanden, das geschlossen werden konnte und das auch teilweise geschlossen war. Die Beklagten hatten also nur einen Anspruch darauf, ungeachtet dieses Tores den Weg ungehindert benützen zu können, wobei sie auf Grund des Zustandes bei Einräumung der Dienstbarkeit ein Offenhalten des Tores nicht verlangen konnten. Sie mußten daher in Kauf nehmen, daß sie dieses Tor, falls es geschlossen war, zu öffnen hatten. Der damit für sie verbundene Mehraufwand stellte demnach keine Beeinträchtigung ihrer Dienstbarkeit dar. Nach den getroffenen Feststellungen wurde durch die Errichtung des neuen Tores die Situtation für die Beklagten nicht verschlechtert. Auch das neue Tor läßt sich durch die Beklagten problemlos öffnen. Es bildet auch kein größeres Hindernis für die Erreichung der Beklagten, als das seinerzeitige Tor. Insbesondere wurde nicht festgestellt, daß dieses Tor den Klägern größere Möglichkeiten zu einer schikanösen Beeinträchtigung der Servitutsausübung durch die Beklagten bieten würde als das alte Tor. Vor allem ist aber nicht festgestellt worden, daß die Kläger überhaupt einen Versuch in dieser Richtung unternommen hätten oder beabsichtigen.
Mit Recht haben daher die Vorinstanzen erkannt, daß durch die Errichtung des neuen Tores keine Beeinträchtigung der Dienstbarkeit der Beklagten eingetreten ist, weshalb dem Klagebegehren stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, doch war hiebei von dem von den Klägern in der Klage angegebenen Streitwert auszugehen. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nur für die Zulässigkeit der Revision, nicht aber für die Kostenbemessung maßgebend.
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